Gericht | LG Cottbus Dienstgericht des Landes Brandenburg | Entscheidungsdatum | 23.04.2021 | |
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Aktenzeichen | DG 10/17 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0423.DG10.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung eines Disziplinarverfahrens.
Der Kläger ist Richter am Verwaltungsgericht ……………. Er war im Jahr …… und …… Beisitzer in der …. Kammer des Verwaltungsgerichts …………….
Am …………… beantragte der Vorsitzende der ... Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam, der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht ……………, Urlaub; hierzu erhielt der Kläger als dessen Vertreter eine E-Mail mit dem Betreff: „ … Bitte bearbeiten Sie den FZ-Antrag …“. Diese E-Mail leitete der Kläger an den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts mit dem Hinweis weiter, dass er die Urlaubsdaten zur Kenntnis genommen und notiert habe. Wie bereits näher ausgeführt werde er weder „zustimmen“ noch „ablehnen“ anklicken. Hierauf wurde ihm geantwortet, dass er auf „zustimmen“ klicken solle, wenn von seiner Seite kein Hinderungsgrund bestehe, den Vorsitzenden während seines Urlaubs zu vertreten. Für den Fall, dass er auf die Funktion „zurückstellen“ gehe, bleibe der Antrag offen und erreiche den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts nicht. Daraufhin teilte der Kläger mit, dass er „zurückstellen“ auswählen müsse. Damit der Vorsitzende jetzt zu seinem Urlaub komme, rege er an, wie vor einiger Zeit zu verfahren. Außerdem bitte er erneut darum, das System so einzurichten, dass in allen Fällen ein Urlaubsantrag auch ohne die „unsinnige“ Erweiterung des „Genehmigungslaufes“ direkt an den Vizepräsidenten zur Genehmigung abgeschickt werden könne. Um zu verhindern, dass bis dahin erneut Urlaubsanträge bei ihm, dem Kläger, „stecken“ blieben und den Vizepräsidenten deshalb nicht erreichten, habe er ab sofort eine E-Mail-Regel eingerichtet. Danach würden alle E-Mails, die im Betreff die Wendung „Bitte bearbeiten Sie den FZ-Antrag“ enthielten, automatisch direkt an den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts weitergeleitet und bei dem Kläger gelöscht. Zusätzlich habe er in ZEUS seinen Status permanent auf „abwesend“ gesetzt.
Unter dem …………… ordnete der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… gegenüber dem Kläger die Nutzung des Programms ZEUS an. Er gab dem Kläger insbesondere auf, ZEUS künftig hinsichtlich der Urlaubs- und Abwesenheitsanträge der Kammerkollegen in der Weise zu nutzen, dass er – sofern er nach dem Geschäftsverteilungsplan zum Vertreter berufen sei – durch das Anklicken von „Zustimmen“ oder - sofern er selbst verhindert sei - „Ablehnen“ die geforderten Bekundungen zur Gewährleistung der Vertretung vornehme. Zugleich gab er dem Kläger auf, die von diesem vorgenommene Statusänderung in ZEUS (permanent: „abwesend“) und die von diesem eingerichtete E-Mail-Weiterleitung rückgängig zu machen. Der Kläger erhob gegen diese Anordnung am …………… Widerspruch, dem der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… mit Vermerk vom …………… nicht abhalf. Der Widerspruch wurde durch den Beklagten am …………… zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam (VG 11 K 3802/16) wurde mit Urteil vom 25.06.2019 abgewiesen. Der dagegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 11.11.2020 (OVG 4 N 46.10) zurückgewiesen.
Am …………… beantragte der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht …………… Urlaub unter Nutzung des Programmes ZEUS. Die daraufhin durch ZEUS an den Kläger gesandte E-Mail mit der Bitte, den Urlaubsantrag zu bearbeiten, leitete dieser automatisch an den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts …………… …………… weiter.
Unter dem …………… leitete der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… aufgrund dieses Sachverhalts ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein.
Nachdem im Programm ZEUS Bezeichnungen geändert wurden, ordnete der Präsident des Verwaltungsgerichts Potsdam unter dem …………… gegenüber dem Kläger an, ZEUS künftig hinsichtlich der Urlaubs- und Abwesenheitsanträge der Kammerkollegen in der Weise zu nutzen, dass er – sofern er nach dem Geschäftsverteilungsplan zum Vertreter berufen sei – durch das Anklicken „Ja“ oder - sofern er selbst verhindert sei - „Nein“ die geforderten Bekundungen zur Gewährleistung der Vertretung vorzunehmen. Im Übrigen bleibe die Anordnung vom …………… unverändert bestehen. Hiergegen erhob der Kläger am …………… Widerspruch. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom …………… zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam (VG 11 K 3802/16) wurde mit Urteil vom 25.06.2019 abgewiesen. Der dagegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 11.11.2020 (OVG 4 N 46.10) zurückgewiesen.
