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Emissionshandelsrecht, Insolvenzrecht, Masseunzulänglichkeit, kostenlos zugeteilte Berechtigungen, Masseverbindlichkeit, Insolvenzforderung, Abgabepflicht, Sanktionspflicht, Betreiber, Luftfahrzeugbetreiber, Vermögensanspruch, grundsätzliche Bedeutung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 11.06.2024
Aktenzeichen OVG 7 B 4/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0611.OVG7B4.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen §§ 38, 45, 53, 55, 80, 155, 208, 209, 210 InsO, §§ 3, 7, 30 TEHG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, Art 12, 16 Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG, Art 67 Registerverordnung Nr. 389/2013

Leitsatz

Bei einer Betriebseinstellung und nachfolgenden Insolvenz zählt die Abgabepflicht des Betreibers nach § 7 TEHG für Emissionen des Vorjahres nicht zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Pflicht des Klägers zur Abgabe von Emissionsberechtigungen für das Jahr 2012 und zur Zahlung einer Sanktion in Höhe von 2.716.900,- Euro.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der T_____. Die T_____ war ein emissionshandelspflichtiges Luftfahrtunternehmen. Am 28. Januar 2013 setzte das Luftfahrtbundesamt die Betriebsgenehmigung der T_____ aus. Am 5. und 6. Februar 2013 wurden fünf nichtgewerbliche Überführungsflüge durchgeführt. Weitere Flugtätigkeiten fanden nicht statt. Der Kläger wurde am 29. Januar 2013 als vorläufiger Insolvenzverwalter und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2013 als Insolvenzverwalter bestellt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeigte er die Masseunzulänglichkeit an und begründete dies damit, dass aufgrund von Arbeitnehmerverbindlichkeiten in Höhe von 3.803.296,64 Euro der vorhandene Massebestand nicht ausreiche, um die Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO zu erfüllen.

Der Kläger reichte am 4. April 2013 einen verifizierten Emissionsbericht für das Berichtsjahr 2012 ein. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf dem Emissionshandelsregisterkonto der T_____ 10.220 kostenlos zugeteilte Berechtigungen für das Jahr 2012. Diese gab der Kläger an die Beklagte mit dem Hinweis ab, es handle sich um zweckgebundenes Sondervermögen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 hörte die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) den Kläger dazu an, dass der verifizierte Emissionsbericht fehlerhaft sei und dass die Pflicht zur Abgabe weiterer Berechtigungen bestehe. Mit Bescheid vom 16. April 2014 schätzte die DEHSt die vom Kläger als Luftfahrzeugbetreiber verursachten Emissionen im Jahr 2012 auf 37.601 t CO2 (Ziffer 1). Sie stellte fest, dass der Kläger bis zum 30. April 2013 insgesamt 27.421 Berechtigungen zu wenig abgegeben hat und forderte ihn auf, die noch fehlenden Berechtigungen bis zum 31. Januar 2015 abzugeben (Ziffer 2). Weiterhin setzte sie eine Zahlungspflicht in Höhe von 2.742.100,- Euro fest (Ziffer 3).

Den am 14. Mai 2014 erhobenen Widerspruch wies die DEHSt mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2019 mit einer geringfügigen Änderung zurück. Die Zahlungspflicht wurde auf 2.716.900,- Euro festgesetzt.

Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. November 2021 stattgegeben und die Ziffern 2) und 3) des Bescheides vom 16. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2019 aufgehoben.

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg auf Antrag der Beklagten die Berufung zugelassen.

