Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 11.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 3 U 23/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0611.3U23.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Abweisung der weitergehenden Berufung - das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17.01.2023 - 4 O 82/21 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.592,55 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Berufungsstreitwert: 39.984,80 €
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Erstattung geleisteter Mietzahlungen.
Sie war auf der Grundlage zweier Gewerbemietverträge mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 30.04.2009 über im Erdgeschoss des Objektes (Straße, Nr.) gelegene Flächen, eine im Anlagenplan als Laden 2 bezeichnete Fläche von ca. 140 m² und eine im Anlagenplan als Laden 3 bezeichnete Fläche von ca. 168 m² Mieterin und gemäß § 2 der Mietverträge berechtigt, den jeweiligen Mietgegenstand als Spielothek zu nutzen. Die Mietverträge waren gem. § 3 der Mietverträge auf die Dauer von 5 Jahren und zweimal 5 Jahren Option abgeschlossen und verlängerten sich um ein Jahr, falls nicht von einer der Parteien 6 Monate vor Vertragsablauf gekündigt wird. Für die Ladenfläche 2 war eine monatliche Grundmiete von 560 €, eine Betriebs-und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von jeweils 140 € und zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer ein Betrag i.H.v. insgesamt 999,62 € vereinbart. Zum 22.03.2013 trat die Beklagte durch Eigentumserwerb auf Vermieterseite in die Mietverträge ein.
Jedenfalls bis zum 30.06.2017 nutzte die Klägerin beide Ladenflächen zum vertraglich vereinbarten Nutzungszweck.
Mit Bescheid vom 21.03.2017 versagte die Stadt … der Klägerin eine am 13.10.2016 beantragte gesonderte Erlaubnis für die Spielhalle 2 (Ladenfläche 2) und führte zur Begründung aus, die gemäß § 2 Abs. 1 des brandenburgischen Spielhallengesetzes (BbgSpielhG) zum 01.07.2017 erforderlich gewordene gesonderte Erlaubnis neben der Erlaubnis nach § 33i GewO sei zu versagen, wenn die Errichtung der Spielhalle den Beschränkungen des § 3 BbgSpielhG widerspreche, welcher bestimme, dass zwischen Spielhallen ein Mindestabstand von 500 m Luftlinie einzuhalten und die Erteilung einer Erlaubnis für Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit einer oder weiteren Spielhallen, insbesondere die in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sind, ausgeschlossen sei. Die dahingehenden Voraussetzungen lägen im Hinblick darauf vor, dass für die im baulichen Verbund und in einem Gebäude mit der Spielhalle 2 betriebene weitere Spielhalle, für die die Klägerin am 10.08.2016 einen Erlaubnisantrag nach § 2 BbgSpielhG gestellt und aufrechterhalten hatte, am 08.12.2016 die Erlaubnis zum Betreiben einer Spielhalle befristet bis zum 7. Dezember 2031 erteilt worden sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Stadt … mit Bescheid vom 06.06.2017, den Bevollmächtigten der Klägerin am 09.06.2017 zugestellt, zurück.
Die Klägerin zahlte für die Ladenfläche 2 ab dem 01.07.2017 weiter die vertraglich vereinbarten monatlichen Mieten bis einschließlich zum 31.10.2020.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 29.10.2019 kündigte die Beklagte die Mietverträge über die Gewerbeflächen 1 und 2 zum 30.04.2020 und erhob beim Landgericht Potsdam zum Aktenzeichen 4 O 6/20 Räumungsklage gegen die Beklagte. Die Klägerin widersprach der Kündigung mit der Auffassung, der Mietvertrag bestehe auf der Grundlage der vertraglich vereinbarten Laufzeit und der zweimaligen Verlängerungsoption fort, nachdem sie die Option mit Schreiben vom 15.11.2019 und nochmals ausdrücklich mit der Klageerwiderung vom17.03.2020 ausgeübt habe.
