Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 16.05.2024 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 12 U 173/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0516.12U173.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 20.09.2023 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O 255/22, teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. an den Kläger zu 1. einen weiteren Betrag i. H. v. 2.500 € zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.11.2022 zu zahlen;
2. die Kläger von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 319,87 €
freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger jeweils selbst.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000 € festgesetzt.
I.
Die Kläger machen Hinterbliebenengeld geltend. Am XX.XX.2020 fuhr die Mutter des Klägers, Frau (Name), gegen 10:45 Uhr mit dem Fahrrad entlang der (Straße) in (Ort 1) in Fahrtrichtung (Ort 2) auf der linken Fahrbahnseite auf einem kombinierten Fuß- und Radweg, der für die Fahrtrichtung nicht freigegeben war. Der Beklagte zu 1 führte einen von der Beklagten zu 2 gehaltenen Bus mit dem amtlichen Kennzeichen … ebenfalls in Fahrtrichtung (Ort 2) und hielt mit sichtbar eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger auf der Linksabbiegerspur vor den Bahnschranken in Höhe der Buswendeschleife. Nachdem ihm ein entgegenkommender Kfz-Führer per „Lichthupe“ angezeigt hatte, ihn fahren zu lassen, fuhr er bis zur Haltelinie der Linksabbiegerspur vor, vergewisserte sich hinsichtlich des bevorrechtigten Verkehrs und bog mit etwa 9 km/h in die Buswendeschleife ein. Als der Bus den Fuß- und Radweg bereits bis zu „seinem Gelenk“ des 18,1 m langen Busses überfahren hatte, kam es zur Kollision mit Frau (Name), die ohne zu bremsen unmittelbar vor dem Kontakt mit der linken Busseite nach links steuerte. Frau (Name) stürzte, geriet mit dem rechten Arm unter den Bus und verstarb wenige Stunden später an den Unfallfolgen.
Der Beklagte zu 1 ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 16.12.2022, Az.: 84 Ds 486 Js 4127/21, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Der Kläger und seine Lebensgefährtin, die Klägerin zu 2, haben vorgetragen, sie lebten seit 7 Jahren zusammen in einem eigenen Haushalt und hätten ein inniges und bezüglich der Klägerin zu 2 ein elternähnliches Verhältnis gehabt. Nach dem Versterben hätten sie sich anstelle der Mutter um den Vater des Klägers kümmern müssen, der zunehmend abgebaut habe und pflegebedürftig geworden sei. Besonders schwer sei es auch gewesen, den Tod ihrem gemeinsamen Kind zu vermitteln. Aufgrund des Versterbens stünde ihnen jeweils ein Hinterbliebenengeld von 50.000 € zu.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Beklagte zu 1 habe den Abbiegevorgang vorschriftsgemäß durchgeführt und Frau (Name) nicht sehen und daher den Unfall auch nicht vermeiden können. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen (Name) habe sich Frau (Name) zum Zeitpunkt des Blicks in den Außenspiegel des Busses noch 30,3 m vom späteren Ort der Kontakteinleitung befunden und sei durch das dort befindliche Wartehäuschen verdeckt gewesen. Zudem habe die verbotswidrig auf falscher Fahrbahnseite fahrende Frau (Name) nicht gebremst, obwohl es ihr möglich gewesen wäre, rechtzeitig zum Halt zu kommen.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von jeweils 2.500 € zuzüglich Zinsen und Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 659,74 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, ein Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG komme nicht in Betracht. Auch den nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG möglichen Entlastungsbeweis hätten die Beklagten nicht geführt. Nach dem Ergebnis des Strafverfahrens und dem dort eingeholten Gutachten des Sachverständigen (Name) stehe nicht fest, dass der Unfall für den Beklagten zu 1 vermeidbar gewesen wäre. So hätte der Beklagte zu 1 die Unfallgefahr absehen können, wenn er in Vorbereitung des Linksabbiegens einen ausgeprägten, mit der notwendigen Sorgfalt ausgeführten Blick nach links durchgeführt hätte. Dann hätte er die Annäherung der Frau (Name) wahrnehmen können. Hätte er dann vom Abbiegen abgesehen, wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Zugleich liege darin ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 S. 1 StVO. Die Beklagten hätten insoweit auch nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen dürfen. Mithin hafteten die Beklagten gemäß § 10 StVG, § 844 BGB auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes, wobei auch die Klägerin zu 2 anspruchsberechtigt sei. Denn im Ergebnis der Anhörung gehe die Kammer davon aus, dass auch in diesem Verhältnis eine Intensität der Beziehung vorgelegen habe, wie sie bei nahen Angehörigen typisch sei. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs sei das seelische Leid maßgebend. Hierbei sei über das bei nahen Angehörigen anzunehmende Leid hinaus nicht nachgewiesen, dass der empfundene Schmerz der Kläger weit über dieses Maß hinausgehe, die notwendig werdende Pflege des Vaters des Klägers habe keinen Einfluss auf die Bemessung. Nachdem der Gesetzgeber von einem Regelwert von 10.000 € ausgehe und sich der Ersatzanspruch an Schockschäden orientieren solle, werde der Regelbetrag als Ausgangspunkt herangezogen. Allerdings sei das Verschulden der Verletzten zu berücksichtigen. Denn der Anspruchsberechtigte solle nicht besser gestellt sein, als der Verletzte selbst. Danach habe Frau (Name) erheblich selbst zur Unfallverursachung beigetragen, so dass in der Gesamtabwägung eine Zahlung von jeweils 2.500 € verbleibe. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen wird auf das Urteil Bezug genommen.
Die Kläger haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 21.09.2023 zugestellte Urteil mit einem am 20.10.2023 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 16.11.2023 begründet. Sie führen aus, das Landgericht habe das mit Schriftsatz vom 16.08.2023 vorgetragene und mit der Berufung wiederholte seelische Leid nicht ausreichend gewürdigt. Das Mitverschulden sei zu hoch berücksichtigt worden; wegen des Alters der Verstorbenen hätte es wie bei einem Kind beurteilt werden müssen.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen, allerdings im Antrag zu Ziff. 1.) beschränkt, die Beklagten jeweils zur Zahlung von 25.000,- Euro nebst beantragter Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufungsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO. Zwar setzen sich die Kläger in der Berufungsbegründung mit den Ausführungen des Landgerichts nicht weiter auseinander, sondern wiederholen teilweise wortwörtlich ihren schriftlichen Vortrag aus der ersten Instanz. Mit der Rüge, das Landgericht habe das Mitverschulden und den Grad des erlittenen Leids bei der Bemessung der Höhe des Hinterbliebenengeldes falsch gewichtet, machen sie in noch ausreichendem Maße Rechtsfehler geltend, auf denen das Urteil beruhen kann.
Die Kläger begehren mit der Berufung, was sie auf Nachfrage klargestellt haben, jeweils insgesamt 25.000 €. Die Berufung des Klägers zu 1 hat teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie wie auch die Berufung der Klägerin zu 2 unbegründet.
1. Wie das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat, hat der Kläger zu 1 dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 3 StVG. Nach den gleichlautenden Bestimmungen in § 844 Abs. 3 BGB und § 10 Abs. 3 StVG, die mit dem Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vom 17. Juli 2017 neu geschaffen worden sind, hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21 –, BGHZ 235, 254-265, Rn. 9).
a) Dass Frau (Name) bei Betrieb eines vom Beklagten zu 1 geführten und vom Beklagten zu 2 gehaltenen Kraftomnibusses tödlich verletzt wurde, steht außer Streit.
b) Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 StVG findet vorliegend keine Anwendung, da die verstorbene Frau (Name) lediglich mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilnahm.
c) Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass auch der Beklagte zu 1 neben der Halterin gemäß § 18 Abs. 1 StVG für die Schäden eintreten muss. Denn er hat den ihm obliegenden Beweis, dass er die ihm obliegende Sorgfalt nicht verletzt hat oder der Unfall nicht auf einer solchen Verletzung beruht, nicht geführt (vgl. zu dieser Voraussetzung: Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 18 StVG (Stand: 16.05.2022), Rn. 53). Zu Lasten der Beklagten ist insoweit ein Verstoß gegen § 9 StVO zu berücksichtigen, weil der Beklagte zu 1 dem Erfordernis, vor dem Abbiegen eine doppelte Rückschau zu halten, nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts treten die Beklagten mit der Berufung nicht entgegen.
