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Entscheidung 19 T 153/23


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 9. Zivilkammer Entscheidungsdatum 09.01.2024
Aktenzeichen 19 T 153/23 ECLI ECLI:DE:LGFRANK:2024:0109.19T153.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 30.06.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 27.07.2023 - 11 M 3021/23 - mit der Maßgabe abgeändert, dass der Obergerichtsvollzieher XXXt, Strausberg, angewiesen wird, der Gläubigerin Abschriften der ihm von der XXX und dem XXX auf ihren Antrag vom 15.03.2023 eingeholten Drittauskünfte zu übersenden, allerdings ohne die Daten, die dieser gem. § 802l Abs. 2 ZPO gelöscht bzw. in der Verarbeitung eingeschränkt hat.

Soweit die Gläubigerin die Übermittlung der Drittauskünfte ohne Löschung von Daten bzw. Einschränkung in der Verarbeitung begehrt, wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 05.02.2018 - AZ: 17 - 1140925-0-7 - und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 16.10.2018 - 11 M 2003/18 - wegen einer Forderung von 635,61 € und Rechtsanwaltskosten. Sie beantragte im März 2023 über die Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge des Amtsgerichts Strausberg die Abnahme der Vermögensauskunft, §§ 802c, 802f ZPO, nebst Einholung von Vermögensauskünften bei den XXX und ein Ersuchen an das XXX, § 802l ZPO.Den Auftrag führte Obergerichtsvollzieher XXX aus. Am 12.04.2023 leistete der Schuldner vor dem Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft, wovon der Gläubigerin eine Abschrift übersandt worden ist. Mit Schreiben vom 13.04.2023, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 11 GA), teilte Obergerichtsvollzieher XXX der Gläubigerin die ihm vom XXX mitgeteilte Daten über Konten des Schuldners und der Konten Dritter mit, über die der Schuldner verfügungsbefugt ist.

Mit weiterem Schreiben vom selben Tag, teilte er das Ergebnis der Anfrage bei der XXX wie folgt mit: „D. Arbeitgeber konnte nicht ermittelt werden“.

Die Gläubigerin beanstandete, dass die übersandte Aufstellung hinsichtlich der vom XXX eingeholten Auskünfte unübersichtlich sei; Zeilen und Spalten würden ineinander fließen. Sie baten um Übersendung einer Kopie des originären Auskunftsschreibens des XXX , hilfsweise um Akteneinsicht gem. § 760 ZPO in die Sonderakte.

Mit Schreiben vom 09.06.2023 (Bl. 14f GA) teilte Obergerichtsvollzieher XXX der Gläubigerin mit, dass ein Anspruch auf Herausgabe der Originalmitteilung des XXX nicht bestehe und nicht erfolgen werde. Die Gläubigerin hätte alle maßgeblichen Daten erhalten; Akteneinsicht könne in seinem Büro genommen werden, allerdings habe er einige Daten nach Maßgabe von § 802l Abs. 2 ZPO bereits gelöscht.

Mit der hiergegen eingelegten Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO gegen die Amtstätigkeit des Obergerichtsvollziehers XXX verfolgt die Gläubigerin die Anweisung an den Gerichtsvollzieher, ihr folgende Auskünfte zu übersenden:1. des XXX und der XXX, wie sie ihm erteilt wurden, hilfsweise, dass diese visuell der vom XXX genutzten Darstellungsweise entspricht und

2. der XXX, wie sie ihm originär erteilt wurde. Zur Begründung macht sie weiterhin geltend, dass die übersandte Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern unübersichtlich sei, da sich ein Gläubiger zum passenden Teil der Spalten-Übersicht den passenden Zeileneintrag erst suchen müsse. Es sei nicht erkennbar, über „wen“ genau der Gerichtsvollzieher die Auskunft eingeholt habe. Name und Geburtsname der abgerufenen Person seien nicht erkennbar. Die Auskunft sei nicht geeignet, einem Gläubiger schnell Informationen über mögliche Pfändungsmöglichkeiten zu verschaffen. Hierfür müsse die Auskunft erst „entschlüsselt“ werden. Auch die Auskunft bezüglich der XXX sei unzureichend. Die Information, dass kein Arbeitgeber habe ermittelt werden können, könne keiner konkreten Anfrage zugeordnet werden. Ihr seien die Auskünfte in der Form zu erteilen, die der originären Form der Drittauskunft entspricht.