Das Landgericht verurteilte die Klägerin im Verfahren 4 O 6/20 mit Urteil vom 29.09.2020 zur Räumung. Die Berufung gegen das Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 24.02.2021 zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23.02.2022 zurückgewiesen.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2020 teilte die Klägerin der Beklagten die mit Bescheid vom 31.03.2017 erfolgte Versagung der Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle 2 und die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin mit Bescheid vom 06.06.2017 mit und gab an, infolgedessen den Spielhallenbetrieb am 30.06.2017 eingestellt zu haben. Dadurch, dass die Mietsache mit Ablauf des 30.06.2017 mit einem sogenannten öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernis verbunden gewesen sei, sei die Weiterführung des Gewerbes der Klägerin unmöglich gemacht und die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache wegen des insoweit eindeutigen vereinbarten Nutzungszwecks auf 0 gemindert. Eine Verpflichtung zur Weiterzahlung der gleichwohl bis Oktober einschließlich entrichteten Mieten für die rechte Fläche habe nicht bestanden, womit sich ein Rückforderungsanspruch i.H.v. 39.984,80 € ergebe.
Nachdem die Beklagte der Aufforderung zur Rückzahlung auch auf ein weiteres Schreiben des Klägervertreters hin, mit dem dieser auf eine E-Mail der Klägerin vom 08.02.2017 mit Mangelanzeige verwies, nicht nachkam, hat die Klägerin mit am 07.05.2021 zugestelltem Schriftsatz vom 19.04.2021 Klage erhoben.
Die Klägerin hat behauptet, den Spielhallenbetrieb in den als Laden 2 bezeichneten Räumlichkeiten komplett eingestellt zu haben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Mietsache sei spätestens mit Erlass des Widerspruchsbescheides mit einem die Tauglichkeit aufhebenden Mangel gemäß § 536 BGB behaftet, mit der Folge, dass eine Verpflichtung zur Mietzahlung nicht mehr bestanden habe. Eine Nachfrage der Klägerin bei der Beklagten mit E-Mail vom 08.02.2017, ob sie wegen der mangelnden Möglichkeit zur Fortführung ihres Gewerbebetriebes in dem Laden 2 die insgesamt geschuldete Miete um den Betrag von 999,62 € absenken dürfe, habe die Beklagte abgelehnt, weswegen die Klägerin rechtsirrtümlich weiterhin rechtsgrundlos die ehemals vereinbarte Miete fortgezahlt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39.984,80 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, es liege schon kein Mangel der Mietsache vor, da der Laden 2 zur Nutzung als Spielothek uneingeschränkt geeignet sei. Die Zulässigkeit des dauerhaften Betriebes von zwei Spielhallen nebeneinander falle in die betriebliche bzw. wirtschaftliche Risikosphäre der Klägerin. Die E-Mail vom 08.02.2017 stelle keine Mängelanzeige dar. Für denjenigen Fall, dass es eine Nutzungsuntersagungsverfügung gegeben habe, hätte die Beklagte sich neu auch zum Ansinnen der Klägerin bezüglich einer Vertragsänderung positionieren und gegebenenfalls Abhilfe schaffen können.
Durch die unstreitige Fortsetzung des Mietverhältnisses zu unveränderten Konditionen habe die Klägerin deutlich gemacht, den Laden 2 weiter nutzen zu wollen. Eine Rückforderung gezahlter Mieten sei jedenfalls nach § 814 BGB ausgeschlossen, denn die Rechtskenntnis, dass ein Sachmangel kraft Gesetzes zur Minderung der Miete führe, sei in den üblichen Kreisen von Mietern im Wege des Anscheinsbeweises regelmäßig anzunehmen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.01.2023 abgewiesen.
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der für den Zeitraum von Juli 2017 bis Oktober 2020 gezahlten Mieten bzw. Nutzungsentschädigungen gem. § 812 Abs.1 Satz 1 1. Alt. BGB zu. Die Zahlungen seien nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Zwar dürfte die Mietsache nach bestandskräftiger Versagung der Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle mit einem Mangel gemäß § 536 BGB behaftet gewesen sein.
