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Geltendmachung prüfungsrechtlicher Ansprüche durch Anfechtung eines Exmatrikulationsbescheides, Hochschulprüfungsrecht, Verwaltungsaktqualität der Feststellung des Nichtbestehens einer Modulabschlussprüfung im 1. Prüfungsversuch (bejaht), zu den inhaltlichen Anforderungen des Nachweises der Prüfungsunfähigkeit, zum Beweiswert einer "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung", ausgestellt durch einen vermeintlichen, im Ausland zugelassenen Privatarzt nach Video-Chat (Telemedizin)


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 25.06.2024
Aktenzeichen VG 1 K 79/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0625.1K79.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 1 Abs. 1 S. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 35 S. 1 VwVfG §, 14 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BbgHG §

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Exmatrikulation wegen endgültigen Nichtbestehens einer Modulprüfung.

Sie ist seit dem Wintersemester 2020/2021 an der Technischen Hochschule W_____ (nachfolgend vereinfachend: TH W_____ bzw. Hochschule) im Studiengang Betriebswirtschaft (Bachelor) immatrikuliert. Zu dem ersten Prüfungsversuch im Modul „Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht“ am 29. Juni 2022 erschien die Klägerin nicht. Das Prüfungsergebnis wurde im Campusmanagementsystem der Hochschule am 15. Juli 2022 eingetragen („Stauts NB - nicht bestanden“, „Bewertung 5,0“, „Versuch 1“, „Rücktritt Nein“, Vermerk „NA - nicht anwesend“). Am 26. Juni 2023 nahm die Klägerin am 1. Wiederholungsversuch der Modulprüfung teil. Dieser wurde mit „nicht bestanden“ (Note 5,0) bewertet. Auch den 2. Wiederholungsversuch am 11. September 2023 bestand die Klägerin nicht.

Daraufhin exmatrikulierte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 24. Oktober 2023, der Klägerin am 26. Oktober 2023 zugestellt, wegen endgültigen Nichtbestehens der Modulprüfung „Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht“ zum 31. Oktober 2023. Am 27. November 2023 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, sie bitte, „die Exmatrikulation und meine Entschuldigungen noch einmal zu überprüfen“.

Nach Anhörung des Prüfungsausschusses, der in seiner Sitzung am 12. Dezember 2023 entschied, den Widerspruch zurückzuweisen, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2023, der Klägerin am 09. Januar 2024 zugestellt, als unbegründet zurück. Da sie die Modulprüfung im 3. Versuch endgültig nicht bestanden habe, lägen die Voraussetzungen für ihre Exmatrikulation vor. Der Prüfungsausschuss habe auch das Vorliegen eines Härtefalls geprüft. Ein solcher liege aber nicht vor.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20. Januar 2024 bei dem Verwaltungsgericht Cottbus erhobenen Klage. Die Exmatrikulation sei rechtswidrig. Die Hochschule habe nicht berücksichtigt, dass die Prüfung nur zweimal geschrieben worden sei. Ihr Attest vom 29. Juni 2022 sei unberücksichtigt geblieben. Sie habe per E-Mail, entsprechend den Anforderungen der Hochschule, am 30. Juni 2022 einen Antrag für die Anzeige einer Prüfungsverhinderung u. a. für die Prüfung am 29. Juni 2022 gestellt. Hinsichtlich der Anforderungen der Hochschule verweist die Klägerin auf die von ihr vorgelegte E-Mail des Dekanats des Fachbereichs Wirtschaft, Informatik und Recht (FB WIR) vom 11. Februar 2022 zu Anträgen an den Prüfungsausschuss. Dort heißt es auszugsweise:

„- (…) Bei Antragstellung per E-Mail an pruefungsausschuss.wir@th-wildau.de im Text oder in der Betreffzeile die Seminargruppe mit angeben und ausschließlich den TH-Account verwenden. (…)

- Bei Prüfungsverhinderung z.B. durch Krankheit dem Antrag immer ein ärztliches Attest beifügen (für die TH W_____ die Bescheinigung für den Arbeitgeber, nicht Krankenkasse oder Versicherte) (…)

