Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Rücküberstellung nach Griechenland

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Rücküberstellung nach Griechenland


Metadaten

Gericht VG Cottbus 7. Kammer Entscheidungsdatum 12.04.2010
Aktenzeichen 7 L 69/10.A ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, § 123 Abs 1 VwGO

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der nach eigenen Angaben 1987 geborene Antragsteller brachte nach seiner unter Mitführen einer gefälschten polnischen Identitätskarte auf dem Luftweg am 22. August 2009 von Athen kommend erfolgten illegalen Einreise gegenüber der Bundespolizeidirektion B-Stadt – Flughafen B-Stadt- – unter der im Rubrum angegebenen Identität ein Asylgesuch an, wozu er angab, iranischer Staatsangehöriger und mit der Hilfe von Schleppern gegen Zahlung von 8 000 bis 9 000 Euro von Teheran über Istanbul und Griechenland ins Bundesgebiet gereist zu sein. Er habe sich bei der Hekmatist betätigt und Revolutionswächter hätten ihn festnehmen wollen. Nun wolle er als politischer Flüchtling bei seinen in Köln lebenden Eltern bleiben.

Am 26. August 2009 stellte der Antragsteller bei der Außenstelle C-Stadt des (Bundesamt) einen Asylantrag, den er anlässlich einer Befragung am selben Tage, mittels Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 7. September 2009 und bei seiner Anhörung am 1. Oktober 2009 i.W. wie folgt begründete:

Er stamme aus Karaj, spreche Persisch und ein wenig Englisch und habe seinen (iranischen) Reisepass vernichtet. Seine Eltern und eine Tante lebten – z.T. seit 20 Jahren – in Köln, ein Onkel in Frankfurt/Main. Nach dem 11-jährigen Schulbesuch habe er zwei Jahre studiert, danach habe er zuletzt gelegentlich als Aushilfskraft gearbeitet. Als Mitglied der kommunistischen Arbeiterpartei Kumleh/Hekmatist sei er im Iran politisch aktiv gewesen; so sei er mehrmals ins irakische Kurdistan gereist, wo er sich mit Führern der Partei, u.a. Sale Sardai, getroffen habe. Nach ihm – dem Antragsteller – sei gefahndet worden; mehrfach habe er fliehen können, während Freunde verhaftet worden seien. Auch sei er auf etlichen Demonstrationen gegen das iranische Regime gewesen, wobei er einige Male auf der Straße zusammengeschlagen worden sei. Die kommunistische Arbeiterpartei, die sich Hekmatist nenne, habe er vor drei Jahren kennengelernt, und er habe sich dann in Karadj für sie engagiert, indem er Freunde für die Partei angeworben und mit Parteifreunden Flugblätter verteilt sowie als Student Handzettel an der Universität versteckt habe. Er sei Anhänger, nicht aber Mitglied dieser Partei, habe sich nun aber bei der deutschen Filiale der Partei um eine Mitgliedschaft beworben. Die Partei sei wohl vor 6 oder 7 Jahren gegründet worden; ihre Ziele bestünden in Freiheit und Gleichberechtigung. Sie sei verboten und ihre Sympathisanten müssten mit Hinrichtung durch das iranische Regime rechnen. Wo sich die Zentrale der Partei befinde, wisse er nicht; er wisse aber, dass die Partei in verschiedenen Ländern Filialen habe. Während der letzten Monate habe er an Demonstrationen teilgenommen, weshalb er den Sicherheitskräften bekannt sei. Nachdem man seine Wohnung durchsucht habe, sei er in den Untergrund gegangen, indem er ins türkisch-irakische Grenzgebiet zu Verwandten seines Vaters gefahren sei. Im Web habe er unter www.diako-ir.baxblog.com über die Partei geschrieben. Im Verwaltungsverfahren legte der Antragsteller eine Bescheinigung der Partei WPI-Hekmatist, Sektion Deutschland, vom 11. September 2009 darüber vor, dass er Anhänger der Partei sei.

