Gericht | LG Cottbus Dienstgericht des Landes Brandenburg | Entscheidungsdatum | 16.08.2023 | |
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Aktenzeichen | DG 7/23 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2023:0816.DG7.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
I.
Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in …………… und wendet sich gegen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens.
Mit Verfügung vom ……………… leitete der Präsident des Sozialgerichts ……………… gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren wegen eines etwaigen Verstoßes gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten ein. Dem Antragsteller wird zur Last gelegt, im Zeitraum von ……………… bis ……………… in einer Reihe von Schreiben den Präsidenten, Vizepräsidenten sowie die weiteren aufsichtführenden Richter des Sozialgerichts ……………… wiederholt des "Mobbings" und der "Manipulation des Urlaubskontos" sowie Straftaten wie beispielsweise Nötigung, Urkundenfälschung, Straftaten gegen die Gesundheit und das Leben sowie Vermögensdelikte bezichtigt zu haben.
Der Antragsteller hat am ……………… Eilrechtsschutz beantragt.
Zur Begründung führt er aus, die Bestimmtheitsanforderungen seien nicht erfüllt, es werde im Hinblick auf den Sachverhalt ein Potpourri von vorgeblich von ihm stammenden Schreiben vorgelegt, bei denen Adressaten, Gegenstände, Verfahrensstände, Bezugspersonen nicht ersichtlich bzw. mitgeteilt seien. Er könne auch keine ernsthaften Beleidigungen in den Schreiben erkennen. In kontradiktorischen Verfahren hätten die Bezugspersonen diese Äußerungen schlicht hinzunehmen. Die unschlüssige Behauptung eines Dienstvergehens sei in der Verfügung nicht näher begründet. Daher sei die Einleitung des Disziplinarverfahrens rechtsmissbräuchlich. Die Befugnis der Einleitung eines Disziplinarverfahrens werde hier missbraucht, um von Verfehlungen des Präsidenten des Sozialgerichts bzw. von diesem zu vertretenden Missständen abzulenken. Dies passe jedoch in die „Mobbingphalanx", die gegen den Antragsteller bestehe. Es werde versucht, die Richterratsbeteiligung zu umgehen. Nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes müsse eine Überprüfung der Maßnahme möglich sein. Der Antrag sei auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit begründet. Diese sei nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch in psychischer Hinsicht zu schützen. Diese werde hier verletzt. Die Disziplinarverfahrenseinleitung habe Einfluss auf die Bearbeitung verfassungsrechtlich geschützter Anliegen, zumal gerade der Sozialrichter in der Regel mit verfahrensbeteiligten Behörden zu tun habe, denen er zunehmend weniger entgegenzutreten bzw. deren Vorgehen er zunehmend weniger kritisch zu überprüfen er sich getrauen dürfte. Die Maßnahme stehe zudem in unmittelbarem zeitlichem Kontext mit weiteren Mobbingmaßnahmen, wie etwa der Verkürzung von Urlaubsansprüchen, Betretensverboten und Zwangstestungen.
Der Antragsteller beantragt,
die Maßnahme vom ……………… vorläufig aufzuheben bzw. vorläufig für unzulässig zu erklären,
hilfsweise, vorläufig festzustellen, dass die Disziplinarverfahrenseinleitung vom ……………… die richterliche Unabhängigkeit verletzt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, der Antrag sei bereits gemäß § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unzulässig, da es sich bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens um eine behördliche Verfahrenshandlung handele. Der Antrag sei auch unbegründet. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens sei der Sache nach gerechtfertigt. Aus den Schreiben des Antragstellers, dessen Urheberschaft hier nicht zweifelhaft sei, würden sich hinreichende Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen und damit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ergeben, weil mit den Äußerungen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten schuldhaft verletzt sein könnte.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
1. Der Antrag bleibt erfolglos.
Er ist zwar nach § 80 BbgRiG i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO statthaft (st. Rechtsprechung des Dienstgerichts, vgl. ausführlich etwa Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 27. Januar 2021 – DG 8/15 –, juris Rn. 28 m.w.N.), ihm bleibt aber aus den folgenden Gründen der Erfolg versagt.
Der Antrag ist bereits aufgrund von § 73 Abs. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG) i.V.m. § 3 Landesdisziplinargesetz (LDG) i.V.m. § 44a VwGO unzulässig. Gemäß § 44a S. 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Eine solche behördliche Verfahrenshandlung ist auch die Einleitung des Disziplinarverfahrens.
