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Entscheidung 4 U 125/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.07.2024
Aktenzeichen 4 U 125/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0710.4U125.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 04.09.2023, Az. 2 O 428/21, abgeändert: Das Versäumnisurteil vom 18.08.2022 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten, die dieser selbst trägt.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf die Wertstufe bis zu 260.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus drei Höchstbetragsbürgschaften in Anspruch.

Der nicht verfahrensbeteiligten („Firma 01“) (nachfolgend: Hauptschuldnerin), deren Gesellschafter und zeitweise Geschäftsführer der Beklagte war, gewährte die Klägerin im Dezember 2014 zwei Darlehen (zur Konto-Nr. … i.H.v. 65.000 € und zur Konto-Nr. … i.H.v. 95.000 €) und räumte ihr einen Kontokorrentkredit (zur Konto-Nr. … i.H.v. 120.000 €) ein. Der Beklagte gab für alle drei Darlehen selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften ab. In den jeweiligen Vertragserklärungen vereinbarten die Parteien u.a. die Anwendung deutschen Rechts und nachfolgende Verjährungsregelung:

„Verlängerung der Verjährungsfrist

Ansprüche der Bank aus diesem Bürgschaftsvertrag verjähren nach Ablauf von fünf Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist.“

Für Teilbeträge der der Hauptschuldnerin gewährten Darlehen und Kontokorrentkredite übernahm die („Firma 02“) (nachfolgend: Bürgschaftsbank) Ausfallbürgschaften, nämlich für den Kontokorrentkredit i.H.v. zunächst 100.000 €, ab Januar 2016 nur noch i.H.v. 40.000 € und für das Darlehen zur Nr. … i.H.v. 40.000 €. Das weitere Darlehen zur Nr. … wurde nicht zusätzlich besichert. In den die Ausfallbürgschaften betreffenden Anlagen zu den Darlehensverträgen vereinbarte die Klägerin mit der Hauptschuldnerin die Geltung der Allgemeinen Bürgschaftsbedingungen der Bürgschaftsbank, nach denen die Forderungen der Hausbank im Leistungsfall auf die Bürgschaftsbank übergehen (Ziffer 19.1) und die Hausbank bevollmächtigt ist, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen (Ziffer 19.2). Als Rückbürgen der Bürgschaftsbank traten das Land Brandenburg und der Bund auf.

Im Februar 2016 kündigte die Klägerin die Darlehen, nachdem die Hauptschuldnerin ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen war und rechnete über sie ab. Über das Vermögen der Hauptschuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und darin der vollständige Ausfall der Darlehensforderungen festgestellt. Daraufhin nahm die Klägerin im Juni 2016 den Beklagten aus den Bürgschaften in Anspruch und forderte ihn erfolglos zur Zahlung in Höhe von insgesamt 234.896,39 € auf, wovon 120.000 € auf den Kontokorrentkredit, 58.317,36 € auf das Darlehen zur Nr. … und 56.579,03 € auf das Darlehen zur Nr. … entfielen.

Auf Anforderung der Klägerin leistete die Bürgschaftsbank im Januar 2017 Zahlungen i.H.v. insgesamt 86.511,63 €, davon 40.000 € auf den Kontokorrentkredit und 46.511,63 € auf das Darlehen …. Die Zahlungen standen unter dem Vorbehalt der endgültigen Prüfung des Forderungsausfalls, den die Bürgschaftsbank im Mai 2023 aufhob. Die Klägerin trat ihre gegen den Beklagten gerichteten Ansprüche in Höhe der von der Bürgschaftsbank geleisteten Zahlungen im April 2017 an die dies annehmende Bürgschaftsbank ab.

Im Mai 2017 verzog der Beklagte nach („Stadt 01“) in („Land 01“), nachdem er sich Ende April 2017 beim Bezirksamt („Stadt 02“) ordnungsbehördlich abgemeldet hatte. Eine von der Bürgschaftsbank im Juni 2020 mit der Adressprüfung beauftragte Deutsche Post AG bestätigte als Adresse des Beklagten dessen frühere inländische Wohnanschrift „(„Adresse 01“)“.

Mit ihrer am 27.12.2021 eingegangenen Klage macht die Klägerin den zuvor außergerichtlich vom Beklagten geforderten Gesamtbetrag i.H.v. 234.896,39 € geltend.