Erstmals am 26. August 2009 und erneut am 30. November 2009 ersuchte die Bundesrepublik Deutschland Griechenland um Übernahme des Antragstellers zwecks Durchführung des Asylverfahrens; die griechischen Behörden haben sich bisher nicht geäußert. Am 8. März 2010 entschied das Bundesamt, den Asylantrag des Antragstellers gem. § 27 a AsylVfG als unzulässig abzuweisen und die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG anzuordnen. Hierüber unterrichtete es die Ausländerbehörde Spree-Neiße sowie die Antragstellerbevollmächtigten durch Übersendung des entsprechenden Bescheidentwurfs, der dem Antragsteller mit Blick auf seine für den 20. April 2010 beabsichtigte Rückführung nach Griechenland am 13. April 2010 zugestellt werden soll. Mit Schriftsatz vom 6. April 2010 machten die Antragstellerbevollmächtigten beim Bundesamt geltend, in Griechenland sei für den Antragsteller kein ordnungsgemäßes Asylverfahren gewährleistet, so dass Deutschland vom Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II-Verordnung Gebrauch machen müsse. Das Bundesamt teilte darauf mit, dass vom Selbsteintrittsrecht kein Gebrauch gemacht werde.

Mit seinem am 7. April 2010 angebrachten Eilrechtsschutzantrag sucht der Antragsteller, die asylrechtliche Rücküberstellung nach Griechenland zu verhindern, da eine Rückführung nach Griechenland unvertretbar sei, weil das griechische Asylsystem europäischen Standards nicht entspreche. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 – 2 BvQ 56/09 – überwiege das private Aussetzungs- gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Rückführung, zumal wegen der nicht ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides vom 8. März 2010 gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes verstoßen worden sei.

Der anwaltlich vertretene Antragsteller beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. April 2010 anzuordnen und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung herzustellen,

hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, seinen Aufenthalt vorläufig zu gestatten, hilfsweise ihm gegenüber vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen,

ferner, die Antragsgegnerin anzuweisen, die Vollziehbarkeitsmitteilung an die Ausländerbehörde zu unterlassen sowie die Ausländerbehörde anzuweisen, ihn vorläufig nicht abzuschieben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des den Antragsteller betreffenden Bundesamtsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers ist unzulässig bzw. jedenfalls unbegründet, und hat darum insgesamt keinen Erfolg.

Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs begehrt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), ist der Antrag bereits deshalb unzulässig, weil weder ein Widerspruch erhoben worden ist noch zulässig wäre und weil auch eine anfechtbare Entscheidung der Antragsgegnerin bisher gar nicht vorliegt. In dem angezogenen Schriftsatz vom 6. April 2010 hat der Antragsteller (lediglich) auf die aus seiner Sicht unzulässige Rückführung nach Griechenland hingewiesen und den Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland bezüglich seines Asylgesuchs beantragt; einen Widerspruch hat er hiermit nicht angebracht, zumal seinen Prozessbevollmächtigten der Bescheidentwurf vom 8. März 2010 erst am 8. April 2010 übersandt wurde. Selbst wenn davon auszugehen wäre, der nämliche Bescheid, der dem Antragsteller erst am 13. April 2010 zugestellt werden soll und ihm selbst gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG i.V.m. § 27 a AsylVfG zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG zuzustellen ist, käme als Rechtsbehelf kein Widerspruch, sondern allenfalls eine Klage in Betracht (vgl. § 11 AsylVfG).

Soweit der Antragsteller Rechtsschutz im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erstrebt, ist der Antrag mit Blick auf § 34 a Abs. 2 AsylVfG unstatthaft bzw. jedenfalls unbegründet.

Gemäß § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung grundsätzlich nicht nach §§ 80 oder 123 VwGO ausgesetzt werden, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller ist am 22. August 2009 aus Griechenland kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und soll dorthin abgeschoben werden. Nach überschlägiger Prüfung sieht das Gericht entgegen der Auffassung des Antragstellers – auch mit Blick auf zahlreiche abweichende Entscheidungen verschiedener deutscher Verwaltungsgerichte und unter Berücksichtigung der angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – wegen der gegenwärtig unzureichenden Umsetzung europarechtlicher Flüchtlingsschutzstandards in Griechenland keinen Anlass, von dieser das Gericht bindenden gesetzlichen Regel abzuweichen.