Obergerichtsvollzieher XXX ist der Erinnerung entgegen getreten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.07.2023 die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Es gebe keine Rechtsgrundlage, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Auskunft in einer bestimmten Form zu erteilen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwer der Gläubigerin vom 14.08.2023 unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Unabhängig von der Darstellungsweise der Auskünfte sei das Mindestmaß an Informationen für einen Gläubiger nicht erkennbar. So der Obergerichtsvollzieher keine visuellen Schwärzungen vorgenommen, sondern einfach aus seiner Sicht nicht relevante Daten weggelassen habe, könne sie nicht prüfen, ob die Schwärzungen rechtmäßig, d.h. gesetzes- und rechtsprechungskonform erfolgt seien oder nicht. Erforderlich seien zumindest:

  • das Datum des Abrufs
  • der Name (auch Vorname) der abgerufenen Person und
  • Schwärzungen an Positionen, die aus seiner Sicht nicht für den Gläubiger geeignet seien.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.08.2023 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke der Gläubigerin und des Obergerichtsvollziehers XXX sowie dessen beigezogene Handakte verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen die Zurückweisung ihrer Vollstreckungserinnerung ist gem. § 793 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat insoweit Erfolg, als Obergerichtsvollzieher XXX anzuweisen ist, der Gläubigerin Abschriften der Drittauskünfte, die ihm von dem XXX und der XXX zur Verfügung gestellt worden sind, zu übersenden, allerdings ohne die Daten, die dieser gem. § 802l Abs. 2 ZPO bereits gelöscht bzw. in der Verarbeitung eingeschränkt hat.

1. Dass die Gläubigerin berechtigt war, von dem Obergerichtsvollzieher XXX nach Abnahme der Vermögensauskunft vom Schuldner gem. §§ 802c, 802f ZPO Vermögensauskünfte gem. § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO bei dem XXX und bei dem XXX, einzuholen, steht außer Streit. Hier vertreten die Gläubigerin und Obergerichtsvollzieher XXX nur unterschiedliche Auffassungen dazu, wie dieser seine Informationspflichten gem. § 802l Abs. 3 ZPO gegenüber der Gläubigerin unter Maßgabe des Erforderlichkeitgebots nach Abs 2 und unter Berücksichtigung des zu gewährleistenden Datenschutzes zu erfüllen hat.

2. Gemäß § 802l Abs. 2 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die von ihm gem. § 802l Abs. 1 ZPO eingeholten und ihm mitgeteilten Daten zu überprüfen und die für die Zwecke der Vollstreckung nicht erforderlichen Daten unverzüglich zu löschen oder deren Verarbeitung einzuschränken (§ 802l Abs. 2 ZPO). Sodann hat der Gerichtsvollzieher den Gläubiger über das Ergebnis des Ersuchens unverzüglich in Kenntnis zu setzen (§ 802l Abs. 3 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Gerichtsvollzieher den Gläubiger darauf hinzuweisen, dass er die erlangten Daten nur zu Vollstreckungszwecken verarbeiten und sie nach Zweckerreichung zu löschen hat (§ 802l Abs. 3 Satz 2, § 802d Abs. 1 Satz 3 ZPO).

a) Nach Maßgabe diesen Bestimmungen hat der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger gemäß § 802l Abs. 3 Satz 1 ZPO über die ihm aufgrund seines Ersuchens nach § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO vom XXX mitgeteilten Daten zu Konten des Schuldners und Dritter, über die dieser verfügungsberechtigt ist, in der Weise Auskunft zu erteilen, dass Name und, soweit in der Auskunft des XXX aufgeführt, Anschrift, Kontonummer und die Bank, bei der das Konto unterhalten wird, sowie der Zeitpunkt der Kontoeröffnung offengelegt werden, soweit diese Daten für die Zwecke der Vollstreckung erforderlich sind (BGH Beschluss vom 24.03.2022 - I ZB 55/21 - juris Rn. 17). Sollen Auskünfte von den XXX eingeholt werden, sind Informationen über etwaige Arbeitgeber (Name, Anschrift) zu übermitteln. b)Da weder eine bestimmte Form gesetzlich normiert ist, wie die Löschung und Einschränkung der Verarbeitung der für die Vollstreckung nicht erforderlichen Daten zu erfolgen hat und wie die Auskünfte gegenüber dem Gläubiger zu erteilen sind, stehen diese Maßnahmen grundsätzlich im Ermessen des Gerichtsvollziehers, schon allein deshalb, weil die Art der Mitteilung unterschiedlich seien und auch mittels automatischen Abrufverfahrens erfolgen kann. Gelöschte Daten darf er nicht protokollieren; zu protokollieren ist lediglich, dass Daten gelöscht worden sind (BeckOK ZPO Vorwerk/Wolf, 51. Ed., § 802l Rn. 20).