Unter dem …………… dehnte der Präsident des Verwaltungsgerichts Potsdam das Disziplinarverfahren aus. Das Verfahren werde auf folgende Handlungen erstreckt:
Unter dem …………… setzte der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängigen Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen VG 10 K 3802/16 aus. Er begründete diese Aussetzung damit, dass gemäß § 23 Abs. 3 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden kann, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden sei, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Eine solche Vorgreiflichkeit liege hier vor. Denn die Frage der Rechtsnatur der Anordnungen sei für das Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung, da hiervon abhänge, ob die vom Kläger erhobenen Widersprüche aufschiebende Wirkung hätten. Diese Frage werde voraussichtlich im Verfahren VG 10 K 3802/16 geklärt.
Gegen die Aussetzung vom …………… erhob der Kläger am …………… Widerspruch.
Nach Nichtabhilfe durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts …………… führte dieser das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom …………… doch fort.
Mit Einstellungsverfügung vom …………… stellte der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… das Disziplinarverfahren ein. Zwar erfülle der Verstoß gegen die Anordnungen vom …………… und …………… den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens. Auch sei der subjektive Tatbestand erfüllt, denn auf den Rechtscharakter der Anordnungen und die Verpflichtung diese trotz Widerspruchs zu befolgen, sei bereits in den Anordnungen hingewiesen worden. Daher liege zumindest bedingter Vorsatz vor. Indes halte er eine Disziplinarmaßnahme, hier die Erteilung eines Verweises nicht für angezeigt. Der erzieherische Effekt einer solchen wäre nicht größer als derjenige, welcher allein mit der Feststellung zum erwiesenen Vorliegen eines Dienstvergehens einhergehe.
Gegen die Einstellungsverfügung erhob der Kläger am …………… Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom …………… wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am …………… Klage gegen die Einstellung des Disziplinarverfahrens erhoben.
Er führt aus, die Einstellungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig. Es fehle an der abschließenden Anhörung nach § 31 LDG. Eine Heilung sei nicht möglich. Ferner habe er auch kein Dienstvergehen begangen. Denn die Anordnungen des Präsidenten des Verwaltungsgerichts hätten sich allein darauf bezogen, dass er als geschäftsplanmäßiger Vertreter an den Urlaubsanträgen seiner Kollegen über ZEUS mitwirken müsste. Ob er aber der geschäftsplanmäßige Vertreter sei, entscheide er im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit alleine. Eingriffe der Justizverwaltung in diese Entscheidung seien unzulässig. Auch sei die fragliche Verpflichtung, gegen die er verstoßen haben solle, nicht hinreichend eindeutig. Das werde durch den Fragekatalog des damals zuständigen Dienstgerichtes vom …………… deutlich. Denn wenn nicht einmal dem Dienstgericht klargewesen sei, was von dem Kläger verlangt werde, hätte ihm dies erst Recht nicht klar sein können. Er rügt weiter die mangelnde Beschleunigung des Disziplinarverfahrens und die Verzögerung der Verfahrensförderung. Zudem sei das Verwaltungsgericht …………… zwischenzeitlich von dem bisherigen Prozedere zur Urlaubsgewährung abgerückt.
Der Kläger beantragt,
- die Einstellungsverfügung vom …………… in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom …………… aufzuheben und das Verfahren ohne Feststellung eines Dienstvergehens einzustellen,
- hilfsweise, dem Beklagten aufzugeben, nach Aufhebung der Bescheides das Disziplinarverfahren ohne Feststellung eines Dienstvergehens einzustellen,
- weiter hilfsweise, festzustellen, dass ein Dienstvergehen nicht vorliegt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleiben des Klägers verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten auf diese Folge in der Ladung hingewiesen wurden, vgl. § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