Griechenland ist für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-II-VO zuständig, was der Antragsteller bei Lichte besehen ebenso einschätzt. Nicht gefolgt werden kann dem Antragsteller in der Auffassung, ihm stehe gleichwohl ein Anspruch darauf zu, dass Deutschland in seinem Fall von dem ihm in Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO eröffneten Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Es ist bereits fraglich, ob die Bestimmungen der Dublin-II-VO – auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedstaates – subjektive Rechte des Asylbewerbers begründen. Viel spricht dafür, dass sie allein der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten dienen (VG Berlin, Beschluss vom 28. Mai 2009 - VG 33 L 113.09. A -, juris). Selbst wenn man einen Anspruch des einzelnen Asylbewerbers auf fehlerfreien Ermessensgebrauch annehmen wollte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, weshalb trotz der offenbaren Defizite im Bereich des Flüchtlingsschutzes in Griechenland ein behördliches Ermessen ausnahmsweise allein zu Gunsten eines Selbsteintritts der an sich unzuständigen Bundesrepublik Deutschland ausgeübt werden dürfte.

Der Auffassung des Antragstellers, die aktuelle Situation für Flüchtlinge in Griechenland ziehe eine den Erlass einer die Rückführung verhindernden einstweiligen Anordnung gebietende Ermessensreduzierung auf Null zu seinen Gunsten nach sich, vermag das Gericht nicht beizutreten. Bei der diesbezüglichen Beurteilung ist der mit verfassungsändernder Mehrheit zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille in den Blick zu nehmen, dass sich ein Flüchtling grundsätzlich unter anderem dann nicht auf das Asylgrundrecht berufen darf, wenn er – wie hier geschehen – aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften und damit nach den Vorstellungen des nationalen Gesetzgebers aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a Abs. 1 AsylVfG, Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist. Dieser Grundgedanke findet seinen Niederschlag nicht zuletzt in § 34 a Abs. 2 AsylVfG, welcher in derartigen Fällen den Eilrechtsschutz ausschließt. Nach der vom rechts- und gesetzesgebundenen Gericht zu achtenden Grundentscheidung des Gesetzgebers, welche verfassungsrechtlichen Rang genießt, ist für die Prüfung des Asylantrags in einem solchen Fall nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ausschließlich der sichere Drittstaat zuständig, im Falle des Antragstellers Griechenland. Sein in Deutschland angebrachter Asylantrag ist gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig. Es ist dem Antragsteller daher auch zuzumuten, seine Rechtsverfolgung in diesem hier nach der Dublin-II-VO zuständigen Staat zu betreiben. Dass nach Griechenland rücküberstellten Zufluchtsuchenden solches zumutbar ist, hat der Sache nach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Entscheidung vom 2. Dezember 2008 - 32733/08 -, NVwZ 2009, 965) unter Hinweis auf die Möglichkeit bestätigt, beim Gerichtshof ggf. eine vorläufige Maßnahme nach Art. 39 VerfO-EGMR zu erwirken.

§ 34 a Abs. 2 AsylVfG ist nach der das Gericht insoweit ebenfalls bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49, 52 und 113) und nur dann nicht anwendbar, wenn in bestimmten Ausnahmefällen Einwendungen des Ausländers zu einer individuellen Gefährdung im Drittstaat geltend gemacht werden können, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Hiernach kommt ein Selbsteintrittrecht in Betracht

- im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, wenn sich ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat darauf beruft, dass ihm dort die Todesstrafe droht;

- wenn er der Abschiebung in den Drittstaat die erhebliche konkrete Gefahr entgegenhalten kann, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens wird, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht;

- ferner der Fall, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26 a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht;

- schließlich – weil vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat nicht umfasst – auch in Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder

- in Extremfällen, wenn sich aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergibt, dass der Drittstaat sich – etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat – von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird.