- Antragstellung Prüfungsverhinderungsanzeigen innerhalb von drei Arbeitstagen

- Bei Prüfungsverhinderungsanzeigen erfolgt keine Eingangs- oder Genehmigungsbestätigung, nach Entscheidung Prüfungsausschuss wird das Ergebnis dem Sachgebiet Immatrikulation und Prüfungen mitgeteilt und dort im Notensystem übernommen. Dies kann bis max. 21 Tage nach Antragstellung dauern, sollte nach dieser Zeit die Prüfungsverhinderungsanzeige nicht berücksichtigt worden sein, melden Sie sich bitte noch einmal. Nur bei Ablehnungen wird eine Antwort per Einschreiben versandt. (…)“

Ihrer Prüfungsverhinderungsanzeige habe sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29. Juni 2022 beigefügt, die die Arbeitsunfähigkeit vom 28. Juni 2022 bis 29. Juni 2022 bescheinige. Die Bescheinigung weist als Aussteller einen Arzt namens H_____, K_____, 1_____, aus („Vertragsarztstempel/Unterschrift des Arztes“). Das Attest habe sie wegen Problemen mit ihrer Krankenkasse über das Portal w_____ bezogen. Dort werde angeboten, ein ärztliches Gespräch über einen Online-Chat zu führen (Telemedizin). Herr Z_____ sei nicht als Arzt bei der Ärztekammer B_____ zugelassen. Dies sei auch nicht notwendig, da für die Gültigkeit von Attesten lediglich ein Arzt benötigt werde. Hierzu verweist die Klägerin auf eine Nachricht des Support-Teams des Portals w_____, die sie auf ihre Anfrage vom 21. März 2024 erhalten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Nachricht des Support-Teams (Bl. 63 bis 65 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Da das Nichtbestehen des ersten Prüfungsversuchs keinen Verwaltungsakt darstelle, sei auch keine Bestandskraft eingetreten.

Bereits vor Klageerhebung hatte sich die Klägerin mit E-Mail vom 16. Januar 2024 an die Hochschule gewandt. Dabei soll es sich um die Weiterleitung ihrer E-Mail an den Prüfungsausschuss p_____ vom 30. Juni 2022 mit dem Betreff „Prüfungsverhinderung S_____“ handeln, der die Prüfungsverhinderungsanzeige vom 30. Juni 2022, ihr Anschreiben vom selben Tag und die Bescheinigung vom 29. Juni 2022 beigefügt gewesen sein soll. Ergänzend führte sie in ihrer E-Mail vom 16. Januar 2024 aus, ihr erster Prüfungsversuch sei mit „nicht anwesend“ kommentiert worden, obwohl keine Rückmeldung gekommen sei, dass ihr Attest nicht angekommen oder angenommen worden sei. Sie gehe somit davon aus, dass dies berücksichtigt werde. Entsprechende Probleme mit dem Prüfungsamt seien bei ihr und ihren Kommilitonen bereits mehrmals aufgekommen. In einem weiteren Schreiben an die Hochschule vom 19. Januar 2024 führte sie gegenüber der Hochschule aus, eine Ablehnung der Prüfungsverhinderung sei ihr nie bekanntgegeben worden, somit müsse der Antrag genehmigt worden sein. Mit E-Mail vom 20. Februar 2024, der u. a. das ärztliche Attest vom 29. Juni 2022 beigefügt war, regte sie gegenüber der Beklagten eine außergerichtliche Klärung ihres Falls an.