II. Die Klage bleibt erfolglos.
Die angefochtene Einstellungsverfügung vom …………… in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom …………… unterliegt nicht, auch nicht einer teilweisen, Aufhebung. Sie ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 73 Abs. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG) i.V.m. § 3 LDG i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Einstellungsverfügung ist zunächst nicht wegen Verstoßes gegen § 31 LDG formell rechtswidrig. Hiernach ist nach der Beendigung der Ermittlungen dem Beamten Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern; § 21 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn das Disziplinarverfahren nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 eingestellt werden soll. Ein etwaiger Verstoß hiergegen ist geheilt. Anders als der Kläger meint ist hier § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) über § 3 LDG, § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) anwendbar (vgl. zur gleichgelagerten Regelung im niedersächsischen Disziplinarrecht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Januar 2014 – 20 LD 10/13 –, Rn. 50, juris). Soweit der Kläger meint, wegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGBbg sei der Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht eröffnet, da dieses nicht für Maßnahmen des Richterdienstrechts gelte, greift dies nicht durch. Denn es entspricht der Rechtsprechung des Dienstgerichtes des Bundes und des erkennenden Gerichtes, dass Normen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder trotz der Ausnahme aus dem Anwendungsbereich teilweise entsprechend anwendbar sind (BGH, Urteil vom 16. März 1984 – RiZ (R) 6/83 –, BGHZ 90, 328-331; Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 20. November 2020 – DG 2/12 –, Rn. 58, juris). Dies gilt auch für § 45 VwVfG (vgl. BGH, Urteil vom 04. November 1998 – RiZ (R) 2/98 –, juris; BGH, Urteil vom 22. September 1998 – RiZ (R) 1/98 –, juris). Danach gilt ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht als geheilt, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Der Kläger hatte sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit sich zu der Einstellungsverfügung zu äußern und hat davon schließlich auch Gebrauch gemacht.
Die Einstellungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Der Präsident des Verwaltungsgerichts …………… durfte und musste in der Begründung der streitgegenständlichen Verfügung ein Dienstvergehen feststellen. Für eine Einstellung unter dem Makel eines Dienstvergehens bietet § 73 Abs. 1 BbgRiG i. V. m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Dass die Einstellungsverfügung diesen Makel nicht verschweigen darf, ergibt sich einerseits aus dem Unterschied zwischen der Einstellung mangels erwiesenen Dienstvergehens (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 LDG) zur Einstellung trotz Dienstvergehens mangels Opportunität (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG) und andererseits aus der Verpflichtung, die Einstellungsverfügung zu begründen (§ 33 Abs. 3 LDG).
Soweit die Einstellungsverfügung zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen hat, trifft dies zu.
Der Kläger war verpflichtet, den Anordnungen das Programm ZEUS zur Gegenzeichnung der Urlaubsanträge seiner Kammerkollegen zu benutzen, Folge zu leisten. Nach § 10 Abs. 1 BbgRiG gelten für die Rechtsverhältnisse der Richter die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes entsprechend, soweit das Deutsche Richtergesetz und dieses Gesetz nichts anderes bestimmen. Das Beamtenstatusgesetz gilt nach dessen § 1 für die Beamten des Landes Brandenburg. Gemäß § 35 Abs. 1 BeamtStG sind Beamte verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (Satz 1). Dies gilt nicht, soweit die Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind (Satz 2). § 35 Abs. 1 Satz 2, 3 BeamtStG ist auf die Rechtsverhältnisse von Richtern anwendbar, weil die Richtergesetze nichts anderes bestimmen.
Die Weisung des Gerichtspräsidenten an den Kläger, dass auch er wie die anderen Richter sich aufgrund von Urlaubsanträgen der Kollegen bei einem absehbaren Vertretungsfall unter Verwendung des Systems ZEUS zu erklären habe, ist eine dienstliche Anordnung. Einer Anordnung dieser Art fehlt die unmittelbare Außenwirkung im Sinn des § 35 Satz 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 A 6.13 – juris Rn. 18; Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 20). Schon Urlaubsanträge werden aus dienstlichem Anlass verfasst (so das BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 2 A 11.08 – juris Rn. 16); Vorgaben an den potenziellen Vertreter der Urlaubswilligen, sich zur absehbaren Vertretungsmöglichkeit zu erklären, sind erst recht innerdienstliche Weisungen (vgl. just zum Falle des Klägers: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 4 N 46.19 –, juris, Rn. 7).