d) Die Haftung tritt auch nicht wegen eines nach § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB überwiegenden Verschuldens der Fahrradfahrerin vollständig zurück. Allein der Umstand, dass der Geschädigte vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hat oder bei der gebotenen Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen und sich selbst verkehrsrechtswidrig verhalten hat, begründet nicht ohne weiteres einen solchen Verursachungsanteil, demgegenüber der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers stets zurücktreten oder auch nur weniger schwer wiegen müsste. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des konkreten Einzelfalls. Der Grad der Pflichtverletzung des Geschädigten ist in die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge einzubeziehen (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – III ZR 326/12 –, Rn. 23 - 24, juris). Danach hat Frau (Name) zwar durch Benutzung des in ihrer Fahrtrichtung nicht freigegebenen Geh- und Radweges gegen § 2 StVO verstoßen. Die Regelungen des Absatzes 4 Sätze 3 und 4 enthalten das Gebot, einen Radweg in Fahrtrichtung zu benutzen. Das Benutzen des linken Radwegs ist daher verkehrswidrig, soweit es wie hier nicht ausdrücklich zugelassen ist, Satz 4. Dabei ist sie in besonderer Weise unachtsam gefahren und hat trotz ausreichender Möglichkeit auf den herannahenden und zweifellos erkennbaren Bus nicht durch rechtzeitiges Bremsen oder Ausweichen angemessen reagiert, obwohl ihr dies bei einer Geschwindigkeit von ca. 17 km/h und einem Abstand zur Kollisionsstelle zu Beginn des Abbiegevorganges des Busses von 20,9 m bei einem Bremsweg von 5,4 bis 10,4 m möglich gewesen wäre. Denn der mit maximal 9 km/h langsam fahrende Bus war zum Zeitpunkt der Kollision bereits bis zum Gelenk in den späteren Kollisionsbereich eingefahren. Erst unmittelbar vor der Kollision erfolgte ein Ausweichversuch nach links. Dass dieser Verkehrsverstoß schuldhaft erfolgte, unterliegt trotz der ebenfalls geschilderten unsicheren Fahrweise keinen Zweifeln. Die Kläger selbst tragen vor, Frau (Name) sei eine fitte, aktive und im Leben stehende Person gewesen; sie sei eine der sportlichsten, fröhlichsten, aktivsten und lebensbejahenden Senioren gewesen, die die Klägerin gekannt habe. Zudem habe sie alles im Haushalt einschließlich Behördenpost auch für ihren Mann geregelt. Vor diesem Hintergrund besteht auch kein Anlass, Frau (Name) haftungsrechtlich „wie ein Kind“ zu behandeln.
Gegenüber dem fließenden Verkehr – insbesondere mit Blick auf abbiegende Fahrzeuge – steht ihr gleichwohl ein Vorfahrtsrecht zu. Denn die Regelung über die Benutzung linker Radwege bezweckt nur den Schutz des Gegen- und Überholverkehrs auf dem Radweg, nicht des Einbiege- und Querverkehrs (Müther in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 2 StVO (Stand: 01.06.2023), Rn. 68; BGH, Beschluss vom 15. Juli 1986 – 4 StR 192/86 –, BGHSt 34, 127-132, Rn. 9).
Mithin liegt hier auf Seiten der Verstorbenen zwar ein erheblicher Verursachungsbeitrag für das Unfallgeschehen vor. Dieser wiegt jedoch wegen der besonderen Anforderungen, die an einen Linksabbieger gestellt werden, und der daraus abgeleiteten besonderen Gefährlichkeit des Fahrmanövers nicht so schwer, dass er vollständig zurücktreten müsste.
