Gericht | LG Cottbus 4. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 19.08.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 4 O 127/21 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2022:0819.4O127.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar
4. Beschluss: Der Streitwert wird auf 534.793,19 € festgesetzt.
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Vertrag über die Überlassung von und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessgeräten, nachdem im Anschluss an einen Beschluss des OLG Frankfurt deren Betrieb auf rechtliche Bedenken gestoßen ist.
Die in ……………. ansässige Klägerin vermietet bzw. verleast mobile sowie stationäre Verkehrsüberwachungssysteme und erbringt technische Verkehrsüberwachungsdienstleistungen. Die Beklagte ist eine Gemeinde in ………………, der u.a. die Verkehrsüberwachung als örtliche Ordnungsbehörde zugewiesen ist. Die Parteien schlossen unter dem ………………./ ……………… einen „Dienstleistungsvertrages mit Falldatenerstellung“ über die Zurverfügungstellung von 6 Geschwindigkeitsmessplätzen und 4 Geschwindigkeitsmessgeräte (Anlage BB1, Bl. 54).
Der Vertrag, der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen der Klägerin enthielt, regelt unter anderem Folgendes:
„4. …
Der Vertrag wird für die Dauer von 5 Jahren geschlossen.
Nach einer jeden 6 Monatsfrist - beginnend mit der betriebsbereiten Übergabe an den Mieter, werden die Vertragsparteien u.a. Zwischenbewertungen zum gewünschten Ziel dieses Verkehrssicherheitsprojektes vornehmen.
Sollten die Vertragsparteien feststellen, dass dieses Verkehrssicherheitsprojekt nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder es entsprechend fortgeführt werden kann, so werden sie gemeinsam alles Erdenkliche unternehmen, um dieses zu erreichen.
Sollte dies nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten (ab der letzten Zwischenbewertung) realisierbar sein, so besteht für den Vermieter jeweils das Sonderkündigungsrecht mit Ablauf dieser Frist.
[…]
Für den Fall, dass die Vertragsziele anhaltend erreicht werden und keiner der Partner das Recht der ordnungsgemäßen Kündigung wahrnimmt, verlängert sich die Dauer des Vertrages (nach der Dauer von 5 Jahren) stillschweigend um 1 Jahr.
[...]
5.
[...] Der Mieter nimmt die Leistung täglich ab und bezahlt diese.
[...]
6.
Als vereinbart gelten die Preise [..]
Preis je verwertbarem Falldatensatz (Stück/Euro) 4,18
[...]
Der Mieter verpflichtet sich zum Führen von Nachweisen. Dies sind insbesondere Messprotokolle, Zählerstandsberichte, Sonstige und dienen u. a. gleichzeitig der lückenlosen Darstellung der nachhaltigen aktiven Gestaltung der Verkehrsüberwachung (tägliche Geschwindigkeitskontrollen) mit den Verkehrsüberwachungssystemen des Vermieters sowie der Rechnungslegung.
7.
[...]
Die folgenden Umstände gelten als höhere Gewalt, insofern sie nach der Unterzeichnung dieses Dienstleistungsvertrages auftreten und wesentlich die Ausführung desselben behindert: Feuer, Krieg, Diebstahl, Überschwemmung, Erdbeben, Streiks, Aussperrungen, Handel- und Arbeitsstreitigkeiten, Arbeitskampf, Aufruhr, innere Unruhen, staatliches Eingreifen, Einschränkungen, ernsthafte Unterbrechungen des Transports, allgemeine Knappheit an Waren, weitere von außen kommende, nicht voraussehbare und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbare Ereignisse.
Wird eine Partei aufgrund höherer Gewalt daran gehindert seinen Verpflichtungen, wie in diesem Dienstleistungsvertrag getroffen, über einen Zeitraum von 6 Monaten nachzukommen, ist jede Vertragspartei berechtigt, diesen Dienstleistungsvertrag durch schriftliche Kündigung gegenüber der anderen Partei zu beenden. Dabei kann die jeweilige Partei nicht für eine Vertragsverletzung verantwortlich gemacht werden, wenn diese Verfehlungen durch höhere Gewalt begründet sind.
[...]
8.
Änderungen des Vertrages bedürfen der Vereinbarung in schriftlicher Form.
[...]
Das Recht der ordentlichen Kündigung steht jedem Partner zum Ende des Vertragszeitraumes mit einer Frist von 3 Monaten zu.
Nach Verhandlungen zwischen den Parteien im Jahr ……… erstellte die Klägerin am ……………… ein „Miet-Angebot“ und bat die Beklagte darin, sie „über dieses Angebot unverzüglich zu informieren“ und „spätestens bis zum ………………“ die „abschließende Entscheidung durch Angebotsannahme schriftlich mitzuteilen“ (Anlage BB 2a, Bl. 60).
Mit Schreiben vom ………………, versehen mit der Unterschrift des Bürgermeisters, nahm die beklagte Gemeinde das Angebot an (Anlage BB 2b, Bl. 66).
In dem Angebot sind folgende Passagen aufgeführt:
In diesem Angebot bieten wir Ihnen folgende Verkehrsüberwachungssysteme im Rahmen unseres bestehenden Dienstleistungsvertrages an.
[…]
Vertragslaufzeit / Mietpreis / Falldatenerstellung (in Euro)
Vertragsdauer 108 Monate/ je technisch verwertbaren Datensatz 8,40
technische vor Begutachtung der technisch erzeugten Messdaten je Stück 0,19
An dieses vorgenannte Angebot halten wir uns bis zum ………… (Angebotsendfrist) gebunden.
[…]
Weder der ursprüngliche Vertrag, noch das Änderungsangebot enthalten eine, dem Gericht aus anderen Verfahren bekannte, Ersatzwertklausel und auch keine ausdrückliche Vergütungsbestimmung für den Fall einer fehlenden Abnahme der Leistung der Klägerin.
Im Übrigen wird für den Inhalt des Vertrags und des Änderungsangebotes auf die Anlage BB1, (Bl. 54 ff.) sowie auf die Anlage BB2a (Bl. 60 ff.) verwiesen.
Am 26.04.2017 erließ das OLG Frankfurt einen Beschluss (Az. 2 Ss-OWi 295/17 - NStZ 2017, 588, sog. „Lauterbach-Entscheidung“), in dem es sich mit der Einbindung Privater in die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten befasste. In diesem Verfahren erhielt die Vermieterin von der Kommune eine erfolgsabhängige Vergütung, sodass der Ertrag für die Gesellschaft umso höher ausfiel, je mehr Bußgeldverfahren aus dem zur Verfügung gestellten Messgerät eingeleitet wurden.
