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Entscheidung DG 1/21


Metadaten

Gericht LG Cottbus Dienstgericht des Landes Brandenburg Entscheidungsdatum 10.11.2023
Aktenzeichen DG 1/21 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2023:1110.DG1.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Gegen den Beklagten wird eine Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro verhängt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am …………………… geborene Beklagte wurde mit Wirkung vom …………………… zum Richter Kraft Auftrags ernannt und nahm seinen Dienst am Sozialgericht …………… auf. Mit Wirkung vom …………………… wurde er zum Richter am Sozialgericht in ………….. ernannt. Der Beklagte ist in der Besoldungsgruppe …… des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes eingestuft.

Der Beklagte saß seit dem …………………… der ... Kammer (Angelegenheiten nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende) des Sozialgerichts …………. vor. Im Zeitraum vom ………………… bis zum ……………… saß er der ... Kammer (Angelegenheiten der Krankenversicherung einschließlich Künstlersozialkasse) des Sozialgerichts …………… vor.

Der Beklagte ist bisher disziplinarrechtlich nicht rechtskräftig in Erscheinung getreten. Gegen ihn ist mit Disziplinarverfügung vom …………………… ein Verweis verhängt worden. Auf die Klage des Beklagten hat das erkennende Gericht mit Urteil vom 5. März 2021 (DG 11/15) die Disziplinarverfügung aufgehoben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Beklagte war im Zeitraum vom …………………… bis …………………… an insgesamt ….. Tagen erkrankt und nahm überdies Erholungsurlaub (vgl. die Auflistung Bl. 10 f. der Akte). Er hat seine Überlastung mehrfach angezeigt.

Das Ministerium der Justiz bat mit Erlass vom …………………… die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg wegen mehrerer Handlungen ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten einzuleiten. Die Präsidentin des Landessozialgerichts gab den Vorgang zuständigkeitshalber an den Präsidenten des Sozialgerichts ………………. ab.

Mit Verfügung vom …………………… leitete der Präsident des Sozialgerichts …………… gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein. Der Beklagte stehe in Verdacht, gegen die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes wegen Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, Verstoßes gegen die Hoheitszeichenverordnung (HzV) und systematischer Verwendung beleidigender, unsachlicher und provozierender Formulierungen mit Außenwirkung verstoßen zu haben. Er stehe darüber hinaus in Verdacht, gegen die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet werde, verstoßen zu haben. Auch stehe er in Verdacht, Straftaten in Form der fahrlässigen Körperverletzung und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort begangen zu haben, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden könnten. Da das gegen den Beklagten geführte Strafverfahren noch nicht rechtkräftig abgeschlossen war, wurde das Disziplinarverfahren mit der Einleitung zugleich insgesamt ausgesetzt.

Am …. und …………………… führte die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg bei dem Sozialgericht ………….. eine externe Geschäftsprüfung der richterlichen Geschäfte durch. Da im Rahmen der Prüfung am …………………… Auffälligkeiten bei der Sachbehandlung von Verfahrensakten der …. und ….. Kammer, welchen der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt vorsaß, festgestellt wurden, erfolgte am …………………… eine gesonderte Prüfung von Verfahrensakten der genannten Kammern. Mit Schreiben vom ... …………… übermittelte die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg dem Präsidenten des Sozialgerichts ………….. eine Niederschrift zur Prüfung der richterlichen Geschäfte des Beklagten und bat um Prüfung von Maßnahmen der Dienstaufsicht.

Mit Beschluss vom …………………… hat das Landgericht Dresden das Strafverfahren gegen den Beklagten wegen des Vorwurfes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 153a Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) endgültig eingestellt.

Mit Verfügung vom …………… setzte der Präsident des Sozialgerichts ……….. das Disziplinarverfahren fort und erweiterte es zugleich. Nach den Feststellungen der durch die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg durchgeführten Geschäftsprüfung bestehe der Verdacht, dass der Beklagte gegen die allgemeine Dienstpflicht zur unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte sowie gegen die ihm obliegende Verpflichtung, bei der Bearbeitung der in seine Zuständigkeit fallenden Verfahren die Gesetze einzuhalten, verstoßen habe.

Mit Verfügung vom …………………… wurde dem Beklagten der abschließende Ermittlungsbericht zur abschließenden Äußerung übermittelt. Zugleich wurde der örtliche Richterrat beteiligt. Der örtliche Richterrat wies mit Schreiben vom …………………… darauf hin, dass der Beklagte erst seit dem …………………… Vorsitzender der ... Kammer des Sozialgerichts ……………. sei; im Übrigen sah er von einer Stellungnahme ab.

Unter dem …………………… übersandte der Präsident des Sozialgerichts …………. die Verfahrensakten mit der Begründung, dass seine Disziplinargewalt zur angemessenen Ahndung des Dienstvergehens nicht ausreiche, der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Diese teilte diese Einschätzung und übersandte deswegen den Vorgang unter dem ……………… zur Entscheidung an den Kläger.

Mit Verfügung vom …………………… wurde der Bevollmächtigte des Beklagten um Mitteilung gebeten, ob die Beteiligung des örtlichen Richterrates bei der beabsichtigten Erhebung der Disziplinarklage erwünscht sei. Zudem wurde die örtliche Gleichstellungsbeauftragte beteiligt. Mit Schreiben vom ……………… teilte der Bevollmächtigte des Beklagten mit, dass eine Beteiligung des örtlichen Richterrates erbeten werde.

Mit Verfügung vom …………………… wurde der örtliche Richterrat bei dem Sozialgericht ………………. um Zustimmung zu der beabsichtigten Klageerhebung gebeten.

Mit Schreiben vom …………………… erklärte der örtliche Richterrat, dass er der Maßnahme nicht zustimme. Eine Zuständigkeit des örtlichen Richterrates sei nicht gegeben. Dies ergebe sich bereits aus § 46 Absätze 2 bis 4 BbgRiG. Danach könne ein Mitbestimmungsverfahren nur zwischen dem Gerichtsvorstand und dem Richterrat stattfinden. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch um eine Maßnahme der obersten Dienstbehörde. Nur diese sei berechtigt, die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme bei dem Richterdienstgericht zu beantragen. Die oberste Dienstbehörde sei nicht der Gerichtsvorstand des Sozialgerichts …………..

Mit Verfügung vom …………………… wurde die Verweigerung der Zustimmung aufgrund der abgegebenen Begründung, die auf die vermeintliche Unzuständigkeit des Gremiums abstellte, als Erklärung der Unzuständigkeit ausgelegt. Der örtliche Richterrat bei dem Sozialgericht …………. wurde hierauf mit eingehender Begründung hingewiesen.

Der örtliche Richterrat stimmte mit Schreiben vom …………………… der Erhebung der Disziplinarklage nicht zu. Es bestehe keine Zuständigkeit des örtlichen Richterrats. Es werde an der mit Schreiben vom …………………… mitgeteilten Auffassung festgehalten. Da der nach § 39 Absatz 1 Nummer 1 BbgRiG zuständige örtliche Richterrat bei dem Sozialgericht ………… seine Zustimmung zu einer Maßnahme der obersten Dienstbehörde verweigerte, hat der Kläger nach § 47 Absatz 8 BbgRiG endgültig über die Erhebung der Disziplinarklage entschieden.

Der Kläger hat am …………………… Disziplinarklage und nach Aussetzung des Verfahrens am …………………… Nachtragsdisziplinarklage erhoben.

Insgesamt wird dem Beklagten zur Last gelegt, er habe ein Dienstvergehen dadurch begangen, dass er gegen das Datenschutzrecht und die Hoheitszeichenverordnung verstoßen habe, indem er eine Vielzahl von Schreiben mit Parteibezeichnungen und mit dem Hoheitszeichen des Landes Brandenburg außerhalb des richterlichen Kerngeschäftes an den Petitionsausschuss des Landtages sowie das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz versandt habe.