Die Klägerin beantragt,

den Exmatrikulationsbescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2023 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die von der Klägerin benannte E-Mail vom 30. Juni 2022 sei der Hochschule nicht zugegangen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen sei, treffe den Absender. Es reiche nicht aus, dass der Absender nach dem Versenden keine Unzustellbarkeitsmitteilung bekomme, um den Beweis einer E-Mail zu führen. Daher gehe der fehlende Zugang zu ihren Lasten und der Antrag auf Anzeige einer Prüfungsverhinderung sei danach nicht fristgerecht innerhalb von drei Arbeitstagen gestellt worden. Schwerer wiege jedoch, dass ein wichtiger Grund mit der E-Mail samt Anlagen nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die vermeintliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei zurückzuweisen. Die Bescheinigung weise weder die Registriernummer eines Arztes namens H_____ noch eine Facharztbezeichnung aus und benenne zudem eine Adresse einer Arztpraxis am K_____, 1_____, welche nicht existiere. Vor falschen Bescheinigungen dieser Art und mit den benannten Daten habe die Ärztekammer Berlin bereits mehrfach gewarnt. Hierzu verweist die Beklagte auf entsprechende Warnhinweise der Ärztekammer Berlin vom 18. Dezember 2023 (https://www.aekb.de/aktuelles/detail/warnung-nicht-bekannte-arztpraxen-auf-arbeitsunfaehigkeitsbescheinigungen-dez-2023; abgerufen am 25. Juni 2024) und vom 01. August 2022 (https://www.aekb.de/aktuelles/detail/warnung-nicht-bekannte-arztpraxen-auf-arbeitsunfaehigkeitsbescheinigungen-1; abgerufen am 25. Juni 2024). Dementsprechend hätte auch ein fristgerecht eingereichter Antrag auf Nachprüfung nicht bewilligt werden können. Daher könne die Beklagte der Klägerin auch hinsichtlich des Fristversäumnisses und der bereits eingetretenen Rechtskraft des Ergebnisses der Modulprüfung im ersten Versuch nicht entgegenkommen.

Ein weiterer Warnhinweis der Ärztekammer B_____ datiert vom 04. Mai 2022. Dort wird u. a. mitgeteilt, dass der Ärztekammer ein Arzt namens H_____ nicht bekannt sei (https://www.aekb.de/aktuelles/detail/warnung-nicht-bekannte-arztpraxen-auf-arbeitsunfaehigkeitsbescheinigungen; abgerufen am 25. Juni 2024).

Mit Beschluss vom 22. April 2024 hat die Kammer gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Der Einzelrichter hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragt. Wegen des Inhalts wird auf die Niederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage bleibt ohne Erfolg.

1. Sie ist als Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft, da die Klägerin die Aufhebung des Exmatrikulationsbescheides der Beklagten vom 24. Oktober 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2023, der wegen der endgültig nicht bestandenen Prüfung im Modul „Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht“ erlassen worden ist, begehrt. Prüfungsrechtliche Ansprüche können in solchen Fällen durch Anfechtung des Exmatrikulationsbescheides geltend gemacht werden (Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rn. 824). Dem steht nicht entgegen, dass die Bekanntmachung der Bewertung des 2. Wiederholungsversuchs vom 11. September 2023 im Campusmanagementsystem der Hochschule erfolgt, § 9 Abs. 4 Satz 5 der Rahmenordnung der Technischen Hochschule W_____ vom 04. Juni 2016 (Amtl. Mitt. Nr. 6/2016 vom 04. Juni 2016) in der hier maßgeblichen Fassung der 4. Änderung vom 31. August 2022 (Amtliche Mitteilung der TH W_____ [Amtl. Mitt.] Nr. 31/2022 vom 31. August 2022) – Rahmenordnung 2022 (RO 2022). Selbiges galt im Übrigen auch schon aufgrund der Vorschrift in der Fassung der 3. Änderung vom 26. März 2021 (Amtl. Mitt. Nr. 13/2021 vom 26. März 2021) – Rahmenordnung 2021 (RO 2021).