Nachdem die Zustellung der Klage an der in der Klageschrift angegebenen Anschrift des Beklagten in („Stadt 03“) nicht möglich gewesen war, hat die Klägerin unter Verweis auf ihre erfolglosen Adressrecherchen die öffentliche Zustellung beantragt. Auf die Mitteilung des Gerichts, in „anderer Sache“ sei eine Anschrift des Beklagten in („Land 01“) ((„Adresse 02“)) bekannt, hat die Klägerin an ihrem Antrag der öffentlichen Zustellung festgehalten und vorgetragen, ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass der Beklagte an der angegebenen Anschrift in („Land 01“) nicht mehr wohnhaft sei. Daraufhin hat das Landgericht die öffentliche Zustellung der Klage und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet, die sodann bis zum 15.07.2022 ausgeführt wurde. Mit Versäumnisurteil vom 18.08.2022 hat es den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 234.896,39 € nebst näher bezifferter Zinsen zu zahlen. Nachdem der Beklagte durch eine Mitteilung der Bürgschaftsbank Kenntnis von dem Verfahren erlangt hatte, hat er mit – zunächst nicht zur Akte gelangtem – Schriftsatz vom 28.09.2022 seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt und vorsorglich gegen ein etwaig bereits ergangenes Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat behauptet, im Juni 2020 erfolglos versucht zu haben, an der von ihr ermittelten Anschrift „(„Adresse 03“)“ einen europäischen Zahlungsbefehl zuzustellen.

Die Klägerin hat gemeint, die von dem Beklagten gerügte internationale Zuständigkeit ergebe sich aus dem inländischen Erfüllungsort. Jedenfalls habe der Beklagte sich gemäß Art. 26 EuGVVO rügelos eingelassen, indem er erstmals schriftsätzlich am 21.06.2023 die internationale Zuständigkeit gerügt habe. Art. 17 EuGVVO stehe nicht entgegen, da der Beklagte die Bürgschaftserklärung nicht als Verbraucher, sondern als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Hauptschuldnerin abgegeben habe.

Sie hat gemeint, insgesamt aktivlegitimiert zu sein. Soweit ihre Forderungen aufgrund der Zahlungen der Bürgschaftsbank bzw. aufgrund der Abtretung auf die Bürgschaftsbank übergegangen seien, sei sie als Prozessstandschafterin ermächtigt, die Forderungen im eigenen Namen geltend zu machen. Dies gelte auch, soweit die Bürgschaftsbank die Forderungen an den Bund und das Land weiterübertragen habe.

Gegen die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede hat sie eingewandt, die am 27.12.2021 eingegangene Klage habe die wirksam auf fünf Jahre verlängerte Verjährung gehemmt, die nach der Kündigungserklärung Ende 2016 begonnen und Ende 2021 geendet hätte. Die öffentliche Zustellung der Klage habe auf den 27.12.2021 zurückgewirkt. Sie habe vorab alle ihr zumutbaren Nachforschungen unternommen, die Anschrift des Beklagten zu ermitteln. Nachdem im Juni 2020 ein europäischer Zahlungsbefehl nicht habe zugestellt werden können und die Anschriftermittlung an der von Landgericht mitgeteilten Adresse erfolglos geblieben sei, seien weitere Nachforschungen nicht erfolgsversprechend gewesen.

Der Beklagte hat unter Berufung auf seinen Wohnsitz in („Land 01“) die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Gegen die Aktivlegitimation der Klägerin hat er vorgebracht, die Forderungen seien nach der Inanspruchnahme der Bürgschaftsbank auf diese übergegangen. Er hat die Verjährungseinrede erhoben und hierzu vorgetragen, die fehlerhafte öffentliche Zustellung sei nicht demnächst erfolgt, da die Klägerin nicht ihr alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan habe.

Er hat behauptet, der Bürgschaftsbank und damit auch der Klägerin sei aus einem von einer weiteren Gläubigerin des Beklagten – der („Firma 03“) – vor dem Landgericht Cottbus zum Az. 2 O 74 / 20 gegen ihn geführten Verfahren bekannt gewesen, dass der Beklagte seit Mai 2017 seinen Wohnsitz in („Land 01“) habe und dabei seit 05.06.2020 an der Anschrift „(„Adresse 02“)“ wohnhaft sei. Die von der Klägerin vorgelegte Auskunft des Adressermittlungsdienstes sei schlicht unrichtig.