Er habe ferner vielfach gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten aus § 71 DRiG i.V.m. § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG verstoßen, indem er Verfahren unsachgemäß behandelt habe, insbesondere nach Erlass einer Betreibensaufforderung trotz Weiterbetreibens der Kläger das Verfahren eingestellt habe und trotz Selbstablehnung oder Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit in Verfahren noch weitere Diensthandlungen vorgenommen habe. Weiterhin habe er gegen diese Pflicht verstoßen indem er diffamierende oder herabsetzende Äußerungen im dienstlichen Umgang und auch gegenüber dem Prozessbevollmächtigten von Klägern in einzelnen Verfahren getätigt habe.

Er habe weiterhin die Pflicht verletzt sich mit vollem persönlichen Einsatz seinem Amt zu widmen, indem er …. Verfahren über einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren nicht gefördert habe und in weiteren Verfahren nur Wiedervorlagefristen über einen längeren Zeitraum verfügt habe. Auch habe er in einer Sache erst 3 Jahre nach deren Erledigung eine Kostengrundentscheidung getroffen und in einer Sache das Weglegen der Akte vor Beendigung der Angelegenheit verfügt.

Schließlich habe der Beklagte mit dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort am …………………… eine außerdienstliche Straftat begangen.

Mit der Nachtragsdisziplinarklage macht der Kläger geltend, der Beklagte habe am …………………… das Sozialgericht …………… betreten, ohne einen nach dem Infektionsschutzgesetz a.F. notwendwendigen Nachweis vorzuzeigen. Damit habe er gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen.

Zusammenfassend führt der Kläger aus, der Beklagte habe jeweils Dienstvergehen begangen, indem er,

  1. in 49 an den Petitionsausschuss des Landtages sowie das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz gerichteten Schreiben unbefugt das Wappen des Landes Brandenburg verwandte, wobei er in … Schreiben zudem die Verfahrensbeteiligten sowie das gerichtliche Aktenzeichen der von ihm bearbeiteten Verfahren vollständig benannte, 
  2. in …. von ihm bearbeiteten Verfahren Klagen binnen drei Monaten nach Zustellung einer Betreibensaufforderung ausfragen ließ, obwohl ein Festhalten der klagenden Partei am Klagebegehren offenkundig war, 
  3. in ……….. von ihm bearbeiteten Verfahren trotz eines bestehenden Tätigkeitsverbotes tätig wurde, 
  4. über einen längeren Zeitraum in einer Vielzahl von Schreiben gezielt und beharrlich acht beleidigende, unsachliche, provozierende und verleumdende Äußerungen insbesondere gegenüber der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg getätigt hat, 
  5. am …………………… eine Straftat beging, 
  6. …. von ihm bearbeitete Verfahren über einen Zeitraum von jeweils mindestens vier Jahren nicht förderte, 
  7. in einem von ihm bearbeiteten Verfahren erst mehr als drei Jahre nach der Erledigungserklärung eine Kostengrundentscheidung traf, 
  8. in einem von ihm bearbeiteten Verfahren das Weglegen des Vorgangs ohne sachlichen Grund verfügte, 
  9. in … von ihm bearbeiteten Verfahren außer mehrfach verfügter Wiedervorlagefristen von bis zu sechs Monaten keine nennenswerte Verfahrensförderung oder eine solche erst nach langjähriger Untätigkeit betrieb, 
  10. in ….. von ihm bearbeiteten Verfahren unsachliche und die Neutralität verletzende Anschreiben an die Prozessparteien verfügte, 
  11. am ………………… das Sozialgericht ……… betreten zu haben, ohne einen nach dem Infektionsschutzgesetz a.F. notwendwendigen Nachweis vorzuzeigen.

Bezüglich der Behandlung der Verfahren im Einzelnen wird auf die - teilweise tabellarische - Übersicht in der Disziplinarklage vom …………………… Bezug genommen (Bl. 1-93 der Akte).

Der Kläger beantragt,

gegen den Beklagten die Kürzung der Dienstbezüge um 1/10 auf zwei Jahre und vier Monate zu verhängen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die Ergebnisse der Geschäftsprüfung seien unverwertbar. Denn daran habe zum einen der gegenüber dem Beklagten befangene RiLSG ………… maßgeblich mitgewirkt. Auch sei diese Geschäftsprüfung ohne bzw. unter vorgeschobenem Anlass erfolgt. Auch seien im Rahmen der Geschäftsprüfung diverse „Zeugen“ angehört, die zwar nichts Relevantes hätten beitragen können, aber schmutzige Wäsche gewaschen hätten. Dadurch sei die ganze Geschäftsprüfung „vergiftet“. Der Beklagte selbst wiederum sei in diesem Stadium nicht angehört worden. Das verletze ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren. Die Geschäftsprüfungen seien nicht diskriminierungsfrei erfolgt.

Ihm sei umfangreiche Akteneinsicht verweigert worden. Auch sei ihm nicht genügend Zeit zur Stellungnahme gegeben worden. Die vorgreiflichen dienstgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren seien nicht rechtskräftig abgeschlossen und abzuwarten. Seine dortige Argumentation mache er auch hier geltend. Die Fristen für die Ahndung der etwaigen Dienstvergehen seien abgelaufen. Daran änderte auch die nachträgliche Einbeziehung nichts. Es handele sich auch nicht um ein einheitliches Dienstvergehen.

In den dienstlichen Beurteilungen gegenüber dem Beklagten sei – wenn auch nicht hinreichend – anerkannt worden, dass er die Erledigungen der Verfahren auf einem hohen Niveau gehalten habe. Dies obgleich er mit fachfremden Aufgaben betraut gewesen und sein Dezernat mehrmals durch Umverteilung beeinflusst worden sei. Auch sei anerkannt worden, dass er präzise, zügig und zielstrebig arbeite. Es hätten auch erhebliche Überlastungen des Beklagten bestanden, die er mit seinen Überlastungsanzeigen dokumentiert habe.

Zu dem Vorwurf 1 führt der Beklagte aus, er habe nicht gegen datenschutzrechtliche Verbote verstoßen, vielmehr seien nur Daten kommuniziert worden, die Gegenstand öffentlicher Rollen sein könnten und auch nur an ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtete Personen. Dies sei auch zu seiner Aufgabenerfüllung notwendig gewesen. Die Verwendung von Hoheitszeichen sei zulässig gewesen, da es sich um dienstliche Angelegenheiten gehandelt habe.

Zum Vorwurf 2 führt er aus, das ihm vorgeworfene Verhalten sei von seiner richterlichen Unabhängigkeit gedeckt, zumal er die Norm des § 102 SGG schonend angewandt habe. Auch eine Vielzahl anderer Kollegen würde die Norm im Übrigen so anwenden. Zu Vorwurf 3 bestreitet er das Eingreifen eines Tätigkeitsverbotes und beruft sich ebenfalls auf seine richterliche Unabhängigkeit.

Zu Vorwurf 4 führt er aus, die Klägerseite müsse in zumal kontradiktorischen Verfahren schlicht mit der Kritik leben. Auch die Klägerseite habe entsprechend sachwidrig negativ spekuliert und Öl ins Feuer gegossen.

Zu Vorwurf 5 führt er aus, er habe keine Straftat begangen. Er habe die Tat zwar in der Hauptverhandlung geständig eingeräumt, insoweit habe er von seinem strafprozessualen Recht zur Lüge Gebrauch gemacht. Es müsste insoweit weiter ermittelt werden. Das angebliche Opfer habe nicht glaubhaft ausgesagt. Im Übrigen gelten Unschuldsvermutung, Strafklageverbrauch und Doppelbestrafungsverbot.

Zu Vorwurf 6 führt er aus, es lägen auch unter Berücksichtigung der Überlast keine erheblichen Nichtförderungen vor. Der Klägervorwurf sei nicht hinreichend bestimmt. Pauschale Nichtförderung über mehrere Jahre sei kein schlüssiger Vorwurf.