Die Klägerin wendet sich mit ihrem am 27. November 2023 erhobenen Widerspruch gegen den Exmatrikulationsbescheid auch gegen die Bewertung ihrer Prüfung als endgültig nicht bestanden. Das geht aus dem Inhalt des Widerspruchsschreibens unzweifelhaft hervor, in dem sie sinngemäß einwendet, es habe sich bei der Prüfung am 11. September 2023 nicht um den 2. (und damit letzten) Wiederholungsversuch gehandelt. Erforderlich, aber auch ausreichend sind Einwendungen gegen das endgültige Nichtbestehen des betreffenden Moduls. Ob die Klägerin mit ihrem Vortrag durchdringt, ist für die Frage des Eintritts der Bestandskraft dagegen unerheblich. Den Widerspruch hat auch die Beklagte nicht lediglich als Widerspruch gegen die Exmatrikulation als solche, sondern – zugleich – als Widerspruch gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens aufgefasst sich mit den Einwendungen der Klägerin inhaltlich befasst. Anderenfalls hätte für sie auch kein Anlass bestanden, den Prüfungsausschuss im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu beteiligen.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Exmatrikulationsbescheid der Beklagten vom 24 Oktober 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2023 ist rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Exmatrikulation ist § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, 2. Var. des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) vom 18. April 2014 (GVBl. I Nr. 18), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. September 2020 (GVBl. I Nr. 26). Da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Sach- und Rechtslage einer Exmatrikulation der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich ist (Urteil der Kammer vom 27. Juni 2014 – 1 K 1131/12 –, juris Rn. 19 m. w. N.), findet die am 10. April 2024 in Kraft getretene Neufassung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes vom 09. April 2024 (GVBl. I Nr. 12) keine Anwendung. Nach der genannten Vorschrift sind Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie eine vorgeschriebene Prüfung endgültig nicht bestanden haben, sofern sie nicht innerhalb von zwei Monaten die Notwendigkeit der Immatrikulation für die Erreichung eines weiteren Studienziels nachweisen.

a) Die Klägerin hat die Prüfung im Modul „Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht“ endgültig nicht bestanden.

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Bewertung der Modulprüfung vom 29. Juni 2022 um einen Verwaltungsakt, weil damit das Nichtbestehen im 1. Prüfungsversuch verbindlich festgestellt wird. Dieser Feststellung kommt Außenwirkung i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i. V. m. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zu.

Ob der Bewertung einer studienbegleitenden Prüfung (Modulprüfung) eigene Rechtswirkung zukommt, hängt insbesondere von der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens durch die Prüfungsordnung ab. Die Modulprüfungsnote jenseits des Nichtbestehens, also die Leistungsbewertung der bestandenen Prüfung, ist für sich genommen mangels Regelungscharakters regelmäßig kein Verwaltungsakt. Wenn die Prüfungsordnung lediglich vorsieht, dass zuvor festgelegte Prüfungsnoten oder Ergebnisse von Teilen der Prüfung bei der Gesamtbewertung zu berücksichtigen sind, begründet dies keine eigene Rechtswirkung der Teilbewertungen. Anders ist es, wenn die Prüfungsteile sachlich und zeitlich abgegrenzt sind und ihr Ergebnis – mit Folgen für den Fortgang der Prüfung – gesondert beschieden wird. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts genügt jedoch selbst eine Ausgestaltung der Prüfung als sog. „abgeschichtete Fachprüfung“, bei der die Prüfung nur bei Bestehen bestimmter Teilprüfungen fortgesetzt wird, für sich genommen noch nicht, die einzelnen Teilergebnisse als Verwaltungsakte zu qualifizieren (BVerwG, Beschluss vom 25. März 2003 – 6 B 8/03 –, juris Rn. 6). Auch die Modulnote ist lediglich ein Bestandteil der am Ende der Ausbildung festzusetzenden Gesamtnote. Wird eine Note festgesetzt und damit eine Prüfungsleistung verbindlich bewertet, führt das allein noch nicht dazu, dass diese Bewertung eine selbständige Regelung für das gesamte Prüfungsverfahren der Bachelor- bzw. Masterprüfung ist, die sich ihrerseits aus verschiedenen Modulen zusammensetzt. Denn die Mitteilung, wie eine (bestandene) Modulprüfung benotet wurde, hat keine unmittelbare Rechtsfolge (Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rn. 817a m. w. N. auch zur a. A.).