Die Beklagte begründet die Berufung im Wesentlichen damit, dass die Abgabepflicht und die Sanktionspflicht eine Masseverbindlichkeit darstellten, die direkt gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden könne. Die Betreibereigenschaft des Insolvenzverwalters sei nach den §§ 7, 30 TEHG weit auszulegen, da die Begriffsbestimmungen aus dem TEHG auf den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht eins zu eins übertragbar seien. Eine Differenzierung zwischen der Abgabe in Höhe der kostenlosen Zuteilungen und der restlichen Abgabepflicht sähen weder das Insolvenzrecht noch das Emissionshandelsrecht vor. Um die Ziele des Emissionshandelsrechts zu erreichen, sei eine konsequente Durchsetzung der Abgabepflicht geboten. Die Abgabepflicht nach § 7 Abs. 1 TEHG sei eine der zentralen Pflichten der Betreiber im Emissionshandelsrecht. Da die Abgabepflicht als Hauptforderung eine Masseverbindlichkeit darstelle, sei auch die Zahlungspflicht als Masseverbindlichkeit einzuordnen. § 25 Abs. 3 Satz 2 TEHG n.F. finde hier keine Anwendung. Das Verwaltungsgericht verstehe die Gesetzesbegründung falsch, wenn es davon ausgehe, dass der vorliegende Fall materiell nach den gleichen Maßstäben zu behandeln sei. Die Abgabepflicht sei vergleichbar mit den fortbestehenden Pflichten zur handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung nach § 155 Abs. 1 InsO. Aus Art. 67 Nr. 1 der Registerverordnung Nr. 389/2013 ergebe sich, dass die Abgabepflicht eine sachbezogene Pflicht darstelle. Diese gehe nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Da die Abgabepflicht eine unvertretbare Handlung darstelle, könne sie keine Insolvenzforderung sein. Werde sie nicht als Masseverbindlichkeit eingeordnet, bedeute dies daher das vollständige Erlöschen bzw. den Untergang der Abgabepflicht. Vor einer Bestätigung des angegriffenen Urteils müsse eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erfolgen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. November 2021 zu dem Aktenzeichen VG 10 K 491.19 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, dass es sich bei der Abgabe- und Sanktionspflicht nicht um eine Masseverbindlichkeit handele, die direkt an ihn als Insolvenzverwalter gerichtet werden könne. Es liege kein Fall des § 55 InsO vor. Da der Betrieb unstreitig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sei, sei er zu keinem Zeitpunkt Betreiber gewesen. Der Begriff der Betriebsfortführung könne nicht in sein Gegenteil – die Betriebseinstellung – umgedeutet werden. Ein Vorrang des Unionsrechts im Insolvenzverfahren bestehe nicht, da auch die Rechtsposition der Insolvenzgläubiger über Art. 14 GG und Art. 17 GR-Charta geschützt sei. Sehe man – wie das Verwaltungsgericht und die Beklagte – die Abgabepflicht als unvertretbare Handlung an, könne sie weder als Masseverbindlichkeit noch als Insolvenzforderung am Insolvenzverfahren teilnehmen. Sie richte sich vielmehr gegen das insolvenzfreie Vermögen. Die Konstellation der kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen sei mit der Pflicht zur Abgabe weiterer Berechtigungen nicht zu vergleichen. Die kostenlos zugteilten Berechtigungen, die sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf dem Registerkonto befänden, seien nicht durch Art. 14 GG oder Art. 17 GR-Charta geschützt. Schließlich sei der Bescheid wegen der Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtswidrig. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum fehlenden Rechtschutzbedürfnis von Leistungsklagen sei auf Leistungsbescheide zu übertragen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird neben der Gerichtsakte auf die Bände 1 und 2 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Ziffer 2 und 3 des Bescheides vom 16. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2019 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

  1. Dies folgt nicht bereits aus der Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Masseunzulänglichkeit liegt nach § 208 der Insolvenzordnung (InsO) vor, wenn sich während des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse zwar zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens, aber nicht zur Erfüllung der fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten ausreicht. Nach § 210 InsO besteht im Fall der Masseunzulänglichkeit ein Vollstreckungsverbot. Dies führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dazu, dass die Leistungsklage eines Altmassegläubigers hinsichtlich seiner Masseforderung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, da ein etwaiger Titel nicht mehr vollstreckt werden darf (BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – juris Rn. 7). Auch die Leistungsklage eines Neumassegläubigers nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegen den Insolvenzverwalter ist unzulässig, wenn er aus der freien Masse nicht befriedigt werden kann, ohne dass daneben die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind (BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 – IX ZR 75/11 – juris Rn. 12). Auf die vorliegende öffentlich-rechtliche Konstellation ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar. Der Leistungsbescheid dient nicht allein als Vollstreckungstitel, sondern zugleich der Feststellung der Forderung für den Fall einer quotalen Befriedigung. Anders als bei privaten Gläubigern ist eine wegen des Vollstreckungsverbots infolge der Masseunzulänglichkeit unnötige Inanspruchnahme der Gerichte zur Erlangung eines Vollstreckungstitels nicht zu befürchten. Darüber hinaus ist ein Schutz vor Vollstreckungsversuchen der öffentlichen Hand wegen deren Bindung an Recht und Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht in gleichem Maß notwendig wie bei privaten Gläubigern.