Zu Vorwurf 7 führt er aus, es sei keine Verspätung der Kostengrundentscheidung auch nur plausibel. Es ständen in vielen Kammern des Sozialgerichts ............. Kostengrundentscheidungen 5 oder 6 Jahre oder noch länger aus. Im Hinblick auf die danach offensichtliche Ungleichbehandlung dürfte jedenfalls der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sein.

Zu Vorwurf 8 verweist er auf seine Ausführungen zu Vorwurf 2 und führt aus, der Vorwurf sei nicht plausibel.

Zu Vorwurf 9 verweist er auf seine Ausführungen zu Vorwurf 6.

Zu Vorwurf 10 führt er aus, die Selbstanzeigen seien zu seinem Selbstschutz erfolgt. Dieser Mechanismus habe versagt, was aber nicht ihm anzulasten sei. Die Selbstanzeigen seien aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt worden. Trotz Ablehnung der Selbstanzeigen dürfte eine Voreingenommenheit des Beklagten weiterhin bestanden haben. Abgesehen davon, dass die Hinweise des Beklagten deutlich hinter den Diskreditierungen des Rechtsanwalts zurückgeblieben seien, dürften sie als Verfahrenshandlungen der richterlichen Unabhängigkeit unterliegen.

Im Hinblick auf Vorwurf Nr. 11 sei die Gesetzesgrundlage der Nachweispflicht verfassungswidrig. Außerdem sei er am …………………… nicht zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises aufgefordert worden. Ihm sei die von der Klägerseite angeführte Verordnung aufgrund längerer krankheitsbedingter Abwesenheit nicht bekannt gewesen. Er sei erstmals im Rahmen des irregulären Personalgesprächs zur Testung aufgefordert worden und habe die Testung unverzüglich wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie Akten des Sozialgerichts ………… Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Das Richterdienstgericht konnte trotz Ausbleiben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden. Der Beklagte ist hierauf in der Ladung hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II. Die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts ergibt sich aus § 65 Nr. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG), nach dem das Dienstgericht in Disziplinarverfahren der Richterinnen und Richter zu entscheiden hat.

III. Der vorgeworfene Sachverhalt steht für das Richterdienstgericht soweit entscheidungserheblich fest. Einer weiteren Beweisaufnahme gemäß § 59 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) bedurfte es nicht. In entsprechender Anwendung des § 86 VwGO drängen sich hier damit nach dem anzuwendenden Untersuchungsgrundsatz weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht auf. Beweisanträge hat der Beklagte nicht gestellt.

IV. Auf Grund der Feststellungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen, indem er sich am …………………… unerlaubt vom Unfallort entfernt hat (1.). Er hat ein weiteres Dienstvergehen entsprechend den Vorwürfen 1, 10 und 11 begangen (2.) Demgegenüber folgt aus den übrigen Vorwürfen kein Dienstvergehen.

Anders als sonst häufig handelt es sich vorliegend nicht um ein einheitliches Dienstvergehen. Das Disziplinarrecht wird prinzipiell durch den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens geprägt. Soweit die Vorwürfe Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, ist das durch mehrere Pflichtenverstöße zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten bzw. Richters danach einheitlich zu würdigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es im Disziplinarrecht nicht allein um die Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen geht, sondern vor allem um die dienstliche Bewertung des Gesamtverhaltens des Beamten, das im Dienstvergehen als der Summe der festgestellten Pflichtverletzungen seinen Ausdruck findet.

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt eine isolierte Bewertung einzelner dienstrechtlicher Verfehlungen nur dann ausnahmsweise zu, wenn die das Dienstvergehen ausmachenden einzelnen Verfehlungen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen und damit eine gewisse Selbstständigkeit haben. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen mehreren Pflichtverletzungen ist immer dann gegeben und folglich eine isolierte Betrachtung nicht zulässig, wenn eine bestimmte Neigung des Beamten, eine gewisse Charaktereigenschaft, gemeinsame innere Wurzel für sein Fehlverhalten bei den zu beurteilenden Pflichtverletzungen ursächlich ist (BVerwG, Urteil vom 28. September 2022 – BVerwG 2 A 17.21 –, juris Rn. 94 – 95 m.w.N.).

Ausgehend von diesem Maßstab ist hier der Vorwurf 5, der die Begehung einer außerdienstlichen Straftat, nämlich eines unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach § 142 des Strafgesetzbuches (StGB) zum Gegenstand hat, von den anderen Vorwürfen getrennt als isoliertes Dienstvergehen zu betrachten. Er steht in keinerlei innerem oder äußerem Zusammenhang zu den anderen Vorwürfen, die sich ausschließlich mit innerdienstlichen, häufig direkt mit der Rechtsprechungstätigkeit oder benachbarten Tätigkeiten des Beklagten im Rahmen seiner Dienstausübung und seines Arbeitsverhaltens befassen. Demgegenüber ist das unerlaubte Entfernen vom Unfallort völlig außerdienstlich und weist keinerlei räumlichen, gegenständlichen oder sonstigen Bezug zu den anderen Vorwürfen auf. Auch eine „gemeinsame innere Wurzel“ im Sinne einer gewissen Charaktereigenschaft des Beklagten vermag das Dienstgericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu erkennen. Dass der Beklagte allgemein nicht rechtstreu wäre oder sich in dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort eine etwaige Tendenz des Beklagten „in allen Lebensbereichen seinen Standpunkt“ zu überhöhen und divergierende Auffassungen unter Missachtung von Recht und Gesetz nicht gelten zu lassen, zeigen würde, teilt das Dienstgericht nicht.

Ist danach von zwei verschiedenen Dienstvergehen auszugehen, sind die Vorwürfe im Einzelnen wie folgt zu bewerten:

1. Vorwurf 5

Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen, soweit er am ………… ein außerdienstliches Vergehen begangen hat. Er hat eine Straftat nach § 142 StGB begangen.

Ein Verhalten des Richters außerhalb des Dienstes erfüllt den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 10 BbgRiG i.V.m. § 1 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg (LBG) i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) erfüllt sind. Es muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Grund für die Einfügung der besonderen Anforderungen für die Annahme eines außerdienstlichen Dienstvergehens durch das Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl I S. 725) war das Bestreben des Gesetzgebers, den Tatbestand des Dienstvergehens im Bereich außerdienstlichen Verhaltens von Beamten (und damit auch von Richtern) einzuschränken. Der geänderten Stellung der Beamten und Richtern in der Gesellschaft, von denen außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird, sollte Rechnung getragen werden (BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 und 26 f.> = juris und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - juris Rn. 15).

Das Merkmal "in besonderem Maße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219 f.> = juris).

Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - a.a.O. S. 25, vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - juris und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 52).

Das außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten weist keinen Bezug zu seinem Richteramt auf. Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Daran fehlt es.

Bei einer Straftat ohne Bezug zum Dienstposten des Richters lässt der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zu. Die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Richters im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Delikts zum Ausdruck. An dieser Wertung hat sich auch die Entscheidung über die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zu orientieren, wenn andere Kriterien, wie etwa ein Dienstbezug oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausscheiden. Hierdurch wird hinsichtlich der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens eine Entscheidung gewährleistet, die an nachvollziehbare Kriterien anknüpft (zum wortlautidentischen § 77 Abs. 1 S. 2 BBG: BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 –, juris Rn. 11 - 17).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der im wesentlichen gleichen Lage bei Beamten ist eine vorsätzlich begangene außerdienstliche Straftat für die das Strafgesetzbuch zumindest eine mittelschwere Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) vorsieht, disziplinarwürdig (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 –, juris, Leitsatz 1; ferner BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 – BVerwG 2 B 37.12 –, juris Rn. 27f.).

