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Entscheidung 3 W 33/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 04.07.2024
Aktenzeichen 3 W 33/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0704.3W33.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 26.02.2024 wird aufgehoben. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig.

  2. Die Sache wird an das Landgericht Potsdam zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

  3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

  4. Der Beschwerdewert beträgt 4.000 Euro.

Gründe

I.

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und Sachverständiger für das Kraftfahrzeugwesen entsprechend den Voraussetzungen nach der Anlage VII zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und als solcher freiberuflich tätig. Die Beklagte hat für mehrere Bundesländer, u. a. für Berlin und Brandenburg die Anerkennung als Überwachungsorganisation gemäß den Vorschriften der StVZO.

Der Kläger erbringt als Prüfingenieur gemäß §§ 19, 29, 47a STVZO gesetzlich vorgeschriebene Begutachtungen und Untersuchungen gegenüber den Kunden der Beklagten in deren Namen und auf deren Rechnung und wird hierfür von der Beklagten auf Basis des zwischen den Parteien am 18.07.2003 geschlossenen Partnervertrags vergütet. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf dessen Ablichtung Bezug genommen (Anlage 2).

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Bonuszahlungen und Werbekostenzuschüsse auf Basis des Partnervertrages geltend. Die Beklagte verweigert die Zahlungen unter Bezugnahme auf einen Gesellschafterbeschluss vom 26.09.2022 (Anlage B 1), mit dem sie - wie sie meint - zuvor freiwillig geleistete Vergütungsbestandteile wirksam herabgesetzt habe.

Mit Beschluss vom 06.02.2024 hat das Landgericht - nach vorhergehendem Hinweis, dem die Parteien übereinstimmend widersprochen haben - den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der beantragt, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zuzulassen. Er macht geltend, für die zwischen den Parteien bestehende Leistungsbeziehung sei es unerheblich, dass die Beklagte mit seiner Arbeitskraft Leistungen öffentlich-rechtlicher Natur gegenüber Dritten erbringe. Der Partnervertrag sei kein öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. d. § 54 VwVfG. Soweit die Parteien Vereinbarungen über Bonuszahlungen und Werbekosten träfen, beruhe dies erkennbar nicht auf einer öffentlich-rechtlichen Norm.

II.

Die gemäß § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG i. V. m. §§ 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1.

Die Durchführung des Abhilfeverfahrens nach § 572 Abs. 1 ZPO ist nicht Voraussetzung für eine Entscheidung des Beschwerdegerichts (Musielak/Ball, ZPO, 21. Aufl., § 572 Rn. 9a; Sänger/Koch, ZPO, 10. Aufl., § 572 Rn. 7). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die sofortige Beschwerde unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegt ist und das Abhilfeverfahren nicht der Prozessökonomie dient (MüKo/Hamdorf, ZPO, 6. Aufl., § 572 Rn. 5). Im vorliegenden Fall hätte die Durchführung des Abhilfeverfahrens nicht den vom Gesetzgeber vorgesehenen Entlastungseffekt. Denn das Landgericht hat die angefochtene Entscheidung in Ansehung der Schriftsätze der Parteien vom 27.09.2023 und 28.09.2023 getroffen, in denen diese ausführlich ihre übereinstimmende Rechtsauffassung dargelegt haben, wonach der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Dass das Landgericht in Kenntnis der Beschwerdebegründung anders entscheiden würde, ist nicht zu erwarten, so dass die Durchführung des Abhilfeverfahrens nur der Form halber lediglich verzögernde Wirkung hätte.

2.

Für die vorliegende Sache ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Nach § 13 GVG ist der ordentliche Rechtsweg für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen eröffnet, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.

Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht öffentlich-rechtlicher, sondern bürgerlich-rechtlicher Natur.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt. Aus einem Gleichordnungsverhältnis kann allerdings noch nicht ohne weiteres auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem nicht fremd ist. So liegt es im Wesen – auch des öffentlich-rechtlichen – Vertrages, dass sich die Vertragsparteien grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberstehen. Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist. Dabei ist für den öffentlichen-rechtlichen Vertrag zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einer Privatperson typisch, dass er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt (vgl. § 54 Abs. 2 VwVfG). Über diese Zuordnung des Vertragsgegenstandes entscheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aber auch, ob die Vertragsabmachungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (siehe die Zusammenfassung der Rechtsprechung des GemSen des BGH in Musielak/Voit/Wittschier, 21. Aufl. 2024, GVG § 13 Rn. 5 m. w. N.; siehe auch BGH, NJW 2012, 3654; BGH, Urteil vom 20.05.2009 - XII ZB 166/08, Rn. 7, juris; BGH, NJW 1988, 2295; BGHZ 108, 284; BVerwG, NVwZ-RR 2010, 682; BAG, NZA 2017, 581 Rn. 9).

Der streitgegenständliche Partnervertrag ist zwischen zwei Privatrechtssubjekten geschlossen, wobei allerdings der Beklagten mit der Anerkennung als Überwachungsorganisation hoheitliche Kompetenzen übertragen wurden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.09.2000 - 8 A 2429/99, Rn. 78, juris). Durch die Betrauung des Klägers als Prüfingenieur seitens der Beklagten als Überwachungsorganisation entsteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (Herget, DS 2022, 229, 233). Denn die von der Beklagten ausgesprochene Betrauung des Klägers erfolgt durch Verwaltungsakt, mittels dem der Kläger mit den der Beklagten verliehenen hoheitlichen Befugnissen (unter-)beliehen wird (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2010 – 6 A 10154/10, Rn. 20, juris). Demzufolge gelten in dem Betrauungsverhältnis verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze. Verstößt also ein Prüfingenieur gegen die von ihm bei Wahrnehmung seiner hoheitlichen Aufgaben zu beachtenden Vorgaben, hat er mit hoheitlichen Maßnahmen zu rechnen, die bis zum Entzug seiner Betrauung durch Rücknahme oder Widerruf des Betrauungsbescheids reichen können (Herget, a. a. O.). Für Pflichtverletzungen des betrauten Sachverständigen bei Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit gegenüber Dritten haftet das Land nach Amtshaftungsgrundsätzen, von dem der Sachverständige seine hoheitliche Befugnis herleitet (BGH, Urteil vom 25.03.1993 - III ZR 34/92, Rn. 7, juris).

Dies begründet aber in der vorliegenden Sache nicht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Denn von dem Betrauungsverhältnis, in dem verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze gelten, ist das parallel dazu bestehende Arbeitsverhältnis bzw. der Partnervertrag rechtlich zu trennen; daran ändert nichts, dass dem Verlust der Betrauung in aller Regel auch arbeitsrechtliche Maßnahmen folgen können (Herget, a. a. O.; Vock, NJ 2012, 276, 278; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2010 - 6 A 10154/10, Rn. 20, juris). Selbständige Prüfingenieure sind für Überwachungsorganisationen aufgrund privatrechtlicher Verträge tätig (VG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2017 - 3 K 1390/16, Rn. 47, juris; siehe auch BGH, Urteil vom 17.09.2009 - III ZR 207/08, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.12.1998 - 1 U 140/98; LG Braunschweig, Urteil vom 22.12.2022 - 6 O 1030/20, juris; die letztgenannten Urteile setzen den ordentlichen Rechtsweg ohne Problematisierung als selbstverständlich voraus). Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zwischen Überwachungsorganisationen und Prüfingenieuren werden folgerichtig regelmäßig von den Arbeitsgerichten entschieden (siehe nur LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.10.2020 - 3 Sa 503/19, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.06.2019 - 3 Sa 25/19, juris; LAG Hamm, Urteil vom 19.12.2001 - 19 Sa 1311/01; BAG, Urteil vom 29.03.2007 - 8 AZR 538/06).

Somit ist in der vorliegenden Sache, in der die Parteien über den Vergütungsanspruch des Klägers aus dem Partnervertrag streiten, der ordentliche Rechtsweg eröffnet.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Denn im Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 GVG ist die Kostenentscheidung nach den Grundsätzen der §§ 91 ff ZPO zu treffen (BGH, NJW 1993, 2541, 2542; NJW-RR 2001, 1007). Nach § 91 ZPO sind die Kosten der erfolgreichen Beschwerde dem Gegner aufzuerlegen. Das gilt auch dann, wenn er weder eine Verweisung des Rechtsstreits noch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt hat (BGH, a. a. O.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.01.2011 - 7 W 64/10, m. w. N.).

4.

Der Beschwerdewert ist mit einem Bruchteil des Hauptsachewerts zu bemessen (Zöller//Lückemann, ZPO, 35. Aufl., § 17a GVG Rn. 20 m. w. N.), hier mit 1/3.