  2. Die Rechtswidrigkeit der gegenüber dem Kläger geltend gemachten Abgabe- und Sanktionspflicht ergibt sich aus den Regelungen des Insolvenzrechts. Bei der Abgabe- und Sanktionspflicht handelt es sich nicht um eine nach Insolvenzeröffnung begründete Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO. Nur eine solche kann die Behörde durch Leistungsbescheid festsetzen und direkt gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2011 – OVG 10 S 48.10 – juris Rn. 21). Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO und Insolvenzforderungen nach § 38 InsO unterscheiden sich danach, ob die anspruchsbegründenden Tatsachen vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen (vgl. Büteröwe, in: Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Aufl. 2023, § 38, Rn. 14 ff.; Erdmann, in: BeckOK Insolvenzrecht, 35. Edition, Stand: 15. Januar 2024, § 38 InsO, Rn. 5). Nach der Vorschrift des § 53 InsO werden die Massegläubiger im Vergleich zu den Insolvenzgläubigern bevorzugt. Ihre Ansprüche sind vorweg, daher vor den Insolvenzgläubigern und unabhängig vom Verteilungsverfahren, zu berichtigen. Die vorrangige Bedienung erfolgt aus der Insolvenzmasse. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Diese Voraussetzungen sind hier weder für die Abgabe- noch für die Sanktionspflicht erfüllt. Die Abgabepflicht ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG). Danach hat der Betreiber jährlich bis zum 30. April der zuständigen Behörde die Anzahl von Berechtigungen abzugeben, die den durch die Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass die Abgabepflicht automatisch mit dem Ausstoß der CO2-Emissionen entsteht (Fleckner, in: Hoffmann/Fleckner/Budde, Praxiskommentar zum TEHG und zur ZuV 2020, § 7 TEHG, Rn. 3; Schuhmacher, Die Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen, ZinsO 37/2020, 1920). Dies lässt sich auch aus § 3 Nr. 3 TEHG ableiten, wonach die Berechtigung als Befugnis zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum definiert wird. Die Emissionsermittlung und die Anfertigung des Emissionsberichts sind lediglich notwendige Handlungen für die Erfüllung der durch den Ausstoß von Emissionen entstandenen Pflicht (Fleckner, in: Hoffmann/Fleckner/Budde, Praxiskommentar zum TEHG und zur ZuV 2020, § 7 TEHG, Rn. 3). Ähnliches gilt für eine ggf. erforderlich werdende Schätzung. Vorliegend lag der die Abgabepflicht begründende CO2-Ausstoß im Jahr 2012 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gleiches gilt für die Sanktionspflicht. Diese folgt aus § 30 Abs. 1 Satz 1 TEHG, wonach die zuständige Behörde für jede emittierte Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Berechtigungen abgegeben hat, eine Zahlungspflicht von 100,- Euro festsetzt, wenn ein Betreiber seiner Pflicht nach § 7 Abs. 1 TEHG nicht nachkommt. Die Sanktionspflicht kommt zwar erst zum Tragen, wenn der Betreiber der Abgabepflicht bis zum 30. April des Folgejahres nicht nachgekommen ist. Der Sanktionsmechanismus ist aber untrennbar an die Abgabepflicht gebunden und damit ein Annex derselben. Da die Abgabepflicht vorliegend vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist und nicht als Masseverbindlichkeit eingeordnet werden kann, muss dies auch für die Sanktionspflicht gelten.

    Eine Masseverbindlichkeit lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus § 155 oder § 80 InsO herleiten. Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO bleiben handels- und steuerrechtliche Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung unberührt. § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmt, dass der Insolvenzverwalter diese Pflichten in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfüllen hat. Die Abgabe- und Sanktionspflicht kann schon nach dem Wortlaut der Norm nicht zu den Pflichten zur Buchführung und Rechnungslegung gezählt werden. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Zweck dieser Regelung ist es vor allem, die Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners auf das vom Insolvenzverfahren betroffene Vermögen weitgehend zu beschränken, um so die Insolvenzmasse zur gleichmäßigen und gemeinschaftlichen Verteilung an die Gläubiger zu erhalten (vgl. Riewe/Kaubisch, in: BeckOK Insolvenzrecht, 35. Edition, Stand: 15. April 2024, § 80 InsO, Rn. 2). Aus § 80 Abs. 1 InsO kann nicht geschlossen werden, dass eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Forderung automatisch in eine Masseverbindlichkeit umgewandelt wird.