So liegt es beim Straftatbestand des § 142 Abs. 1 StGB, der einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Der Beklagte hat eine solche Straftat zur Überzeugung des Gerichtes am …………………… begangen. Er ist zunächst durch Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 9. April 2019 (215 Cs 702 JS 51895/18) deswegen verurteilt worden. Im Rahmen der Hauptverhandlung während des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht Dresden am …………………… hat er den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt, sich bei dem Opfer entschuldigt und das Verfahren ist gemäß § 153a StPO gegen eine Geldauflage von 11.400 Euro eingestellt worden. Sein nunmehriges schriftliches Bestreiten im dienstgerichtlichen Verfahren und seine Ausführungen, er habe im Strafverfahren von seinem „Recht zur Lüge“ Gebrauch gemacht, sind weder aus sich heraus schlüssig noch nachvollziehbar begründet. Es stellt sich zudem die Frage, warum das Dienstgericht, ihm dies glauben sollte, wenn er selbst vorträgt, bereits die Strafgerichte belogen zu haben.

2. Der Beklagte hat indes ein einheitliches Dienstvergehen begangen, soweit es die Vorwürfe 1, 10 und 11 betrifft.

a) Zu Vorwurf 10

Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen indem er in zwei von ihm bearbeiteten Verfahren unsachliche und die Neutralität verletzende Anschreiben an die Prozessparteien verfügt hat (Vorwurf 10).

Der Richter hat sich gemäß § 39 DRiG innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Dies ist nicht mehr gegeben, wenn der Richter offensichtlich unsachliche Äußerungen tätigt.

Die relevanten Äußerungen waren nicht mehr von der richterlichen Unabhängigkeit des Beklagten gedeckt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes gehören zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit in erster Linie die eigentliche Rechtsfindung sowie die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen einschließlich der dem Interesse der Rechtsuchenden dienenden richterlichen Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sogenannter Kernbereich). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor.

Mit Blick auf Formulierungen in Entscheidungsgründen gilt danach: Eine den Inhalt einer richterlichen Entscheidung betreffende dienstaufsichtliche Maßnahme ist grundsätzlich unzulässig, soweit es nicht ausnahmsweise lediglich um Fragen geht, die dem Bereich der äußeren Ordnung angehören, das heißt dem Kernbereich der Rechtsfindung so weit entrückt sind, dass für sie die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vernünftigerweise nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Insoweit ist es zwar nicht unmöglich, auch bei richterlichen Entscheidungen in der Ausdrucksweise ein Formelement zu sehen, das sich vielfach vom Inhalt abheben lässt, und auf der Grundlage dieser Unterscheidung "verbale Exzesse" dem äußeren Ordnungsbereich mit der Folge zuzuweisen, dass sie der Dienstaufsicht unterfallen. Ihre Grenze findet eine solche Differenzierung aber, wo die Ausdrucksweise oder eine Formulierung Eingang in den sachlichen Inhalt der Entscheidung gefunden hat. Diese Voraussetzung liegt nicht erst dann vor, wenn die fragliche Passage der Entscheidung zur Rechtfertigung ihres Ergebnisses unerlässlich ist, es genügt, dass sie die Entscheidung mitbestimmt. In einem solchen Fall sind Maßnahmen der Dienstaufsicht nur bei einer offensichtlich fehlerhaften Amtsausübung möglich. Im Zweifelsfall ist die richterliche Unabhängigkeit zu respektieren. Aus den genannten Grundsätzen ist in der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes gefolgert worden, dass richterliche Äußerungen, die mit der eigentlichen Rechtsfindung in keinem Zusammenhang stehen, sich vielmehr in der Herabwürdigung von Verfahrensbeteiligten oder Kollegen erschöpfen, der Dienstaufsicht zugänglich sein können (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – RiZ (R) 3/20 –, juris Rn. 27 – 28 mit umfangreichen w.N.).

Diese Rechtsprechung ist erst Recht auf die hier inkriminierten verfahrensleitenden Verfügungen zu übertragen und erlaubt neben der Dienstaufsicht auch ein disziplinarisches Einschreiten. Auch diese Verfügungen genießen natürlich den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit. Auch sie dürfen sich aber nicht in der Herabwürdigung von Verfahrensbeteiligten oder Kollegen ergehen.

So liegt es indes hier. Mit den Verfügungen vom …………………… in den Verfahren …………………… und …………………… greift der Beklagte den Rechtsanwalt der dortigen Kläger persönlich und in unsachlicher Weise an, indem er ihm u.a. Gebührenmaximierung und gänzlich sachfremde Motive sowie regelmäßig unsachgemäße Verfahrensbehandlung vorwirft und ihn distanzierend als „Rechtsanwalt“ (Anführungsstriche in den Äußerungen enthalten) bezeichnet. Selbst wenn die dem dortigen Anwalt durch den Beklagten gemachten Vorwürfe zutreffen sollten, was das Dienstgericht nicht zu entscheiden hat, durfte der Beklagte dies nicht in den Verfahren äußern. Er hatte vielmehr entsprechend seinem Amt Neutralität und Sachlichkeit zu wahren.

b) Zu Vorwurf 1

Soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er in … an den Petitionsausschuss des Landtages sowie das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz gerichteten Schreiben unbefugt das Wappen des Landes Brandenburg verwandte, wobei er in … Schreiben zudem die Verfahrensbeteiligten sowie das gerichtliche Aktenzeichen der von ihm bearbeiteten Verfahren vollständig benannte, liegt ein Verstoß des Beklagten gegen die vom Kläger angeführte Hoheitszeichen-Verordnung (HzV) des Landes Brandenburg und damit ein Dienstvergehen vor. Nach § 1 Absatz 1 Nummer 7 HzV führen die Gerichte und die Staatsanwaltschaften das Landeswappen.

Das Dienstgericht folgt zwar nicht der Auffassung des Klägers, der Beklagte habe in den bezeichneten Schreiben durch die Verwendung des Landeswappens bewusst den Anschein gesetzt, dass sein Anliegen von staatlicher oder staatlich autorisierter Stelle gebilligt sei. Hierfür gibt es keinen Anhaltspunkt. Indes trifft die Würdigung des Beklagten zu, dass die Hoheitszeichen des Landes Brandenburg nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Richter tatsächlich hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Das war beim Beklagten hier nicht der Fall. Mit den vom Kläger benannten Schreiben hat der Beklagte einen berufsbezogenen Konflikt mit einem Rechtsanwalt geführt und hiervon den Petitionsausschuss des Landtages sowie das (seinerzeitige) Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz informiert. Dies hatte – wie das Gericht bereits in einem früheren Verfahren zwischen den Beteiligten ausgeführt hat (Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 8. Juli 2022 – DG 9/18 –, juris Rn. 25ff.) - keinen Bezug mehr zu den konkreten Verfahren, sondern diente der Wahrnehmung der Interessen des Beklagten als Person und nicht im Rahmen seines Richteramtes. Soweit der Beklagte insoweit auch gleichzeitig jeweils Überlastungsanzeige stellte, ist auch dies keine hoheitliche Tätigkeit, sondern eine Tätigkeit, die im Verhältnis des Beklagten als Richter zu seinem Dienstherrn nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Auch insoweit war er – mangels hoheitlicher Tätigkeit – zu einer Führung der Hoheitszeichen nicht befugt.

c) Zu Vorwurf 11

Soweit der Kläger mit Vorwurf 11 dem Beklagten vorwirft, am ……………… das Sozialgericht ………… betreten zu haben, ohne einen nach § 28b Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes i.d.F. vom 22. November 2021 (IfSG a.F.) notwendigen Nachweis vorzuzeigen und damit gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen zu haben, hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen.

Gemäß § 28b Abs. 1 S. 1 IfSG a.F. durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen im Sinne des § 2 Nummer 2, Nummer 4 oder Nummer 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) sind und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3, Nummer 5 oder Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben.

Der Beklagte führte am …………………… unstreitig keinen entsprechenden Nachweis mit sich und hatte diesen auch nicht bei seinem Arbeitgeber hinterlegt, weswegen es nicht entscheidend darauf ankommt, ob er bei Betreten der Arbeitsstätte tatsächlich geimpft, genesen oder getestet war. Das behauptet der Beklagte im Übrigen indes selbst nicht.