2. Als Hinterbliebenenentschädigung sieht der Senat in der Gesamtabwägung einen Anspruch des Klägers zu 1 von insgesamt 5.000 € als angemessen an.
a) Dass der Kläger zu 1 als Sohn der Getöteten dem Grunde nach anspruchsberechtigt ist, steht außer Frage.
b) Bei der Bemessung der Höhe des Hinterbliebenengeldes ist das Gesamtsystem des Ersatzes immaterieller Schäden zu beachten. Einerseits diente die Einführung des Anspruchs dem Zweck, den Hinterbliebenen auch für Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle einer hier nicht vorliegenden Gesundheitsverletzung einen Anspruch auf angemessene Entschädigung einzuräumen. Die Entschädigung soll seelisches Leid lindern, das diese Schwelle nicht erreicht. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss aber der den Hinterbliebenen im Einzelfall zuerkannte Betrag im Regelfall hinter demjenigen zurückbleiben, der ihm zustände, wenn das von ihm erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte. Maßgebend für die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist die Intensität und die Dauer des erlittenen seelischen Leids sowie der Grad des Verschuldens des Schädigers (BeckOK BGB/Spindler/Scheuer, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 844 Rn. 46). Welcher Betrag "angemessen" ist, um das den Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid gemäß § 844 Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 3 StVG in Geld zu entschädigen, ist nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Bemessung des einem Geschädigten gemäß § 253 Abs. 2 BGB zustehenden Schmerzensgelds abzuwägen. Mithin verbietet sich bei der Bemessung eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Beeinträchtigungen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Höhe der Entschädigung in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls an den von der Rechtsprechung sonst bei der Bemessung angewandten Maßstäben zu orientieren. Insoweit ist - wie das Landgericht überzeugend herausgearbeitet hat - auch ein Mitverschulden der Verstorbenen zu berücksichtigen (vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 31. August 2020 – 12 U 870/20 –, Rn. 22ff, juris). Dabei stellt die vom Gesetzgeber angesprochene Höhe von 10.000 € lediglich eine Orientierungshilfe und keine Obergrenze für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21 –, BGHZ 235, 254-265, Rn. 17f).
c) Nach den überzeugenden Ausführungen der Kläger hatte der Kläger zu 1 eine enge Beziehung zu seiner Mutter, die durch regelmäßigen persönlichen Kontakt, gemeinsame Feiern und Urlaube geprägt ist. Insoweit erscheint es nachvollziehbar, dass ihn die Nachricht vom Tod seiner Mutter erheblich getroffen hat. Ebenso liegt es auf der Hand, dass es emotional schwierig war, den Tod dem damals 3,5 Jahre alten Sohn zu vermitteln, der damit seine Oma und enge Bezugsperson verloren hat. Zu berücksichtigen ist insoweit aber auch, dass der Kläger mit beiden Beinen eigenständig im Leben stand, eine eigene Familie und einen eigenen Hausstand unabhängig vom elterlichen Haus gegründet hatte. Mithin handelt es sich hier um Trauerarbeit, wie sie jeder Angehörige mit einer engen persönlichen Beziehung zum Verstorbenen leisten und bewältigen muss. In die Gesamtabwägung einbezogen hat der Senat auch die besondere Belastung des Klägers, die zunächst dadurch entstanden ist, dass dessen Vater das Versterben seiner Ehefrau nicht zu bewältigen vermochte und vermehrt Pflegebedarf entwickelte. So hatte vor dem Unfall die Verstorbene den Haushalt geführt, während der Vater die Pflege des Gartens und handwerkliche Tätigkeiten übernahm. Nach dem Unfalltod benötigte er vor allem organisatorische Unterstützung, die ihm der Kläger gab. Nachfolgend kam es zu einem gesundheitlichen Abbau des Vaters mit allen Konsequenzen für den unterstützenden Sohn bis hin zur Unterbringung in einem Pflegeheim. Insoweit ist es nachvollziehbar, wenn die anerkennenswerte Sorge um den Vater und dessen gesundheitlichen Zustand die Trauerarbeit wegen des Versterbens der Mutter zunächst beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 161/22 –, Rn. 20 - 21, juris). Den Schilderungen ist jedoch zu entnehmen, dass die persönlichen Belastungen zunehmend nicht im Zusammenhang mit der Trauerbewältigung standen, sondern vielmehr von der anerkennenswerten Sorge um den Vater geprägt war. Diese emotionalen Belastungen werden jedoch nicht mehr vom Hinterbliebenengeld erfasst.
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um einen auf Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1 beruhenden Verkehrsunfall gehandelt hat, der in erheblichen Maße durch die Verstorbene mitverursacht wurde. In der Gesamtschau hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber gegebenen Orientierung deshalb ein Hinterbliebenengeld von insgesamt 5.000 € für angemessen.