  3. Das Emissionshandelsrecht bestätigt dieses Ergebnis. Die §§ 7 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 2 TEHG setzen voraus, dass der Adressat der Abgabe- und Sanktionspflicht Betreiber ist. Die Betreibereigenschaft ist in der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union (EHRL) und im TEHG legaldefiniert. In Umsetzung der EHRL bestimmt § 3 Nr. 4 TEHG, dass Betreiber ein Anlagenbetreiber oder ein Luftfahrzeugbetreiber ist. Nach § 3 Nr. 7 TEHG ist Luftfahrzeugbetreiber eine natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die die unmittelbare Entscheidungsgewalt über ein Luftfahrzeug zu dem Zeitpunkt innehat, zu dem mit diesem eine Luftverkehrstätigkeit durchgeführt wird, und die dabei die wirtschaftlichen Risiken der Luftverkehrstätigkeit trägt, oder, wenn die Identität dieser Person nicht bekannt ist oder vom Luftfahrzeugeigentümer nicht angegeben wird, der Eigentümer des Luftfahrzeugs. Nach dieser Definition ist der Kläger kein Betreiber. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Luftfahrtbetrieb vor Bestellung des Klägers als Insolvenzverwalter eingestellt wurde. Der Kläger hat daher weder die unmittelbare Entscheidungsgewalt über ein Luftfahrzeug zu dem Zeitpunkt inne, zu dem mit diesem eine Luftverkehrstätigkeit durchgeführt wird, noch trägt er die wirtschaftlichen Risiken der Luftverkehrstätigkeit. Zum Zeitpunkt des CO2-Ausstoßes im Jahr 2012 war nicht der Kläger, sondern der Insolvenzschuldner, die T_____, emissionshandelspflichtig. Eine Ausweitung der Legaldefinition dahingehend, dass auch derjenige, der erst nach Einstellung des Betriebs als Insolvenzverwalter bestellt wird, Betreiber ist, widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des TEHG und der EHRL. Eine solche Auslegung lässt sich auch mit einem Vergleich zu dem Betreiberbegriff im Ordnungsrecht – hielte man einen solchen Vergleich für das nicht an die Störereigenschaft anknüpfende Emissionshandelsrecht überhaupt für tragfähig – nicht begründen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Oktober 1998 – 7 C 38.97 – juris Rn. 10, vom 23. September 2004 – 7 C 22.03 – juris Rn. 12 und vom 31. August 2006 – 7 C 3.06 – juris Rn. 12, 13; BayVGH, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 12 ZB 18.2385 – juris Rn. 13 ff.; OVG Münster, Urteil vom 1. Juni 2006 – 8 A 4495/04 – juris Rn. 52; OVG Magdeburg, Urteil vom 19. Juli 2012 – 1 L 67/11 – juris Rn. 6). Zwar ist das Ziel der Abgabepflicht und der daran anschließenden Sanktionspflicht, dass die Gesamtmenge der Berechtigungen den Emissionen des Vorjahres entspricht und durch die Verknappung der Berechtigungen langfristig der Ausstoß von CO2 gesenkt wird. Den Regelungen der EHRL, die der deutsche Gesetzgeber im TEHG umgesetzt hat, lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Abgabe- und Sanktionspflicht unabhängig vom Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzung auch gegenüber dem Nichtbetreiber und nach Stilllegung des Betriebs gegenüber dem Insolvenzverwalter als vorrangige Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden kann. Dies zeigen auch die Regelungen zur Durchsetzung der Abgabepflicht in Art. 12 und Art. 16 EHRL, die ausdrücklich die Betreibereigenschaft voraussetzen. Auch außerhalb der EHRL lassen sich im europäischen Recht keine Normen finden, aus denen sich eine absolute und von den Voraussetzungen der §§ 7, 30 TEHG losgelöste Geltung der Abgabe- und Sanktionspflicht auch im Insolvenzverfahren herleiten ließe. Zu den Folgen eines Insolvenzverfahrens für die Verpflichtungen aus dem Emissionshandelsrecht existierten lange Zeit überhaupt keine gesetzlichen Regelungen. Erst im Jahr 2019 nahm der nationale Gesetzgeber eine Regelung in das TEHG auf. Nach § 25 Abs. 3 Satz 2 TEHG bestehen die Verpflichtungen des Betreibers aus diesem Gesetz fort, soweit der Betrieb im Rahmen eines Insolvenzverfahrens fortgeführt wurde. Diese Regelung stellt klar, dass der Insolvenzverwalter im Fall der Betriebsfortführung jedenfalls für die seit der Übernahme des Betriebs entstandenen Verpflichtungen aus dem TEHG verantwortlich ist. Die Folgen einer Betriebsstilllegung werden nicht ausdrücklich geregelt. Ein Umkehrschluss, wonach der Insolvenzverwalter in diesem Fall nicht verantwortlich ist, liegt allerdings nahe (vgl. Milstein, in: Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 1. Aufl. 2022, § 25 TEHG, Rn. 11). Im Rahmen des nationalen Emissionshandels führte der Gesetzgeber ebenfalls im Jahr 2019 eine anderslautende Regelung ein. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes bestehen alle Verpflichtungen des Verantwortlichen aus diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens fort. Die in etwa zeitgleiche Regelung spricht dafür, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen des TEHG – in Einklang mit den vorhandenen, die Betreibereigenschaft voraussetzenden Regelungen – bewusst für die Anknüpfung an die Fortführung des Betriebs entschieden hat. Für die von der Beklagten geforderte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht für den Senat daher keine Veranlassung. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht die Verletzung einer konkreten Norm des europäischen Rechts rügt, sondern vielmehr allgemein die Ziele des Emissionshandelsrechts als beeinträchtigt ansieht.