Es greift auch nicht die Ausnahme des § 28b Abs. 1 S. 3 IfSG a.F. Hiernach ist abweichend von Satz 1 Beschäftigten ein Betreten der Arbeitsstätte erlaubt, um 1. unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme ein Testangebot des Arbeitgebers zur Erlangung eines Nachweises im Sinne des § 4 Absatz 1 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 25. Juni 2021 (BAnz AT 28.06.2021 V1), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. September 2021 (BAnz AT 09.09.2021 V1) geändert worden ist, wahrzunehmen oder 2. ein Impfangebot des Arbeitgebers wahrzunehmen.

Da der Beklagte zunächst die Arbeit aufnahm und sodann im Rahmen des von ihm als „irreguläres Personalgespräch“ bezeichneten Treffens getestet wurde, erfüllt er die benannten Voraussetzungen nicht. Auf die weiteren Einzelheiten des zwischen den Beteiligten umstrittenen Sachverhalts kommt es im Übrigen nicht an.

Anders als der Beklagte meint, war § 28b IfSG a.F. auch nicht verfassungswidrig.

Die Regelung steht in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang. Das gilt sowohl unter dem Blickwinkel des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 GG als auch dem vom Beklagten angeführten Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Regelung ist insbesondere nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Belastungen gerechtfertigt (zu §§ 20a, 22a IfSG vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 123 ff., juris; vgl. auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG 15. März 2022 - 1 BVR 2622/21 - juris Rn. 9). Der Eingriff dient einem legitimen Zweck, ist zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sowie erforderlich. Er belastet die Grundrechtsträger auch nicht in unzumutbarer Weise; insbesondere ist er unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn (vgl. BAG, Urteil vom 1. Juni 2022 - 5 AZR 27/22 - Rn. 38; vgl. auch BVerfG 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 123 ff., juris zu §§ 20a, 22a IfSG). Der Gesetzgeber verfolgte mit § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG den legitimen Zweck, vulnerable Menschen in besonderem Maße vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 20a, 22 IfSG (Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 153, 156 ff., juris) beruht die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe insoweit eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen. Er ist davon ausgegangen, dass die Impfquote (Stand 4. November 2021) nicht ausreichend und die Zahl der ungeimpften Personen hoch ist. Es sei daher in den kommenden Wochen weiterhin mit hohen Infektionszahlen und einer mindestens regionalen Belastung der öffentlichen Gesundheit auf Grund von schweren Erkrankungen überwiegend ungeimpfter Menschen zu rechnen (BT Drs. 20/15 S. 20). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 157, juris) konnte der Gesetzgeber (noch) am 10. Dezember 2021 von einer im Allgemeinen sich verschärfenden pandemischen Lage ausgehen. Auch die gesetzgeberische Annahme einer besonderen Gefährdung vulnerabler Personen in der sich seinerzeit verschärfenden pandemischen Lage beruhte auf tragfähigen Grundlagen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 161 ff., juris). Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Entscheidung vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21 - Rn. 164, juris) weiter davon ausgegangen, dass die der gesetzgeberischen Zwecksetzung zugrundeliegenden Annahmen insbesondere zur Gefährdung vulnerabler Personen nach wie vor tragen.

Die in § 28b Abs. 1 IfSG in vorgesehene Pflicht beim Betreten von Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nachzuweisen, dass die betretenden Personen geimpft, genesen oder getestet im Sinn der maßgeblichen Verordnung sind, und einen entsprechenden Nachweis mit sich zu führen, zur Kontrolle verfügbar zu halten oder beim Arbeitgeber hinterlegt zu haben, war im verfassungsrechtlichen Sinn auch geeignet, den Gesetzeszweck zu erreichen. Für die Eignung genügt verfassungsrechtlich bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 166, juris). Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 167,. juris). Dem Gesetzgeber stand danach ein Spielraum für die Beurteilung der Eignung zu. Die in § 28b Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Pflicht erweist sich auch geeignet, um eine Weiterverbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen und dadurch Leben und Gesundheit vulnerabler Personengruppen zu schützen.

Diese Verpflichtung war auch im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich. Für den Gesetzgeber bestand ein weiter Beurteilungsspielraum, denn die Situation der Pandemie ist durch eine gefährliche, aber schwer vorhersehbare Dynamik geprägt, die Sachlage also komplex. Bei der in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. vorgesehenen Pflicht handelt es sich um einen allenfalls leichten Eingriff in die grundrechtlich gesicherte Rechtsposition der betroffenen Beschäftigten, dem der Schutz von Leben und vor schweren körperlichen Beeinträchtigungen vulnerabler Personen gegenüberstand. Ausgehend von den bei Verabschiedung des Gesetzes vorhandenen Erkenntnissen zur Übertragbarkeit des Virus und zu den Möglichkeiten, seiner Verbreitung zu begegnen, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass keine sicher gleich wirksamen Mittel zur Verfügung standen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 188 ff., juris zur in § 20a IfSG geregelten einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht).

Die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. vorgesehene Pflicht war auf Grundlage der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes verfügbaren Erkenntnisse auch angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinn. Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stehen nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Der Gesetzgeber hat mit der vorliegend streitigen Pflicht nicht erheblich in das betroffene Grundrecht eingegriffen. Er durfte dabei beanstandungsfrei annehmen, dass die Beschränkungen dem dringlichen Schutz der Rechtsgüter Dritter von überragender Bedeutung dienen. In der Abwägung hat der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit den in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. geregelten Pflichten verfolgten Belangen Dritter und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden, der auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklungen verfassungsrechtlichen Bestand hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 205 ff., juris für den erheblichen Grundrechtseingriff durch die mit § 20a IfSG eingeführte einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht; BAG, Urteil vom 1. Juni 2022 - 5 AZR 28/22 - juris m.w.N.).

Hat der Beklagte nach alledem am …………………… gegen § 28b Abs. 1 IfSG a.F. verstoßen, so hat er damit auch einen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 71 DRiG i.V.m. § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG begangen. Zwar mag man nicht davon ausgehen, dass generell jede auch nur latente oder abstrakte Gesundheitsgefährdung von Kollegen durch den Richter zu einem Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht führt. Indes ist hier zu berücksichtigten, dass der Beklagte gegen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung verstoßen hat, die auch noch im Zuge einer äußerst gefährlichen Pandemielage zum Schutze gerade besonders vulnerabler Menschen eingeführt wurde. Unter diesen Umständen ist der Beklagte mit seinem Verhalten der Achtung und dem Vertrauen, das sein Beruf erfordert, nicht gerecht geworden.

3. Zu Vorwurf 6, 7, 8 und 9

Kein Dienstvergehen hat der Beklagte begangen, soweit der Kläger ihm mit den Vorwürfen 6, 7, 8 und 9 im Wesentlichen die Nichtförderung verschiedener Verfahren über teils längere Zeiträume vorwirft.

Der Kläger wirft dem Beklagten vor, … von ihm bearbeitete Verfahren über einen Zeitraum von jeweils mindestens vier Jahren nicht gefördert zu haben (Vorwurf 6), in einem von ihm bearbeiteten Verfahren erst mehr als drei Jahre nach der Erledigungserklärung eine Kostengrundentscheidung getroffen zu haben (Vorwurf 7) und in … von ihm bearbeiteten Verfahren außer mehrfach verfügter Wiedervorlagefristen von bis zu sechs Monaten keine nennenswerte Verfahrensförderung oder eine solche erst nach langjähriger Untätigkeit betrieben zu haben (Vorwurf 9).