3. Die Klägerin zu 2 hat keinen über den bereits tenorierten Betrag hinausgehenden Anspruch.
a) Ob die Klägerin zu 2 ebenfalls zum berechtigten Personenkreis gehört, unterliegt erheblichen Zweifeln. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift einen Ausnahmefall für die im Übrigen engen Grenzen des Ersatzes von immateriellen Schäden begründet und den Kreis der Berechtigten eng gezogen. Anspruchsberechtigt sind danach die Hinterbliebenen, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen. Dieses liegt regelmäßig vor, wenn nahe Familienangehörige betroffen sind. Dazu zählen der Ehegatte, der Lebenspartner, die Eltern und die Kinder des Getöteten. Für diese besteht eine gesetzliche Vermutung des besonderen persönlichen Näheverhältnisses. Anspruchsberechtigt können daneben andere Personen sein, die jedoch die Umstände, aus denen sich ihr besonderes persönliches Näheverhältnis zum Getöteten ergibt, darlegen und gegebenenfalls beweisen müssen. Für das Vorliegen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ist die Intensität der tatsächlich gelebten sozialen Beziehung erheblich. Die Beziehung muss eine Intensität aufweisen, wie sie in den in Satz 2 aufgeführten Fällen typischerweise besteht. Die Verbundenheit zwischen dem Getöteten und seinen Hinterbliebenen muss folglich den gesetzlich vermuteten besonderen persönlichen Näheverhältnissen entsprechen. Wenn dies vorliegt, können zum Beispiel Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Verlobte (auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Stief- und Pflegekinder sowie Geschwister des Getöteten zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören (BT-Drs. 18/11397, S. 13).
Die Klägerin zu 2 zählt als Lebensgefährtin des Klägers zu 1 zu keinem der in der Gesetzesbegründung besonders genannten Personen. Denn sie steht in keinem direkten verwandtschaftlichen Verhältnis zur Verstorbenen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Celle (Beschluss vom 21. September 2022 – 5 U 97/22 –, Rn. 6, juris). Denn dort lag das Näheverhältnis einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zueinander und nicht – wie hier – der Lebenspartnerin zu den „Schwiegereltern“ zugrunde. Andererseits wird in der Literatur ein Näheverhältnis im Sinne des § 844 Abs. 3 BGB zwischen Schwiegereltern und Schwiegertöchtern bzw. Schwiegersöhnen unter Verweis auf eine Entscheidung des Landgerichts München (vom 17.5.2019 - 12 O 4540/18 -, Rn 29) für denkbar erachtet (Staudinger/Röthel/Croon-Gestefeld (2023) BGB § 844, Rn. 267). Die Entscheidung des dortigen Landgerichts enthält jedoch keine Auseinandersetzung mit der rechtlichen Problematik. Im Ergebnis ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei nicht jede, wenn auch gute persönliche Beziehung zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter ausreichen wird, um ein Verhältnis zu begründen, wie es auch zwischen dem Kind und seinen Eltern bzw. engen Lebenspartnern untereinander prägend ist. Das wird in den Schilderungen der Klägerin zu 2 nicht deutlich. Die Beziehung zum Sohn der Getöteten bestand zwar seit sieben Jahren. Zu keinem Zeitpunkt wurde jedoch eine häusliche Gemeinschaft der Klägerin zu 2 und der Verstorbenen begründet. Beschrieben wird ein gutes Verhältnis zueinander, das im Wesentlichen durch die Teilnahme an Feierlichkeiten und nicht näher beschriebenen Urlauben sowie regelmäßigen Besuchen charakterisiert wird, wie sie in intakten Familien üblich sind. Eine besondere, darüber hinausgehende Nähe oder Vertraulichkeit wird nicht beschrieben. Die Betreuung des Sohnes der Kläger durch Frau (Name) beruht nicht auf der Beziehung zur Klägerin zu 2, sondern vielmehr auf der zu ihrem Enkelkind. Mithin ist davon auszugehen, dass zwar ein sehr gutes persönliches Verhältnis bestand, das jedoch nicht den Grad erreicht, wie er für ein besonderes Näheverhältnis im Sinne des § 844 Abs. 3 BGB bzw. § 10 Abs. 3 StVG prägend ist.