Die Berufung auf eine Minderung der Miete wegen eines während der Mietzeit auftretenden Mangels sei auch nicht gemäß § 536c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte infolge unterlassener Anzeige dem Mangel nicht habe abhelfen können
Auf eine Minderung der Miete wegen des Mangels der Mietsache könne die Klägerin sich für die Zeit ab Juli 2017 nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber nicht mit Erfolg berufen. Die Berufung der Klägerin auf ein Minderungsrecht sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Nach dem Grundsatz des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens werde ein Verhalten unter anderem dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zu eigenem vorangegangenen Verhalten setze und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt habe oder andere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen ließen (OLG Hamm, a. a. O. m.w.N. ). Dies sei hier der Fall, nachdem die Klägerin das Mietverhältnis in Kenntnis des nicht zu behebenden Mangels unverändert ohne Mitteilung gegenüber der Beklagten zunächst fortgesetzt, weder von der nach Lage des Mietvertrages zum 30.04.2018 bestehenden ordentlichen Kündigungsmöglichkeit, noch von der Möglichkeit zur fristlosen Kündigung wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 543 BGB Gebrauch gemacht habe und sie sich zudem gegen eine von der Beklagten zum 30.04.2020 ausgesprochene Kündigung zur Wehr gesetzt und hiermit zum Ausdruck gebracht habe, an der Nutzung des Mietobjektes - indessen ohne jegliche Mietzahlung - festhalten zu wollen.
Darauf, ob der Klägerin ein Rückforderungsanspruch darüber hinaus wegen Leistung in Kenntnis der Nichtschuld gemäß § 814 BGB verwehrt wäre, komme es nicht mehr entscheidend an.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie wendet ein, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Auffassung vertreten, der Bereicherungsanspruch scheitere an § 242 BGB. Anders als in der vom Landgericht zitierten Entscheidung des OLG Hamm sei der Anspruch nicht erst durch ein eigenes Verhalten der Klägerin entstanden. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass der Mietvertrag bis zum 31.04.2024 fortdauere. Sie habe also nicht erst durch die im Übrigen erst am 15.11.2019 hilfsweise geltend gemachte Option das Minderungsrecht entstehen lassen, sondern dieses habe nach dem rechtskräftigen Räumungsurteil des LG Potsdam jedenfalls bis zum 30.04.2020 fortbestanden.
Das Verhalten der Klägerin zeige insbesondere vor dem Hintergrund dessen, dass sie bei der Beklagten nachgefragt habe, ob sie die Miete für das Objekt absenken dürfe, dass sie in Unkenntnis der Rechtslage versucht habe, zumindest aus dieser Mietzahlungsverpflichtung herauszukommen.
Erst durch die Mandatierung ihrer Prozessbevollmächtigten sei gegenüber den Beklagten mit Schreiben vom 15.10.2020 der Bereicherungsanspruch geltend gemacht worden. Bis dahin sei die Klägerin davon ausgegangen, dass sie trotz des Versagungsbescheides der Stadt … verpflichtet gewesen sei, die Miete weiter zu zahlen. Sie sei als Rechtslaie auch nicht verpflichtet gewesen, das Mietverhältnis zu kündigen, um die Vermieterin vor Bereicherungsansprüchen zu bewahren.
Ein Korrektiv für die Ansprüche der Klägerin stelle allein § 814 BGB dar. Dessen Tatbestandsmerkmale, für die allein die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig sei, lägen aber nicht vor. Die Klägerin sei erkennbar davon ausgegangen, dass die Minderung von der Zustimmung der Beklagte abhinge. Ein Anscheinsbeweis für ihre Kenntnis komme der Beklagten unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.09.2018, VIII ZR 100/18, nicht zugute.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Potsdam vom 17. Januar 2023 – 4 O 82/21 - zu verurteilten, an die Klägerin 39.984,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es liege bereits kein Mangel der Mietsache vor. Die Klägerin habe das Objekt bis zuletzt genutzt. Eine Nutzungsuntersagungsverfügung sei nicht ausgesprochen worden. Die Klägerin sei zudem weiterhin berechtigt gewesen, die Räumlichkeiten vertragsgemäß mit Spielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit für die Spieler zu nutzen. Außerdem sei das Risiko, auf der Grundlage der beiden selbständigen Mietverträge dauerhaft zwei Spielhallen nebeneinander betreiben zu können, in die Risikosphäre der Klägerin gefallen.