c) Die hier streitige Frage, ob der Gläubiger einen Anspruch hat, eine Abschrift der Drittauskunft zu erhalten, lässt sich allerdings nicht allein aus § 802l Abs. 3 ZPO heraus beantworten, vielmehr ist hierzu die Regelung des § 760 Satz 1 ZPO heranzuziehen. Danach hat der Gerichtsvollzieher den am Vollstreckungsverfahren Beteiligten nicht nur auf Antrag Einsicht in seine Akten zu gestatten, sondern auch Abschriften einzelner Aktenstücke - gegen die Erstattung der Dokumentenpauschale - zu erteilen (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 760 Rn. 2). Hieraus ergibt sich, dass der Gerichtsvollzieher von sich aus zwar wohl nicht verpflichtet ist, den Gläubiger über das Ergebnis der Erhebung oder des Ersuchens durch Übersendung einer Abschrift der Drittauskunft zu übersenden; vielmehr steht es in seinem Ermessen, wie er seiner Verpflichtung gem. § 802l Abs. 3 ZPO nachkommt. Grundsätzlich darf sich er sich damit auch darauf beschränken, die ihn mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragende Gläubigerin, über den Erfolg oder den Misserfolg seiner Amtshandlung zu unterrichten. Verlangt ein Gläubiger - wie hier geschehen - die Übersendung einer Abschrift der Drittauskunft, hat er dem mit Blick auf § 760 Abs. 1 ZPO gegen Erstattung der Dokumentenpauschale zu entsprechen, auch wenn der Gläubiger nicht ausdrücklich auf § 760 ZPO Bezug nimmt (vgl. BGH Beschluss vom 30.01.2004 - IXa ZB 274/03 - juris Rn. 5; AG Eschweiler Beschluss vom 03.02.2021 - 61 M 115/21 - juris Rn. 19ff; AG Leipzig Beschluss vom 26.11.2014 - AZ: 436 M 15325/14 - juris Rn. 9ff.) Insoweit dient die Übersendung von Aktenteilen auch der Kontrolle durch den Gläubiger.

Dass der Gläubiger dabei die Drittauskunft nur ohne die Daten verlangen kann, die nicht für die Zwecke der Zwangsvollstreckung erforderlich sind, ergibt sich bereits aus der Systematik des § 802l ZPO. Denn der Gerichtsvollzieher ist, wie dargestellt, bereits unmittelbar nach Zugang der Drittauskunft bei ihm verpflichtet, die nicht für die Vollstreckung erforderlichen Daten zu löschen oder deren Verarbeitung einzuschränken, wobei er in der Auswahl der Sperr- bzw. Löschmethode (Anonymisierung, Schwärzung etc.) frei ist. Da die Verpflichtung gem. Abs. 2 zeitlich der Informationspflicht nach Abs. 3 vorhergeht, ergibt sich von selbst, dass Abschriften aus der Akte nur in nach Maßgabe von § 802l Abs. 2 ZPO bereinigter Form gefertigt werden können und der Gläubiger auch keinen Anspruch auf Mitteilung des Inhalts der bereinigten Daten hat, auch wenn der Anspruch auf Akteneinsicht und Übersendung von Abschriften von Aktenbestandteilen gem. § 760 ZPO insoweit unbeschränkt ist, d.h. Schwärzungen und Anonymisierungen unzulässig sind.

3. Deswegen hat der Obergerichtsvollzieher XXX letztlich, auch wenn die Art der Auskunftserteilung in seinem Ermessen steht, zu Unrecht gegenüber der Gläubigerin auf deren Verlangen hin die Übersendung einer Abschrift der ihm übersandten Drittauskünfte des XXX sowie der XXX in nach Maßgabe des § 802l Abs. 2 ZPO hinsichtlich der zur Vollstreckung nicht erforderlichen Daten in anonymisierter Form verweigert. Darauf, ob die Gläubigerin - wie Obergerichtsvollzieher XXX meint - bereits alle für die Vollstreckung erforderlichen Daten von ihm erhalten, kommt es indes nicht an. Der Gläubigerin ist das Recht zuzubilligen, dies eigenständig zu überprüfen. Dies gilt auch für Negativauskünfte, wie hier von der XXX.

III.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil die Beschwerde weitestgehend Erfolg hat. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten war nicht veranlasst. Insbesondere eine Auferlegung der Kosten nach § 91 ZPO auf den Schuldner kam hier nicht in Betracht, da jener an diesem Verfahren nicht beteiligt ist.