Eine solche Anordnung betrifft nicht das Feld richterlicher Unabhängigkeit, die entweder lediglich eingeschränkter Dienstaufsicht unterliegt (§ 26 Abs. 2 DRiG) oder sich frei von jeglicher Dienstaufsicht vollzieht (§ 26 Abs. 1 DRiG). Der Dienst des Richters besteht nicht ausschließlich darin, genuin richterliche Aufgaben wahrzunehmen, sondern kennt auch nichtrichterliche Pflichten (vgl. just im Falle des Klägers betreffs dessen Weigerung an einem Dienstgespräch teilzunehmen: Brandenburgisches Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Cottbus, Urteil, 32 DG 4/09, S. 7 UA). Als geschäftsplanmäßiger Vertreter an den Urlaubsanträgen der Kollegen mitzuwirken, ist eine Pflicht des Richters (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020, a.a.O., Rn. 8). Insoweit ist der Kläger auch nicht – wie er meint – aufgrund seiner richterlichen Unabhängigkeit dazu berechtigt selbst darüber zu entscheiden, ob und wann er geschäftsplanmäßiger Vertreter ist. Zwar trifft es zu, dass der Richter an Dienstzeiten und Dienstorte nicht wie ein Beamter gebunden ist, sondern im Wesentlichen frei entscheiden kann, wann und wo er seinen Dienstpflichten nachkommt. Dies gilt etwa dann nicht, wenn die Dienstpflicht gerade erfordert, dass der Richter vor Ort ist, wie etwa bei einer Verhandlungsteilnahme. Soweit der Kläger aber geltend macht, er könne kraft seiner richterlichen Unabhängigkeit selbst darüber entscheiden, wann er der geschäftsplanmäßige Vertreter ist, geht dies an der Sache vorbei. Mit der Anordnung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Potsdam wurde ihm gerade aufgegeben, an den Urlaubsanträgen der Kollegen dergestalt mitzuwirken, dass er bei absehbarer Verhinderung anzeigt, dass er nicht vertreten kann, wenn eine solche aber nicht absehbar ist, dies ebenfalls anzeigt. Damit hätte die richterliche Unabhängigkeit – unterstellt diese würde in dem Umfang bestehen, wie der Kläger meint – ihn an einer ordnungsgemäßen Kundgabe über das Programm ZEUS nicht gehindert. Dass auch nach dem Zeitpunkt der Urlaubsantragstellung und der Kundgabe der grundsätzlichen Vertretungsmöglichkeit durch den vertretenden Richter noch Fälle eintreten können, in denen der vertretende Richter doch an der Vertretung des abwesenden Kollegen gehindert ist, versteht sich von selbst. Das hindert den vertretenden Richter aber nicht im Moment seiner Mitwirkung, seine vorhersehbare Vertretungsfähigkeit oder seine vorhersehbare Verhinderung anzuzeigen. Das gilt erst Recht für das vom Kläger vorgebrachte Argument, Kammerzugehörigkeiten und Geschäftsverteilungspläne könnten sich ändern. Dem Kläger wird durch die von ihm missachteten Anordnungen nicht eine jede hypothetische Konstellation in der Zukunft berücksichtigende Auskunft abverlangt. Er soll allein das erklären, was für ihn in dem Stand, in dem ihn der Urlaubsantrag erreicht, absehbar ist. Das berührt seine richterliche Unabhängigkeit in keiner Weise.
Auch die Formulierung in den Anordnungen, dass der Kläger nur sich insoweit zu den Urlaubsanträgen zu erklären habe, wie er nach dem Geschäftsverteilungsplan zum Vertreter berufen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Damit knüpft die Anordnung lediglich an die formale Bestimmung des Vertreters durch die Geschäftsverteilungspläne (des Gerichts einerseits, der Kammer andererseits) an. Es verlangt von dem Kläger nicht eine Subsumtion in jedem Einzelfall, ob er im Moment des Urlaubsantrages oder der Urlaubsnahme aufgrund eigener Verhinderung etwaig dann nicht der Vertreter sei.
Ohne dass es hierauf entscheidend ankommt, teilt das erkennende Gericht auch die Auffassung des Klägers dazu nicht, was ihm die richterliche Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang gewährt. Der Richter kann nicht nach eigenem Belieben darüber entscheiden, ob er der geschäftsplanmäßige Vertreter ist. Diese Auffassung des Klägers würde das von ihm selbst angeführte Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes unterminieren. Die richterliche Unabhängigkeit geht insbesondere nicht so weit, dass der Richter nach Belieben tage- oder gar wochenlang seinem Dienst nicht nachzukommen braucht. Dass dem nicht so ist, ergibt sich schon daraus, dass der Richter dann einer Urlaubsgewährung nicht bedürfen würde. Im Übrigen würde es gerade die willkürliche Bestimmung des Richters ermöglichen, die mit dem Geschäftsverteilungsplan verhindert werden soll. Der nach den Geschäftsverteilungsplänen als Vertreter bestimmte Richter ist nur dann nicht der Vertreter des verhinderten Richters, wenn er selbst verhindert ist: wegen Urlaub, Krankheit oder der Wahrnehmung einer eigenen dienstlichen Aufgabe, die vorrangig ist. Er kann sich aber nicht dauerhaft selbst außer Dienst setzen. Dass dem so ist, erhellt sich schon anhand der nicht nur zulässigen sondern verfassungsrechtlich sogar gebotenen umfassenden Bereitschaftsdienstes etwa in der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Haft- und Durchsuchungsfälle (vgl. etwa BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 12. März 2019 - 2 BvR 675/14 -, Rn. 1-80).
