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Entscheidung 10 U 110/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.11.2022
Aktenzeichen 10 U 110/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1114.10U110.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 20.08.2021, Aktenzeichen 5 O 314/20, wird samt Aussetzungsantrag zurückgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Neuruppin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 32.631,23 € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 20. August 2021 sowie auf den Beschluss des Senats vom 8. August 2022 Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 20. August 2021 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die hiergegen gerichtete Gegenerklärung des Klägers vom 7. November 2022 führt zu keinem anderen Ergebnis.

1. Ansprüche aus § 826 BGB stehen dem Kläger auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Gegenerklärung nicht zu.

a) Soweit der Kläger auf einen Zurückverweisungsbeschluss des BGH vom 21. September 2022 (VII ZR 767/21 –, Rn. 15, juris, siehe im Übrigen auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 – VII ZR 252/20 –, juris; BGH, Beschluss vom 20. April 2022 – VII ZR 720/21 –, juris; BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZR 733/21 –, juris) Bezug nimmt, handelt es sich – neben zahlreichen die Klageabweisung bestätigenden Entscheidungen des BGH – jeweils um Einzelfallentscheidungen, die auf der Grundlage des Vortrags in den jeweiligen Verfahren getroffen worden sind. Allgemeine Rückschlüsse auf das streitgegenständliche Fahrzeug können daraus nicht gezogen werden. Die Entscheidung des Senats ergeht hier aufgrund des Vortrags im vorliegenden Fall. Dass der BGH selbst bei Fehlen einer prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung das Vorliegen einer sittenwidrigen Täuschung gemäß § 826 BGB dennoch im Einzelfall als möglich erachtet (BGH, Beschluss vom 22. September 2021 – VII ZR 126/21 –, Rn. 12, juris), hat der Senat berücksichtigt, eben diesen Maßstab schon in seinem Beschluss vom 8. August 2022 auf Seite 12 zu Grunde gelegt und ausgeführt:

Da der Kläger auch im Übrigen keine Indizien vorgetragen hat, die eine sittenwidrige Schädigung durch einen Einsatz von Abschalteinrichtungen des Thermofensters und der KSR belegen könnten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online), steht ihm unter diesen Gesichtspunkten kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte zu.

Auch vorliegend hat der Kläger solche Indizien nicht vorgetragen.

b) Auch im Übrigen zeigt der Vortrag in der Gegenerklärung keine Umstände auf, die hinreichend auf einen Prüfstandsbezug der Abschalteinrichtungen hindeuten könnten. Die bloße Behauptung „Die Abgasreinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs wird durch eine Softwarefunktion gesteuert, welche erkennt, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet [...]“ (Bl. 777 d.A., S. 7 der Gegenerklärung) lässt gerade keine konkreten Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Funktion erkennen. Soweit der Kläger ausführt „Da die Abschalteinrichtungen ausschließlich auf dem Prüfstand die Abgasreinigung verstärk[en]“ (Bl. 770 R d.A., S. 7 der Gegenerklärung), steht dies im Widerspruch dazu, dass die Abschalteinrichtungen auch nach dem Vortrag des Klägers gerade nicht nur im Prüfstand, sondern auch im Straßenbetrieb zum Einsatz kommen.

c) Soweit sich der Kläger auf S. 14 f. der Gegenerklärung (Bl. 780 R d.A.) auf eine Entscheidung des LG Saarbrücken (Urteil vom 9. April 2021 - 12 O 320/19) zur KSR bezieht, wonach das LG Saarbrücken insbesondere aufgrund einer Auskunft des KBA der gegen die hiesige Beklagte gerichteten Klage stattgegeben habe, ist schon der Sachverhalt nicht übertragbar. Die 12. Kammer des LG Saarbrücken hat mit Urteil vom 11. März 2022 – 12 O 139/21 –, Rn. 35, juris, ausgeführt, dass die Beklagte in der Sache 12 O 320/19 den klägerischen Vortrag nicht substantiiert bestritten habe. Das Gegenteil ist vorliegend der Fall, worauf der Senat schon mit Beschluss vom 8. August 2022 Bezug genommen hat (Bl. 729 d.A., S. 8 ff. des Beschlusses).

d) Auch führen von dem Kläger ohne Angabe eines Datums in Bezug genommene oder auszugsweise zitierte Auskünfte des KBA zu keinem anderen Ergebnis. So ist schon nicht ersichtlich, dass die dort wiedergegebenen Erkenntnisse auch auf das gegenständliche Fahrzeug Anwendung finden könnten (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 11 U 144/20 –, Rn. 39, juris). Zudem belegen die in der Gegenerklärung wiedergegebenen Ausführungen des KBA ohnehin nicht, dass ein Prüfstandsbezug vorliegt. Falls die KSR unter Prüfbedingungen eine niedrigere Kühlmitteltemperatur einregeln sollte mit der Folge höherer AGR-Raten, aber nach Ablauf eines Timers eine höhere Kühlmitteltemperatur eingeregelt werde, mit der Folge geringerer AGR-Raten, kann nicht geschlossen werden, die KSR funktioniere auf dem Prüfstand des NEFZ anders als im realen Fahrbetrieb (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 – 24 U 115/22 –, Rn. 51, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Januar 2022 - 16a U 158/19, juris Rn. 66; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.01.2022 - 16a U 138/19, juris Rn. 45).