In der Rechtsprechung des erkennenden Dienstgerichtes ist geklärt, dass nach dem seit dem 20. Juni 2018 geltenden § 10 BbgRiG - und für die Zeit davor nach dem über § 100 Satz 4 BbgRiG anwendbaren § 10 Abs. 1 BbgRiG a.F. - sich Richterinnen und Richter gemäß § 1 Abs. 1 LBG und § 34 Satz 1 und Satz 3 BeamtStG mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen haben. Sie begehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG ein Dienstvergehen, soweit sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Dabei ist zu beachten, dass Richterinnen und Richter nach Art. 108 Abs. 1 der Landesverfassung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie haben daher im Rahmen ihrer Unabhängigkeit die Gesetze einzuhalten und unterliegen der Dienstpflicht, diese Gesetze bei der Rechtsanwendung nicht zu verletzen (vgl. etwa Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 4. Februar 2021 – DG 10/13 –, juris Rn. 24 und Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 22. Mai 2023 – DG 4/22 – juris Rn. 31). Dem Richter obliegt weiter die ordnungsgemäße und unverzögerte Erledigung der ihm durch das Präsidium für das Geschäftsjahr übertragenen Amtsgeschäfte (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – RiSt 1/21 –, juris Rn. 35 m.w.N.).

Ob der Richter die Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und unverzögert erledigt oder vielmehr dienstpflichtwidrig sich nicht hinreichend seinem Beruf mit vollem Einsatz widmet, lässt sich nicht abstrakt, sondern immer nur an den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen.

Es gibt insoweit keine allgemein zu bestimmende „Höchstfrist“, in der ein Verfahren zu fördern ist. Es existiert auch keine „6-Monats-Frist“ für eine Verfahrensförderung, die aus § 198 Abs. 3 GVG abgeleitet werden könnte (Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg, Beschluss vom 22. September 2016, DGH Bbg 1.16). Vielmehr ist für jeden Einzelfall eine angemessene Frist in der jeweiligen Verfahrensart und der Bedeutung im Einzelfall zu bestimmen. Dies kann zur Folge haben, dass über eine freiheitsentziehende Maßnahme unter Umständen binnen weniger Stunden zu entscheiden sein könnte, eine weniger dringende Entscheidung dagegen durchaus mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Die zeitliche und pensenmäßige Bearbeitung einer Richterin oder Richter übertragener Sachen unterliegt aber dennoch grundsätzlich der richterlichen Dienstaufsicht gemäß § 26 Abs. 2 DRiG, so dass ein Verstoß gegen das Gebot, in angemessener Zeit zu entscheiden, eine Dienstpflichtverletzung darstellen kann (Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg a.a.O.).

In der gebotenen Gesamtschau aus der individuellen Leistungsfähigkeit des Beklagten, der Belastung aus den ihm übertragenen Aufgaben und den sonstigen ersichtlichen Umständen ist ein solches Dienstvergehen vorliegend nicht festzustellen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beklagte nach den vom Kläger mit der Disziplinarklage vorgetragenen Zahlen in dem hier interessierenden Zeitraum der Nichtförderung ab dem Jahr …. bis zum Jahr ….. stets ein Dezernat von etwa .…-…. Verfahren zu bearbeiten hatte. Der Kläger wirft dem Beklagten aber nur die Nichtförderung oder verzögerte Bearbeitung von … bzw. … bzw. einem, mithin insgesamt … Verfahren über den gesamten Zeitraum von jedenfalls 5 Jahren vor. Das ist eine Verfahrenszahl von unter 10 % des bearbeiteten Dezernatsbestandes, selbst dann, wenn man von einem statischen Bestand ausgeht, der hier aber gar nicht vorlag. Bereits diese Relation deutet stark darauf hin, dass ein Dienstvergehen hier nicht vorliegt. Auch die absoluten Zahlen sprechen dafür. Bei einem ständigen Dezernat von 400 oder mehr Verfahren dürfte kaum anderes zu erwarten sein als dass ein Teil dieser Verfahren über längere Zeit nicht gefördert werden kann. Allein die Dezernatsarbeit (Bearbeitung von Post, Wiedervorlagen etc.) dürfte bei einem solch großen Dezernat bereits geraume Zeit in Anspruch nehmen. Damit geht bereits ein nicht unerheblicher Anteil der Arbeitszeit für Tätigkeiten verloren, die regelmäßig nicht unmittelbar zu einer Erledigung der Verfahren führen. Der Beklagte hat auch im hier interessierenden Zeitraum wiederholt seine eigene Überlastung angezeigt. Es ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, dass der Beklagte keine oder nur geringfügige Verfahrenserledigungen in diesem Zeitraum erbracht hätte. Vielmehr legt der Kläger selbst dar, dass der Beklagte im Jahr …. ….. Verfahren, im Jahr …. …. Verfahren, im Jahr …. … Verfahren, im Jahr ….. … Verfahren und im Jahr …. (bis ……………………) …. Verfahren erledigt hat.

In einer Gesamtschau aus Belastung, Erledigungen, absoluter Dezernatsgröße und Zahl der nicht oder nur verzögert geförderten Verfahren fallen die … verzögerten Verfahrensförderungen daher erkennbar nicht ins Gewicht. Auch ein Richter kann nicht in beliebiger Zahl mit Arbeit und Verfahren belastet werden und dann der Erwartung ausgesetzt sein, diesen Berg ständig abzuarbeiten, egal wie groß er ist. Darauf deuten im Übrigen auch die vom Kläger vorgelegten PEBB§y-Zahlen hin. Danach war das Sozialgericht ……. in den Jahren …., …. und …. unterbesetzt, im Jahr …. fehlten gar 5,5 RAK. Nur im Jahr ….. war eine deutliche Überbesetzung festzustellen, was indes entsprechend der Berechnungsmethodik von PEBB§y an den in jenem Jahr geringen Eingängen (Nur 176 je Richter) lag. Im Jahr …. war gemessen an den PEBB§y-Zahlen der Personalbedarf gerade so gedeckt.

Um Missverständnissen vorzubeugen, weist das Gericht darauf hin, dass sich aus der vorstehenden Darstellung keine abstrakten Schlüsse ziehen lassen, es insbesondere dem Richter nicht vergönnt ist, unabhängig von seiner Belastung 10 % seines Dezernats „liegen zu lassen“. Auch ist die vollständige Nichtförderung von Verfahren über vier Jahre als äußerst erheblich anzusehen. Es kommt aber immer auf eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls an. Die Justizverwaltung überspannt den Bogen, wenn sie bereits bei einer geringen Zahl von nicht oder verzögert geförderten Verfahren im Vergleich zu einem erheblichen Bestand Disziplinarverfahren anstrebt. Eine geringe Zahl verzögerter Verfahren wird es immer und aus verschiedensten Gründen geben. Das ist nicht disziplinarwürdig, sondern liegt in der Natur von gerichtlichen Verfahren.

Das gilt auch soweit der Kläger dem Beklagten mit Vorwurf 7 vorwirft, in einem von ihm bearbeiteten Verfahren erst mehr als drei Jahre nach einer verfahrensbeendenden Erklärung eine Kostengrundentscheidung getroffen zu haben. Zwar ist dies in der Tat eine ungerechtfertigte verzögerte Bearbeitung eines Verfahrens, für die keinerlei sachlicher Grund ersichtlich ist. Die Klägerin des betreffenden Verfahrens (10 AS 580/16) hatte im März die Erledigung des Rechtsstreites erklärt. Unter dem …………………… wurde die Sache dem hiesigen Beklagten mit der Erledigungsverfügung vorgelegt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hat der Beklagte indes erst am …………………… eine Kostengrundentscheidung getroffen. Da es sich indes um ein einzelnes Verfahren handelt, kann dies nur als Versehen betrachtet werden, was auch einem Richter vergönnt ist.

Soweit es den Vorwurf 8 betrifft, ist für ein Dienstvergehen nichts ersichtlich. Das Verfügen „Vorgang weglegen“, mag als Nichtbearbeitung gewertet werden, was allein nach dem Vorstehenden nicht für ein Dienstvergehen genügt.

