Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 06.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 6 W 16/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0606.6W16.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 3) und 4) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 27.07.2023 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 04.02.2023 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahren hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und die Beklagten zu 1) bis 6) schlossen zur Beilegung einer im Zusammenhang mit einem Wegerecht entstandenen gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Landgericht Neuruppin am 22.02.2022 einen Vergleich, in dem unter anderem vereinbart wurde, einen Zaun auf der Rückseite des klägerischen Grundstücks zu versetzen und die Kosten für die Umsetzung zu gleichen Teilen zu tragen. Nachdem die Maßnahme durch die Klägerin umgesetzt worden ist und die Beklagten zu 3) und 4) die Kosten nicht ausgeglichen haben, setzte das Landgericht Neuruppin, Rechtspflegerin, auf Antrag der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) an die Klägerin gemäß § 788 ZPO zu zahlende Kosten in Höhe von 446,25 € fest. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 3) und 4), mit der sie geltend machen, es liege im Hinblick auf den von ihnen zu zahlenden Kostenanteil kein vollstreckbarer Titel vor. In dem Vergleich sei ein Anspruch auf der Klägerin auf Befreiung von einer Verbindlichkeit vereinbart worden, der nach § 887 ZPO zu vollstrecken sei.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23.02.2024 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten zu 3) und 4) ist begründet. Die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldeten Kosten stellen keine Kosten der Zwangsvollstreckung dar, die nach § 788 Abs. 2 Satz 1 durch das Vollstreckungsgericht festzusetzen wären. Vielmehr begehrt sie die Festsetzung eines Aufwendungsersatzanspruches, die allerdings nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104, 104 ZPO erfolgen kann.
Zulässiger Gegenstand des Festsetzungsverfahrens nach §§ 103, 104 ZPO können nur Kosten des Rechtsstreits i.S.von § 91 ZPO oder Kosten der Zwangsvollstreckung i.S. von § 788 ZPO sein. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient ausschließlich der Prüfung der Höhe und Notwendigkeit durch gerichtliche Verfahren entstandener Kosten, ist aber nicht für die Nachprüfung sachlich-rechtlicher Vorgänge eingerichtet (vgl. OLG Köln, NJW 1991, 3156; JurBüro 1992, 819). Als summarisches Verfahren ist es weder dazu bestimmt noch geeignet, außerhalb des Zwecks der betragsmäßigen Ausfüllung von Kostenerstattungsansprüchen liegende andere Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden. Es kann daher auch nicht aufgrund eines praktischen Bedürfnisses für die Titulierung anderer als der vom Gesetz bestimmten Verfahrensgegenstände herangezogen werden (OLG Köln, aaO).
Bei den von der Klägerin angemeldeten Aufwendungen handelt es sich nicht um nach §§ 103, 104 ZPO festzusetzende Kosten. Sie betreffen keine Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO denn sie sind nicht durch die Vorbereitung oder das Betreiben des Prozesses erwachsen. Auch als Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 2 ZPO sind die von der Klägerin geltend gemachten Kosten nicht festsetzbar. Kosten der Zwangsvollstreckung sind die Aufwendungen der Parteien aus Anlass der Zwangsvollstreckung, die etwa für deren Vorbereitung oder Durchführung anfallen. Um solche handelt es sich hier nicht, denn die Klägerin hat außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens eine Ersatzvornahme vorgenommen. Mit der Vereinbarung, dass die Kosten für die Umsetzung des Zaunes zu gleichen Teilen getragen werden, ist jede Partei des Vergleiches die Verpflichtung eingegangen, den jeweils anderen Teil von der hälftigen Kostentragung freizustellen. Die Parteien haben sich damit zur Vornahme einer vertretbaren Handlung, also einer solchen, die auch von einem Dritten vorgenommen werden kann, verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ist nach § 887 ZPO zu vollstrecken (vgl. Zöller-Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 887 Rn. 3.5), die Klägerin hat diesen Weg allerdings nicht beschritten. Sie hätte dazu vor dem Landgericht Neuruppin als Prozessgericht des ersten Rechtszugs einen dem Anwaltszwang unterliegenden Antrag (vgl. Zöller-Seibel, aaO, Rn. 4) stellen müssen, sie zu ermächtigen, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen, also die von den Beklagten zu 3) und 4) geschuldete Zahlung an den Handwerker selbst zu erbringen. Aufgrund dieses Beschlusses hätte sie dann die Aufwendungen gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) geltend machen können, denn zu den festsetzbaren Kosten der Zwangsvollstreckung i.S. von § 788 ZPO gehören auch diejenigen Aufwendungen, die dem Gläubiger aufgrund einer nach § 887 ZPO vorzunehmenden Vollstreckung eines titulierten Anspruchs auf Befreiung von einer Verbindlichkeit erwachsen (vgl. Zöller/Seibel, aaO mwN). Indem die Klägerin aber die den Beklagten zu 3) und 4) obliegende Handlung ohne die gerichtliche Ermächtigung selbst vorgenommen hat, kann sie die Kosten der Ersatzvornahme nicht als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO beitreiben, sondern muss ihren ggf. bestehenden Ersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 667ff BGB) oder nach Bereicherungsrecht (§ 812ff BGB) im Wege der Klage geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2006 - I ZB 110/05, juris Rn. 18 m.w.N.; OLG Hamm, MDR 1972, 615; OLG Hamburg, MDR 1973, 768; OLG Köln Rpfleger 1993, 84 mw.N ). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 887 ZPO: Die Regelung soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Gläubigers an einer erfolgreichen Vollstreckung und dem ihm gegenüberstehenden Interesse des Schuldners an einem möglichst geringen Eingriff in seine Rechte herstellen. Ein solcher Interessenausgleich setzt voraus, dass der Schuldner, der einen titulierten Anspruch des Gläubigers auf Vornahme einer vertretbaren Handlung nicht erfüllt, die Folgen seines weiteren Untätigbleibens vor Augen geführt werden. Entsprechend ist der Schuldner vor einer Entscheidung nach § 887 gemäß § 891 Satz 2 ZPO zwingend zu hören.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.