Jedenfalls sei ein etwaiger Rückforderungsanspruch aus Treu und Glauben ausgeschlossen. Unabhängig davon scheitere die Rückforderung an § 814 BGB.
II.
Die nach §§ 516 ff ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Mieten in Höhe 19.592,55 € aus § 812 BGB,
Die Miete war im Zeitraum zwischen dem 01.07.2017 bis zur Beendigung des Mietverhältnisses gemindert. Es lag ein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB vor, der eine Minderung der Miete um 70 % zur Folge hatte.
1.
Dass die Klägerin die Mietsache ab dem 01.07.2017 nicht mehr als Spielhalle nutzen durfte, stellt einen Mangel der Mietsache dar.
a)
Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen stellen grundsätzlich einen Sachmangel dar, wenn sie ihre Ursache in der Beschaffenheit oder der Lage des Mietobjekts, in deren Beziehung zur Umwelt, haben (BGH NJW 2011, 3151 ; NJW 1992, 3226 <3227>). Es ist Sache des Vermieters, die objektbezogenen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für den vertragsgemäßen Gebrauch zu schaffen. Er hat sich um die erforderlichen Bau- und Nutzungsgenehmigungen zu bemühen und sämtliche Auflagen zu erfüllen. Das Risiko einer behördlichen Nutzungsbeschränkung trägt grundsätzlich der Vermieter (vgl. OLG München, Urteil vom 19.05.1995 - 21 U 4948/94, BeckRS 1995, 3900). Gewerberäume sind dementsprechend nur dann sachmangelfrei, wenn der Aufnahme des vertraglich vereinbarten Betriebes keine öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, insbesondere eine fehlende behördliche Genehmigung, entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2007 - XII ZR 24/06, BeckRS 2007, 19678). Ein nachträglicher Mangel kann sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses ergeben, wenn diese Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs zur Folge haben (BGH NJW 2011, 3151). Wird der vom Mieter beabsichtigte Betrieb durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht untersagt, aber quantitativ eingeschränkt, liegt ein Mangel der Mietsache vor, wenn eine umfangreichere Nutzung dem von den Parteien vorausgesetzten vertragsgemäßen Gebrauch entsprechen sollte (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1992, 662; Guhling/Günter/Günter, a.a.O., § 536 BGB Rn. 179). Auch ein nachträglicher Mangel kann sich aufgrund gesetzgeberischer Maßnahmen während eines laufenden Mietverhätlnisses ergeben (OLG Hamm. Urteil vom 08.04.2020, I-30 U 107/1, ebenfalls zur Änderung des Spielhallengesetzes, hier Glücksspielstaatsvertrag NRW; OLG Dresden, Urteil vom 24.06.2020, 5 U 563/20).
Der Vermieter trägt dagegen nicht das Risiko solcher Umstände, die allein in den persönlichen Verhältnissen des Mieters bzw. der Art des Betriebes ihre Ursachen haben (BGH NJW 2011, 3151). Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter (vgl. BGH NJW 2011, 3151, und die dortigen Verweise auf BGH NJW 2006, 899 <901>; NJW-RR 2004, 1236; NJW-RR 2000, 1535 <1536>; NJW 2000, 1714 <1716>). Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Objekt Gewinne erzielen zu können.
b)
Gemessen an diesen Voraussetzungen begründet die behördliche Untersagungsverfügung der Stadt … vom 21.03.2017, die die ab dem 01.07.2017 nach § 2 Abs. 1 BbgSpielHG erforderliche Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle in dem streitgegenständlichen „Laden 2“ versagt hat, einen Sachmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB (vgl. auch KG, Urteil vom 14.07.2014 - 8 U 140/13 - Rn. 28, Juris).
aa)
Nach Maßgabe der mietvertraglichen Vereinbarungen war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die als „Laden 2“ bezeichnete Mietfläche zur Nutzung als Spielothek zu überlassen.