4. Zu Vorwurf 2

Kein Dienstvergehen hat der Beklagte auch begangen, soweit ihm mit dem Vorwurf 2 durch die Disziplinarklage unterschiedliche Konstellationen von nicht ordnungsgemäßer, weil nicht sachgerechter Bearbeitung von Verfahren vorgeworfen werden.

Der Kläger wirft dem Beklagten insoweit im Wesentlichen vor, in … von ihm bearbeiteten Verfahren Klagen binnen drei Monaten nach Zustellung einer Betreibensaufforderung austragen gelassen zu haben, obwohl ein Festhalten der klagenden Partei am Klagebegehren offenkundig war (Vorwurf 2).

Dieser Vorwurf überzeugt jedoch nicht. Der Beklagte ist wie jeder Richter mit der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 GG ausgestattet. Diese gewährt ihm grundsätzlich, Verfahren im Rahmen der Gesetze so zu bearbeiten, wie er es für richtig hält. Die Frage, ob nach einer Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG der jeweilige Kläger das Verfahren nicht betreibt, mit der Folge, dass die Klage als zurückgenommen gilt, damit das Verfahren einzustellen und die Streitsache statistisch auszutragen ist, ist eine Wertungsfrage, die vom jeweiligen bearbeitenden Richter zu beantworten ist. Insoweit steht angesichts der Bandbreite der häufig auslegungsbedürftigen Erklärungen der Kläger und der hierzu vertretbaren Auffassungen, inwieweit das Verfahren wirklich weiter betrieben wird, dem Richter ein zwar mit Rechtsmittel wegen der einschneidenden Wirkung der Betreibensaufforderung (Art. 19 Abs. 4 GG) voll überprüfbares, im Hinblick auf die Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 3 DRiG) und erst Recht im Hinblick auf das Disziplinarverfahren aber sehr weiter Einschätzungsspielraum zu. Andernfalls könnte der Dienstherr im Gewand der Dienstaufsicht oder gar des Disziplinarverfahrens Einfluss auf die inhaltlichen Entscheidungen des Richters nehmen, schlicht, weil er diese für falsch, nicht vertretbar oder aus anderen Gründen unzutreffend hält. Das kommt nicht in Betracht.

Die Frage, ob ein Richter zu Recht ein Verfahren eingestellt hat, ist – solange es nicht massenhaft oder systematisch objektiv völlig fehlerhaft geschieht – der Dienstaufsicht und dem Disziplinarverfahren entzogen. Einen solchen Grad hat das Verhalten des Beklagten hier noch nicht im Ansatz erreicht. Der Vorwurf 2 betrifft … Verfahren. Im Einzelnen:

In der Mehrzahl der Verfahren hat der Beklagte die in jenen Verfahren anwaltlich vertretenen dortigen Kläger entweder zu einer Klagebegründung und/oder Konkretisierung des Klageantrages oder zur Stellungnahme auf einen Schriftsatz der dortigen Beklagten aufgefordert und nach Nichtantwort auf diese Aufforderung eine Betreibensaufforderung erlassen. Hierauf erfolgte häufig keine der Betreibensaufforderung entsprechende Antwort, d.h. entweder wurde die Klage nicht begründet oder die Stellung eines konkreten Antrages ausdrücklich verweigert oder einfach kein ausdrücklicher Antrag gestellt oder eine Stellungnahme auf den jeweiligen Schriftsatz der dortigen Beklagten erfolgte nicht. Die dann folgende Einstellung des Verfahrens ist von der richterlichen Unabhängigkeit des im hiesigen Disziplinarverfahren Beklagten offensichtlich gedeckt gewesen. Selbst wenn es dabei in Einzelfällen zu Fehlern gekommen sein sollte, führt dies nicht zu einem Dienstvergehen. Die vom Kläger anscheinend vertretene These, dass jeder rechtliche Fehler des Richters bei der Bearbeitung eines ihm zugewiesenen Verfahrens eine Dienstpflichtverletzung mit der Folge einer disziplinarrechtlichen Ahndung darstellt, ist unhaltbar. Vielmehr gewährt die richterliche Unabhängigkeit dem Beklagten auch insoweit einen sehr weiten Einschätzungsspielraum.

5. Vorwurf 3

Soweit der Kläger dem Beklagten mit Vorwurf 3 im Wesentlichen vorwirft, in …….. von ihm bearbeiteten Verfahren trotz eines bestehenden Tätigkeitsverbotes tätig geworden zu sein, liegt darin kein Dienstvergehen. Der Kläger wirft dem Beklagten in … der … Fälle vor, seine Selbstablehnung anzeigt und mit derselben Verfügung einen Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Selbstablehnung gefasst zu haben. Da beides gleichzeitig geschah, bestand kein Tätigkeitsverbot gegen den Beklagten als der Aussetzungsbeschluss gefasst wurde. Dass der Beklagte diese Fälle nach Aussetzung statistisch hat austragen lassen, obwohl zwischenzeitlich über die Selbstablehnung mit dem Ergebnis der Zurückweisung der Selbstablehnung entschieden worden war, begründet ebenfalls kein Dienstvergehen, da das Verfahren mehr als sechs Monate ausgesetzt und damit nach der maßgeblichen Statistikanordnung ausgetragen werden konnte. Dass die Voraussetzungen für eine Beendigung der Aussetzung vorlagen, nachdem über das Selbstablehnungsgesuch des Beklagten entschieden worden war, ändert hieran nichts und macht das Verhalten des Beklagten nicht disziplinarwürdig.

Soweit es die Verfahren …………………… und …………………… (nunmehr: ……………………) betrifft, hat der Beklagte in der Tat die Aussetzungen des Verfahrens verfügt nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Klägerseite abgelehnt worden war. Das war zwar nicht de lege artis. Denn nach der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit darf der Richter nur noch unaufschiebbare Handlungen durchführen, wozu die Aussetzung des Verfahrens evident nicht gehört. Auch insoweit kann angesichts von zwei vereinzelten, etwaigen Fehlern des Beklagten dies vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit indes nicht zum Anknüpfungspunkt für ein Disziplinarverfahren genommen werden.

Im Hinblick auf den insoweit siebten Vorwurf (Nr. 3 g), liegt ebenfalls kein Dienstvergehen vor. Es dürfte bereits zweifelhaft sein, ob ein Befangenheitsgesuch noch in einer Sache aufrechterhalten werden kann, die durch Klagerücknahme erledigt ist. Vielmehr dürfte einiges dafür sprechen, dass mit der Klagerücknahme auch das Befangenheitsgesuch erledigt ist. Jedenfalls stellt es kein Dienstvergehen dar, wenn der Richter in so einer Lage das Verfahren einstellt. Es ist jedenfalls durchaus vertretbar, es als bloßen Formalismus anzusehen, soweit verlangt wird, dass zunächst über das Befangenheitsgesuch zu entscheiden ist, bevor das Verfahren im Anschluss entweder durch den abgelehnten Richter oder seinen Vertreter eingestellt werden kann. Der Sinn der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, ist zu verhindern, dass ein als voreingenommen wahrgenommener Richter über das sachliche Anliegen einer Partei entscheidet. Ist dieses sachliche Anliegen durch Klagerücknahme entfallen, besteht für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit in jenem Verfahren kein Raum mehr. Das mag unter Umständen anders zu sehen sein, wenn der Richter danach noch inhaltliche Entscheidungen zu treffen hat. Bei einer Klagerücknahme aufgrund Betreibensaufforderung gilt die Klage indes kraft Gesetzes als zurückgenommen (§ 102 Abs. 2 S. 1 SGG) und das Verfahren ist damit kraft Gesetzes beendet. Der Richter hat dann nur noch eine Handlung vorzunehmen – namentlich das Verfahren einzustellen und über die Kosten zu entscheiden -, wenn dies beantragt wird (§ 102 Abs. 3 S. 1 SGG), wobei die Einstellung rein deklaratorisch ist.