Die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses am 15. Juli 2022 beschränkte sich jedoch nicht darauf, die Benotung der Prüfung mitzuteilen. Vielmehr wurde dort u. a. Folgendes festgestellt: „NB - nicht bestanden“ und „Versuch 1“. Die hier einschlägigen Bestimmungen der Rahmenordnung sprechen dafür, die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses aufgrund der Feststellung des Nichtbestehens des 1. Prüfungsversuchs als Verwaltungsakt zu qualifizieren, weil die Rahmenordnung eine unmittelbare Rechtsfolge an diesen Ausspruch knüpft. Zwar enthält sie keine ausdrücklichen Regelungen dazu, dass eine Feststellung des Nichtbestehens eines Moduls in der Form eines Verwaltungsakts zu ergehen hätte. Allerdings zeigen die nach der Rahmenordnung mit der Feststellung unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen nicht bestandener Modulprüfungen, dass die Feststellung des Nichtbestehens einer Modulprüfung eine Regelung und damit einen Verwaltungsakt darstellt, sofern ihr Bestehen Voraussetzung für den erfolgreichen (Studien-)Abschluss ist (vgl. zum Ganzen: Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rn. 818 und 698).

Eine Prüfungsleistung ist bestanden, wenn mindestens die Note „ausreichend“ (Note 4,0) oder die Bewertung „mit Erfolg“ vergeben wurde, § 21 Abs. 1 RO 2021/2022. Nicht bestandene Modulprüfungen können zweimal wiederholt werden § 21 Abs. 3 Satz 1 RO 2021/2022. Gemäß Satz 2 der zuletzt genannten Vorschrift erlischt der Prüfungsanspruch nach zwei erfolglosen Wiederholungsprüfungen. Wenn die Kandidatin/der Kandidat eine Prüfung ohne wichtigen Grund nicht antritt, wird die Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ bewertet, § 22 Abs. 1 Nr. 1 RO 2021/2022. Die Feststellung des Nichtbestehens eines Moduls im – wie hier – 1. Prüfungsversuch beschränkt sich somit nicht nur darauf, den Misserfolg des betreffenden Prüfungsversuchs gegenüber dem Studierenden verbindlich festzustellen, sondern erstreckt sich darüber hinaus auch auf die verbindliche Feststellung, dass der Prüfungsanspruch des Studierenden in dem betreffenden Modul nunmehr nur noch zwei Wiederholungsversuche beinhaltet; m. a. W., dass der erste von insgesamt drei möglichen Prüfungsversuchen verbraucht und das Bestehen der Modulabschlussprüfung weiterhin Voraussetzung für den erfolgreichen (Studien-)Abschluss ist.

Die Bekanntgabe der Bewertung des 1. Prüfungsversuchs erfolgte am 15. Juli 2022 im Campusmanagementsystem der Hochschule, vgl. § 9 Abs. 4 Satz 5 RO 2021. Hiergegen wurde innerhalb der insoweit maßgeblichen Jahresfrist (die Bewertung enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung), §§ 70 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, kein Widerspruch erhoben. Im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt war damit die Feststellung des Nichtbestehens des 1. Prüfungsversuchs in Bestandskraft erwachsen. Auch die beiden Wiederholungsversuche vom 26. Juni 2023 und 11. September 2023 hat die Klägerin – insoweit unstreitig – nicht bestanden.

bb) Ohne dass es danach noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ist auch ein Zugang der E-Mail vom 30. Juni 2022, auf den sich die Klägerin beruft, nicht feststellbar.

Ihren Angaben nach ist die E-Mail nicht an die E-Mail-Adresse p_____, sondern an die E-Mail-Adresse p_____ gesendet worden. Der von der Beklagten erhobene Einwand, die E-Mail sei ihr nicht zugegangen, erweist sich danach als plausibel. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die E-Mail-Adresse nicht händisch eingetippt zu haben, sondern diese habe sich bei Eingabe automatisiert vervollständigt, ändert dieser Umstand nichts an der Tatsache, dass die von ihr verwendete E-Mail-Adresse nicht den Hinweisen aus der E-Mail des Dekanats des FB WIR vom 11. Februar 2022 zu Anträgen an den Prüfungsausschuss entspricht, an die sie sich gehalten haben will. Im Übrigen ist die Klägerin für die korrekte Adressierung ihrer E-Mail verantwortlich. Auch auf der Internetseite des FB WIR (h_____; abgerufen am 25. Juni 2024) ist die Erreichbarkeit des Prüfungsausschusses per E-Mail entsprechend den Hinweisen aus der E-Mail vom 11. März 2022 angegeben. Die E-Mail-Adresse, die die Klägerin verwendet haben will, findet sich dort hingegen nicht.