Dazu reicht es nicht, dass die Klägerin die Räume für Spielmöglichkeiten ohne Gewinnmöglichkeit nutzen kann. Es muss ihr, wenn sie die Räume als solche nutzen will, möglich sein, eine Spielhalle im eigentlichen Sinn zu betreiben, also auch Glücksspielautomaten aufzustellen. Der Mietgegenstand muss, um mangelfrei zu sein, für sämtliche vereinbarten Zwecke geeignet sein. Selbst wenn der vom Mieter beabsichtigte Betrieb durch eine öffentlich-rechtliche Beschränkung nicht untersagt, aber quantitativ eingeschränkt wird, liegt ein Mangel der Mietsache vor, wenn eine umfangreichere Nutzung dem von den Parteien vorausgesetzten vertragsgemäßen Gebrauch entsprechen sollte (OLG Hamm. Urteil vom 08.04.2020, I -30 U 107/19 m.w.n.)
bb)
Zur Nutzung zu diesem vereinbarten Zweck war die Mietsache ab dem 01.07.2017 nicht mehr geeignet.
Zwar würde allein der Umstand, dass der Weiterbetrieb der Spielhalle gegen § 3 BbgSpielhG verstößt, noch keinen Mangel begründen. Ein Mangel liegt bei Verstößen gegen öffentlich - rechtliche Vorschriften regelmäßig erst dann vor, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes untersagt oder ein behördliches Einschreiten ernsthaft zu erwarten ist. Hier liegt zwar, anders als in dem der Entscheidung des OLG Hamm (OLG Hamm, Anerkenntnisurteil vom 8.4.2020 – 30 U 107/19, BeckRS 2020, 8424) zugrunde liegenden Sachverhalt, keine Nutzungsuntersagungsverfügung vor. Die Versagung der Erlaubnis für die Spielhalle ist dem aber gleichzusetzen. Die Behörde hat die notwendige Erlaubnis zum Betrieb der Spielothek in den Räumlichkeiten untersagt. Ein Verstoß hiergegen wäre ordnungswidrig.
cc)
Die öffentlich-rechtliche Beschränkung aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 BbgSpielhG i V. mit § 24 Abs 1 GlüÄndStv, auf die die Versagung der Erlaubnis gestützt ist, betrifft auch die Beschaffenheit der Mietsache bzw. seine räumliche Ausgestaltung. Den vertraglich zugesicherten Vertragszweck kann die Beklagte aufgrund ihrer Lage nicht mehr erfüllen. Dies fällt in ihren Risikobereich und ist nicht anders zu beurteilen, als wenn der Bebauungsplan geändert worden wäre (OLG Hamm, a.a.O).
2.
Der Senat setzt die Höhe der Minderungsquote aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme mit 70 % an.
Es konnte weder festgestellt werden, dass die Klägerin die Nutzung der Mietsache, wie behauptet, komplett eingestellt hat, noch dass die Klägerin, wie die Beklagte behauptet hat, den Betrieb der Spielhalle in den Räumlichkeiten unverändert fortgesetzt hat.
a)
Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Nutzung der Räumlichkeiten als öffentlich zugängliche Spielhalle ab dem 01.07.2017 nicht fortgesetzt worden ist. Hierbei stützt er sich insbesondere auf die Aussage der Zeugin K…, einer ehemaligen Angestellten der Klägerin, die bei der Klägerin von 2010 bis Juni 2022 angestellt war. Diese hat plausibel und glaubhaft geschildert, dass ab dem 01.07.2017 in diesem Bereich sich keine Kunden mehr aufgehalten haben, die Spielgeräte aus dem Bereich heraus geräumt worden sind und die Eingangstür zu dieser Seite geschlossen worden ist. Dies stimmt im Wesentlichen mit der Aussage des Zeugen L… überein, ebenfalls einem Angestellten der Klägerin. Auch er hat nachvollziehbar geschildert, dass die Spielgeräte Ende Juni 2017 aus dem rechten Raum ausgeräumt worden sind. Er hat zwar, anders als die Zeugin K… dargelegt, dass die Geräte nicht in den linken Raum geräumt worden, sondern an den Vermieter zurückgegeben worden seien. Insofern decken sich die Aussagen der beiden Zeugen nicht. Der Senat ist dennoch davon überzeugt, dass der wesentliche Inhalt beider Aussagen, nämlich dass die Geräte jedenfalls nicht in den hier streitgegenständlichen Räumen verblieben sind und dort keine Spielhalle mit Publikumsverkehr mehr betrieben worden ist, zutrifft. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin trotz der behördlichen Versagung der Erlaubnis die Spielhalle dort weiterbetrieben und bewusst gegen diese Verfügung verstoßen hat. Dies konnten auch die Aussagen der von der Beklagten benannten Zeugen nicht bestätigen. Keiner dieser Zeugen konnte aus eigener Anschauung Angaben dazu machen, ob und in welcher Weise der Betrieb der Spielhalle nach dem 01.07.2017 in den streitgegenständlichen Räumen weiterhin erfolgte. Auch der Zustand der Räume, wie sie sich dem Gerichtsvollzieher, dem Zeugen S…, nach seiner Schilderung bei der Räumung präsentiert haben, lässt keinen Rückschluss auf einen Weiterbetrieb zu.