Obiter dicta führte das OLG Frankfurt aus, die der Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung sowie in näher bezeichneten anderen gerichtlichen Verfahren ermittelte Sachverhalte gäben Anlass, im Bereich kommunaler Verkehrsüberwachung Verstöße gegen eindeutige gesetzliche Grundlagen, ministeriale Erlasse und gerichtliche Entscheidungen nicht nur im Einzelfall, sondern strukturell zu besorgen. Denn die zu Tage getretenen Konstruktionen der Einbindung Privater in die ordnungsbehördliche Verkehrsüberwachung könnten dazu führen, dass Maßnahmen der Verkehrsüberwachung nicht mehr als hoheitliche Maßnahmen anzusehen seien bzw. die nach § 47 Abs. 1 OWiG erforderliche Ermessensentscheidung mangels tatsächlicher Bewertungsmöglichkeit der Beweismittel nicht mehr rechtmäßig getroffen werden könne. Ersteres sei insbesondere gegeben, wenn die Verkehrsüberwachung aus anderen Motiven als der Verkehrssicherheit durchgeführt werde. Fielen die Entscheidung über die Aufstellung einer stationären Messanlage und die Erträge oder Teile der Erträge in eine Hand, wie es bei kommunalen Messanlagen der Fall sei, bedürfe es daher geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung dieses offensichtlichen Interessenkonflikts, beispielsweise der verbindlichen Prüfung des Standorts einer stationären Messanlage durch die Polizeiakademie Hessen. Die Annahme einer hoheitlichen Maßnahme setze ferner voraus, dass die Ordnungsbehörde Herrin des Messgerätes sei. Stehe dieses nicht im Eigentum des Hoheitsträgers, müsse sichergestellt sein, dass jegliche Einflussnahme des privaten Eigentümers auf die Verwendung des Messgeräts, namentlich Zeit, Ort und Umfang der hoheitlichen Messung, ausgeschlossen sei. Schon die Verknüpfung der Bezahlung des Messgeräts durch die erzielten Bußgelder sei dabei bedenklich, da bereits damit eine direkte Verknüpfung des wirtschaftlichen Erfolgs des „Verleihers“ mit dem Einsatz des Messgeräts erzeugt werde. Die tatsächliche Möglichkeit der Bewertung eines Sachverhalts nach § 47 Abs. 1 OWiG erfordere insbesondere, dass die Ordnungsbehörde Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels sei und sie die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführe.
Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen informierte Ende Mai 2017 mit einem Anschreiben die Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich über die nach Auffassung der Behörde aus der Entscheidung zu ziehenden Konsequenzen (Anlage BB33, Bl. 128). Dabei wurde u.a. darauf hingewiesen, dass demnach vor Errichtung ortsfester Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen eine positive Stellungnahme der Polizeiakademie Hessen erforderlich sei und diese, sofern nicht bereits eine Anhörung der Akademie nach Nr. 4.1 des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) betreffend Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden vom 05.02.2015 erfolgt sei, nachträglich eingeholt werden könne. Ferner kündigte die Behörde an, dort anhängige Ordnungswidrigkeitsverfahren aus Geschwindigkeitsmessungen, bei denen die rechtlichen Bestimmungen der Verkehrsüberwachung nicht eingehalten worden seien, einzustellen. Zugleich forderte es die Gemeinden bei insofern unklaren Sachverhalten auf, bis zur Klärung keine weiteren Ordnungswidrigkeitsverfahren aus Geschwindigkeitsmessungen einzuleiten.
Eine insofern positive Stellungnahme lag für keinen der Standorte der stationären Messgeräte in der beklagten Gemeinde vor.
Mit Schreiben vom ……… (Anlage BB32, Bl. 126) erklärte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Frankfurt den Vertrag mit der Klägerin „fristlos und mit sofortiger Wirkung“ zu kündigen.
Die Klägerin meint, die Vertragsänderung sei trotz Nichteinhaltung der formalen Voraussetzungen, insbesondere der vorgegebenen Annahmefrist wirksam. Weiter meint die Klägerin, liege weder höhere Gewalt noch ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vor. Eine ordentliche Kündigung sei nie ausgesprochen worden. Der streitgegenständliche Vertrag laufe insofern bis heute fort.
Die Beklagte sei verpflichtet, trotz fehlender Falldatensätze eine Vergütung an die Klägerin in Höhe der vorangegangenen durchschnittlichen monatlichen Vergütungen als Ersatzwert zu zahlen. Es bestünden Ansprüche aus ergänzender Vertragsauslegung, Schadensersatz und Störung der Geschäftsgrundlage.
Die Klägerin nahm in der mündlichen Verhandlung auf den Schriftsatz vom …………….. Bezug, in dem sie zuletzt beantragte (Bl. 729 ff.),
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 376.393,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus zu bezahlen, und zwar
- auf den Betrag von 7.017,19 Euro seit dem 26.05.2017,
- auf den Betrag von 9.996,00 Euro seit dem 04.07.2017,
- auf den Betrag von 9.996,00 Euro seit dem 27.07.2017,
- auf den Betrag von 9.996,00 Euro seit dem 30.08.2017,
- auf den Betrag von 9.163,00 Euro seit dem 20.09.2017,
- auf den Betrag von 8.330,00 Euro seit dem 26.10.2017,
- auf den Betrag von 6.545,00 Euro seit dem 23.11.2017,
- auf den Betrag von 5.950,00 Euro seit dem 13.12.2017,
- auf den Betrag von 5.950,00 Euro seit dem 17.01.2018,
- auf den Betrag von 5.950,00 Euro seit dem 14.02.2018,
- auf den Betrag von 5.000,00 Euro seit dem 09.03.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 10.04.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 09.05.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 11.06.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 09.07.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 09.08.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 10.09.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.10.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.11.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.12.2018,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 10.01.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 11.02.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.03.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.04.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 10.05.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.06.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 09.07.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.08.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.09.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.10.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.11.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.12.2019,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 09.01.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.02.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.03.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.04.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.05.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.06.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.07.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 10.08.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.09.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.10.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.11.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.12.2020,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.01.2021,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.02.2021,
- auf den Betrag von 5.500,00 Euro seit dem 08.03.2021,
- auf den Betrag von 22.500,00 Euro seit dem 07.04.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.04.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.05.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.06.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.07.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.08.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.09.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.10.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.11.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.12.2021,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.01.2022,
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.02.2022 und
- auf den Betrag von 6.000,00 Euro seit dem 08.03.2022,
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, darüber hinaus sämtliche noch nicht geltend gemachten Rechnungsbeträge aus dem Dienstleistungsvertrag vom …………./ ……… nebst den Ergänzungsvereinbarungen vom ……… / ………… für die vermieteten und in der Gemeinde der Beklagten aufgestellten stationären Geschwindigkeitsmessplätze und Geschwindigkeitsmessgeräte des Typs ..................... zu zahlen, bis dieser Vertrag beendet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, es gebe schon keine wirksame Vertragsveränderung. Der streitgegenständliche Vertrag sei wirksam außerordentlich gekündigt worden, hilfsweise lasse sich die Kündigung in eine ordentliche Kündigung umdeuten.
