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Entscheidung 4 U 91/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 27.03.2024
Aktenzeichen 4 U 91/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0327.4U91.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 03.06.2022, Az. 19 O 187/19, - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.854,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.09.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

  3. Von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz tragen die Kläger 88 % und die Beklagte 12 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 68 % und die Beklagte zu 32 % zu tragen.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 9.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die beklagte (Kreditinstitut) auf Nachzahlung von Zinsen aus einem gekündigten Sparvertrag „…“ in Anspruch.

Der Sparvertrag wurde am 22.03.2001 abgeschlossen und sah monatliche Sparraten von 600 DM (= 307 €) vor. Zum Zinssatz war bestimmt:

„Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 3 % verzinst.“

Darüber hinaus verpflichtete sich die Beklagte, am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche Prämie auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres zu zahlen und zwar gestaffelt erstmals nach dem 3. Sparjahr in Höhe von 3 % bis zu 50 % nach dem 15. Sparjahr.

In dem Sparvertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die „Bedingungen für den Sparverkehr“ und ergänzend die „Sonderbedingungen für den Sparverkehr“ einbezogen

In den „Bedingungen für den Sparverkehr“ war – neben einer Kündigungsfrist von drei Monaten – (u.a.) bestimmt:

„3.1 Zinshöhe

Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die (Kreditinstitut) dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Geschäftsraum bekannt gegebenen Zinssatz. […]

3.3 Zinskapitalisierung

Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst. […]“

Die Kläger zahlten die Sparraten regelmäßig ein.

Die Beklagte kündigte den Sparvertrag mit Schreiben vom 25.06.2018 zum 30.09.2018.

Die Kläger haben – soweit für das Berufungsverfahren noch bedeutsam – geltend gemacht, die von der Beklagten verwandte Zinsänderungsklausel sei wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Die infolge der Unwirksamkeit entstandene Lücke sei durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, wobei als Referenzzins die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Monatswerte der Zeitreihe WX 4260 für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen und Hypothekenpfandbriefe, mittlere Restlaufzeit von 9 bis einschließlich 10 Jahren heranzuziehen sei. Nach den Berechnungen des Kreditsachverständigen (Name) ergebe sich auf dieser Grundlage für die Kläger ein Anspruch auf weitere Zinszahlungen von 8.900,56 €.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe den streitgegenständlichen Sparvertrag regelmäßig anhand der Marktzinsentwicklung angepasst und dabei eine vertretbare Referenzwertkombination bestehend aus den gleitenden Durchschnitten folgender Zinswerte des 3-Monatszinses (15 %), des 1-Jahrenszinses (10 %), des 5-Jahreszinses (25 %) und des 10-Jahreszinses (50 %) bei einem dreimonatigen Zinsanpassungsintervall ohne Schwelle zugrunde gelegt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, die Ansprüche der Kläger seien jedenfalls verwirkt.

Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 01.10.2020 die Klage mit den Feststellungsanträgen zu 1. bis 4. abgewiesen und zusammengefasst ausgeführt, die Beklagte habe den streitgegenständlichen Vertrag wirksam gekündigt. Aufgrund Beschlusses vom 17.11.2021 hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH vom 06.10.2010 ein schriftliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. (Name) eingeholt, das dieser unter dem 15.03.2022 erstattet und im Termin am 10.05.2022 mündlich erläutert hat.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Prof. (Name) hat das Landgericht die Beklagte mit Schlussurteil vom 03.06.2022 zu einer Zahlung von 3.330,51 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat den aus einer Kombination der von der Deutschen Bundesbank geschätzten und veröffentlichten Zinsstrukturkurve (Svensson-Methode) für börsennotierte Wertpapiere mit Restlaufzeiten von 0,5 bis 15 Jahre gebildeten Referenzzins – anders als einen von den Klägern präferierten Referenzzins auf der Basis gleitender Durchschnitte, insbesondere der Zeitreihe WX 4260, oder andere diskutierte Referenzzinsen – als den Bedingungen des streitgegenständlichen Sparvertrages entsprechend und angemessen erachtet und – insoweit entgegen der Sichtweise der Beklagten - die Auffassung vertreten, es sei die relative Zinsanpassungsmethode anzuwenden. Der danach bestehende Anspruch der Kläger auf Zinsnachzahlungen sei auch weder verjährt, noch verwirkt.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.

Die Kläger möchten mit ihrer Berufung im Hauptantrag die Zahlung weiterer 5.570,05 €, hilfsweise 3.214,81, dazu hilfsweise eine Korrektur des Kontostandes um ihrem Zahlungsanspruch entsprechende Zinsgutschriften, höchst hilfsweise eine Neuabrechnung des Sparvertrages auf der Basis des Referenzzinses WX 4260 erreichen. Sie wenden sich insbesondere gegen die Ablehnung der Heranziehung gleitender Durchschnitte durch das Landgericht und meinen, nur gleitende Durchschnitte bildeten die Langfristigkeit des Sparvertrages bei monatlicher Ansparung sachgerecht ab und lägen im Interesse beider Vertragsparteien. Das Ergebnis des Sachverständigen Prof. (Name) widerspreche auch den BGH-Vorgaben, wonach allein ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen sei; die auf 15 Jahre bezogene Zeitreihe der Zinsstrukturkurve werde bei der Kombination des Gutachters aber gerade einmal zu 1/15 herangezogen. In Bezug auf die Fristigkeit sei entgegen der Sichtweise des Sachverständigen Prof. (Name) nicht auf diejenige des Einzelvertrages, sondern auf diejenige des Gesamtbestandes aller Prämiensparverträge abzustellen; dann aber gebe es keinen Grund, aus Verfügbarkeitsgründen mittelfristige Zeitreihen zu verwenden. Renditen (Effektivverzinsungen) von Bundeswertpapieren seien für den direkten Vergleich mit Prämiensparverträgen im Übrigen ungeeignet, zumal der Adressatenkreis ein anderer sei. Auch das Abstellen auf eine Schätzmethode sei nicht erklärbar. Derartige Einwände könnten gegen die Heranziehung der Zeitreihe WX 4260 nicht vorgebracht werden. Dem Argument, diese Zeitreihe werde erst seit 2/1990 veröffentlicht, könne durch Kombination mit der Zeitreihe BBK01.WU 0018 (Umlaufrenditen von Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe/Monatsdurchschnitte) begegnet werden. Prämiensparverträge der streitigen Art seien auch nicht der niedrigsten Risikoklasse zuzuordnen; die Risikobereitschaft der Verbraucher im Hinblick auf die variable Verzinsung sei vielmehr – wenn auch nicht absolut – so doch erhöht gewesen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder)vom 03.06.2022, Az. 19 O 187/19, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

  1. an die Kläger aus dem Vertrag … (…) einen weiteren Betrag in Höhe von 5.570,05 €, hilfsweise einen weiteren Betrag von 3.214,81 €, jeweils nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.09.2019 zu zahlen;

  2. an die Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 3.371,03 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise zu 1.

den Kontostand des Prämiensparvertrags Nr. … (…) zum 28.12.2018 (78.663,97 €) um eine Zinsgutschrift in Höhe von 8.900,56 € auf 87.564,53 €, hilfsweise um eine Zinsgutschrift in Höhe von 6.545,32 € auf 85.209,29 € zu korrigieren;

höchst hilfsweise zu 1.

den Prämiensparvertrag Nr. … (…) wie folgt neu abzurechnen:

  1. Anpassung des Vertragszinssatzes nach dem Referenzzins WX4260 der Deutschen Bundesbank (Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen und Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von 9 bis 10 Jahren, gleitender Durchschnitt)

  2. keine Schwelle (jede Änderung des Referenzzinssatzes führt zu einer Anpassung des Vertragszinssatzes)

  3. monatliche Anpassung des Vertragszinssatzes zum 01. des Monats

  4. relative Anpassung (Fortschreibung des Äquivalenzverhältnisses zwischen anfänglichem Vertragszins und Referenzzinssatz

höchst höchst hilfsweise zu 1.

den Prämiensparvertrag … (…) nach einem durch das Gericht zu bestimmenden Referenzzinssatz neu abzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen,

und im Wege der eigenen Berufung,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 03.06.2022, Az. 19 O 187/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte möchte mit ihrer eigenen Berufung die vollständige Klageabweisung erreichen. Sie wendet sich insbesondere gegen die Anwendung der Verhältnismethode. Sie hält auch an ihrer Verjährungseinrede und dem Verwirkungseinwand fest, rügt, dass das Landgericht der Höhe nach Feststellungen zur fortgesetzten Zinsnachberechnung über den Wirksamkeitszeitpunkt der Kündigung hinaus getroffen habe, und erachtet die Begründung in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen als unzutreffend.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils im tenorierten Umfang. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten wie auch diejenige der Kläger unbegründet.

Die Kläger haben für die Zeit bis zum 28.12.2018 einen (zusätzlichen) Zahlungsanspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Sparvertrag i.V.m. § 700 Abs. 1 BGB in Höhe von 2.854,17 €.

In zeitlicher Hinsicht ist auf den im März 2001 abgeschlossenen Sparvertrag gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB im Grundsatz das Bürgerliche Gesetzbuch in der am 1. Januar 2003 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18). Der Sparvertrag unterliegt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2023, XI ZR 72/22, Rn. 19 ff., juris).

Da die ursprünglich vertraglich vereinbarte Zinsanpassungsklausel unwirksam ist (dazu unten 1.), war die Verzinsung stattdessen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen (2.). Dies führt auf der Grundlage der Berechnungen des Sachverständigen Prof. Dr. (Name) zu dem tenorierten Betrag (3.).

1.

Bei den zum Vertragsschluss verwendeten Formularen handelt es sich um Vordrucke der Beklagten und bereits dem ersten Anschein nach um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn auszulegen. Maßgeblich ist in erster Linie der Wortlaut der vorformulierten Vertragsteile und das Verständnis, das ihm verständige, normal informierte und angemessen aufmerksame, redliche Vertragspartner unter Berücksichtigung der Interessen der regelmäßig beteiligten Kreise beilegen (stRspr., vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2023, XI ZR 544/21).

Die Klausel, die Spareinlage werde „variabel, z.Zt. mit 3 % verzinst“, beinhaltet nach der gebotenen objektiven Auslegung die Vereinbarung eines variablen Zinssatzes und im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr ein Zinsänderungsrecht der Beklagten, nach dem diese den Zinssatz durch die Änderung eines Aushangs in ihrem Kassenraum ändern kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2021, XI ZR 461/20, Rn. 18, juris). Als Preisregelung unterliegt die Vereinbarung einer variablen Verzinsung ebenso wie die Vereinbarung des anfänglichen Vertragszinses selbst keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20, Rn. 28, juris). Denn in Bezug auf die Wahl zwischen einer gleichbleibenden und einer variablen Verzinsung der Einlage fehlt es an gesetzlichen Vorgaben, von denen die Vertragsparteien durch die Wahl der einen oder der anderen Variante abweichen könnten (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 295).

Das in Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr vorgesehene Zinsänderungsrecht der Beklagten ist hingegen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen und unwirksam. Indem zur näheren Ausfüllung des „jeweils gültigen“ Zinssatzes lediglich das Änderungsrecht in Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr in Anspruch genommen wird, fehlt es an einer wirksamen Vereinbarung über die Art und Weise der Zinsanpassung. Eine Klausel dieses Inhalts weist nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen auf und ist deshalb wegen Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteile vom 24.11.2021, XI ZR 461/20, Rn. 18, und XI ZR 310/20, Rn. 21, juris).

2.

Die infolge der Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen, um auf diese Weise die Wirksamkeit der Sparverträge zu gewährleisten. Die Kläger wollen selbst die unwirksame Klausel durch eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefundene Regelung ersetzt wissen. Da die Kläger damit auf einen etwaigen Schutz der Richtlinie 93/13/EWG verzichten, stellt sich die Frage der unionsrechtlichen Konformität einer ergänzenden Vertragsauslegung schon deshalb nicht (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20, Rn. 49; vgl. auch BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 314 ff., juris). Dies hat jedoch nicht zur Konsequenz, dass nunmehr - statt eines über die Laufzeit variablen Zinssatzes - ein konstanter Zinssatz anzuwenden wäre. Denn eine solche Auslegung widerspräche der durch die Vertragsparteien ausdrücklich getroffenen - und AGB-rechtlich nicht zu beanstandenen - Vereinbarung eines über die Laufzeit variablen Zinssatzes (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 302 ff., juris). Auch kommt ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leistung insoweit weder für die Kläger noch für die Beklagte in Betracht; insbesondere das ursprünglich vorgesehene Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten ist als Folge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel ersatzlos entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2010, XI ZR 52/08).

a)

Bei der (ergänzenden) Vertragsauslegung handelt es sich um eine durch das Gericht zu beantwortende Rechtsfrage. Es ist zu entscheiden, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem vorliegenden Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner – etwa zum Referenzzins und zur Anpassungsschwelle unter gleichzeitiger Wahrung des Äquivalenzprinzips – getroffen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 508/15, Rn. 29). Dabei ist bei unwirksamen formularmäßigen Zinsänderungsklauseln, bei denen es sich – ähnlich wie bei (Kreditinstitut)-AGB – um deutschlandweit verbreitete Vereinbarungen handelt, im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geboten (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, Rn. 20, juris) bzw. bei Massengeschäften wie den streitgegenständlichen Sparverträgen ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht der Wille der konkreten Vertragsparteien entscheidend, sondern auf Grund einer objektiv-generalisierenden Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20, Rn 44 ff., juris). Es sind in sachlicher Hinsicht (insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer des Anpassungsintervalls) präzise Parameter zu wählen, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (BGH, Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, Rn. 19, juris) und die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2010, XI ZR 52/08, Rn. 21, juris). Weil der typische Sparer sich für seine Anlageentscheidung am durchschnittlichen Marktzins vergleichbarer Anlagen orientiert und diese Marktzinsen zugleich die Wiederanlagemöglichkeiten der Banken reflektieren, müssen die mit dem in Rede stehenden Sparvertrag erzielten Erträge (Zinsen und Prämien) über den durchschnittlichen Renditen vergleichbarer Anlagen liegen (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20, Rn. 91). Ferner sind die Anpassungsschwelle, ab der eine Zinsänderung vorzunehmen ist, und der Anpassungszeitraum zu ermitteln, für den sie gelten soll.

b)

Als wichtigster Parameter ist der Referenzzins zu bestimmen, dessen Veränderung Auslöser für die Zinsänderung ist. Es muss sich hierbei um einen - schon seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses - in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzins handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt wird und die Bank nicht einseitig begünstigt. Andernfalls fehlte es an dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 365 ff., juris). Ernsthaft in Betracht kommen insoweit nur durch die Deutsche Bundesbank veröffentlichte Zinsreihen; andere Referenzzinsen werden weder von den Parteien noch in der Rechtsprechung oder Literatur diskutiert (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 342 ff., juris). Unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes ist diejenige oder eine Kombination von Bezugsgrößen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt (so schon BGH, Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 – Rn. 28). Es kommt in erster Linie darauf an, welche Strukturmerkmale den streitgegenständlichen Vertrag in einer Weise prägen, dass der Referenzzins oder eine Zinskombination diesen entsprechen muss, um eine gleichlaufende Zinsänderung zu rechtfertigen.

Der hier streitgegenständliche Prämiensparvertrag wird im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass die Spareinlage durch laufende monatliche Einzahlungen in jeweils gleichbleibender Höhe über die gesamte Laufzeit aufgebaut, mithin nicht in einem Betrag bei Abschluss der Sparverträge eingezahlt wird. Die ab dem Ende des dritten Sparjahres zusätzlich zum variablen Zins anfallende Prämie in ansteigender Höhe von anfänglich 3 % und ab dem Ende des 15. Sparjahres (gleichbleibend auch für die Folgejahre) von 50 % der Vorjahressparleistung bietet – trotz der für den Sparer jederzeit bestehenden Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung mit einer Frist von drei Monaten – einen wirtschaftlichen Anreiz, den Vertrag mindestens bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe zu besparen.

Das erste sachliche Vertragsmerkmal, das für die Heranziehung eines Referenzzinssatzes hier von erheblicher Bedeutung ist, ist der Umstand, dass es sich um Spareinlagen handelt, mithin um eine risikolose Anlageform, d.h. bei der ein Risiko, das eingesetzte Kapital nicht wieder in voller Höhe zurückzuerlangen, nicht besteht.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der den hier streitgegenständlichen Sparvertrag prägt, ist seine Langfristigkeit. Zwar werden in dem Vertrag langfristige Elemente mit einem kurzfristigen Kündigungsrecht des Sparers kombiniert, jedoch spielt das Kündigungsrecht des Sparers in Ansehung der ab dem 3. Jahr bis zum 15. Jahr ansteigend angelegten Prämienstaffel und des Ausschlusses des Kündigungsrechts der Beklagten lediglich eine untergeordnete Rolle. Es ist daher interessengerecht, einen Referenzzins für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2023, XI ZR 257/21, Rn. 18, juris; Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18). Auf die durchschnittliche Länge der tatsächlichen Haltedauer kommt es bei objektiv-generalisierender Sicht nicht an, zumal diese Umstände sich erst nachträglich feststellen lassen und der Sparer bei Vertragsschluss keine Kenntnisse über das (prognostische) Verhalten einer Vielzahl anderer Sparer hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Sparverträge trotz fehlender Festlaufzeit und der damit einhergehenden Flexibilität für die Sparer einen attraktiven Halteanreiz boten und dadurch auf eine Besparung mindestens bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe angelegt waren (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 325 ff., juris).

c)

Ein von der Deutschen Bundesbank veröffentlichter Referenzzins, der den Strukturmerkmalen des hier zu beurteilenden Prämiensparvertrages ohne weiteres nahe kommt, existiert nicht. Der Senat hat daher mit sachverständiger Hilfe denjenigen veröffentlichten Referenzzinssatz gewählt, der dem Prämiensparvertrag unter Anwendung der Kriterien für die ergänzende Vertragsauslegung möglichst nahe kommt. Unter Anwendung dieser Kriterien ist der Referenzzins - nach den gut nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. (Name), denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt - aus den Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/börsennotierter Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 5 bis 8 Jahren (Kennung der Deutschen Bundesbank: BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.S1311.B.A604.R0508.R.A.A._Z._Z.A) zu entnehmen.

Dieser Referenzzins wurde von der Deutschen Bundesbank durchgängig, d.h. auch schon zum Zeitpunkt des hier maßgeblichen Vertragsschlusses am 22.03.2001, veröffentlicht. Dem Referenzzins liegen börsennotierte Bundeswertpapiere zugrunde, mithin eine Anlageform, bei der die Gefahr des Verlustes des eingesetzten Kapitals bzw. eines Teils davon, nicht besteht. Bundesanleihen werden der niedrigsten Risikoklasse zugeordnet.

Der für Renditen von Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten über 5 bis 8 Jahre veröffentlichte Referenzzins entspricht hinsichtlich der Fristigkeit dem in Rede stehenden Prämiensparvertrag. Zwar war - wie bereits ausgeführt - aus objektiv-generalisierender Sicht beider Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages die Laufzeit des Vertrages bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe, d.h. auf 15 Jahre, angelegt. Da das zu verzinsende Kapital jedoch durch gleichbleibende monatliche Ratenzahlungen aufgebaut werden sollte, waren die eingezahlten Beträge im Durchschnitt nur für 7,5 Jahre gebunden. Dieser mittleren Kapitalbindung kommen die Renditen von Bundeswertpapieren mit Restlaufzeiten von über 5 bis 8 Jahre am nächsten.

Andere Referenzzinsen, die von den Streitparteien und von Sachverständigen in diesem und in anderen Verfahren präferiert bzw. vorgeschlagen wurden, weisen die nötigen Strukturmerkmale - wie nachfolgend dargestellt - entweder gar nicht auf oder kommen diesen im Vergleich zum hier gewählten Referenzzins weniger nahe.

aa)

Gegen die vom Sachverständigen Prof. Dr. (Name) noch in erster Instanz vorgeschlagene 16-gliedrige Kombination aus Zinsstrukturkurven für börsennotierte Wertpapiere mit Restlaufzeiten von 0,5 bis 15 Jahren (Svensson-Methode) spricht rechtlich bereits, dass sie für einen durchschnittlich finanzwirtschaftlich gebildeten Sparer kaum transparent ist und deshalb dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und der Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen nicht genügt. Hinzu kommt, dass die vom Sachverständigen herangezogenen Zeitreihen der nach der Svensson-Methode berechneten Zinsstrukturkurve zum Zeitpunkt des Abschlusses des hier zu beurteilenden Vertrages am 22.03.2001 noch nicht sämtlich zur Verfügung standen. Solche Zeitreihen wurden - nach den Feststellungen des Sachverständigen - von der Deutschen Bundesbank erst ab Oktober 1997, für einige Restlaufzeiten sogar noch deutlich später veröffentlicht und für zurückliegende Zeiträume erst nachträglich berechnet.

Entsprechendes gilt für die in einem anderen beim hiesigen Senat anhängig gewesenen Verfahren vorgeschlagenen Zeitreihen für Renditen aus börsennotierten Bundeswertpapieren mit jährlichen Kuponzahlungen mit einer Restlaufzeit von sieben Jahren (WZ3406). Diese Zinsreihe wird erst seit dem Jahr 2005 veröffentlicht.

Ergänzend ist zu bemerken, dass die noch erstinstanzlich vom hier beauftragten Sachverständigen favorisierte Kombination von Referenzzinsen mit verschiedenen Laufzeiten, dem hier zu beurteilenden Prämiensparvertrag im Vergleich zu dem vorgenannten n Referenzzins zwar strukturell näher kommt, dass andererseits die beiden Berechnungsmodelle praktisch nur zu geringfügigen Unterschieden führen. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. (Name) den von ihm zunächst favorisierten Referenzzins mit dem Referenzzins WZ3406 verglichen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Verwendung einer Kombination von Referenzzinsen zwar die Dauer der Kapitalbindung bei dem durch stetige Ansparung gekennzeichneten Prämiensparvertrag genauer abbildet, andererseits jedoch naturgemäß komplizierter zu berechnen und damit weniger transparent ist. Die Verwendung eines einheitlichen Referenzzinssatzes bildet demgegenüber die Kapitalbindung nicht genau ab, ist jedoch einfacher zu berechnen. Im Vergleich führt keine der beiden Berechnungsmethoden zu einer systematischen Bevorzugung oder Benachteiligung der Bank bzw. des Sparers. Der Verlauf der beiden Referenzzinsen ist ungefähr vergleichbar; die Differenzen der beiden Berechnungsmethoden können absolut maximal 0,2066 % betragen.

bb)

Der von den Klägern favorisierte Referenzzins BBK01.WX4260 basiert (u.a.) auf den Umlaufrenditen von Hypothekenpfandbriefen. Diese sind grundsätzlich ausfallbehaftet und beinhalten damit ein - wenn auch geringes - Risiko, einen Teil des eingesetzten Kapitals zu verlieren. Dieses Risiko wird am Markt durch einen entsprechend höheren Zins ausgeglichen. Es handelt sich demnach nicht um eine risikolose Anlageform, so dass Hypothekenpfandbriefe strukturell dem hier zu beurteilenden Sparvertrag nicht hinreichend vergleichbar sind (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 370 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 13.04.2022, 5 U 1973/20, Rn. 29, juris). Im Übrigen bildet die Zinsreihe BBK01.WX4260 nach den Feststellungen des Sachverständigen nur den Durchschnitt der Renditen verschiedener Wertpapiere ab, der nicht zwingend der tatsächlichen am Markt vorherrschenden Verzinsung einer Anlage mit einer konkreten Restlaufzeit entspricht.

cc)

Die von der Beklagten erstinstanzlich vorgeschlagenen Zeitreihen für Spareinlagen (BBK01.SUD104 bzw. BBK01.SUD105) spiegeln lediglich Laufzeiten von über 2 Jahren bzw. Einlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten wider; ihnen fehlt insbesondere das hier prägende Merkmal eines langfristigen Anlagehorizonts (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 13.04.2022, 5 U 1973/20, Rn. 30, juris).

dd)

Als mögliche Referenzzinsen für eine langfristige und risikolose Anlageform, die zugleich schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses veröffentlicht waren, kamen nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. (Name) lediglich die Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / börsennotierter Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von 3 bis 5 Jahren, von 5 bis 8 Jahren sowie von 8 bis 15 Jahren in Betracht, so dass nur noch die Frage zu klären war, welche der zur Verfügung stehenden Restlaufzeiten dem hier zu beurteilenden Prämiensparvertrag am nächsten kommt. Hierzu hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass als mittlere Kapitalbindung bei dem Prämiensparvertrag - unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufzeit von 15 Jahren - wegen der sukzessiven Ansparung von ca. 7,5 Jahren auszugehen ist. Die mittlere Kapitalbindung kann zwar im Fall einer hohen Einmalzahlung zu Beginn des Vertrages ein wenig höher sein; dies spielt jedoch für den vorliegenden Fall keine Rolle, da eine solche Einmalzahlung nicht vereinbart war. Diese mittlere Kapitalbindung korrespondiert am besten mit denjenigen Umlaufrenditen, denen eine Restlaufzeit von 5 bis 8 Jahren zugrunde liegt. Demgegenüber liegt die Fristigkeit bei einer Restlaufzeit von 8 bis 15 Jahren systematisch über der mittleren Kapitalbindung von ca. 7,5 Jahren. Die genaue Fristigkeit ist zudem abhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der am Markt zu einem gegebenen Zeitpunkt gehandelten Bundeswertpapiere, so dass bei dieser Zinsreihe die tatsächliche mittlere Kapitalbindung stark zwischen 8 und 15 Jahren schwanken kann. Dies führt dazu, dass das Zinsniveau bei der Zinsreihe mit Restlaufzeiten 8 bis 15 Jahren systematisch über der Zinsreihe mit Restlaufzeiten 5 bis 8 Jahre liegt. Dies wird durch empirische Werte bestätigt, wonach die Differenz der beiden betrachteten Zinsreihen zwischen 0 und 0,78 % liegt, was auf die Schwankungen und die Bandbreite der Zinsreihe mit Restlaufzeiten 8 bis 15 Jahre zurückzuführen ist. Die Heranziehung von systematisch höheren Umlaufrenditen als Referenz wären nur gerechtfertigt, wenn die durch sie dargestellte durchschnittliche Restlaufzeit besser zum Prämiensparvertrag passen würde. Dies ist aber insbesondere wegen des größeren Abstands zur mittleren Kapitalbindungsdauer nicht der Fall. Das Argument, Zinsreihen mit einer Restlaufzeit von 8 bis 15 Jahren seien liquider, lehnte der Sachverständige Prof. Dr. (Name) ab, da - wie er nachvollziehbar erläutert hat - in diese Zinsreihe eher weniger Wertpapiere eingegangen sind.

ee)

Eine „Beimischung“ von Referenzzinsen mit kürzeren Laufzeiten kommt nicht in Betracht. Denn eine derartige Beimischung wäre für einen Sparer kaum nachvollziehbar und ist ausschließlich an den Interessen der Bank ausgerichtet. Es liegt deshalb fern anzunehmen, eine solche Beimischung entspräche dem mutmaßlichen Parteiwillen. Eine Beimischung ist auch nicht deshalb geboten, weil Bundeswertpapiere für Privatinvestoren nicht käuflich sind. Denn auch im Geschäft mit Privatkunden ist es nicht unüblich, sich auf Referenzzinsen von Produkten (wie z.B. dem Euribor) zu beziehen, obwohl die entsprechenden Produkte für den Privatkunden nicht käuflich sind.

Gleiches gilt im Ergebnis, wenn dem Kündigungsrecht des Sparers - statt mit einer Beimischung eines Referenzzinses mit kurzen Laufzeiten - mit einer Option Rechnung getragen werden sollte. Zwar wäre die Berechnung einer solchen Option rein finanzwirtschaftlich nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. (Name) möglich. Jedoch wäre sie für einen durchschnittlich finanzwirtschaftlich gebildeten Sparer kaum nachvollziehbar.

d)

Dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht ein monatliches Anpassungsintervall. Es ist sachgerecht, die Vereinbarung monatlicher Zinsanpassungen anzunehmen, weil der geeignete Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird und zudem auch die Einzahlung monatlich erfolgt. Dabei führt jede Veränderung des Referenzzinssatzes ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungsschwelle zu einer Veränderung des Vertragszinses. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Anpassungsschwelle dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen könnte. Da sich aus dem Prämiensparvertrag keine Voraussetzungen oder Hürden für die Änderung des variablen Vertragszinses ergeben, ist es ohne Weiteres möglich ist, jede Veränderung des Referenzzinssatzes exakt für den Vertragszins nachzuvollziehen (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2021, XI ZR 461/20, Rn. 21, juris).

e)

Der jeweils aktuelle Zinssatz bestimmt sich zudem ausschließlich nach dem jeweils aktuellen Wert des Referenzzinssatzes. Die Bildung eines gleitenden, aus mehreren früheren Werten des Referenzzinses berechneten Zinssatzes entspricht nicht dem mutmaßlichen Parteiwillen, weil die Auswirkungen eines Gleitzinses für den durchschnittlichen Sparer nur schwer zu überschauen sind und eine derartige Vereinbarung nicht seinen typischen Erwartungen entspricht. Die Bildung eines Gleitzinses kann zwar - abhängig von der monatsübergreifenden Entwicklung des Marktes - für den Sparer bei sinkenden Zinsen vorteilhaft und bei steigenden Zinsen nachteilig sein, weil ein gleitender Wert der aktuellen Marktentwicklung stets nachfolgt. Die Berechnung eines gleitenden Zinses ist jedoch komplizierter und damit weniger transparent. Veränderungen des Kapitalmarkts würden auf den als variabel vereinbarten Vertragszins nur teilweise und zeitverzögert durchschlagen. Zudem vergleicht der Sparer gerade zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den angebotenen Vertragszins mit anderen am Markt befindlichen Angeboten, was auch der Beklagten bewusst ist. Mit einem gleitenden Zins wäre der Sparer an die Zinsentwicklung zurückliegender Zeiträume gebunden (BGH, Urteil vom 25.04.2023, XI ZR 225/21, Rn. 19, juris), so dass er bei steigenden Zinsen einen im Vergleich zum aktuellen Marktzins geringeren Zinssatz akzeptieren müsste. Dies zu überschauen, übersteigt das Wissen und Fähigkeiten eines finanzwirtschaftlich durchschnittlich gebildeten Sparers (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 360 ff., juris).

f)

Schließlich ist für die Entwicklung des Vertragszinses das Verhältnis zwischen dem Referenzzins und dem anfänglichen Vertragszins (hier: 3 %) maßgeblich (sog. Verhältnismethode). Die Vereinbarung einer festen Zinsdifferenz zwischen anfänglichem Vertragszins und Referenzzins (sog. Differenzmethode) entspricht nach Ansicht des Senats nicht dem mutmaßlichen Parteiwillen (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2023, XI ZR 225/21, Rn. 22: a.A. BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 378 ff., juris).

Dabei ist der Gegenansicht zuzugestehen, dass weder die Verhältnis- noch die Differenzmethode für sich genommen einen - vertraglich ausgeschlossenen - Negativzins vermeidet. Auch die Verhältnismethode hat prinzipiell einen Negativzins auf Seiten des Sparers zur Folge, wenn dies nicht von vorneherein ausgeschlossen wird (so zutreffend BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 387). Einigkeit besteht insoweit jedoch, dass der Sparer - schon mit Blick auf die Risikolosigkeit der Anlage - Negativzinsen nicht zu tragen hat, auch nicht vorübergehend. Bei beiden in Betracht zu ziehenden Methoden muss demnach im Fall von negativen Referenzzinsen der Vertragszins auf Null festgesetzt werden (BayObLG, Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 387, juris). Zutreffend ist auch das Argument, dass sich der Vertragszins bei der Differenzmethode (aus der konstanten Zinsdifferenz) leichter berechnen lässt als bei der Verhältnismethode (aus dem konstanten Zinsverhältnis) (BayObLG Urteil vom 28.02.2024, 101 MK 1/20, Rn. 383, juris). Gleichwohl entspricht es nach Auffassung des Senats dem mutmaßlichen Parteiwillen, dass die sich aus dem Vertrag ergebenden Chancen und Risiken zwischen den Parteien proportional zueinander aufgeteilt werden, d.h. dass beide Vertragsparteien von steigenden Zinsen in äquivalenter Weise profitieren wie sie die Nachteile sinkender Zinsen hinnehmen müssen. Dies gewährleistet die Verhältnismethode besser als die Differenzmethode. Bei letzterer profitiert die Bank von steigenden Zinsen nicht, sondern allein der Sparer (sofern keine Negativzinsen zu berücksichtigen sind). Umgekehrt gehen sinkende Zinsen, solange sie nicht negativ werden, allein zu Lasten des Sparers. Eine solche Verteilung von Chancen und Risiken mag im Einzelfall auf lange Sicht zu einer ausgeglichenen Verteilung von Chancen und Risiken führen. Da die Vertragsparteien die zukünftige Marktentwicklung bei Vertragsschluss nicht sicher kennen, werden beide Seiten jedoch bestrebt sein, die Risiken einseitiger Marktbewegungen nicht alleine zu tragen, sondern diese zwischen beiden Vertragsparteien zu verteilen. Eine solche Verteilung kann allein die Verhältnismethode gewährleisten, weshalb ihr der Vorzug zu geben ist. Dass - wie die Beklagte behauptet - die Bank stets mit einer konstanten Marge rechne, ist für den hier allein maßgeblichen mutmaßlichen Parteiwillen nicht relevant.

3.

Auf der Grundlage der vorgenannten Kriterien hat der Sachverständige den zutreffenden Saldo des streitgegenständlichen Sparkontos mit 81.518,14 € berechnet. Abzüglich des von der Beklagten ohnehin zugestandenen Saldos von 78.663,97 € verbleibt ein noch zu zahlender Betrag von 2.854,17 €.

4.

Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt, da die angefallenen Zinsen unstreitig am Jahresende jeweils thesauriert werden. In solchen Fällen beginnt die Verjährung noch gutzuschreibender Zinsen frühestens mit Beendigung des Vertrages, da Ansprüche auf (weitere) Zinsen frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig werden (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2021, XI ZR 234/20, Rn. 64 ff.).

Der Anspruch der Kläger ist nicht verwirkt. Eine Verwirkung kommt gemäß § 242 BGB in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach den Gesamtumständen auch darauf einrichten durfte (sog. Umstandsmoment), dass der Berechtigte das Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 11.06.2015, 8 U 1760/14, Rn. 34, juris). Unabhängig vom Zeitmoment fehlt jedenfalls das Umstandsmoment. Es fehlt bereits an einem Verhalten der Kläger, aufgrund dessen die Beklagte berechtigt gewesen wäre, Vertrauen in die „Nichtinanspruchnahme“ eines weitergehenden Anspruchs auf variable Verzinsung zu entwickeln. Sofern die Kläger vor Ende des Vertrages keine Zinsnachforderungen erhoben haben, ist dies dahingehend zu deuten, dass die Kläger sich – mangels Kenntnis – keine Gedanken um etwaig höhere Zinsen gemacht haben. Auch aus Nr. 2.4 der Sparbedingungen der (Kreditinstitute) oder Nr. 20 Abs. 1 lit g. AGB-(Kreditinstitute), wonach den Sparer eine Obliegenheit zur Prüfung der Zinsabrechnung und unverzüglichen Erhebung von Einwendungen trifft, deren Einbeziehung im vorliegenden Fall allerdings ohnehin nicht feststellbar ist, lässt sich eine Verwirkung nicht herleiten. Denn daraus folgt nicht die Obliegenheit, die Zinsgutschriften im Hinblick auf die Höhe des Zinssatzes (der sich den Zinsabrechnungen nicht entnehmen lässt) nachzurechnen (vgl. OLG Dresden Urteil vom 13.04.2022, 5 U 1973/20, Rn. 41).

5.

Einen Anspruch auf Zahlung der außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten haben die Kläger – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich zum Zeitpunkt der Beauftragung ihres Rechtsanwalts im Verzug befand. Zwar haben die Kläger der Kündigung des Vertrages widersprochen. Die streitgegenständliche Forderung haben sie jedoch erstmals mit der Klageschrift geltend gemacht.

6.

In Höhe des ausstehenden Zinsbetrages können die Kläger Verzugszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB - wie beantragt - ab Rechtshängigkeit, d.h. ab dem 18.09.2019, verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß § 45 Abs. 3, 1 GKG aus der Summe der Streitwerte der einzelnen Berufungen (Kläger 5.570,05 €, Beklagte: 3.330,51 €) zu bilden.