Mit Urteil vom 04.09.2023 hat das Landgericht das zuvor erlassene Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus dem inländischen Erfüllungsort. Sowohl im Zeitpunkt der Bürgschaftsbegründungen als auch im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme habe der Beklagte seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Cottbus gehabt. Die nachträgliche Wohnsitzverlegung nach („Land 01“) modifiziere einen bereits begründeten Gerichtsstand nicht mehr. Die Klägerin sei im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft aktivlegitimiert. Die Bürgschaftsbank, auf die Forderungen gegen den Beklagten aufgrund ihrer Zahlung übergegangen sei, habe sie zur Geltendmachung im eigenen Namen bevollmächtigt. Die Bürgschaftsforderungen seien auch nicht verjährt. Die am 27.12.2021 eingegangene Klage sei demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden. Die im Verantwortungsbereich des Beklagten begründeten Zustellverzögerungen seien nicht der Klägerin zuzurechnen. Mangels anderer Anhaltspunkte habe diese davon ausgehen können, dass der Beklagte unverändert an der ihr bekannten Anschrift wohnhaft sei.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 05.10.2023 eingelegten und nach der bis zum 06.12.2023 verlängerten Frist an diesem Tag begründeten Berufung. Berufungsbegründend wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er hält die Rüge der internationalen Zuständigkeit aufrecht und meint, die öffentliche Zustellung der Klage sei nicht demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Die Klage hätte bereits nicht öffentlich zugestellt werden dürfen, da der Klägerin der tatsächliche Aufenthaltsort des Beklagten nicht unbekannt gewesen sei. Vielmehr sei ihr aufgrund ihrer eigenen Ermittlungen bekannt gewesen, dass der Beklagte bereits seit 2017 seinen Wohnsitz in („Land 01“) hatte. Die Mitteilung des von der Klägerin beauftragten Adressermittlungsdienstes sei schlicht falsch. Tatsächlich sei er ab Juni 2020 an der Anschrift („Adresse 02“) postalisch erreichbar gewesen. Zudem habe es die Klägerin unterlassen, den Beklagten über die ihr aus der Geschäftsbeziehung zur Hauptschuldnerin bekannten unverändert gültigen E-Mail-Adresse und Telefonnummer zu kontaktieren, obwohl ihr Kundenberater dies zuvor regelmäßig getan habe.

Nachdem Verwertungserlöse i.H.v. insgesamt 19.934,28 € dem Darlehenskonto … gutgeschrieben worden sind, haben die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 04.09.2023, Az. 2 O 428/21, zugestellt am 05.09.2023, abzuändern, das Versäumnisurteil vom 18.08.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie meint, die öffentliche Zustellung sei wirksam und demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Sie habe die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert, sondern auf die Anschriftenprüfung der Deutschen Post AG vertrauen dürfen. Mit Schriftsatz vom 04.07.2024 hat die Klägerin ihre Rechtsansicht hierzu weiter vertieft.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO sowie in den gesetzlichen Fristen der §§ 517, 520 Abs. 2 ZPO eingelegt und begründet worden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Zu Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit angenommen. Diese ist auch im Berufungsrechtzug von Amtswegen zu prüfen ist, da sie nicht von dem Rügeausschluss des § 513 Abs. 2 ZPO umfasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02 - Rn. 9). Sie ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – aus dem inländischen Erfüllungsort des Art. 7 Nr. 1 lit a) EuGVVO. Dieser beurteilt sich nach materiellem Recht (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024 Art. 7 EuGVVO Rn. 4). Hier hatten die Parteien in den Bürgschaftserklärungen gem. Art 3 Abs. 1 S. 1 Rom-I-VO wirksam die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Verbraucherschutzbedenken gegen diese Rechtswahl bestehen – jedenfalls nach der europarechtlichen Auslegung der Regelungen – nicht, da der Beklagte nicht als Verbraucher, sondern als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin handelte (vgl. EUGH, Urteil v. 14.03.2013 – C 419-11 – Rn 37). Die geltend gemachten Bürgschaftsansprüche waren danach nach deutschem materiellem Recht gemäß § 269 Abs. 1 BGB im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Bürgschaftsbegründung am damaligen Wohnsitz des Beklagten zu erfüllen. Im Zeitpunkt der Begründung der jeweiligen Bürgschaft im Dezember 2014 hatte der Beklagte unstreitig seinen Wohnsitz in („Land 02“).

2. Die Klage ist aber unbegründet.

Der Klägerin stehen gegen den Beklagten keine durchsetzbaren Ansprüche aus den Bürgschaftsversprechen gemäß § 765 Abs. 1 BGB i.V.m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu.

Zwar ist die Klägerin insgesamt aktivlegitimiert, die ihr dem Grunde nach zustehenden Ansprüche sind aber aufgrund der von dem Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar.

a) Die Klägerin ist insgesamt aktivlegitimiert. Soweit sie die Forderung an die Bürgschaftsbank aufgrund deren Zahlung i.H.v. 86.511,63 € abgetreten hat, ist sie gemäß Ziffer 19.2 der Bedingungen der Bürgschaftsbank von dieser ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Dies gilt auch, soweit die Bürgschaftsbank die Forderungen bei Bund und Land rückgesichert hat. Soweit die Klägerin im Übrigen Inhaberin der Forderungen geblieben ist, folgt ihre Aktivlegitimation bereits aus ihrer Stellung als Gläubigerin.