Im Übrigen bestehe keine Anspruchsgrundlage für die klägerischen Ansprüche.
Für den weiteren Parteivortrag wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2022 (Bl. 886) sowie den Hinweisbeschluss des Gerichts vom 07.03.2022 (Bl. 889) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 08.08.2022 (Bl. 943) hat das Gericht nach Zustimmung der Parteien (Bl. 939 und 941) das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und gleichzeitig angeordnet, dass Schriftsätze bis zum 19.08.2022 eingereicht werden können.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Es besteht keine Anspruchsgrundlage für die klägerischen Forderungen.
I. Zwischen den Parteien liegt ein wirksamer Dienstleistungsvertrag vom ……. / ………. nebst der Ergänzungsvereinbarung vom ……. / …….. vor.
1. Das Gericht erachtet die Vertragsänderung vom …… / …….. mit einer Laufzeitverlängerung um weitere 108 Monate für wirksam.
a) Der Umstand, dass das Zustimmungsschreiben vom ……….. zu dem Änderungsangebot vom ……………… nur von dem Bürgermeister der Gemeinde …………….., Herrn ....................., unterzeichnet wurde, macht die Erklärung trotz der Vorschrift § 71 Abs. 2 HGO nicht unwirksam.
Zwar sind nach § 71 Abs. 2 S. 2 HGO Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, nur rechtsverbindlich, wenn sie vom Bürgermeister oder seinem allgemeinen Vertreter sowie von einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstands unterzeichnet sind.
Allerdings handelt es sich bei dieser Vorschrift lediglich um eine „Vertretungsregelung“ und nicht um eine Formvorschrift im eigentlichen Sinne. Entscheidend für die Rechtswirksamkeit der Verpflichtungserklärung sei vielmehr, ob die Willenserklärung der Gemeinde der Schutzvorschrift des § 71 Abs. 1 HGO entspricht. Danach ist erforderlich, dass, die Verpflichtungserklärung vor oder nach Abgabe von dem Gemeindevorstand/Magistrat beschlossen oder genehmigt wurde (u.a. VGH Kassel, Urteil vom 15.02.1996 – 5 UE 2836/95; BGH, NJW 1966, 2402; NJW 1972, 940; NJW 1984, 606; OLG Frankfurt, HSGZ 1989, 254).
Nach unbestrittenen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 03.11.2021, Bl. 651) hatte der Magistrat/Gemeindevorstand vor der Unterzeichnung der Angebotsannahme einen entsprechenden Beschluss über die Vertragsänderung sowie über eine entsprechende Bevollmächtigung des Bürgermeisters der Beklagten, gefasst. Die Voraussetzung von § 71 Abs. 1 HGO war somit gegeben, so dass Absatz 2 der Norm nur eine deklaratorische Wirkung zukam.
b) Auch die Tatsache, dass in dem Änderungsangebot vom .....................zunächst eine Annahmefrist bis zum ………. festgesetzt wurde, die schriftliche Angebotsannahme der Beklagten jedoch vom …………. (Anlage BB 2b, Bl. 66) stammt, steht der Wirksamkeit im Ergebnis nicht entgegen.
aa) Dabei bedurfte der klägerische Vortrag aus dem Schriftsatz vom 19.05.2022 (Bl. 917), wonach es zwischen den Parteien durch eine telefonische Vereinbarung zu einer Verlängerung der Angebotsfrist bis zum ……………. kam, keiner Beweisaufnahme. Denn die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, sodass der Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Demnach erfolgte die Vertragsannahme am …………… nicht verspätet und gilt gemäß § 150 Abs. 1 BGB nicht als neuer Antrag.
Ein solcher ergibt sich auch nicht aufgrund von § 150 Abs. 2 BGB. Zwar wird in dem Angebot der Klägerin vom .....................festgesetzt: „Die neue Vertragslaufzeit (Grundlaufzeit) beträgt somit ab Annahme/ Bestätigung dieses Angebotes weitere 108 Monate.“ In dem Annahmeschreiben vom …………… wird dagegen die Wirksamkeit durch die Beklagte „aus haushaltsrechtlichen Gründen“ zum …………… gefordert. Aufgrund der dazu einleitenden Formulierung „Wie ebenfalls besprochen…“ wertet das Gericht diese Modifizierung jedoch nicht als einseitige Erweiterung, Einschränkung oder sonstige Änderung der Beklagten und somit als neuen Antrag entsprechend § 150 Abs. 2 BGB.
Vielmehr bestätigt dieser Hinweis den klägerischen Vortrag aus dem Schriftsatz vom 23.02.2022 (Bl. 816 f.), wonach das Vertragsangebot zunächst dem Finanzausschuss und dem Gemeindevorstand als Beschlussvorlage vorzulegen war und Probleme im Hinblick auf die Haushaltsplanung bestanden. Neben der bereits erörterten Fristverlängerung für die Angebotsannahme hat es zwischen den Parteien offensichtlich auch eine weitere Absprache bezüglich des Beginns der Vertragsänderung gegeben. Dem Passus „Wie ebenfalls besprochen, soll die Änderung aus haushaltsrechtlichen Gründen zum …………… wirksam werden.“ kann eine einvernehmliche Änderung der Laufzeit entnommen werden. Die Beklagte ist diesem Vortrag ebenfalls nicht entgegengetreten.
bb) Allerdings verlangt das Änderungsangebot vom .....................(Anlage BB 2a, Bl. 60) eine „schriftlich eingereichte Bestätigung“ des Angebots. Es kann dahingestellt bleiben, ob darin ein Schriftformerfordernis entsprechend § 126 Abs. 2 BGB zu sehen ist, oder ob die schriftliche Bestätigung vom …………… mit Bezugnahme zu dem Vertragsangebot ausreichend ist.
Auch sieht Zif. 8 des Dienstleistungsvertrages sieht für die Änderung des Vertrages eine Vereinbarung in schriftlicher Form entsprechend § 126 Abs. 2 BGB vor. Nicht ausreichend ist mithin die Unterzeichnung eines Vertragsangebots durch die eine Partei mit anschließender Unterzeichnung einer separaten, d.h. räumlich getrennten Annahmeurkunde durch die andere Partei (BGH NJW-RR 1994, 280). Vielmehr ist erforderlich, dass sich beide Erklärungen auf demselben Schriftstück befinden (BGH NJW 2004, 2962). Dies ist vorliegend durch die Angebotsannahme vom …………… nicht gegeben, dass Schriftformerfordernis wurde somit nicht eingehalten. Entsprechend § 125 S. 2 BGB hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
Dennoch ergibt sich nach Ansicht des Gerichts vorliegend keine Nichtigkeit der Vertragsänderung.