Gegen einen tatsächlichen Zugang der E-Mail vom 30. Juni 2022 spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Klägerin an dem 2. und 3. Prüfungsversuch am 26. Juni 2023 bzw. 11. September 2023 zunächst widerspruchlos teilgenommen hatte und sich erst im Nachhinein, nachdem auch der 3. Prüfungsversuch erfolglos geblieben war, darauf berufen hat, es habe sich nicht um ihren letzten Prüfungsversuch gehandelt, da ihr Nichterscheinen beim 1. Prüfungsversuch am 29. Juni 2022 entschuldigt gewesen sei. Dies ist angesichts der bereits am 15. Juli 2022 bekannt gegebenen Feststellung des Nichtbestehens des 1. Prüfungsversuchs wegen fehlender Anwesenheit nicht nachvollziehbar. Der Prüfungsausschuss entscheidet innerhalb von 21 Kalendertagen nach Zugang über den Antrag auf Nachprüfung, § 22 Abs. 2 Satz 3 RO 2021/2022. Es wäre von der Klägerin, die die Obliegenheit trifft, sich über den Inhalt der für sie maßgebenden Prüfungsordnung Kenntnis zu verschaffen (vgl. Fischer/Jeremias/Dieterich, 8. Auflage 2022, Rn. 179 und 268 m w. N.), zu erwarten gewesen, sich in Ansehung der auch nach 21 Tagen unverändert gebliebenen Bewertung ihres 1. Prüfungsversuchs nach ihrer Prüfungsverhinderungsanzeige zu erkundigen, wies dies im Übrigen auch in den Hinweisen des FB WIR vom 11. Februar 2022 zu Anträgen an den Prüfungsausschuss empfohlen wird. Auf die Genehmigungsfiktion nach Ablauf von 21 Tagen, § 22 Abs. 2 Satz 4 RO 2021/2022, kann sich die Klägerin freilich nicht berufen, da es an dem hierfür erforderlichen Zugang ihres Antrags fehlt.

cc) Darüber hinaus wäre mit Vorlage der „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ vom 29. Juni 2022 auch kein wichtiger Grund i. S. v. § 22 Abs. 2 RO 2021 für den Nichtantritt der Prüfung vom 29. Juni 2022 glaubhaft gemacht worden.

Der Nachweis einer erheblichen Verminderung der Leistungsfähigkeit des Prüflings ist im Allgemeinen nur mit ärztlicher Hilfe möglich. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht dabei nicht aus. Inhalt dieses Nachweises (Attest) muss, ohne dass dies in der Prüfungsordnung ausdrücklich geregelt sein müsste, die Bescheinigung der gesundheitlichen Beeinträchtigung sein (etwa der Hinweis auf bestimmte Schmerzen, fiebrige Infektionen) und ferner die Angabe der sich daraus ergebenden Behinderung in der Prüfung, speziell durch die Störung körperlicher oder geistiger Funktionen (z. B. Störung der Konzentrationsfähigkeit oder der Schreibfähigkeit). Die genaue Bezeichnung der Krankheit ist zweckmäßig, aber nicht entscheidend. Allerdings kann nach Lage der Dinge schon durch sie offensichtlich gemacht werden, dass die Leistungsfähigkeit des Prüflings erheblich beeinträchtigt ist (z.B. bei fiebriger Grippe) (Fischer/Jeremias/Dieterich, 8. Auflage 2022, Rn. 277 m w. N.). Der schlichte, nicht weiter begründete Hinweis eines Arztes, der Prüfling sei „prüfungsunfähig“, entspricht diesen Anforderungen nicht (a. a. O., Rn. 278).