b)
Der Senat ist allerdings auch davon überzeugt, dass jedenfalls eine eingeschränkte Nutzung der Räumlichkeiten durch die Klägerin auch nach dem 01.07.2017 erfolgt ist, so dass die Gebrauchstauglichkeit nicht vollkommen aufgehoben war und eine Minderung auf Null nicht in Betracht kommt. Die Zeugin K… hat bestätigt, dass die Räume noch zur Lagerung alter Spielgeräte und als Aufenthaltsraum für die Angestellten genutzt worden sind. Auch ergibt sich aus den Skizzen der Räumlichkeiten, dass eine Theke sich durch beide miteinander verbundenen Mietobjekte zog, die teilweise auch im hier streitgegenständlichen Objekt stand und weiter genutzt worden ist. Zudem gab es einen weiteren kleinen Raum, der zum Objekt gehörte und der als Abstellraum und - nach der Aussage des Zeugen L… - auch zum Geldzählen genutzt worden ist.
c)
Der Senat bemisst deshalb die Minderungsquote mit 70 %, wobei einerseits dem Umstand Rechnung getragen wird, dass der Hauptzweck der Mieträume, nämlich die Nutzung als Spielothek weggefallen ist, andererseits das Objekt aber dennoch durch die Klägerin eingeschränkt nutzbar war und auch genutzt wurde.
3.
Der Rückforderung der überzahlten Miete steht nicht § 814 BGB entgegen.
a)
Der Kondiktionsausschluss des § 814 Alt. 1 BGB greift erst ein, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (BGHZ 113, 62 [70] = NJW 1991, 919; BGH, NJW 2002, 3772; NJW 2009, 580 Rn. 17; NJW-RR 2014, 1133 Rn. 109; jew. m.w.N.). Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben (BGH, NJW-RR 2008, 824 Rn. 13; NJW-RR 2014, 1133; jew. m.w.N.).
b)
Unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 04.09.2018, VIII ZR 100/18, aufgestellten Grundsätze ist hier davon auszugehen, dass der Klägerin ein wesentlicher Aspekt nicht bewusst war, nämlich der Umstand, dass eine Mietminderung kraft Gesetzes eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache mindert oder aufhebt. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ergab sich aus dem vorgerichtlichen E-Mail Verkehr, dass die dortige Mieterin davon ausging, dass eine Minderung von der Zustimmung des Vermieters abhing und ihr nicht bewusst war, dass eine Mietminderung kraft Gesetzes eintritt, sofern ein Mangel vorliegt, so dass die Mieterin nicht die für eine positive Kenntnis im Sinne von § 814 Alt. 1 BGB erforderlichen zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat.
c)
So liegt der Fall auch hier.
Aus der E-Mail vom 08.02.2017 an die Beklagte ergibt sich, dass die Klägerin keine Kenntnis davon hatte, dass das Minderungsrecht automatisch eintritt, sondern sie davon ausging, dass die Vermieterseite zustimmt. In der E-Mail fragt die Klägerin an, ob die Vermieterin einer Preisreduzierung zustimmt, wenn sie die Spielhalle schließen muss. Dass die E-Mail aus einem Zeitraum vor der Ablehnung der Erlaubnis stammt, ändert an dieser Beurteilung nichts.