Es bestehen bereits erhebliche Unterschiede in Tatbestand und Rechtsfolgen zwischen einer gesetzlich angeordneten Form einerseits und einer rechtsgeschäftlich vereinbarten andererseits. Dies ergibt sich schon aus der Rechtsfolge des § 125 S. 2, wonach ein Verstoß gegen die rechtsgeschäftlich vereinbarte Form nicht stets und automatisch, sondern vielmehr nur „im Zweifel“ die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge hat (BeckOGK/Hecht, 1.6.2022, BGB § 125 Rn. 105). Auch die Rechtsprechung lässt in großzügigem Umfang die (konkludente) formlose Aufhebung einer rechtsgeschäftlich getroffenen Formvereinbarung zu.
Zunächst hängt es von der Parteivereinbarung ab, ob das Rechtsgeschäft ohne Beachtung der Form unwirksam sein soll (konstitutive Bedeutung des Formerfordernisses) oder ob die Einhaltung der Form nur Beweiszwecken dienen soll (deklaratorische Bedeutung des Formerfordernisses). Wird ein lediglich deklaratorisches Formerfordernis nicht beachtet, ist das abgeschlossene Rechtsgeschäft dennoch wirksam (BGH NJW-RR 1996, 641 (642) = NJW 1996, 2501; BAG NJW 2009, 316 Rn. 19; NZA 2013, 900 Rn. 27; NJW 1964, 1269 (1270); BB 1963, 285).
Vorliegend dürfte bereits die Auslegung der Formklausel zu dem Ergebnis führen, dass die Parteien lediglich aus Klarstellungs- und Beweissicherungsgründen ein deklaratorisches Formerfordernis vereinbart haben, hiervon jedoch nicht die Wirksamkeit des Vertrags abhängig machen wollten. Gegenteiliges wurde zumindest nicht ausreichend vorgetragen.
Zudem können rechtsgeschäftliche Formvereinbarungen grundsätzlich – auch wenn sie konstitutiv, also Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sind – jederzeit formfrei wieder aufgehoben werden (Staudinger/Hertel, 2017, Rn. 126 mwN).
Davon abgesehen ist das Gericht in der Gesamtschau der Ansicht, dass – sofern sogar ein konstitutives Schriftformerfordernis vorliegt, welches durch die mündlichen Verhandlungen der Parteien nicht wieder aufgehoben wurde – der Formverstoß gemäß § 242 BGB durch Inanspruchnahme und Umsetzung des veränderten Dienstleistungsvertrages geheilt worden ist. Denn § 242 BGB ist anwendbar, wenn der Vertrag längere Zeit als gültig behandelt wurde (vgl. auch BGHZ 92, 164; im Grundsatz auch BGHZ 142, 23).
So liegt es hier: unbestritten haben die Parteien, insbesondere auch die Beklagte, den Vertrag spätestens ab …………… in der abgeänderten Form fortgeführt. Das Gericht versteht den Vortrag der Parteien dahingehend, dass die Beklagte spätestens ab …………… die von der Klägerin gestellten Rechnungen nicht mehr zu einer Pauschale pro Falldatensatz von 4,18 EUR, wie im ursprünglichen Dienstleistungsvertrag vereinbart, sondern in Höhe von 8,40 EUR, ausweislich des abgeänderten Liefer- und Leistungsangebot vom ……………, beglichen hat.
Die Parteien haben somit die vereinbarten Leistungen entsprechend der Vertragsmodifikation ausgetauscht. Durch die reale Gestaltung, insbesondere bezüglich der Bezahlung, dürfte deutlich zum Ausdruck kommen, dass beide Parteien die Konditionen und somit die Vertragsmodifikation aus dem Angebot vom .....................akzeptiert und angenommen haben. Die Klägerin, indem sie ihre Rechnungen mit einer Falldatensatzpauschale von 8,40 EUR ausstellte und die Beklagte, indem sie diese Rechnungen bis April ……… offenbar widerspruchslos bezahlte.
Die Beklagte hat trotz richterlichen Hinweises nicht dargelegt, weshalb sie über einen Zeitraum von 1 Jahr und 4 Monaten die „neuen Tarife“ konkludent durch Bezahlung anerkannt und gebilligt hat, also eine doppelt so hohe Pauschale wie in dem ursprünglichen Dienstleistungsvertrag bezahlt hat, wenn sie von einer unwirksamen Vertragsverlängerung ausgegangen ist.
Die Einwendung einer unwirksamen Vertragsverlängerung verstößt vor dem Hintergrund der über einem Jahr praktizierten Vertragsabwicklung nach den neuen Konditionen gegen das Gebot von Treu und Glauben und somit gegen § 242 BGB.
II. Obgleich das Gericht davon ausgeht, dass der Dienstleistungsvertrag vom ….../………… nebst Änderungsvereinbarung vom ......... / ............ein Rechtsgeschäft darstellt, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, folgt dennoch keine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB.
1. Nach Ansicht des Gerichts verstößt der Dienstleistungsvertrag gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG. Denn die vertraglichen Regelungen sind bezüglich des zeitlichen Umfangs des Betriebes der Anlage darauf gerichtet, auf die Beklagte in einem Bereich ihres hoheitlichen Tätigwerdens, Einfluss zu nehmen (so auch OLG Brandenburg Urt. v. 24.02.2022 – 10 U 13/21).
Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Verbotsgesetz in diesem Sinne ist eine Rechtsnorm, Art. 2 EGBGB, die die Vornahme eines nach seiner allgemeinen Natur grundsätzlich rechtlich möglichen Rechtsgeschäfts wegen seines Inhalts bzw. des mit ihm bezweckten Erfolgs oder auf Grund besonderer Umstände seiner Vornahme untersagt (statt vieler Wendtland, in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 134 BGB, Rn. 9 m.w.N.). Dabei bedarf es keines ausdrücklichen Ausspruchs des Verbotes in der jeweiligen Rechtsnorm; ausreichend ist, dass das Verbot aus Sinn und Zweck des Gesetzes folgt, was im Zweifel durch Auslegung der konkreten Vorschrift zu ermitteln ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1968 - VII ZR 83, 84/66 - BGHZ 51, 255).
Die danach in Betracht kommende Vorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG stellt demnach jedenfalls insofern ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, als die Vorschrift die Entscheidung über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten der privatautonomen Verfügungsbefugnis des Trägers der Verfolgungsbehörde entzieht und es damit der betreffenden Körperschaft insbesondere untersagt, sich im Rahmen eines (privatrechtlichen) Vertrages zur Vornahme zeitlich oder örtlich bestimmter Verfolgungsmaßnahmen zu verpflichten (so auch OLG Brandenburg, Urteil vom 24.02.2022 - 10 U 13/21).