Es ist weder etwas dafür vorgetragen noch sonst erkennbar, dass ein den Selbsteintritt rechtfertigender Umstand im vorbeschriebenen Sinne gegeben ist. Der Antragsteller hat z.B. nicht glaubhaft gemacht, dass sich der griechische Staat seiner ohne jede weitere Prüfung des Asylbegehrens entledigen würde. Hierfür reichen seine allgemein gehaltenen Rügen die Ausgestaltung und Umsetzung des Flüchtlingsschutzes in Griechenland betreffend nicht aus. Dies entspricht nicht den vom Bundesverfassungsgericht geforderten strengen Anforderungen an eine Darlegung der einer Abschiebung ausnahmsweise entgegenstehenden Hinderungsgründe, zumal, wenn es sich wie hier um einen Vertragsstaat nach dem Dubliner Übereinkommen handelt. Soweit sich der Antragsteller pauschal und ohne nähere Darlegungen auf Erfahrungen anderer Asylbewerber in Griechenland stützt, die gravierende Mängel im griechischen Asylverfahren nahelegen, betrifft dies allgemeine, nicht konkret seine Person betreffende Umstände, welchen an dieser Stelle kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist. Allein die Möglichkeit, dass er in Griechenland Schwierigkeiten haben könnte, sein Asylgesuch anzubringen, eine sachgerechte Bearbeitung zu erreichen und bis zum Abschluss des Verfahrens ohne staatliche Fürsorge auf sich allein gestellt sein könnte, reicht für die Annahme eines Ausnahmefalles im oben beschriebenen Sinne nicht aus. Diese Ungewissheit teilt er mit nahezu allen anderen Flüchtlingen in Griechenland, wobei das Gericht davon ausgeht, dass ihn nach der Abschiebung aus einem anderen Mitgliedstaat wie Deutschland eher eine größere Aufmerksamkeit zuteil werden wird als anderen Zufluchtsuchenden, zumal auch auf europäischer Ebene öffentlichkeitswirksam erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um Griechenland zu weiteren Verbesserungen seines nach wie vor defizitären Flüchtlingsschutzes zu bewegen. Insoweit ergibt sich zudem aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stuttgart vom 14. Juli 2009, dass Schutzsuchende bei einer Rücküberstellung nach Griechenland dort einen Asylantrag stellen können, erstmals bereits am Flughafen Athen, wo häufig Befragungen auch in Anwesenheit von über die Ankunft Rücküberstellter informierten Vertretern von Nichtregierungsorganisationen erfolgen. Zwar erweist sich der Zugang zur Bearbeitung der Asylanträge mangels ausreichender Kapazitäten der zentralen Ausländerbehörde in Athen als schwierig; indes sind die beschränkten Kapazitäten nach der zitierten Auskunft davon geprägt, dass von den wöchentlich 400 Plätzen für zu bearbeitende Fälle 250 für vorrangige Fälle, darunter z.B. Dublin II-Rückkehrer reserviert sind.

Es kann vorliegend sogar offen bleiben, ob die oben aufgeführten Sonderfälle abschließend sind. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und auch die drohende Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30. September 2004, S. 12) das Selbsteintrittsrecht gebieten können sollte (vgl. insoweit VG Gießen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - 10 L 1497/08.GI.A -, juris; ebenso VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11. Januar 2008 - 7 G 3911/07.A -), stünde das Vorbringen des Antragstellers einer Abschiebung nach Griechenland nicht entgegen. Wie bereits oben erläutert genügen seine Angaben den vom Bundesverfassungsgericht für die Darlegung eines individuell zu begründenden Ausnahmefalles geforderten strengen Anforderungen nicht. Der Antragsteller hat nach Maßgabe der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung seines gesamten Asylvorbringens außerdem nicht glaubhaft gemacht, tatsächlich der behaupteten politischen Verfolgung im Iran zu unterliegen. Seine Angaben hierzu wirken konstruiert und widersprüchlich bzw. gesteigert, da er anfangs von einer Mitgliedschaft in der von ihm angeführten Partei sprach, sodann lediglich davon, ihr Anhänger zu sein. Die von ihm im Verwaltungsverfahren beigebrachte Bescheinigung, besagt ebenfalls (nur), dass er Anhänger der Partei sei, und kommt als mögliche Gefälligkeitsbescheinigung mangels verlässlicher Überprüfbarkeit ohnehin als Nachweis der angeblichen Verfolgung des Antragstellers im Iran nicht in Betracht. Angesichts des Umstandes, dass er sich schon als Student mit den Zielen dieser Partei befasst und über sie im Web sogar selbst geschrieben habe, erweckt die bei der Bundesamtsanhörung geschilderte Zielstellung dieser Partei als abenteuerlich kenntnislos. Da der Antragsteller selbst behauptet hat, er habe sich sogar mit Parteiführern im Ausland getroffen, Flugblätter verteilt und Freunde für die Partei geworben, befremdet es, dass er angesichts der Sympathisanten der Partei drohenden Exekutierung durch das islamistische Regime lediglich anzugeben wusste, die Partei stehe für Freiheit und Gleichberechtigung ein. Die von seinen Prozessbevollmächtigten mit wenig nachvollziehbaren Belehrungsversuchen gegenüber dem Bundesamt angebrachten allgemeinkundigen Erkenntnisse bezüglich der Partei stellen sich in diesem Zusammenhang als gesteigert und nicht vom Antragsteller selbst getragen dar. Immerhin wusste der Antragsteller noch nicht einmal etwas Genaues über die Parteigeschichte und ihre Führer zu berichten, obgleich er doch selbst solche Parteiführer im Ausland getroffen haben will.