  4. Auf die Frage, ob diese Grundsätze auch auf die kostenlos zugeteilten Berechtigungen anzuwenden sind, kommt es vorliegend nicht an. Der Kläger hat die kostenlos zugeteilten Berechtigungen abgegeben, sodass diese hier nicht im Streit stehen. Es kann weiter offenbleiben, ob die Abgabe- und Sanktionspflicht, die keine Masseverbindlichkeit ist, eine Insolvenzforderung darstellt (dies bejahend Möhlenkamp, Zur Abgabepflicht des Insolvenzverwalters von Emissionsberechtigungen, EWiR 2022, S. 122 und von Wilmowsky, Anmerkung zu VG Berlin, Urteil vom 9. November 2021 – 10 K 491/19 – NZI 2022, S. 294). Voraussetzung für das Vorliegen einer Insolvenzforderung nach § 38 InsO ist, dass es sich um einen Vermögensanspruch handelt, d.h. der Anspruch muss auf Geld gerichtet oder nach § 45 InsO in einen Geldanspruch umwandelbar sein (vgl. Büteröwe, in: Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Aufl. 2023, § 38, Rn.5). Zwar haben die Berechtigungen unstreitig einen Geldwert, der sich nach dem aktuellen Wert pro ausgestoßener Tonne CO2 bemisst. Fraglich ist jedoch, ob die Einordnung als Insolvenzforderung wegen der etwaigen Unvertretbarkeit der Abgabepflicht ausgeschlossen ist. Gegen die Annahme einer Unvertretbarkeit ließe sich einwenden, dass weder der Erwerb der Berechtigungen noch der in Art. 67 Abs. 1 a) der Registerverordnung Nr. 389/2013 geregelte Vorgang der Abgabe durch Übertragung der Berechtigungen von dem Betreiberkonto an die Person des Insolvenzschuldners gebunden sind. Voraussetzung ist allein der Zugriff auf das Betreiberkonto. Dass dieser technische Zwischenschritt dazu führen soll, dass die Abgabepflicht in Gänze zur unvertretbaren Handlung wird und damit nicht als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden kann, hält der Senat für zumindest diskussionswürdig. Gesetzt den Fall, dass überhaupt noch Masse vorhanden ist, würden eine Bejahung der Abgabe- und Sanktionspflicht des Insolvenzschuldners und die Qualifizierung dieser Pflichten als Insolvenzforderungen zwar nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit zu einer vollständigen Erfüllung der emissionshandelsrechtlichen Pflichten führen wie bei einer Einordnung als Masseverbindlichkeit. Dies liegt an der beschriebenen Nachrangigkeit der zur Tabelle angemeldeten Forderungen gegenüber den Masseverbindlichkeiten. Die Einordnung als Insolvenzforderung hätte aber zur Folge, dass das von der Beklagten befürchtete Ergebnis – der vollständige Untergang bzw. das vollständige Erlöschen der Abgabe- und Sanktionspflicht und damit eine erhebliche Beeinträchtigung des Systems des Emissionshandels – nicht eintreten würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage der emissionshandelsrechtlichen Verpflichtungen des Insolvenzverwalters bei Stilllegung des Betriebs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll höchstrichterlich geklärt werden. Eine eindeutige gesetzliche Regelung fehlt. Das Verfahren betrifft keinen Einzelfall. Die Beantwortung der Rechtsfragen hat Auswirkungen auf das Funktionieren des europäischen Emissionshandelssystems.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.

Die Revision ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, eingelegt wird. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.

Im Revisionsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.