Es liegt auch kein tauglicher Gegenstand eines Prüfungsverfahrens vor. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens kann bereits grundsätzlich nicht Gegenstand der Maßnahmeprüfung i.S.d. § 26 Abs. 3 DRiG durch das Dienstgericht sein. Vorgänge, die ein Disziplinarverfahren betreffen, sei es im Rahmen einer Disziplinarklage, sei es im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens, können grundsätzlich nicht zum Gegenstand eines Prüfungsverfahrens gemacht werden (BGH, Urteil vom 1. März 2022 – RiZ 2/16 –, juris Rn. 98 und BGH, Urteil vom 22. Juli 1980 – RiZ (R) 2/80 –, juris).
Der Antragsteller sucht zudem nicht vorläufigen, sondern der Sache nach vorbeugenden Rechtschutz nach. Das Gericht kann nicht im Wege der Maßnahmeprüfung dem Dienstherrn gleichsam die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen eines bestimmten Konfliktes untersagen. Insoweit ist der Antragsteller nach der Systematik des § 65 BbgRiG und des § 123 VwGO gehalten, die Einleitung des Disziplinarverfahrens abzuwarten und sodann sich gegen dieses zu verteidigen (Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 27. Januar 2021 – DG 8/15 –, Rn. 32, juris). Denn Maßnahmeprüfung nach § 26 Abs. 3 DRiG und Disziplinarverfahren nach den §§ 73 ff. BbgRiG i.V.m. dem LDG sind grundsätzlich getrennte Verfahren. Ein Disziplinarverfahren ist grundsätzlich keine Maßnahme der Dienstaufsicht i.S.d. § 26 DRiG, sondern das Disziplinarrecht der Richter ist durch Verweisung auf das Disziplinarecht der Beamten (§§ 46 und 71) mit Sonderregelungen für Richter (§§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63, 64 und 78 Nr. 1, 81 – 83) geregelt und Dienstaufsichtsverfahren und Disziplinarverfahren sind grundsätzlich streng zu trennen (Dienstgerichtshof beim Kammergericht Berlin, Urteil vom 25. Mai 1994 – DGH 1/94 –, juris; Nomos-BR/Staats DRiG/Johann-Friedrich Staats, 1. Aufl. 2012, DRiG § 26 Rn. 8; Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 19. August 2022 – DG 4/21 –, juris Rn. 62).
Nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes (BGH, Urteil vom 22. Juli 1980 – RiZ (R) 2/80 –, juris Rn. 11) ist es allerdings denkbar, dass ein Dienstvorgesetzter Ermittlungen vorschützt oder missbraucht, um den betroffenen Richter in seiner der Unabhängigkeitsgarantie (Art 97 Abs. 1 GG) unterstehenden Tätigkeit zu beeinflussen. Diese fernliegende Möglichkeit kann es jedoch nicht rechtfertigen, auf die unsubstantiierte Behauptung des Richters, seine Unabhängigkeit sei beeinträchtigt, ein Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG gegen disziplinarische Ermittlungen zuzulassen. Ob Ermittlungen die Unabhängigkeit des betroffenen Richters beeinträchtigen, ließe sich nur auf Grund einer tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung ihres Gegenstandes entscheiden. Damit würde nicht nur das Disziplinarverfahren behindert, sondern mindestens zum Teil auch vorweggenommen, ohne es auch immer gegenstandslos zu machen. Eine solche Verfahrenshäufung ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich aus der Art und Weise der Ermittlungen konkrete Anhaltspunkte für den Versuch einer Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des betroffenen Richters durch eine Dienstaufsichtsbehörde ergeben, wenn der Antragsteller derartiges mindestens konkret behauptet.