Der Vortrag zu der Ausreise und ihren zeitlichen Hintergründen erscheint ebenfalls nicht nachvollziehbar: So will der Antragsteller den Iran von Teheran aus etwa drei Wochen vor der Einreise ins Bundesgebiet verlassen haben; andererseits gibt er aber an, sich bei Verwandten im Grenzgebiet zur Türkei und zum Irak versteckt gehalten zu haben. Unter diesen Umständen erscheint es konstruiert, dass der Antragsteller, der in seiner Heimatstadt Karaj angesichts behaupteter Wohnungsdurchsuchungen bei den Sicherheitskräften bekannt gewesen sein will, sich in Teheran der Gefahr ausgesetzt haben soll, dort von Sicherheitskräften entdeckt zu werden.

Schließlich ist es nicht nachvollziehbar, mit welchen Mittel der Antragsteller die etliche 1 000 Euro teure Schleusung finanziert haben will, nachdem er in den letzten Jahren (nach 11- jährigem Schulbesuch und 2-jährigem Studium also ab 2006) nur gelegentlich als Aushilfskraft gearbeitet haben will. Es erscheint nicht vorstellbar, dass er für die Veräußerung eines Pkw annähernd das erforderliche Schleusergeld hat erzielen können; soweit er vorbringt, dass seine Eltern ihn unterstützt haben sollen, erschließt sich nicht, wie dies bewerkstelligt worden sein soll, während sich der Antragsteller im Grenzgebiet versteckt gehalten haben will und angesichts der knappen Zeit zwischen den die Flucht auslösenden Vorfällen und der Ausreise, die ihrerseits drei Wochen gedauert haben soll. Es spricht darum einiges dafür, dass es sich um eine von langer Hand vorbereitete Schleusung des Antragstellers aus dem Iran nach Deutschland handelt, der kein aktueller politischer Verfolgungsdruck zugrunde liegt.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in einigen inzwischen bekannt gewordenen Entscheidungen (u.a. diejenige vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 -) die Überstellung von Asylantragstellern verschiedener Nationalität nach Griechenland in Anwendung der Dublin II-Verordnung – VO (EG) 343/2003 vom 18. Februar 2003 – vorläufig untersagt hat, lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen einen faktischen Abschiebestopp von Asylbewerbern nach Griechenland bewirken möchte. Das Bundesverfassungsgericht hat jeweils aufgrund eines konkreten Sachverhalts die Überstellung eines Asylbewerbers nach Griechenland aufgrund einer Interessenabwägung in einem konkreten Einzelfall vorläufig ausgesetzt. Zur Verfassungsmäßigkeit der vorausgegangenen Entscheidungen oder der geplanten Abschiebungen äußert sich das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen gerade nicht. Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu folgern, dass die Überstellung des Antragstellers zu untersagen wäre (vgl. VG München, Beschluss vom 14. Dezember 2009 - M 23 E 09.60092 -, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).