b) Letztlich kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn das Landgericht hat insoweit unangefochten ein Hinterbliebenengeld von 2.500 € zugesprochen. Darüber hinaus besteht auch bei Annahme eines Anspruchsgrundes kein Zahlungsanspruch. Denn bereits aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung der Verstorbenen für die Anspruchstellerin und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung lassen sich indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21 –, BGHZ 235, 254-265, Rn. 15; Steenbuck: Das Hinterbliebenengeld, r+s 2017, 449). Dabei ist auch hier im Ausgangspunkt die emotional belastende Situation, wie sie für den Kläger zu 1 beschrieben wird, festzustellen. Auch die Klägerin zu 2 war vom Tod der Mutter des Klägers zu 1 betroffen. Ihr stand die Trauer ihres Sohnes um die Großmutter vor Augen und sie hatte die Schwierigkeit der Vermittlung der Situation zu bewältigen. Auch hat sie sich um den Vater des Klägers zu 1 gesorgt und dessen Versorgung in einer insgesamt schwierigen Zeit sichergestellt. In den Schilderungen der Klägerin zu 2 vor dem Senat wurde jedoch deutlich, dass für sie die Trauer und Sorge um ihr Kind und ihren Lebensgefährten im Vordergrund stand. Sie machte insoweit einen gefestigteren Eindruck als der Kläger zu 1. Dies ist naturgemäß Ausdruck der nicht so engen familiären Beziehung und Bindung zur Verstorbenen. Dies rechtfertigt es, ohne die sozial anerkennenswerten Leistungen der Klägerin zu 2 herabzusetzen, in der Gesamtschau ein geringeres Hinterbliebenengeld als für den Kläger zu 1, mithin ein nicht über 2.500 € hinausgehendes zuzusprechen.
4. Der dem Kläger zu 1 zuzusprechende weitere Betrag von 2.500 € ist erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Ein früherer Verzugseintritt kommt mangels wirksamer Mahnung nicht in Betracht. Die mit der Klage geltend gemachte Forderung war weit überhöht. Die unverhältnismäßig hohe Zuvielforderung lässt die Mahnung in dem Umfang des tatsächlich bestehenden Anspruchs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben so in den Hintergrund treten, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist (BGH, NJW 1991, 1286).
5. Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sind im Gegenstandswert entsprechend den berechtigten Forderungen als Schadensersatz zu berücksichtigen. Das Landgericht geht - auch wenn dies aus der Begründung nicht deutlich wird - zu Recht von einer Angelegenheit unter Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber aus. Allerdings haben die Kläger nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Erhöhung des (Grund-)Gebührensatzes auf 1,6 gerechtfertigt ist. Es handelt sich hier um einen durchschnittlichen Fall, der allein den Ansatz eines Gebührensatzes von 1,3 rechtfertigt. Erstattungsfähig sind danach bei einem Gegenstandswert von 7.500 €: 502 € x (1,3 + 0,3) + 20 € + MWSt. = 979,61 €. Abzgl. bereits zugesprochener 659,74 € verbleibt ein weiterer Freistellungsanspruch von 319,87 €. Ein Zinsanspruch besteht insoweit nicht. Denn ein Freistellungsanspruch ist keine Geldschuld i.S.d. des § 288 BGB [Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 288 BGB (Stand: 11.12.2023), Rn. 11].
6. Den Klägern war auf deren Antrag kein Schriftsatznachlass zu gewähren. Die in der mündlichen Verhandlung erörterte Zulässigkeit der Berufung ist vom Senat im Ergebnis bejaht worden. Zudem waren beide Kläger persönlich anwesend. Die vom Senat angesprochenen Fragen konnten umfassend erörtert werden. Die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 2, haben von der eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme und Darstellung der Situation auch Gebrauch gemacht. Zudem wurde kein Gesichtspunkt angesprochen, der bislang nicht Gegenstand von Erörterungen war und zu denen sich die Kläger nicht äußern konnten.
Die im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.05.2024 erfolgten Ausführungen waren bereits Gegenstand der Erörterungen und geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
7. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 2 Nr. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das teilweise Obsiegen der Kläger ist im Verhältnis zur Gesamtforderung und den Gesamtkosten nur geringfügig. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 48 GKG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.