Dementsprechend werden an anderen Hochschulen im Land Brandenburg Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Glaubhaftmachung einer Prüfungsunfähigkeit regelmäßig nicht anerkannt. Beispielgebend kann auf entsprechende Antragsformulare der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Dekanat der Juristischen Fakultät – (https://www.rewi.europa-uni.de/de/studium/formulare_antraege/rewi/Antrag-Ruecktritt_Zwischenpruefungsleistungen.pdf; abgerufen am 25. Juni 2024), der Universität Potsdam (https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/studium/docs/03_studium_konkret/08_formulare/pruefungsbereich/Vorlage_Attest_interaktiv.pdf; abgerufen am 25. Juni 2024) oder der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (https://www-docs.b-tu.de/studierende/public/files/Formulare/Aerztliches_Attest_161011.pdf; abgerufen am 25. Juni 2024) verwiesen werden. In diesen Formularen ist eine Erklärung des Arztes vorgesehen, die Feststellungen zur Prüfungsunfähigkeit beinhaltet.

Der Klägerin ist allerdings nicht vorzuwerfen, dass sie sich zur Glaubhaftmachung ihrer Prüfungsunfähigkeit auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beruft. Denn nach der bisherigen Praxis der TH W_____ sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Glaubhaftmachung einer Prüfungsunfähigkeit offenbar anerkannt worden, wie auch aus den Hinweisen des FB WIR in seiner E-Mail vom 11. Februar 2022

„(…) ärztliches Attest beifügen (für die TH W_____ die Bescheinigung für den Arbeitgeber, nicht Krankenkasse oder Versicherte) (…)“

zweifelsfrei hervorgeht.

Gleichwohl ist die vorliegende „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ vom 29. Juni 2022 selbst unter Berücksichtigung der bisherigen Praxis der TH W_____ nicht geeignet, eine Prüfungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung kommt nur einer „ordnungsgemäß ausgestellten“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen der Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert hinsichtlich der Frage einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu (BAG, Urteil vom 15. Juli 1992 – 5 AZR 312/91 –, juris Rn. 10; Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 –, juris Rn. 25).

Bei der von der Klägerin vorgelegten „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts nicht um eine ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Zwar ist nach § 4 Abs. 5 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie (AU-Richtlinie) seit dem 19. Januar 2022 eine Krankschreibung auch unbekannter Patientinnen und Patienten per Videosprechstunde grundsätzlich möglich und ein Gespräch per Video stellt einen persönlichen Kontakt dar (vgl. zum Ganzen: Hoffmann, öAT 2022, 51 [51 bis 53]). Durch die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit auf dem hierfür nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AU-Richtlinie vorgesehenen Vordruck (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) wird jedoch der unzutreffende Eindruck erweckt, Aussteller sei der unter der Anschrift K_____, 1_____, niedergelassene Vertragsarzt H_____. Dass dem nicht so ist, ergibt sich aus den Warnungen der Ärztekammer B_____ vom 04. Mai 2022, 01. August 2022 und 18. Dezember 2023. Auch nach Auskunft des Support-Teams des Portals w_____ an die Klägerin soll es sich bei dem betreffenden Arzt nicht um einen an der angegebenen Anschrift niedergelassenen Vertragsarzt, sondern um einen im Ausland zugelassenen Privatarzt handeln. Es stellt sich dann aber die Frage, weshalb der nach der AU-Richtlinie vorgesehene Vordruck unter Verwendung der o. g. Praxisanschrift verwendet worden ist. Einen verlässlichen Rückschluss darauf, ob es sich bei dem Aussteller tatsächlich um einen approbierten und bei einer Ärztekammer registrierten Arzt handelt, lassen die auf der vorliegenden „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ enthaltenen Angaben nicht zu. Bei welcher Ärztekammer und an welchem Ort der vermeintliche Arzt H_____ registriert sein soll, hat auch das Support-Team des Portals w_____ der Klägerin nicht mitgeteilt. Aufgrund ihrer zweifelhaften Angaben kommt der vorgelegten „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ jedenfalls der erforderliche „hohe Beweiswert“ nicht zu. Folgerichtig hat auch die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erklärt, die Bescheinigung nicht anzuerkennen.

b) Die Notwendigkeit der Immatrikulation für die Erreichung eines weiteren Studienziels hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Vielmehr ist sie bestrebt, ihr Studium im Studiengang Betriebswirtschaft (Bachelor) an der TH W_____ fortzusetzen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung: