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Mitbestimmung; Betriebskantine; Essenszuschuss; Auszubildende; BVG; Sozialeinrichtung; Verwaltung einer -; Sondervermögen; Betriebsmittel; Sachbezug


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) Entscheidungsdatum 22.01.2015
Aktenzeichen OVG 60 PV 12.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 85 Abs 1 S 1 Nr 8 PersVG BE, § 85 Abs 1 S 1 Nr 10 PersVG BE

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die BVGunterhält in der Hauptverwaltung und in 14 Außenstellen Betriebskantinen. Sie werden in eigener Zuständigkeit verwaltet als „Kantinenservice“ im Bereich Personalmanagement und Personaldienstleistungen. In den Kantinen erhielten Auszubildende der BVG durch mitbestimmte Entscheidung des Beteiligten aus dem Jahre 2008 ein um 1,50 € verbilligte Mittagessen. Am 24. August 2012 gab der Beteiligte dem Antragsteller den Vorstandsbeschluss zur Kenntnis, den übertariflich gewährten Essenszuschuss für Auszubildende ab 1. September 2012 einzustellen. Da die große Zahl der Mittagessen für 2,80 € angeboten werde, würden Auszubildende nur 1,30 € zahlen. Dies sei angesichts der Entwicklung der Auszu-bildendenvergütung und der geringen Inanspruchnahme nicht gerechtfertigt. Bei insgesamt 400 Auszubildenden würden pro Tag nur ca. 30 bis 36 Essen bezuschusst. Der Antragsteller bat unter dem 13. September 2012 um eine Mitbestimmungsvorlage. Dies lehnte der Beteiligte unter dem 28. September 2012 ab, weil keine - möglicherweise als Einzelmaßnahme der Verwaltung einer Sozialeinrichtung zu verstehende - Veränderung des Kantinenpreises erfolgt sei. Betroffen sei hier allein das Verhältnis zu dem begrenzten Personenkreis der Auszubildenden.

Am 13. Oktober 2012 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Berlin das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Zur Begründung hat er ausgeführt, an der Erhöhung des Kantinenpreises als Maßnahme der Verwaltung einer Sozialeinrichtung ändere sich nichts dadurch, dass hiervon nur ein Teil der Beschäftigten betroffen sei.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass der Beteiligte bei der Abschaffung des verbilligten Essens für Auszubildende in der Kantine der Berliner Verkehrsbetriebe das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 PersVG verletzt hat.

Der Beteiligte hat beantragt den Antrag zurückzuweisen und vorgetragen: Bei der Kantine der BVG handele es sich nicht um eine Sozialeinrichtung, weil es an einem zweckgebundenen Sondervermögen fehle. Jedenfalls aber sei die Streichung des Essenszuschusses für Auszubildende keine Maßnahme der Preisgestaltung, also der Kalkulation und Festsetzung der Essenspreise, die mitbestimmungspflichtig wäre. Denn die Kantine als Teil der Verwaltungseinheit Personalmanagement/Personaldienstleistungen verbuche den wahren Essenspreis, und die jeweiligen Ausbildungsstellen als Teil der Verwaltungseinheit Personalmanagement/Berufsausbildung übernähmen den Differenzbetrag aus ihrem Budget. Die Essenszuschüsse würden insoweit aus laufenden Betriebsmitteln gewährt und nicht aus einem Sondervermögen oder von den Kantinen selbst. Der Fall gleiche den vom Bundesarbeitsgericht 1987 und 1988 entschiedenen Fällen der Ausgabe von Essensmarken, die das Gericht nicht als Maßnahme der Verwaltung einer Sozialeinrichtung gewertet habe.

Mit Beschluss vom 10. April 2013 hat das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt, dass der Beteiligte mit der Abschaffung des verbilligten Essens für Auszubildende das Beteiligungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 PersVG verletzt habe. Nach dieser Vorschrift bestimme der Personalrat mit bei Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen. Sozialeinrichtung sei jedes zweckgebundene Sondervermögen, das die Dienststelle mit dem Ziel der Förderung oder Fürsorge für die sozialen Angelegenheiten ihrer Dienstkräfte errichte. Eine Kantine, in der verbilligtes Essen für die Beschäftigten der Dienststelle ausgegeben werde, sei als Sozialeinrichtung zu qualifizieren. Der Beteiligte habe nichts vorgetragen, was seine an dieser Einordnung geäußerten Zweifel stützen würde. Die Veränderung des Essenspreises für Auszubildende stelle sich auch als Verwaltung der Sozialeinrichtung dar. Sie betreffe die Essenspreise der Kantine und nicht einen hiervon organisatorisch völlig getrennten Sachbezug - wie etwa eine Essensmarke. Dies folge zunächst aus dem Umstand, dass die Subventionierung der Essenspreise für Auszubildende im Jahr 2008 ausdrücklich derart vom Beteiligten bezeichnet, als solche im Mitbestimmungsverfahren behandelt und ihr so auch zugestimmt worden sei. Dies sei auch zu Recht so geschehen. Denn eingeführt worden sei gerade nicht ein bloßer lohnsteuerpflichtiger Sachbezug „Essensmarke“, sondern ein „um 1,50 € verbilligtes Mittagessen“. Etwas anderes folge auch nicht aus dem vom Beteiligten behaupteten pauschalen Versteuerungsverfahren hinsichtlich des den Auszubildenden mit der Essenssubventionierung gewährten geldwerten Vorteils. Denn die pauschale Versteuerung wäre sowohl in der Variante „Verringerung des Essenspreises“ als auch in der Variante „organisatorisch von der Kantine getrennte Essensmarke“ steuerrechtlich geboten. Soweit der Beteiligte zu seinen Gunsten anführe, er begleiche die Kosten der Essenssubventionierung für Auszubildende aus anderen Haushaltstiteln als die Kosten des Restes der Kantinenführung, rechtfertige dies kein anderes Ergebnis. Denn für die Einordnung einer Maßnahme als Teil der Verwaltung einer Sozialeinrichtung komme es auf den nach außen tretenden Zusammenhang mit der organisatorischen Verfasstheit dieser Einrichtung an und nicht auf die Art und Weise, wie ihre Umsetzung vom Dienststellenleiter organisiert werde.

Hiergegen richte sich die Beschwerde des Beteiligten. Er meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Zuschüsse zum Essen der Auszubildenden nicht aus dem Sondervermögen Kantine, sondern aus dem Budget der Ausbildungsabteilungen, d.h. aus laufenden Betriebsmitteln gewährt worden seien. Das stehe der Annahme der „Verwaltung einer Sozialeinrichtung“ entgegen, wie es das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1984 und das Bundesarbeitsgericht im Januar 1987 in vergleichbaren Fällen entschieden hätten. Der Zusammenhang zum Steuerrecht stelle sich wie folgt dar: Es gebe in den Kantinen Mittagessen in mehreren Preisstufen. Das Preisgefüge sei so kalkuliert, dass der Durchschnittspreis aller angebotenen Mittagessen höhe liege als der amtliche Sachbezugswert. Würde das verbilligte Essen für Auszubildende beibehalten, müssten alle Mittagessen in den Kantinen als steuerpflichtiger Sachbezug (pauschal)versteuert werden.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. April 2013 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 PersVG Berlin verletzt hat.

Daraufhin beantragt der Beteiligte Erklärungsfrist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beteiligte bei der Abschaffung des verbilligten Essens für Auszubildende in den Kantinen der Berliner Verkehrsbetriebe das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 PersVG Berlin verletzt hat.

Nach dieser Vorschrift bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mit über Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen. Die betriebseigenen Kantinen der BVG sind eine Sozialeinrichtung im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes, und die Abschaffung des verbilligten Mittagessens für Auszubildende stellt eine Maßnahme der Verwaltung einer Sozialeinrichtung dar.

Betriebskantinen sind typische Sozialeinrichtungen im Sinne des genannten Mitbestimmungstatbestandes (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1992 - BVerwG 6 P 33.90 -, juris Rn. 19). Es handelt sich um auf Dauer berechnete, von der Dienststelle geschaffene Einrichtungen, die dazu dienen, den Beschäftigten Vorteile zukommen zu lassen (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2000 - BVerwG 6 P 1.00 -, juris Rn. 26 m.w.N.).

Für eine Sozialeinrichtung, die nach dem Gesetzeswortlaut fähig sein muss, errichtet, verwaltet und aufgelöst zu werden, genügt - wie hier - ein dem sozialen Zweck dienender Bestand an Wirtschaftsgütern, wie Räume, Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenstände, sowie ggf. an Personal und ein Mindestmaß an eigenständiger Organisation. In welcher Art und Weise die Dienststelle die Einrichtung unterhält, ob sie also (vermögens)rechtlich ausgegliedert ist und sich selbst unterhält oder ob sie zum Betriebsvermögen der Dienststelle gehört und aus dem Topf der allgemeinen Mittel unterhalten wird, ist für den Begriff der Sozialeinrichtung ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Einrichtung sich überwiegend selbst verwaltet oder überwiegend durch die Dienststelle verwaltet wird. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass die Dienststelle auf den Bestand und die Aufgabenerfüllung der Einrichtung einen rechtlich fassbaren Einfluss hat (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1984 - BVerwG 6 P 14.83 -, juris Rn. 19).

Anders als der Beteiligte meint, ist dagegen ein darüber hinausgehendes „zweckgebundenes Sondervermögen mit organisatorischer Verselbständigung der dafür eingesetzten Betriebsmittel“ kein Kriterium einer Sozialeinrichtung im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 PersVG Berlin. Mag es in der Privatwirtschaft gelegentlich Schwierigkeiten bereiten, soziale von der Gewinnerzielung dienenden Betriebsteilen abzugrenzen, lässt die gesetzlich bestimmte Aufgabe der BVG (Durchführung von öffentlichem Personennahverkehr für Berlin mit dem Ziel kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsbedienung sowie aller hiermit in technischem und wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 des Berliner Betriebe-Gesetzes vom 14. Juli 2006 [GVBl. S. 827], zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. November 2013 [GVBl. S. 578]) keinen Raum für die Annahme, der Betrieb der Kantine könnte vom Betriebszweck erfasst sein.

Der soziale Zweck der Kantine, d.h. der Vorteil für die Beschäftigten, liegt zum einen in der betriebsnahen Versorgung mit warmen Mahlzeiten; zum anderen kann eine Betriebskantine, die keinen Gewinn erwirtschaften muss, die Mahlzeiten preisgünstig anbieten. Dadurch wird den Beschäftigten über das unmittelbare Arbeitsentgelt für die Arbeitsleistung hinaus ein weiterer Vorteil gewährt.

Das Streichen des Essenszuschusses für die Auszubildenden erfüllt das Merkmal des Verwaltens der Sozialeinrichtung. Die Festlegung der Preise für die Mittagessen ist - das bestreitet auch der Beteiligte nicht - wesentlicher Teil der Verwaltung einer Kantine. Die vom Beteiligten in den Vordergrund gestellte Tatsache, dass der Essenszuschuss für die Auszubildenden nicht aus dem Budget des Kantinenservices, sondern aus dem Budget der Ausbildungsstellen bereitgestellt wird, steht der Annahme, der Zuschuss sei Teil der Verwaltung der Kantine, nicht entgegen. Der Essenszuschuss für die Auszubildenden der Dienststelle ist Teil der Preisgestaltung. Der Beteiligte hat in der mündlichen Anhörung eingeräumt, dass der Essenszuschuss in die Kalkulation aller Kantinenmahlzeiten einfließt, u.a. um ein Absinken des Durchschnittspreises unter den amtlichen Sachbezugswert von gegenwärtig 3 € und die damit verbundene Steuer- und Sozialversicherungspflicht für alle ausgegebenen Kantinenessen zu vermeiden (vgl. R 8.1 Abs. 7 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 2013 des Bundesministeriums der Finanzen i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Abs. 6 Satz 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung vom 21. Dezember 2006 [BGBl. I S. 3385], zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. November 2014 [BGBl. I S. 1799]). Ist aber der Essenszuschuss Teil der Preisgestaltung, ist es für die Erfüllung des Mitbestimmungstatbestandes unerheblich, welcher Teil der Dienststelle die jeweils in Rede stehende Entscheidung trifft und welcher Kostenstelle die Ausgaben für den Essenszuschuss zugeordnet werden. Anderenfalls hätte es der Beteiligte in der Hand die Mitbestimmung durch entsprechende Ressortzuweisungen zu unterlaufen.

Auch das weitere Argument der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26. Juni 1984 - CL 9/83 -, DÖD 1985 S. 45 f.) und das Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 -, und 6 AZR 670/84 -, juris Rn. 32 f. bzw. 33 f. sowie Urteil vom 14. Januar 1988 - 6 AZR 95/86 -, juris Rn. 24) hätten die Gewährung bzw. die Abschaffung von Essenszuschüssen in Form von Essensmarken nicht dem Mitbestimmungsrecht nach vergleichbaren Regelungen in § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG und § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 LPVG NW zugeordnet, überzeugt nicht.

Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall Essensmarken nicht im Streit sind, stehen auch die in den genannten Entscheidungen in den Vordergrund gestellten Fragen, ob die Gewährung von Essensmarken für sich genommen eine Sozialeinrichtung anzusehen ist, und ob durch die Kürzung der Essenzuschussmarken eine Sozialeinrichtung aufgelöst worden ist, nicht zur Entscheidung.

Schließlich trifft die Auffassung der Beschwerde, der Essenszuschuss für die Aus-zubildenden stelle keinen von einer Sozialeinrichtung im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 PersVG Berlin gewährten Vorteil dar, nicht zu. Richtig ist nur, dass der Vorteil verbilligten Essens bei der Nutzung der Kantine gegen einen sonstigen Vergütungsbestandteil abzugrenzen ist. Dass hier ersteres vorliegt, folgt aus der Zweckbindung des Vorteils: Der Essenszuschuss ist zwangsläufig an den Erwerb eines Mittagessens in einer der Betriebskantinen der BVG geknüpft, ist also jenseits seiner Zweckbestimmung für die Auszubildenden nicht verwertbar. In diesem Fall ist es für die Verwirklichung des Mitbestimmungstatbestandes unerheblich, ob der Essenspreis erhöht oder der Zuschuss verringert wird (so zutreffend Richardi u.a., BPersVR, 3. Aufl., § 75 Rn. 337).

Da der Antragsteller bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg hat, bedurfte der erstmals in der mündlichen Anhörung gestellte, auf § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 PersVG Berlin bezogene Hilfsantrag keiner Entscheidung. Demzufolge war dem Beteiligten auch keine Erklärungsfrist zu gewähren, weil in Bezug auf den Hauptantrag keine Änderung eingetreten ist, die es geböte, ihm Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme zu geben.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.