Der Kläger handelte den Anordnungen mehrfach vorsätzlich zuwider und erfüllte so sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand. Weder erklärte er sich über das Programm ZEUS zu den Urlaubsanträgen seiner Kammerkollegen, noch entfernte er die automatische Weiterleitung, noch änderte er seine Statuseinstellung im Programm ZEUS („abwesend“). Dem Kläger ist auch nicht darin zu folgen, dass er etwa sein E-Mail-Programm nach Belieben entgegen dieser Anordnung nutzen kann. Soweit ihm eine bestimmte Mitwirkung an den Urlaubsanträgen durch Anordnung aufgegeben ist, darf er diese nicht durch „Weiterleitung“ oder „abwesend“-Einstellung unterminieren. Mangels Verwaltungsaktqualität der Anordnungen kam den Widersprüchen und der Klage des Klägers gegen die Anordnungen auch nicht die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO zu, sodass er von vornherein verpflichtet war, diesen Folge zu leisten. Soweit der Kläger nunmehr meint, auch das Dienstgericht habe durch einen Hinweis Zweifel an der Praxis der Urlaubsgewährung über das Programm ZEUS geäußert und ihm könne daher nicht vorgeworfen werden, dass er den Anordnungen nicht gefolgt sei, trifft auch dies nicht zu. Zum einen hat der frühere Vorsitzende des Dienstgerichtes lediglich eine klarstellende Anfrage an den Beklagten zum Erklärungsgehalt der vom Benutzer des Programmes ZEUS (früher) geforderten Erklärungen gestellt. Zum anderen war aufgrund der Anordnung des Präsidenten für den Kläger eindeutig, wie er sich zu verhalten hatte.
Soweit der Kläger sodann die verzögerte Förderung des Disziplinarverfahrens und seines gegen die Einstellungsverfügung gerichteten gerichtlichen Verfahrens rügt und sich auf Art. 6 Abs. 1 EMRK beruft, führt dies ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen ist gerade die Einstellungsverfügung der taugliche Weg um mit so einer Verzögerung umzugehen und etwa deshalb auf eine Disziplinarmaßnahme zu verzichten. Der Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot führt nämlich allenfalls dazu, dass bei der Entscheidung darüber, ob und bejahendenfalls welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, die eingetretene Verzögerung angemessen berücksichtigt wird. Die Verzögerung führt damit allenfalls dazu, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr zweckmäßig ist. Sie führt aber nicht dazu, dass ein begangenes Dienstvergehen als nicht begangen gilt und daher nicht mehr festgestellt werden darf. Soweit der Kläger die Verzögerung im gegen die Einstellungsverfügung gerichteten gerichtlichen Verfahren rügt, ist schon nicht schlüssig, inwieweit dies sich auswirken soll. Denn mehr als eine Einstellung des Disziplinarverfahrens kann der Kläger nicht erreichen. Unabhängig davon verhält sich der Kläger hier widersprüchlich. Die Verzögerung im gerichtlichen Verfahren beruht ganz überwiegend auf seinem eigenen Verhalten. Er selbst vermochte es nicht über 3 Jahre und 4 Monate die Klage zu begründen. Erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung hat er erstmals die Klage begründet und seine Anträge angekündigt. Dies obwohl das Dienstgericht ihn zur Klagebegründung aufgefordert, weitere Akteneinsicht und Fristverlängerung gewährt hatte. Ein Kläger, der seine eigene Klage nicht fördert und betreibt und vielmehr selbst nach seinem eigenen Vortrag im klageerhebenden Schriftsatz und in späteren Schriftsätzen von einer Klagebegründung absieht, begründet die Verfahrensverzögerung selbst und kann die Verantwortung für diese nicht auf das Gericht abwälzen.
Aus den vorstehenden Gründen haben auch die Hilfsanträge keinen Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 73 Abs. 1 BbgRiG, 78 Abs. 4 LDG, 154 Abs. 1 VwGO.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 3 LDG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg a. d. Havel zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Landgericht Cottbus, Gerichtsstraße 3/4, 03046 Cottbus, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg a. d. Havel, einzureichen.