6. Zu Vorwurf 4

Soweit der Kläger mit den Vorwürfen 4 a-g dem Beklagten vorwirft, über einen längeren Zeitraum in einer Vielzahl von Schreiben gezielt und beharrlich acht beleidigende, unsachliche, provozierende und verleumdende Äußerungen insbesondere gegenüber der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg getätigt zu haben, ist darin ebenfalls kein Dienstvergehen zu sehen.

Insoweit ist die Auffassung des Beklagten zutreffend, dass im Rahmen von gerichtlichen oder Verwaltungsverfahren der Beklagte sich auch einer schärferen Wortwahl bedienen darf. Die Grenze ist da zu ziehen, wo einer der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB erfüllt wären. Das Recht des Bürgers, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, weshalb deren Gewicht in diesen Fällen besonders hoch zu veranschlagen ist. Dabei fallen grundsätzlich auch scharfe und übersteigerte Äußerungen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Befindet sich jemand im sogenannten "Kampf ums Recht", ist es ihm zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich auch erlaubt, starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 29. Februar 2012 – 1 BvR 2883/11 –, juris m.w.N.). Allerdings bleiben auch die Gesichtspunkte der Machtkritik und des "Kampfs ums Recht" in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern. Die betroffenen Beamten bedürfen als Träger einer hervorgehobenen staatlichen Funktion im Interesse einer wirkungsvollen Erfüllung öffentlicher Aufgaben des besonderen staatlichen Schutzes (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 1. März 2023 – 203 StRR 38/23 –, juris Rn. 9 m.w.N.).

Jene Grenze überschreitet der Beklagte mit den hier vom Kläger beanstandeten Äußerungen noch nicht. Das Dienstgericht hat dabei nicht über den Wahrheitsgehalt der jeweiligen Aussagen zu entscheiden. Die Vorwürfe des „systematischen Mobbings“, der „aberwitzigen Maßnahmen“, der „Zensurmaßnahmen“, der „Rechts- und Verfassungsverstöße“, der „moralischen Scheinheiligkeit“, des „eklatanten Rechtsmissbrauchs“ sind aber für Rechtsstreitigkeiten keine untypischen Vorwürfe eines Bürgers gegenüber von Behörden. Sie überschreiten nicht das Recht der freien Meinungsäußerung des Beklagten und haben insbesondere in der Abwägung zwischen dieser und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen keinen hinreichend ehrverletzenden oder herabsetzenden Charakter.

Das ist anders zu beurteilen, wenn der Beklagte sich losgelöst von Rechtsstreitigkeiten mit Äußerungen an völlig Unbeteiligte Dritte, etwa Verfahrensbeteiligte der gerichtlichen Verfahren wendet. Die vom Kläger hier unter 4h der Disziplinarklage benannten „Exemplarischen“ Vorwürfe genügen aber schon kaum der Konkretisierung eines entsprechenden Dienstvergehens in tatsächlicher Hinsicht. Sie betreffen im Übrigen indes ausschließlich an das Ministerium der Justiz, die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, das Dienstgericht und einen Richter der Sozialgerichtsbarkeit gerichtete Schreiben, die ebenfalls allein im Kontext der vielfältigen berufsbezogenen Konflikte des Beklagten mit seinem Dienstherrn stehen und dementsprechend nicht anders zu beurteilen sind als die Vorwürfe 4a-g.

V. Der Beklagte handelte soweit er mit den vorstehenden Verhaltensweisen Dienstvergehen beging (IV. Nr. 1 und 2) auch vorsätzlich und vorwerfbar.

Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte vorträgt, ihm sei die Pflicht zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit nicht bekannt gewesen. Es kann offenbleiben, ob eine solche Unkenntnis einen vermeidbaren Verbotsirrtum darstellen würde, denn dieser Vortrag überzeugt bereits nicht. Es ist angesichts der deutschlandweiten Berichterstattung und der dazu geführten Diskussionen nicht nachvollziehbar, wie eine Nachweispflicht dem Beklagten hätte unbekannt bleiben können.

VI.

Im Hinblick auf das Dienstvergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Vorwurf 5) ist dieses gemäß § 14 LDG nicht disziplinarisch zu ahnden. Gemäß § 14 Abs. 1 LDG darf, wenn gegen einen Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist oder eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 StPO nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann, wegen desselben Sachverhalts 1. ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden, 2. eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.

Ein Verweis oder eine Geldbuße kommen hier danach nicht mehr in Betracht, da das Strafverfahren gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallortes gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde. Dies wäre aber die angemessene Disziplinarmaßnahme für das gesonderte Dienstvergehen.

VII.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Ahndung des weiteren gesonderten Dienstvergehens (III. Nr. 2) hier nicht aufgrund von Zeitablauf ausgeschlossen. Ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs richtet sich nach § 15 LDG:

(1) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen, darf ein Verweis nicht mehr erteilt und eine Geldbuße nicht mehr ausgesprochen werden.

(2) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen, darf eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr ausgesprochen werden.

(3) Sind seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als sieben Jahre vergangen, darf auf Zurückstufung nicht mehr erkannt werden.

(4) Die Fristen der Absätze 1 bis 3 werden durch die Einleitung oder Ausdehnung des Disziplinarverfahrens, die Erhebung der Disziplinarklage, die Erhebung der Nachtragsdisziplinarklage oder die Anordnung oder Ausdehnung von Ermittlungen gegen Beamte auf Probe und Beamte auf Widerruf nach § 85 unterbrochen.

(5) Die Fristen der Absätze 1 bis 3 sind für die Dauer des Widerspruchsverfahrens, des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, für die Dauer einer Aussetzung des Disziplinarverfahrens nach § 23 oder für die Dauer der Mitwirkung des Personalrats gehemmt. Ist vor Ablauf der Frist wegen desselben Sachverhalts ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet oder eine Klage aus dem Beamtenverhältnis erhoben worden, ist die Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.

Das oben unter IV. 2. dargestellte einheitliche Dienstvergehen endete – selbst wenn man den Vorwurf 11 zunächst ausklammerte, da dieser erst mit der Nachtragsdisziplinarklage anhängig gemacht wurde – frühestens am …………………… mithin dem Tag, an dem die beiden Verfügungen des Vorwurfs 10 durch den Kläger erlassen wurden. Der Präsident des Sozialgerichts ……………… leitete hier unter dem …………………… ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, welches er am …………………… erweiterte. Waren selbst die Fristen des § 15 Abs. 1 LDG seinerzeit damit noch nicht abgelaufen und wurden sie jeweils durch Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens gemäß § 15 Abs. 4 LDG zunächst unterbrochen und sodann mit Erhebung der Disziplinarklage am …………………… gehemmt, so besteht kein Raum für die vom Beklagten geltend gemachte „Verjährung“.

VIII. Das Dienstvergehen war hier mit einer Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro zu ahnden. Diese hat erzieherischen Charakter und soll den Beklagten anhalten, bei der Bearbeitung der ihr übertragenen Aufgaben gesetzeskonform zu agieren. Der Beklagte kam in einer Vielzahl von Fällen seinen richterlichen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nach und missachtete durch sein Verhalten die Anforderungen, die sein Beruf erfordert. Dabei hat das Dienstgericht berücksichtigt, dass es sich um einen dauerhaften Konflikt zwischen den Beteiligten handelt und der Beklagte sich auch nicht als einsichtig erwiesen hat, geschweige denn eine Verhaltensänderung zu erkennen wäre.

Die nach § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 13 LDG zu bemessende Maßnahme ist aber auch ausreichend. Der Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet und seit insgesamt über 19 Jahren als Richter tätig. Das von ihm begangene Dienstvergehen ist nicht als derart schwer einzustufen, dass die von dem Kläger angeregte Gehaltskürzung angemessen wäre.

IX. Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 73 Abs. 1 BbgRiG, 3 LDG, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Landgericht Cottbus, Gerichtsstraße 3/4, 03046 Cottbus, einzulegen und zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).