Denn nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten einzig im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Die Entscheidung über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten muss einzig von der zuständigen Ordnungsbehörde als „Herrin“ des Ermittlungsverfahrens getroffen werden. Denn die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist eine originäre Staatsaufgabe. Eine Übertragung der Entscheidung über die Einleitung entsprechender Maßnahmen auf Private verbietet sich. Die Behörde muss stets die Herrschaft über die Messung und das Verfahren nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 2 StVG behalten. Konkret bedeutet dies, dass die zuständige Behörde die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen nach pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmen hat (ebenso BayObLG, Beschluss vom 06.05.2019 - 201 ObOWi 276/19).Der Hintergrund liegt darin, dass unter der Geltung des mit Verfassungsrang ausgestatteten allgemeinen Willkürverbots nach Art. 3 Abs. 1 GG die Ermessensausübung ausnahmslos auf sachlich begründbare Kriterien zurückführbar sein muss. Die Entscheidung über die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist demnach einzig darauf auszurichten, Verkehrsunfälle zu verhüten, sonstigen Verkehrsgefahren entgegenzuwirken sowie die Bevölkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Lärm und Abgase zu schützen. Ein etwaiges fiskalische Interesse an der Erzielung von Einnahmen durch Bußgelder oder gar die Rentabilität eines Unternehmens, welches die Geräte zur Verfügung stellt, sind für die Rechtfertigung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen dagegen nicht geeignet. Bereits der bloße Anschein einer unsachgemäßen Ausübung ist zu vermeiden oder gegebenenfalls durch einen entsprechenden Begründungsaufwand zu rechtfertigen (vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 06.05.2019 - 201 ObOWi 276/19 - BeckRS 2019, 17049).
Der streitgegenständliche Vertrag enthält in Ziffer 5 die Regelung, dass die Beklagte „die Leistung täglich ab[nimmt]“ sowie in Ziffer 6 einen Hinweis auf „tägliche Geschwindigkeitskontrollen“ und eine „lückenlose[..] Darstellung der nachhaltigen aktiven Verkehrsüberwachung“. Mit der vertraglichen Verpflichtung, dass die Abnahme „täglich“ durchzuführen sei, wird zumindest der Anschein erweckt, dass die Entscheidung über die Häufigkeit der Verkehrsüberwachung nicht mehr alleine im Ermessen der Behörde steht (so im Ergebnis auch OLG Brandenburg Urteil vom 24.2.2022 – 10 U 13/21).
2. Jedoch wird in der Rechtsfolge trotz Annahme eines Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz nicht von einer Gesamtnichtigkeit des streitgegenständlichen Vertrages oder einzelner Vorschriften ausgegangen. Denn § 47 OWiG richtet sich ersichtlich einseitig an die Beklagte. Ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, dessen Vornahme lediglich einem Beteiligten verboten ist, ist in der Regel jedoch gültig. Eine (Gesamt-)Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt nur ein, wenn einem solchen einseitigen Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert, weil er nicht anders als durch dessen Annullierung zu erreichen ist und die getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH, Urteil vom 08.12.2020 - KZR 124/18 - BeckRS 2020, 45872 m.w.N.). In den streitgegenständlichen Vertrag wurden keinerlei Rechtsfolgen aufgenommen bzw. können diese nicht konstruiert werden. Daher erfordert ein Verstoß gegen eine einseitige Verbotsnorm nicht die Nichtigkeit des ganzen zweiseitigen Rechtsgeschäfts. Die Klägerin hatte keine Möglichkeit der Einforderung bestimmter Verfolgungsmaßnahmen. Dass die Beklagte ein besseres fiskalisches Ergebnis bei häufigerer Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen erzielt, ist diesem Themenkomplex immanent und keine Besonderheit der hiesigen Vertragsgestaltung.
Aber auch allgemein ist das Erfordernis der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nicht zu erkennen. Die Beklagte muss sich unabhängig von vertraglichen Verpflichtungen immer an Recht und Gesetz halten, Art. 20 Abs. 3 GG. Im Zweifel wird die Beklagte daher § 47 Abs. 1 OWiG beachten (wie auch tatsächlich im streitgegenständlichen Fall durch Einstellung der Nutzung der Anlagen der Klägerin geschehen). Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Zweck des § 47 Abs. 1 OWiG nur durch Annulierung des streitgegenständlichen Vertrags oder einzelner Vorschriften dessen erreicht werden könnte.
Letztlich liegt somit keine Nichtigkeit nach § 134 BGB vor.
III. Der Vertrag ist auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom …………… beendet worden.
1. Die mit Schreiben vom …………… (Anlage BB32, Bl. 126) ausgesprochene fristlose Kündigung „gemäß Ziffer 7 des [...] Dienstleistungsvertrages“ ist unwirksam. Es liegt keine höhere Gewalt im Sinne von Ziffer 7 des streitgegenständlichen Vertrages vor.
Höhere Gewalt ist nach dieser Ziffer wie folgt definiert:
„Die folgenden Umstände gelten als höhere Gewalt, insofern sie nach der Unterzeichnung dieses Dienstleistungsvertrages auftreten und wesentlich die Ausführung desselben behindert: Feuer, Krieg, Diebstahl, Überschwemmung, Erdbeben, Streiks, Aussperrungen, Handel- und Arbeitsstreitigkeiten, Arbeitskampf, Aufruhr, innere Unruhen, staatliches Eingreifen, Einschränkungen, ernsthafte Unterbrechungen des Transports, allgemeine Knappheit an Waren, weitere von außen kommende, nicht voraussehbare und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbare Ereignisse.“
Von den im Vertrag genannten Umständen käme hier allenfalls „staatliches Eingreifen“ in Betracht. Die Entscheidung des OLG Frankfurt kann aber keine „höhere Gewalt“ begründen, da sie nur für die dort beteiligten Parteien eine unmittelbare Rechtsfolge nach sich zieht und weil ihr keine Rechtskraft für zukünftige Bußgeldverfahren zukommt. Die Entscheidung hat die Rechtslage nicht verändert, sondern eine bereits zuvor bestehende Rechtslage erkannt. Insofern fehlt es bereits an einem „Eingreifen“.
Etwaige Anweisungen im Rahmen der Fachaufsicht sind ebenso nicht unter den Wortlaut des „staatlichem Eingreifens“ zu fassen. Anderenfalls könnte sich ein Hoheitsträger ohne Weiteres auf Verweis auf verwaltungsinterne Meinungsverschiedenheiten von Verträgen lösen. Als staatliches Eingreifen kommt also zumindest nicht eine Weisung innerhalb der eigenen Verwaltungsstruktur auf Grundlage unveränderter Rechtslage in Betracht.
Auch ein etwaiges Schreiben des Regierungspräsidiums Gießen entfaltet keine Wirkung in Form eines erforderlichen staatlichen Eingreifens. Ein entsprechendes Schreiben mit verpflichtender Weisung an die Beklagte, wurde ihrerseits schon gar nicht vorgelegt. Nach klägerischen Vortrag erging dieses auch erst im ……….., also nach der außerordentlichen Kündigung der Beklagten, so dass eine Bezugnahme schon denklogisch zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht in Betracht kommt.
2. Die Frage, ob die außerordentliche Kündigung vom …………… nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist, kann dahingestellt bleiben. Denn nach Zif. 8 des Dienstleistungsvertrages steht das Recht der ordentlichen Kündigung jedem Partner zum Ende des Vertragszeitraumes mit einer Frist von 3 Monaten zu.
Das Ende des Vertragszeitraumes liegt aufgrund der wirksamen Vertragsänderung erst Ende 2024, so dass erst 3 Monate vor diesem Zeitpunkt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzung (von der aufgrund der Einstellung der Messungen auszugehen ist), eine ordentliche Kündigung in Betracht kommen kann.
IV. Trotz des nicht beendeten Vertrags ergibt sich für die Klägerin dennoch kein Zahlungsanspruch, auch nicht aus ergänzender Vertragsauslegung.
1. Aus dem Dienstleistungsvertrag vom ………… / …… sowie aus der Vertragsänderung vom ……. / ………… ergibt sich keine Regelung für den Fall der Nichtdurchführung der Verkehrsüberwachungstätigkeit durch die Beklagte und somit keine Anspruchsgrundlage zugunsten der Klägerin.
2. Nach Einschätzung des Gerichts begründen sich die Ansprüche auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB.
a) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt zwar in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt (BGH, Urteil vom 04.03.2004 - III ZR 96/03 - BGHZ 158, 201). Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt allerdings noch nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Davon kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne die Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 20.02.2019 - VIII ZR 7/18 - BGHZ 221, 145; Urteil vom 20.04.2017 - VII ZR 194/13 - NJW 2017, 2025).
b) Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung über die zu zahlende Vergütung im Falle fehlender Abnahme durch die Beklagte stellt keine planwidrige Regelungslücke dar.
Denn dem Vertrag lag gerade die grundsätzliche Prämisse zugrunde, dass die Beklagte nur für den Fall verwertbarer Falldatensätze Vergütungen an die Klägerin zu zahlen hätte. Da die Beklagte nach § 47 Abs. 1 OWiG grundsätzlich zur aktiven Verkehrsüberwachung verpflichtet ist, war eine grundlose und vollständige Einstellung der Verkehrsüberwachung durch die Beklagte ermessensfehlerhaft und somit nicht zu erwarten gewesen. Die Parteien konnten also davon ausgehen, dass die Beklagte auch ohne Vereinbarung einer Vergütungsregelung Falldatensätze produzieren würde, wodurch eine explizite Regelung des Falles fehlender Abnahme nicht erforderlich wäre, um den dem Vertrag zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen.
Die Beklagte war nach der Entscheidung des OLG Frankfurt jedoch subjektiv überzeugt, dass eine Nutzung der Messgeräte der Klägerin nicht zu rechtmäßigen Bußgeldverfahren hätte führen können. Dass die weitere Nutzung ohne Vertragsänderungen rechtlichen Bedenken ausgesetzt gewesen wäre, erscheint dem Gericht naheliegend, unabhängig von der Frage, ob die erforderlichen Änderungen erheblich gewesen wären.
Die Annahme einer Vertragslücke für den Fall, dass Bußgeldverfahren auf der Grundlage der Nutzung der Messgeräte der Klägerin erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt gewesen wären, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Diese Bedenken scheinen sogar von der Klägerin geteilt zu werden, die allein zu bestreiten scheint, dass die erforderlichen Änderungen erheblich gewesen wären. Wenn jedoch die geltende Vertragslage nach übereinstimmender Parteiansicht rechtlichen Bedenken ausgesetzt gewesen wäre, so ist für das Gericht eine Feststellung einer planwidrigen Unvollständigkeit des Vertrags für die fehlende Abnahme nicht möglich.
Das Gericht kann mithin weder feststellen, dass der Vertrag unvollständig ist, noch dass diese Unvollständigkeit planwidrig erfolgte.
c) Jenseits dessen geht das Gericht aber auch für den Fall der Feststellung einer planwidrigen Unvollständigkeit davon aus, dass eine ergänzende Vertragsauslegung in der Rechtsfolge nicht dazu führt, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung nach Falldatensätzen aufgegeben wird und nun eine nach festen Mietzins zu bemessenden Vergütung begründet. Denn Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Wille der Vertragsparteien. Dabei ist darauf abzustellen, was diese bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, dessen Regelungen und Wertungen sowie Sinn und Zweck Ausgangspunkt der Vertragsergänzung sind (BGH, Urteil vom 20.02.2019 - VIII ZR 7/18 - a.a.O.; Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - NJW 2016, 1718). Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann aber lediglich der Vertragsinhalt, nicht jedoch der Vertragswille ergänzt werden. Es darf somit keine Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstands erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1953 - II ZR 143/52 - BGHZ 9, 273; vgl. auch Wendtland, in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 157 BGB, Rn. 37). Daher ist für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum, wenn nicht erkennbar ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 20.07.2005 - VIII ZR 397/03).
Nach diesen Maßstäben kann vorliegend weder im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Frankfurt, noch hinsichtlich der mit dem Schreiben des Regierungspräsidiums Gießen zu Tage getretenen rechtlichen Bedenken an der Erreichbarkeit des Vertragszwecks festgestellt werden, dass die Parteien bei Kenntnis dieser Umstände, den Vertrag als Mietvertrag mit festen, monatlich zu leistenden angemessenen Mietzinszahlungen gestaltet hätten (so auch OLG Brandenburg Urt. v. 24.02.2022 – 10 U 13/21).
Dem steht vor allem der Vortrag der Beklagten hinsichtlich des Werbearguments der Klägerin entgegen. Denn danach sollte die Beklagte nach dem Vertragsmodell nicht durch feste monatliche Zahlbeträge belastet werden, sondern nur für generierte Falldatensätze zur Zahlung verpflichtet sein. Dieser Umstand war ein wesentliches Kriterium für den Vertragsabschluss seitens der Beklagten.
Das Gericht hattet bereits in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen, dass es in der vorliegenden Vertragsgestaltung die - von der Klägerin wiederholt dargestellte - klare Regelung für die Berechnung eines Mietzinses – auch im Falle der Nichtbetreibung der Anlagen durch die Beklagte - nicht erkennen kann.
Der ursprüngliche Vertrag vom …... /……. wird als Dienstleistungsvertrag mit Falldatenerstellung betitelt.
Unter § 6 des Vertrages ist u.a. geregelt:
„Als vereinbart gelten die Preise aus unseren Angeboten vom ……………:
Preis je verwertbarem Falldatensatz (Stück / Euro) 4,18
Preis je verwertbarem Falldatensatz (Stück/ Euro) (Falldatenerstellung) 0,19
[...]
Alle normalen Unkosten werden mit den Zahlungen des Mieters für die Dienstleistungen abgegolten.
