Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 06.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 2 AR 2/24 (Pausch) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0606.2AR2.24PAUSCH.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antragstellerin wird anstelle der gesetzlichen Gebühren für ihre Tätigkeit als bestellter Beistand des Verfolgten eine Pauschvergütung in Höhe von 569,25 Euro bewilligt.
Bereits angewiesene gesetzliche Gebühren für einen gerichtlich bestellten Beistand sind anzurechnen.
Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.
I.
Die Antragstellerin begehrt als bestellter Beistand des Verfolgten in einem Auslieferungsverfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) mit näherer Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Festsetzung einer die bereits angewiesenen Gebühren für das Verfahren in Höhe von 348,00 Euro netto (d. H. ohne Auslagen und Umsatzsteuer) übersteigenden Pauschgebühr, die der Höhe nach nicht näher beziffert wird. Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse ausführlich Stellung genommen und in seiner der Antragstellerin bekannt gegebenen Stellungnahme vom 27. März 2024 die Auffassung vertreten, dass eine (zusätzliche) Pauschgebühr nicht gerechtfertigt ist.
II.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 RVG, der auch - wie hier - auf die gesetzlichen Gebühren eines nach § 40 RVG IRG beigeordneten Pflichtbeistands anwendbar ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 AR 99/15, BeckRS 2016, 133705, Rn. 4 m. w. N.), liegen vor und rechtfertigen eine angemessene Pauschvergütung in der tenorierten Höhe.
Nach der Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte (vgl. OLG Koblenz, a. a. O., Rn. 6 m. w. N.; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Vorbem. 6 VV, Rn. 18 m. w. N.), der sich der Senat angeschlossen hat (Beschluss vom 20. April 2023 - 2 AR 3/23 (Pausch)), kann in Auslieferungssachen nach dem IRG - ebenso wie generell in Strafsachen - eine Pauschvergütung dann bewilligt werden, wenn entweder der besondere Umfang der Auslieferungssache und /oder deren besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten den Beistand veranlassen, eine über das Maß normaler Bemühungen in Auslieferungssachen erheblich hinausgehende Tätigkeit zu entfalten, und wenn sich deshalb die nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG für einen Pflichtbeistand vorgesehene Vergütung als unzumutbar niedrig erweist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20. Februar 2019 - P 301 AR 8/19, BeckRS 2019, 2545 Rn. 2; Senat, a. a. O.). Dies ist nach Bewertung und Abwägung aller die Tätigkeit der Antragstellerin prägenden maßgeblichen Umstände vorliegend der Fall.
Zunächst war der überdurchschnittliche zeitliche Aufwand der Antragstellerin im Rahmen der Teilnahme an der Vernehmung des Verfolgten beim Amtsgericht Königs Wusterhausen gemäß §§ 21, 22, 28 IRG zu beachten. Hierfür erhält ein Rechtsanwalt nach gefestigter Rechtsprechung keine gesonderte Terminsgebühr (vgl. Burhoff/Volpert, a. a. O., Nr. 6002 VV RVG Rn. 5 m. w. N.). Dieser Umstand kann jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG bei der Bewilligung einer Pauschgebühr berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30. März 2006 2 (S), Sbd. IX 43/06, BeckRS 2006, 571 Rn. 18).
Insbesondere ist aber im vorliegenden Fall maßgeblich, dass sich das Verfahren wegen des - bei Auslieferungssachen zwar grundsätzlich und regelmäßig gegebenen - Auslandsbezug sowie wegen der erforderlichen Befassung mit speziellen Problemen des materiellen und formellen ausländischen Straf- und Auslieferungsrechts unter den vorliegenden Umständen als außergewöhnlich schwierig und aufwändig gestaltet hat. Denn der dem Auslieferungsverfahren zugrunde liegende Haftbefehl bezog sich auf einen Tatvorwurf, der von dem Verfolgten bestritten wurde und gegen den er sich verteidigen wollte. Hierzu hat die Antragstellerin kurzfristig Kontakt zu dem diese Angelegenheit (Verkehrsunfall im Ausland) betreuenden deutschen Anwalt aufgenommen, um in der Sache substantiierte (und erst dadurch erfolgversprechende) Einwendungen gemäß §§ 10 Abs. 2, 23 IRG vortragen zu können. Dies ist mit Anwaltsschriftsatz vom 11. April 2023 geschehen. Darin wird der von der Antragstellerin betriebene besondere Aufwand dokumentiert. Die schriftsätzlich vorgetragene Faktenlage hat dann dazu beigetragen, dass der Auslieferungshaftbefehl außer Vollzug gesetzt worden ist. Hinzu tritt, dass die Antragstellerin nach der erneuten Festnahme des Verfolgten in („Land 01“) besondere Anstrengungen (Telefonate bzw. Schriftverkehr mit dem Senat, der Generalstaatsanwaltschaft sowie den („Staatsangehörigkeit 01“) Behörden) unternommen hat, um die erneute Freilassung des Verfolgten zu erreichen. Dies ist dem Senat aufgrund seiner Befassung mit der hier in Rede stehenden Auslieferungssache aus eigener Anschauung bekannt. In der Folge ist dann der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 14. August 2023 aufgehoben worden.
Nach umfassender Bewertung und Abwägung dieser maßgeblichen Umstände und Tätigkeiten der Antragstellerin erschien es deshalb mit Blick auf den von ihr investierten außergewöhnlich hohen Zeitaufwand angemessen und zur Vermeidung eines ihr nicht zumutbaren Sonderopfers geboten, ihr eine anstelle der gesetzlichen Gebühren für einen beigeordneten Pflichtbeistand tretende Pauschvergütung zuzubilligen und diese auf 569,25 Euro zu bemessen, was der Höhe von 75 % der nach Nr. 6101 VV RVG auf 759,00 Euro belaufenden Rahmenhöchstgebühr eines Beistands als Wahlanwalt entspricht.
Hierauf sind die bereits auf die gesetzliche Vergütung ausgezahlten Beträge anzurechnen. Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.
Da der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in der Sache Erfolg hat und nicht beziffert wurde, ist eine weitergehende Entscheidung (im Übrigen) nicht veranlasst.