4.
Die Rückforderung ist für den Zeitraum bis zur Ausübung der Verlängerungsoption durch die Klägerin am 15.11.2019 nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich.
a)
Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) wird ein Verhalten u.a. dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zu eigenem vorausgegangenem Verhalten setzt und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt hat oder anderweitige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 1987, 335; Urteil vom 18.01.1980, V ZR 257/75, BeckRS 1980, 31074346; OLG München NJW-RR 1992, 1037; HK-BGB/Schulze, BGB, 10. Aufl., 2019, § 242 Rn. 36). Wann dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
b)
Hier hält der Senat die Rückforderung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Klägerin, obwohl sie wusste, dass sie in den Räumen keine Spielhalle mehr betreiben konnte und durfte, von ihrer - nach ihrer Ansicht bestehenden - Verlängerungsoption Gebrauch gemacht hat, nicht für rechtsmissbräuchlich.
Das Minderungsrecht entstand im Jahr 2017 während des laufenden Mietverhältnisses. Anders als im vom OLG Hamm entschiedenen (Sonder)fall (OLG Hamm Anerkenntnisurteil vom 8.4.2020 – 30 U 107/19, BeckRS 2020, 8424), auf den sich das Landgericht beruft, hat die Klägerin hier aber die Situation, die zur Minderung berechtigte, nicht selbst herbei geführt. Diese ergab sich automatisch während des laufenden Mietverhältnisses. Sie hätte hier vielmehr aktiv kündigen müssen, um von der mietvertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Mietete befreit zu werden. Dass sie dies nicht tat, kann (zunächst) nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, denn die Klägerin war nicht verpflichtet, in einer Situation, in der sie das Objekt nicht mehr zum vertraglich genutzten Zweck nutzen kann, zu kündigen, um den Vermieter vor etwaigen Rückforderungsansprüchen zu schützen. Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass das Korrektiv für solche Fälle regelmäßig allein § 814 BGB ist. § 814 BGB beruht auf dem Gedanken des venire contra factum proprium. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz lässt sich hier bis zum 15.11.2019 aber nicht feststellen.
c)
Anders ist die Beurteilung aber ab dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin am 15.11.2029 ausdrücklich zu erkennen gegeben hat, in Kenntnis der fehlenden Nutzungsmöglichkeit zum vereinbarten Vertragszweck und trotz einer bereits erfolgten Kündigung seitens der Beklagten, durch die Ausübung einer - nach ihrer Ansicht bestehenden Verlängerungsoption - den Mietvertrag verlängern zu wollen. Sich zunächst bewusst dazu entscheiden, einen Mietvertrag, der die Nutzung zum vertraglich vereinbarten Zweck nicht mehr gewährleistet, durch eine Verlängerungsoption (einseitig) zu verlängern, und dann im Nachhinein auch über diesen Zeitpunkt hinaus Rückforderungsrechte aus § 812 BGB wegen überzahlter Mieten geltend zu machen, ist mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbaren.
5.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Die Klägerin kann 70 % der vom 01.07.2017 bis zum 15.11.2019 (28 Monate) gezahlten Miete zurückverlangen.
Für diesen Zeitraum hat sie insgesamt 27.989.36 € gezahlt. 70 % hiervon ergibt einen Betrag in Höhe von 19.592,55 €.
6.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
7.
Die im Schriftsatz der Beklagten vom 03.01.2024 im Berufungsverfahren erstmals erklärte Hilfsaufrechnung ist nach § 533 Abs. 1 Nr. 2 ZPO unzulässig und kann keine Berücksichtigung finden. Es fehlt - unabhängig davon, dass weder eine Einwilligung des Gegners vorliegt, noch Sachdienlichkeit zu bejahen ist, auch an den Voraussetzungen des §§ 529 ZPO, 531 Abs. 2 ZPO.Der Anspruch wird auf neue Tatsachen gestützt, die nicht nach § 529 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind.
8.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10. 713 ZPO.
9.
Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.