Die Vertragsänderung im Jahr ……. änderte sich nichts an diesem Abrechnungsmodell. Denn die Parteien hielten an der Vertragsgestaltung „Abrechnung pro Falldatensatz“ fest, auch wenn neben der Bezeichnung als Dienstleistungsvertrag das Wort „Mietpreis“ Einzug in die Überschrift findet. Das Angebot vom .....................lässt auf nichts anderes schließen. Darin heißt es:
[...]
... haben wir Ihnen nach weiteren intensiven Überlegungen unter Zugrundelegung der derzeitigen Rahmenbedingungen und dessen verbundene Wirtschaftlichkeitsberechnungen ...
... Preis in Höhe von 8,40 € je verwertbarem Datensatz...
Auf Seite 5 des Angebots heißt es weiter:
In diesem Angebot bieten wir Ihnen folgende Verkehrsüberwachungssysteme im Rahmen unseres bestehenden Dienstleistungsvertrages an ...
Vertragsdauer 108 Monate / je technisch verwertbaren Datensatz 8,40.
Feste monatliche Zahlungen der Beklagten waren somit zu keiner Zeit Gegenstand des Vertrages - weder im Falle eines laufenden, noch im Falle eines nicht durchgeführten Anlagebetriebs. Die Schlussfolgerung, dass die Beklagte bei Kenntnis der rechtlichen Hindernisse, sich auf die Entrichtung eines monatlichen Mietzinses eingelassen hätte, verfängt im Hinblick auf die eindeutige Vertragsgestaltung nicht.
Darüber hinaus bezweifelt das Gericht - wie ebenfalls in der Hauptverhandlung hingewiesen - dass die Beklagte eine Vereinbarung eingegangen wäre, wonach sie im Falle des Nichtbetriebes der Anlage und dem daraus folgenden Nichterhalt von Falldatensätzen zur Betreibung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, einen Mietzins zu zahlen hätte, der sich der Höhe nach an den Durchschnittswerten des Messbetriebs angleicht. Denn dies würde für die Beklagte bedeuten: das gleiche Geld für keine Leistung. Die Vertragsgestaltung war aber gerade umgekehrt: keine Leistung, kein Geld. Diese Risikoverteilung war beiden Parteien - auch der Klägerin, von der das Vertragswerk gestellt wurde - bewusst.
Es bleibt daher kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass die Beklagte nun ohne Messergebnisse die gleichen Rechnungen zu zahlen gewillt gewesen wäre, wie sie im betriebenen Messbetrieb entstanden sind.
d) Anderes ergibt sich auch nach den Maßstäben von Treu und Glauben nicht. Die Klägerin hat aus den vertraglichen Regelungen weitgehend das Risiko eines rentablen Anlagenbetriebs übernommen, indem sie das Entgelt nur bei Gewinnung von verwertbarer Datensätze einfordern kann. Bei mangelnder Rentabilität konnte die Klägerin Gebrauch von ihrem Sonderkündigungsrecht machen. Die Beklagte nutze dagegen das vertragliche Angebot zur „haushaltsneutralen“ Beschaffung der Messanlagen. Konkrete Anhaltspunkte, die dabei einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigen, wurden nicht vorgetragen.
V. Die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung, die zu einer Änderung auf eine Vereinbarung monatlicher Zahlungen führt, liegen nicht vor.
1. Eine solche kann nicht auf § 4 Abs. 3 des streitgegenständlichen Vertrages gestützt werden. Zwar geht das Gericht - anders das OLG Brandenburg (Urteil vom 24.02.2022 – 10 U 13/21) - grundsätzlich von der Wirksamkeit dieser Klausel aus. Allerdings ist bei der nach § 133, 157 BGB gebotenen Auslegung jedenfalls keine Verpflichtung der Beklagten zu einer Umgestaltung des streitgegenständlichen Vertrages zu entnehmen, welche zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen des Geschäfts führte. Eine wesentliche Grundlage des Vertrages war, wie bereits ausgeführt, das gewählte Vergütungsmodell. Feste monatliche Zahlungen ohne Rücksicht auf den Umfang der Abnahme würden dieser von den Parteien gewählten Zuweisung des wirtschaftlichen Rentabilitätsrisikos an die Klägerin gegensätzlich entgegenstehen.
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass die Parteien für den Fall einer Verletzung einer Neuverhandlungspflicht eine automatische Vertragsanpassung oder einen Anspruch auf Schadensersatz vorgesehen haben. Denn Zif. 4 Abs. 4 des Vertrages sieht für den Fall einer fehlenden Realisierung des gewünschten Ziels gerade nur ein Sonderkündigungsrecht vor. Das Gericht geht daher bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont sowie unter Berücksichtigung von § 305c Abs. 2 BGB davon aus, dass weder eine automatische Vertragsanpassung noch Schadensersatzpflichten für den Fall der Verletzung der Neuverhandlungspflicht bestanden hätten, sondern ebenfalls allein ein Sonderkündigungsrecht.
Im Ergebnis kann daher der klägerische Anspruch nicht auf Ziffer 4 Abs. 3 des streitgegenständlichen Vertrags gestützt werden.
2. Schließlich ergibt sich auch keine Vertragsanpassung nach den subsidiären Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB sind zwar dem Grunde nach erfüllt. In der Rechtsfolge führt dieser Anspruch jedoch nicht zu einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten.
a) Vorliegend handelt es sich um eine Störung der anfänglichen subjektiven Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 2 BGB. Die Parteien haben sich bei Abschluss der hier in Rede stehenden Verträge über wesentliche Umstände, welche zur Grundlage der Vereinbarung geworden sind, gemeinsam geirrt. Denn beide Parteien sind offenbar übereinstimmend davon ausgegangen, mit dem Vertrag eine Rechtsgrundlage geschaffen zu haben, die einerseits den Interessen der Beklagten an der Erfüllung ihrer Verkehrsüberwachungspflicht und andererseits dem klägerischen Interesse an einer regelmäßigen und rentablen Vergütung Rechnung trägt. Durch das Urteil des OLG Frankfurt und die daraus folgende Weisung des Regierungspräsidiums Gießen vom 28.07.2018 hat sich diese Vorstellung der Parteien als unzutreffend erwiesen. Dass die Parteien bei Kenntnis ihrer unrichtigen Einschätzung der Rechtslage einen Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten, kann angenommen werden. Denn für die Beklagte ergaben sich aus der in dieser Entscheidung aufgezeigten Rechtslage zumindest erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit der gewonnenen Messergebnisse für die Ahndung festgestellter Verkehrsverstöße. Für die Klägerin war danach die vertragliche Grundlage ihres Vergütungsanspruchs jedenfalls infrage gestellt. Von daher war zumindest der Klägerin nach der Lauterbach-Entscheidung ein Festhalten an den vereinbarten Regelungen, namentlich eine weitere Verpflichtung zur Überlassung der Anlagen ohne gesicherten Vergütungsanspruch, nicht zumutbar.