b) Der Klägerin stehen dem Grunde nach Ansprüche gegen Beklagten aus den Bürgschaftsversprechen gemäß § 765 Abs. 1 BGB i.V.m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Anhaltspunkte dafür, dass die Bürgschaftsverträge unwirksam, gekündigt oder – etwa wegen einer Übersicherung – sittenwidrig nichtig seien, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch der Bestand der zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin bestehenden Darlehensverträge und der Wirksamkeit der im Februar 2016 erklärten Kündigungen ist nicht streitig. Der Höhe belaufen sich die Ansprüche nach der zwischenzeitlich erfolgten Verwertung von Sicherheiten i.H.v. insgesamt 19.934,28 € noch auf 214.962,11 €, wovon 120.000 € auf den Kontokorrentkredit zur Nr…, 38.383,08 € auf das Darlehen zur Nr. … und 56.579,03 € auf das Darlehen zur Nr. … entfallen.

c) Die Ansprüche sind auch fällig. Die Fälligkeit trat hier mangels abweichender Vereinbarung gemäß § 271 Abs. 1 BGB mit der Fälligkeit der gesicherten Forderung, d. h. mit Zugang der Kündigungen bei der Hauptschuldnerin im Februar 2016, ein (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07 – Rn. 10). Die Klägerin hat die Darlehen wirksam gekündigt. Nach den mit der Hauptschuldnerin getroffenen Vereinbarungen war sie berechtigt, den Kontokorrentvertrag jederzeit fristlos zu kündigen. Auch die weiteren Darlehen durfte die Klägerin bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, für den nach den vereinbarten Bedingungen bereits der erstmalige Zahlungsverzug einer Rate ausreichte, sofort fristlos kündigen.

d) Die Ansprüche sind aber aufgrund der von dem Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB.

Abweichend von der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB haben die Parteien in den Bürgschaftsverträgen eine fünfjährige kenntnisunabhängige Verjährung vereinbart.

aa) Diese gemäß § 202 Abs. 2 BGB grundsätzlich mögliche Verjährungsverlängerung hält einer AGB-Kontrolle stand und ist deshalb wirksam.

Die Regelung unterliegt der AGB-Kontrolle, da die Bürgschaftsurkunden insgesamt als AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB anzusehen sind. Sie sind sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild als auch den Vertragswortlaut nicht individuell, sondern für eine Vielzahl von Bürgschaftsverträgen vorformuliert, von der Klägerin gestellt und weisen keine individualvertraglichen Elemente auf. Eine in AGB enthaltene Verjährungsregelung ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig, da sie von der nach § 202 Abs. 2 BGB dispositiven gesetzlichen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB abweicht (BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 16).

Die hier in Rede stehende Klausel benachteiligt den Beklagten nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. Zwar wird eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners widerleglich vermutet, wenn – wie hier – durch AGB von der zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts gehörenden Regelverjährung des § 195 BGB abgewichen wird. Diese Vermutung ist aber dann widerlegt, wenn die Klausel auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligt. Bei formularmäßigen Verlängerungen der Verjährungsfrist ist dies dann der Fall, wenn diese sachlich gerechtfertigt sind und maßvoll erfolgen, wobei für die inhaltliche Ausgewogenheit einer solchen Klausel spricht, wenn die Begünstigung des Verwenders durch Vorteile für dessen Vertragspartner kompensiert werden (BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn.17 f). So liegt der Fall hier.

Die Klausel sieht nicht nur eine die Klägerin begünstigende Verlängerung der Verjährungsfrist von drei auf fünf Jahren vor, sondern enthält sowohl hinsichtlich des Verjährungsbeginns als auch hinsichtlich der Verjährungshöchstdauer auch Vorteile für den Beklagten. Die hier in Rede stehende Klausel modifiziert nämlich nicht nur die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB, sondern auch die kenntnisunabhängige zehnjährige absolute Verjährung des § 199 Abs. 4 BGB. Zudem bestimmt sie den Beginn der Verjährungsfrist auf das Ende desjenigen Jahres, in dem die Bürgschaftsansprüche fällig werden, sodass die Verjährung abweichend von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB unabhängig von der Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Bürgschaftsgläubigers von der Anspruchsentstehung beginnt, für die der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, Urteile vom 23. Januar 2007 – XI ZR 44/06 – Rn. 32; und vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 26). Die Festlegung der einheitlichen fünfjährigen Verjährung dient danach nicht lediglich einseitig der Durchsetzung der Interessen der Klägerin zulasten des Bürgen. Vielmehr wird die moderate Verjährungsverlängerung um zwei Jahre durch die Verkürzung der maximalen Verjährungsfrist um fünf Jahre kompensiert. Diese Gestaltung wahrt damit zugleich den mit dem Rechtsinstitut der Verjährung verfolgten Zweck, den Schuldner vor unangemessen langer Inanspruchnahme zu schützen und Rechtsfrieden herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 23).

Die Regelung berücksichtigt auch die beiderseitigen Interessen. Es besteht ein anzuerkennendes Interesse des Bürgschaftsgläubigers, die Verjährungsfrist maßvoll zu verlängern. Da der Anspruch aus einer Bürgschaft nicht mit Vertragsabschluss, sondern erst mit der Fälligkeit der gesicherten Hauptforderung entsteht, kann wegen des unter Umständen langen Zeitablaufs bis zum Eintritt des Sicherungsfalls die Durchsetzung der Bürgschaft erschwert sein. Zudem wird es für den Gläubiger auch nach Eintritt des Sicherungsfalles nicht selten wirtschaftlich sinnvoll sein, von einer Inanspruchnahme des Bürgen zunächst abzusehen und abzuwarten, ob der Hauptschuldner die gesicherte Verbindlichkeit erfüllt, etwa angekündigte Ratenzahlungen leistet (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 25). Die verlängerte Verjährungsfrist wahrt dabei zugleich die Interessen des Bürgen, indem sie ihn davor schützt, zeitgleich mit dem Hauptschuldner in Anspruch genommen zu werden. Die Regelung ermöglicht dem Gläubiger,vor einer Inanspruchnahme des Bürgen zunächst den Hauptschuldner in Anspruch zu nehmen, und schützt diesen somit auch von einer ggf. kostenauslösenden Inanspruchnahme des Bürgen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 25). Die Verjährungsverlängerung entlastet insoweit nicht nur den Gläubiger davon, den Bürgen möglichst zeitnah in Anspruch zu nehmen, sondern in vergleichbarer Weise auch den Bürgen vor einer Inanspruchnahme trotz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.06.2023 – 4 U 92/22 – Rn. 30).

bb) Die Verjährung begann danach bereits – unabhängig von der Kenntnis der Klägerin – am 31.12.2016 und lief gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 31.12.2021 ab. Die am 17.12.2021 eingegangene und am 15.07.2022 öffentlich zugestellte Klage vermochte die Verjährung nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen, da die öffentliche Zustellung zwar wirksam war, aber nicht mehr demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgte.

(1) Die Klage wurde wirksam öffentlich zugestellt, § 188 S. 1 ZPO. Die formalen Voraussetzungen des § 186 Abs. 2 ZPO wurden eingehalten, formale Mängel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Zeitpunkt der Anordnung der öffentlichen Zustellung lagen die Voraussetzungen des § 185 ZPO nach den dem Landgericht vorliegenden Erkenntnissen vor. Nach den dem Landgericht vorliegenden Informationen konnte es davon ausgehen, dass der Aufenthalt des Beklagten unbekannt war. Eine öffentliche Zustellung ist nur dann unwirksam und löst die Zustellungsfiktion des § 188 S. 1 ZPO – und damit auch die Verjährungshemmung – nicht aus, wenn das Fehlen der Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung dem Gericht bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen erkennbar war (BGH, Urteile vom 31. Oktober 2018 – I ZR 20/18 – Rn. 11; und v. 19. 12. 2001 - VIII ZR 282/00 – Rn. 18). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Die von der Klägerin vorgelegte Auskunft des Adressermittlungsdienstes erweckte den Eindruck, die Klage könne dem Beklagten an der dem Gericht bekannten Anschrift („(„Adresse 02“)“) nicht mehr erfolgreich zugestellt werden. Andere Erkenntnisquellen lagen dem Gericht nicht vor. Eine inländische Abfrage beim Einwohnermeldeamt versprach keine Aussicht auf Erfolg, nachdem sich aus der von der Klägerin beauftragten Auskunft bereits ergab, dass sich der Beklagte ordnungsbehördlich gem. § 17 Abs. 2 S. 1 BMG ins Ausland abgemeldet hatte. Dass die von der Klägerin vorgelegte Auskunft inhaltlich fehlerhaft war, war für das Landgericht nicht erkennbar.

Dem Vorwurf des Beklagten, die Klägerin habe die öffentliche Zustellung erschlichen, vermag der Senat nicht beizutreten. Ob eine Zustellung auch dann wirksam ist, wenn die an der Zustellung interessierte Partei sie durch wissentlich falsche Angaben erschlichen hat, ist zwar streitig (bejahend: BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002 – XII ZR 51/00 – Rn. 20; Heu Klein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 185 ZPO Rn. 29; ablehnend: OLG Hamm, Beschluss vom 28. Juli 1997 – 29 U 104/97 – Rn. 11; Schultzks in Zöller, ZPO - 35. Aufl. 2024 - § 186 ZPO Rn. 11). Dies kann im hiesigen Fall aber offen bleiben, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vom Beklagten vorgetragen worden sind, dass der Klägerin die inhaltliche Unrichtigkeit der von ihr eingeholten Adressermittlungsauskunft positiv bekannt war und sie die öffentliche Zustellung danach wissentlich durch falsche Angaben erschlichen hat.

(2) Die am 15.07.2022 bewirkte öffentliche Zustellung erfolgte aber nicht mehr demnächst im Sinne des § 167 ZPO.

Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie – oder ihr Prozessbevollmächtigter – bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" ist daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei – oder ihr Prozessbevollmächtigter – unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 66/14 – Rn. 15). Eine absolute zeitliche Grenze besteht insoweit nicht, vielmehr ist der Begriff „demnächst“ im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Der Zustellungsbetreiber muss alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2011 – V ZR 136/10 – Rn. 6). Hat der Veranlasser der Zustellung diese nicht vorwerfbar verzögert, können mehrmonatige – bei Auslandszustellung gar mehrjährige - Verzögerungen unter § 167 ZPO fallen (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 – VIII ZB 47/08 – Rn 14; OLG Frankfurt, mehr als 2 Jahr zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.: Urteil vom 18. August 1987 – 3 UF 255/86 – Rn. 36). So liegt der Fall hier aber nicht.

Die Klägerin hat die Zustellung hier vorwerfbar verzögert, indem sie die Anschrift des Beklagten in der Klageschrift unrichtig bezeichnete, ohne vor Klageerhebung alles ihr Mögliche unternommen zu haben, die zutreffende Anschrift zu ermitteln.

Schon die Angabe einer ungenauen Anschrift stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine vorwerfbare Verzögerung dar (vgl. BGH Urteil v. 08.06.1988 – Ivb ZR 82/87 – Rn. 20 - „Mittelgasse“ statt „Mittelstraße“). Im hier vorliegenden Fall hat die Klägerin aufgrund einer nicht belastbaren Anschriftenprüfung und der fehlerhaften Annahme, der Beklagte sei wieder nach („Land 02“) zurückgekehrt, in der Klageschrift eine jahrelang veraltete Anschrift angegeben, ohne zuvor sämtliche ihr zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Bereits die sich aus der Anschriftenprüfung ergebende Unsicherheit ist wertungsmäßig der ungenauen Adressangabe vergleichbar, die der Bundesgerichtshof als vorwerfbare Verzögerung bewertete. Dass die von der Klägerin angegebene Anschrift letztlich lediglich auf dem unbegründeten Verdacht beruhte, der Beklagte sei wieder in („Land 02“) wohnhaft und sie es vor Klageerhebung unterlassen hat, ihr zugängliche Erkenntnisquellen auszuschöpfen, rechtfertigt die Annahme einer vorwerfbaren Verzögerung.

Die von der Bürgschaftsbank im Juni 2020 eingeholte Anschriftenprüfung der Deutschen Post AG stellte keine hinreichend belastbare Erkenntnisquelle dar. Bei der Anschriftenprüfung wird nach den von der Deutschen Post AG hierzu veröffentlichen Informationen nur „auf gegebene Sachverhalte zurückgegriffen, z.B. Hausbriefkasten- oder Klingelbeschriftung, bisher unbeanstandete Auslieferung von Sendungen mit der vorgelegten Anschrift“. Die Deutsche Post AG weist in ihrer veröffentlichten Produktbeschreibung ausdrücklich darauf hin, dass „eine konkrete Aussage zur Zustellbarkeit von Sendungen … aus dem Ergebnis nicht abgeleitet werden (kann)“ (https://www....). Hinzu kommt, dass die Klägerin damit rechnen musste, dass die eingeholte Auskunft veraltet sei. Nachdem sie bereits ermittelt hatte, dass der Beklagte nach („Land 01“) verzogen war und dort einen europäischen Zahlungsbefehl zuzustellen versucht hatte - was sie durch Vorlage der Antrags- und Rückbriefdokumenten belegt hat -, konnte sie nicht davon ausgehen, dass der Beklagte wieder an der vor mehr als vier Jahren aufgegebenen Anschrift wohnhaft geworden war. Allein der Umstand, dass dort seine Schwiegereltern wohnten, genügt nicht. Vorwerfbar ist bereits die Fehlannahme der Klägerin, der Beklagte sei aus („Land 01“) wieder nach („Land 02“) zurückgekehrt, da für diese Annahme keine konkreten Anhaltspunkte vorlagen. Insbesondere sprach hierfür nicht die fehlgeschlagene Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls. Dass dieser nicht zugestellt werden konnte, beruhte nicht – wie aber Deutsche Post dem Amtsgericht Berlin Wedding als zentrales europäischen Mahngericht mitteilte – darauf, dass der Empfänger nicht zu ermitteln war, sondern vielmehr darauf, dass die Klägerin die Adresse im Antrag unvollständig angegeben hatte. Auf dem Postrückläufer ist „insufficient address“ und nicht „unknow at this address“ markiert. Eine Zustellung des Zahlungsbefehls war nicht möglich, da die Klägerin im Antrag die Wohnungsnummer nicht angegeben hatte, die erforderlich ist, da Briefkästen bei Apartmentkomplexen nicht namentlich sondern nur mit der Wohnungsnummer beschriftet sind. Unerheblich insoweit ist, dass der Beklagte im Zeitpunkt der versuchten Zustellung an der unvollständig angegebenen Anschrift nicht mehr gewohnt hat. Die Klägerin hat es unterlassen, die ihr fragmentarisch bekannte Anschrift durch weitere Ermittlungen zu vervollständigen.

Schließlich hat die Klägerin ihr zugängliche Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Zu diesen gehört auch, bekannte Kommunikationswege zum Adressaten zu nutzen, um dessen ladungsfähige Anschrift zu erfragen (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – AnwZ (B) 3/13 – Rn. 4, OLG Frankfurt, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 19 U 120/08 – Rn. 14). Diese für die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung ergangene Rechtsprechung ist auf hier vorliegende Konstellation übertragbar, da ebenso wie für einen Antrag auf öffentliche Zustellung der Zustellende auch zur Vermeidung ihm vorwerfbarer Verzögerungen alles ihm Zumutbare unternommen haben muss, um den Aufenthalt bzw. die Anschrift des Adressaten zu ermitteln. Auch dass die vorzitierte Rechtsprechung die Ermittlungspflichten des zustellenden Gerichts betraf, steht der Übertragbarkeit nicht entgegen, da es zunächst Aufgabe der zustellenden Partei ist, die ladungsfähige Anschrift des Prozessgegners zu ermitteln. Diesen Anforderungen ist die Klägerin im hier vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Sie hat es unterlassen, den Beklagten über die ihr bekannte und von ihr zuvor zur Kontaktaufnahme genutzte Mobilfunknummer und E-Mail-Adresse zu kontaktieren, um seine aktuelle Anschrift zu erfragen. Gerade nachdem die Klägerin bereits ermittelt hatte, dass der Beklagte ins Ausland verzogen war, lag es nahe, Kontakt auf elektronischen Wegen aufzunehmen, da digitale Kontaktdaten heute im Regelfall bei physischen Umzügen beibehalten werden.

Die von der Klägerin gegen eine ihr vorwerfbare Zustellverzögerung vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Soweit die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, eine sogleich beantragte öffentliche Zustellung wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt worden, kann dahinstehen, ob dies zutrifft. Jedenfalls vermag dies nicht, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, da sich die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung von denen einer demnächstigen Zustellung unterscheiden. Während § 185 ZPO voraussetzt, dass der Aufenthalt des Adressaten unbekannt ist, genügt für eine nicht mehr demnächstige Zustellung im Sinne des § 167 ZPO bereits eine vorwerfbare Verzögerung. Ist der Aufenthalt des Zustelladressaten der zustellenden Partei unbekannt, ohne dass ihr hierfür Versäumnisse vorzuwerfen sind, hat ihr Antrag einer öffentlichen Zustellung Aussicht auf Erfolg. Ist der Aufenthalt des Adressaten der zustellenden Parteien indes deshalb unbekannt, weil sie – wie hier – ihr zur Verfügung stehende Erkenntnismöglichkeiten noch nicht genutzt hat, liegen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nicht vor.

Auch der weitere Einwand der Klägerin, vor der Beantragung einer öffentlichen Zustellung jedenfalls einen fehlgeschlagenen Zustellversuch nachweisen zu müssen, verfängt nicht. Eine öffentliche Zustellung setzt lediglich voraus, dass der Aufenthalt unbekannt ist. Dies ist bereits dann der Fall, wenn eine Anschrift des Zustellungsadressaten dem Gericht bzw. der zustellenden Partei weder bekannt noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung zu bringen ist (Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO – 6. Auflage 2020 – § 185 ZPO Rn. 7). Ein erfolgloser Zustellversuch an der letzten bekannten inländischen Anschrift ist danach jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn – wir hier – eine ordnungsbehördliche Abmeldung ins Ausland vorliegt. Vielmehr hat die zustellende Partei alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt zu ermitteln, und ihre ergebnislosen Bemühungen dem Gericht darzulegen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 74/12 – Rn. 16). Zustellversuche, denen von vornherein jede Erfolgsaussicht fehlt, müssen dementgegen nicht unternommen werden.

Soweit die Klägerin darauf verweist, ein Zustellversuch am Wohnsitz der Eltern der Ehefrau böte eine größere Chance der tatsächlichen Kenntniserlangung als die andernfalls nur mögliche öffentliche Zustellung, vermag der Senat dieser Ansicht nicht näher zu treten. Eine Zustellung an dem Adressaten bekannte oder nahestehende Personen ist – jenseits der §§ 170 bis 172 ZPO – nicht wirksam möglich.

Der Annahme einer vorwerfbaren Zustellverzögerung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Verjährungsfrist grundsätzlich ausschöpfen darf.

Die Verjährung verfolgt den Zweck, den Schuldner vor unangemessen langer Inanspruchnahme zu schützen und Rechtsfrieden herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 23). Je länger die Entstehung eines Anspruchs zurückliegt, desto schwieriger wird es, zuverlässige Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend sind. Während sich der Gläubiger gegen derartige Beweisnöte durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs oder entsprechende Beweissicherung schützen kann, muss der Schuldner hingegen regelmäßig abwarten, bis der Gläubiger tätig wird und trägt dadurch für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen in höherem Maße das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit als der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen. Die Möglichkeit des Schuldners, eine Forderung durch Erhebung der Verjährungseinrede pauschal abzuwehren, wirkt dieser Dysbalance entgegen (vgl. Grothein Münchener Kommentar zum BGB - 9. Auflage 2021 - § 194 Rn. 6).

Da innerhalb der Verjährungsfrist nicht nur der Entschluss zu fassen ist, ob eine Forderung gerichtlich geltend gemacht werden soll, sondern dieser auch jedenfalls durch Einreichung der Klage umzusetzen ist, trägt der Gläubiger das Risiko, eine Forderung nicht mehr durchsetzen zu können, wenn er – wie hier die Klägerin – mit der gerichtlichen Geltendmachung der ihm zustehenden Ansprüche bis zum unmittelbar bevorstehenden Ablauf der – hier zugunsten der Klägerin von drei auf fünf Jahren verlängerten – Verjährung zuwartet. Die Verjährungsfrist ist – anders als die Klägerin zuletzt meint – keine reine Überlegungsfrist, sondern eine Entscheidungsfrist, innerhalb der sich der Gläubiger auch die Tatsachen zu verschaffen hat, die er zur Durchsetzung seiner Ansprüche benötigt. Je länger er mit der Geltendmachung einer Forderung zuwartet, umso höher ist sein evidentes Risiko, dass sich die Werthaltigkeit der Forderung – etwa insolvenzbedingt – verschlechtert oder der Zugriff auf den Schuldner – etwa durch einen Wohnsitzwechsel – erschwert wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 200/14 – Rn. 25). In dieser – bereits oben dargestellten – Entscheidung hat der BGH eine Verjährungsverlängerung von drei auf fünf Jahren auch deshalb nicht als unangemessene Benachteiligung des Bürgen angesehen, da sie der Bank ermöglicht, zunächst den Hauptschuldner in Anspruch zu nehmen und abzuwarten, ob dieser – ggf. ratenweise – leistet.

Der Umstand, dass der Beklagte zu keiner Zeit seine Adressänderungen mitgeteilt hat, ist – anders als die Klägerin meint – unerheblich. Er war als Bürge nicht verpflichtet, die Klägerin über eine Adressänderung zu benachrichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2008 – XI ZR 395/07 – Rn. 14). Vielmehr traf die Klägerin im eigenen Interesse die Obliegenheit, sich zeitnah zum Entstehen des Bürgschaftsanspruchs zu vergewissern, ob die ihr bekannte Anschrift des Bürgen noch aktuell ist und erforderlichenfalls ggf. Erkundigungen einzuholen. Mit dem Eintritt des Sicherungsfalls bestand für sie Anlass, die ihr für die notleidend gewordene Hauptforderung gewährten Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen. Bei einer Bürgschaft gehört hierzu auch die Feststellung der aktuellen Anschrift des Bürgen, um ihn überhaupt in Anspruch nehmen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2008 – XI ZR 395/07 – Rn. 14). Dass zu diesem Zeitpunkt im Frühjahr 2016 die Anschrift des Beklagten in („Stadt 03“) noch aktuell war, führt nicht dazu, dass die Klägerin bis zum unmittelbar bevorstehenden Ablauf der Verjährung risikofrei untätig bleiben konnte. Dies gilt im hier vorliegenden Fall in besonderem Maße, da der Klägerin während der Verjährungszeit positiv bekannt geworden war, dass der Beklagte nach („Land 01“) verzogen war.

e) Mangels Bestand einer durchsetzbaren Hauptforderung hat die Klägerin gegen den Beklagten auch keinen durchsetzbaren Anspruch auf die auch geltend gemachte Zinsen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Säumniskosten auf § 344 ZPO und – soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben – auf § 91a Abs. 1 ZPO. Auch in Höhe des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigten Klageteils wäre die Klägerin aufgrund der bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses von dem Beklagten erhobenen Verjährungseinrede unterlegen gewesen.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO i.V.m. § 711 ZPO.

5. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 47 GKG.