Von konkreten Anhaltspunkten für einen unzulässigen Beeinflussungsversuch kann hier keine Rede sein. Der Antragsteller ist seit dem ……………… mit Unterbrechung für eine Fortbildung (……………… bis ………………) und Urlaub (... bis ……………… sowie ... bis ………………) dienstunfähig erkrankt wie dem Dienstgericht aus dem Verfahren DG 2/23 bekannt ist. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im ……………… kann danach schon im Ansatz nicht auf eine Beeinflussung seiner richterlichen Tätigkeit gerichtet sein
Auch im Übrigen sind für das Dienstgericht die Einwände des Antragstellers, aus denen er eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens herzuleiten sucht, nicht nachvollziehbar. Das beginnt schon mit seiner wiederholten Formulierung es handele sich um „vermeintlich“ von ihm stammende Äußerungen und Schreiben. Ganz abgesehen davon, dass entsprechende Vorwürfe des Antragstellers gegen den Präsidenten des Sozialgerichts ………………, die Präsidentin des Landessozialgerichts und weitere Beschäftigte der Sozialgerichtsbarkeit gerichtsbekannt keineswegs neu, sondern vielmehr ständig Gegenstand seiner Äußerungen in den Verfahren auch vor diesem Dienstgericht sind, hat der Antragsgegner seiner Disziplinarverfügung Schreiben mit den zitierten Aussagen zugrunde gelegt die die Unterschrift des Antragstellers tragen. Wie diese dann nur „vermeintlich“ seine Äußerungen sein können, verbleibt im Dunkeln. Sollte der Antragsteller damit nahelegen wollen, dass jemand in allein ihn betreffenden Personalsachen, etwa solchen die seine Urlaubsgewährung bzw. den ihm zustehenden Urlaubsanspruch betreffen, Schreiben an den Präsidenten des Sozialgerichts ……………… und die Präsidentin des Landessozialgerichts gerichtet und dabei seine Unterschrift gefälscht hätte, wäre das einigermaßen erstaunlich, aber ebenso belanglos. Denn zum einen genügen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 LDG zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Zum anderen dient das Disziplinarverfahren gerade der Ermittlung und Klärung, ob ein Dienstvergehen vom Richter begangen wurde oder nicht. Etwaige Zweifel an der „Autorenschaft“ könnte der Antragsteller dementsprechend im Disziplinarverfahren selbst geltend machen.
Auch sieht das Gericht keine Zweifel an der Bestimmtheit der Einleitungsverfügung. Diese benennt vielmehr ausdrücklich unter wörtlicher Zitierung und Datierung der Schreiben die beanstandeten Äußerungen des Antragstellers und legt dar, dass wegen dieser Äußerungen der Verdacht des Verstoßes gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten bestehe. Eine ausführliche rechtliche Begründung dessen ist naturgemäß der Abschlussverfügung vorbehalten. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist nämlich gerade der erste Schritt zur Klärung der Frage, ob ein Dienstvergehen vorliegt.
Anhand der den Schreiben zu entnehmenden Äußerungen, bestehen auch zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen und zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller berechtigen. Denn der Antragsteller stellt in einer Vielzahl der Schreiben in den Raum, dass etwa der Präsident des Sozialgerichts ……………… Straftaten zu seinen Lasten begangen habe. Das begründet jedenfalls entsprechende Anhaltspunkte. Ob darin ein Dienstvergehen zu sehen ist, ist gerade durch das Disziplinarverfahren zu klären. Rechtsmissbräuchlich wird dieses dadurch nicht. Es betrifft im Übrigen die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers auch nur peripher. Er selbst macht geltend, die Äußerungen ausschließlich außerhalb seiner eigentlichen richterlichen Tätigkeit in kontradiktorischen Verfahren und im Rahmen von Dienstaufsichtsbeschwerden (naturgemäß „vermeintlich“) getätigt zu haben. Ein Bezug zu seiner Rechtsprechungstätigkeit ist damit ganz offensichtlich nicht gegeben. Auch dass das Disziplinarverfahren der Sanktion von Entscheidungen des Antragstellers in seiner früheren richterlichen Tätigkeit oder der psychischen Beeinflussung des Antragstellers dient, um seine Entscheidungspraxis zu beeinflussen oder ihn in seiner Rolle als Richter zu treffen, ist – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht im Ansatz erkennbar. Wie gesehen bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen. Aus der Luft gegriffen oder exzessiv erscheint die Einleitung des Disziplinarverfahrens daher nicht, sondern vielmehr pflichtgemäß (vgl. § 18 Abs. 1 LDG).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zu.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Landgericht Cottbus, Gerichtsstraße 3/4, 03046 Cottbus einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg a. d. Havel eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde beim Dienstgericht des Landes Brandenburg beim Landgericht Cottbus vorgelegt wird, bei dem Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.