b) In der Rechtsfolge führt dies jedoch nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf eine Änderung der getroffenen Vereinbarungen über die Vergütung nach einem Preis je verwertbarem Datensatz hin zu einem nutzungsunabhängigen, periodisch wiederkehrenden Entgelt (so auch OLG Brandenburg, Urteil vom 24.02.2022 – 10 U 13/21). Denn eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB kann nur beansprucht werden, wenn sie möglich und beiden Teilen zumutbar ist. Fehlt es hieran, kann der benachteiligte Teil gemäß § 313 Abs. 3 BGB bei einem Dauerschuldverhältnis den Vertrag kündigen. Die Vorschrift verdeutlicht, dass es auch in den Fallgestaltungen des § 313 Abs. 1, 2 BGB grundsätzlich allein der privatautonomen Entscheidung der Parteien überlassen bleiben muss, ob, unter welchen Umständen und in welchen Grenzen sie sich durch Verträge binden wollen. Ein Zwang zur Vertragsdurchführung besteht nach § 313 Abs. 3 BGB nicht.
Demnach ist eine Vertragsanpassung mit dem Ziel der Vertragsfortsetzung den Parteien stets unzumutbar im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie den Vertrag, hätten sie die Grundlagenstörung vorausgesehen, nicht abgeschlossen hätten (Martens, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.10.2021, § 313 BGB, Rn. 137 ff. m.w.N.). Eine Vertragsanpassung mit dem Ziel der Vertragsfortführung setzt mithin die - allen voran anhand der vertraglichen Regelungen und des hierin zum Ausdruck kommenden Vertragswillens zu treffende - Feststellung voraus, dass die Parteien den Vertrag - allerdings mit anderem Inhalt - auch dann abgeschlossen haben würden, wenn sie die eingetretene Grundlagenstörung vorausgesehen hätten (Martens, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.10.2021, § 313 BGB, Rn. 137 ff. m.w.N.). Keiner Partei kann ein nicht gewollter Vertrag aufgezwungen werden.
Nach den oben dargestellten Vertragsmotiven der Parteien und der entsprechenden Risikoverteilung bei der Vertragsgestaltung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Vertrag mit anderem Inhalt auch dann abgeschlossen hätte, wenn die eingetretene Grundlagenstörung vorausgesehen worden wäre. Insbesondere da die Bezahlung nach monatlichen festen Raten in Gegensatz zu dem gewählten Vertragsmodell steht, spricht nichts für den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages bei Kenntnis der Grundlagenstörung mit einer festen monatlichen Vergütung.
Letztlich kann damit eine Vertragsanpassung mit dem Ziel einer Vertragsfortführung nicht auf § 313 BGB gestützt werden. Eine solche Regelung wäre für die Beklagte ebenso unzumutbar wie die unveränderte Fortführung des streitgegenständlichen Vertrages für die Klägerin.
VI. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Abnahmepflichten zu. Ob in der Vereinbarung einer täglichen Verkehrsüberwachung durch die Beklagte eine echte Vertragspflicht vereinbart wurde, die durch die Einstellung der Verkehrsüberwachung verletzt wurde, kann letztendlich dahingestellt bleiben.Jedenfalls ist schon nicht zu erkennen, dass die Einstellung des Betriebs nach dem streitgegenständlichen Vertrag vertragswidrig wäre, soweit ein solcher Betrieb gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen hätte. Dies ist bereits vor dem Hintergrund der in der Lauterbach-Entscheidung angedeuteten problematischen Verknüpfung der Bezahlung des Messgeräts durch die erzielten Bußgelder naheliegend, da bereits damit eine direkte Verknüpfung des wirtschaftlichen Erfolgs des „Verleihers“ mit dem Einsatz des Messgeräts vorliegen würde. Auch wenn vorliegend die Bezahlung nicht an die Zahlung eines Bußgelds anknüpft, sondern an einen technisch verwertbaren Falldatensatz, so ist auch in diesem Fall das wirtschaftliche Interesse der Klägerin mittelbar mit der in einem Busgeldverfahren verbundenen Einnahmen verbunden. Die Erwägungen des OLG Frankfurt sind demnach auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte rechtlich gehindert war, Ordnungswidrigkeitsverfahren aus diesen Messungen einzuleiten, war es jedenfalls im Hinblick auf ihre Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu beanstanden und daher auch von der Klägerin nach Treu und Glauben hinzunehmen, dass die Beklagte angesichts dieser rechtlichen Zweifel zur Vermeidung des Anscheins rechtsstaatswidrigen Verhaltens von der Durchführung von Messungen und der Einleitung solcher Verfahren abgesehen hat.
Daher kann das Vorliegen einer objektiven Vertragswidrigkeit offen bleiben, da es zumindest an der subjektiven Vorwerfbarkeit der fehlenden Abnahme durch die Beklagte im Sinne eines Verschuldens fehlt. Die Beklagte hat ihre gegebenenfalls bestehende Abnahmeverpflichtung weder schuldhaft verletzt noch anderweitig gegen Treu und Glauben verstoßen. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht nicht.
VII.
1. Im Ergebnis bestehen damit mangels Anspruchsgrundlage keine Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte. Der Zahlungsantrag war somit abzuweisen.
2. Die auf die Hauptforderung geltend gemachten Zinsforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
3. Der Feststellungsantrag ist zulässig, aber aufgrund mangelnder Anspruchsgrundlagen unbegründet.
VIII.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Dem Antrag der Klägerin auf Vollstreckungsschutz war mangels Darlegung der tatsächlichen Voraussetzungen nicht zu entsprechen.
IX.
Der Streitwert war auf 534.793,19 € festzusetzen.
Dabei war zunächst vom Zahlungsantrag in Höhe von 376.393,19 € auszugehen.
Den Streitwert für den Feststellungsantrag ermittelt das Gericht in entsprechender Anwendung der § 3 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG, ausgehend von dem letzten monatlich geltend gemachten Zahlungsbetrag in Höhe von 6.000 € abzüglich eines Abschlags von 20%, also 4.800 € monatlich.
Das klägerische Interesse an dem Feststellungsantrag bleibt entsprechend ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung am 07.03.2022 unverändert aufrechterhalten. Folglich beabsichtigt die Klägerin aufgrund des Feststellungsantrages auch die für die Zukunft noch entstehenden Ansprüche geltend zu machen.
Entsprechend ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin nach dem vollen Jahreswert abzüglich eines Abschlags von 20 % aufgrund der Feststellung anzusetzen.
Der Streitwert des Feststellungsantrags beträgt somit 4.800,- € x 33 Monate = 158.400,- €.
In der Addition ergibt sich also ein Streitwert von 534.793,19 €.