b) Da dem Kläger schon aus den vorstehenden Gründen kein Anspruch aus § 826 BGB zusteht, sind die Ausführungen zu einer vermeintlich sekundären Darlegungslast hinsichtlich handelnder Personen auf Beklagtenseite unerheblich. Auch im Übrigen fehlt es wie aufgezeigt schon an hinreichendem Vortrag des Klägers, um überhaupt eine sekundäre Darlegungslast auslösen zu können. Dementsprechend ist schon aus diesem Grund eine vom Kläger als notwendig erachtete Vorlage von Rückrufbescheiden nicht erforderlich.

c) Ebenso unerheblich sind aus den vorstehenden Gründen die Ausführungen des Klägers zu einem vermeintlich vorsätzlichen Handeln der Beklagten, da weder eine Prüfstandsbezogenheit dargelegt ist noch sonstige Indizien vorgetragen worden sind, die auf Sittenwidrigkeit hindeuten könnten. Auch die weiteren vom Kläger erörterten Fragen, welche Auswirkungen der Kauf des Fahrzeugs im Jahr 2018 und damit nach Bekanntwerden des Dieselskandals auf einen Anspruch haben könnte, ob ein Rückrufbescheid von der Beklagten vorzulegen ist und gegen eine Tatbestandswirkung der Typgenehmigung, sind danach unerheblich.

3. Die Beklagte haftet auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 8. August 2022 im Einzelnen ausgeführt, weshalb er im Hinblick auf den vorstehend genannten Anspruch weder eine Vorlage an den EuGH noch eine vorlagespezifische Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits als geboten erachtet.

Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in seiner Gegenerklärung fest, zumal sich der Kläger in seiner Gegenerklärung auch nicht mit den entgegenstehenden Ausführungen des Senats auseinandergesetzt hat. Die Auffassung des Senats wird zudem auch weiterhin von einer Vielzahl weiterer Oberlandesgerichte geteilt (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. August 2022 – I-10 U 217/21 –, Rn. 8, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. August 2022 – 3 U 161/22 –, Rn. 8, juris; OLG Dresden, Urteil vom 16. August 2022 – 17 U 574/22 –, Rn. 59, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. August 2022 – 12 U 19/22 –, Rn. 5, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 2022 – 21 U 106/21 –, Rn. 8, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juli 2022 – 12 U 241/21 –, Rn. 3, juris; OLG Dresden, Urteil vom 19. Juli 2022 – 10a U 975/21 –, Rn. 11, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Juli 2022 – 6 U 1721/21 –, Rn. 55, juris; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2022 – 27 U 1635/22 –, Rn. 1, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. Juli 2022 – 2 U 3838/21 –, Rn. 23, juris; OLG München, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 8 U 1671/22, Rn. 26 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 – 16 U 260/20 –, Rn. 77, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 – 24 U 115/22, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Juni 2022 – 7 U 386/22 –, Rn. 4, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 15 U 2169/21 –, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 U 77/22 –, Rn. 52, juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Juni 2022 – 16 U 51/22 –, Rn. 9, juris).

Soweit der Kläger hiergegen die Behauptung aufstellt, der BGH habe „die Instanzengerichte aufgefordert, nicht zu entscheiden“, lässt sich derartiges weder unmittelbar noch mittelbar der in Bezug genommenen Pressemitteilung des BGH Nr. 104/2022 vom 1. Juli 2022 entnehmen. Dort heißt es lediglich, dass Gerichte, die sich - anders als der Senat - veranlasst sehen, die Tatsacheninstanz nicht zu schließen, sondern die Entscheidung des EuGH in der Sache C-100/21 abwarten, höchstrichterliche Leitlinien an die Hand gegeben werden sollen (vgl. auch OLG Bamberg, Beschluss vom 29. August 2022 – 10 U 65/22 –, Rn. 13, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. August 2022 – 19 U 43/22 –, Rn. 16, juris; OLG München, Beschluss vom 4. August 2022 – 27 U 2107/22 –, Rn. 3, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 3. August 2022 – 11 U 146/22 –, Rn. 10, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 3. August 2022 – 2 U 21/22 –, Rn. 27, juris; OLG München, Beschluss vom 18. Juli 2022 – 8 U 5100/21 –, Rn. 42, juris). Auch der vom Kläger in Bezug genommenen Pressemitteilung Nr. 95/22 des EuGH zu den Schlussanträgen vom 2. Juni 2022 in der Sache C-100/21 ist nichts für eine Vorgreiflichkeit ersichtlich (vgl. auch OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 3 U 59/22 –, Rn. 30, juris).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bedarf es eines gesonderten Ausspruchs hinsichtlich der Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses nicht (OLG Brandenburg Beschluss vom 06. Juli 2020 – 11 U 109/19, BeckRS 2020, 17097 Rn. 3, beck-online; OLG Hamm Beschluss vom 05. Mai 2021 – 20 U 22/21, BeckRS 2021, 14667 Rn. 65, beck-online; OLG Köln Beschluss vom 08. Oktober 2018 – 15 U 110/18, BeckRS 2018, 26059 Rn. 24, beck-online).

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.