Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 17.07.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 N 93/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0717.OVG10N93.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 28 Abs 5 BLV |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. November 2021 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 35.914,68 Euro festgesetzt.
I.
Die Klägern erstrebt die Feststellung, dass das Ausbleiben ihrer Lebenszeiternennung im gehobenen Auswärtigen Dienst der Beklagten rechtswidrig gewesen sei.
Die Klägerin, welche im Rahmen ihres Widerrufsbeamtenverhältnisses im Zeitraum Februar bis Oktober 2015 ein Auslandspraktikum bei einer Botschaft absolviert hatte, wurde im Rahmen ihres Probebeamtenverhältnisses mit Blick auf das laufende Studium ihres Ehemannes allein im Inland eingesetzt. Nach einem Hinweis, dass ihre Bewährungsfeststellung nur erfolgen könne, wenn auch eine Tätigkeit an einer Auslandsvertretung erfolgt sei, verlängerte der Dienstherr die dreijährige Probezeit der Klägerin mit Bescheid vom 7_____ 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7_____ 2019 sowie mit Bescheid vom 6_____ 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7_____ 2020 um jeweils ein Jahr.
Mit ihrer am 2. Dezember 2019 erhobenen Klage, die bis zu ihrem Wechsel in den G_____ Landesdienst zum 6_____ 2021 auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Lebenszeiternennung gerichtet war, erstrebt die Klägerin unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide die Feststellung, dass das Ausbleiben ihrer Lebenszeiternennung im gehobenen Auswärtigen Dienst rechtswidrig gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat dieses Begehren mit Urteil vom 17. November 2021 abgewiesen.
II.
Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist von der Klägerin dargelegten Gründe, die den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) legt der Berufungszulassungsantrag nicht mit Erfolg dar. Solche sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2020 - OVG 10 N 68.20 -, juris Rn. 6 m.w.N.).
Dies ist bezogen auf die maßgeblichen Annahmen des Verwaltungsgerichts, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 5 BLV a. F hätten bei Erlass der Verlängerungsverfügungen vorgelegen und die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt, nicht der Fall. Nach der genannten Norm kann die Probezeit verlängert werden, wenn die Bewährung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht bis zum Ablauf der regelmäßigen Probezeit abschließend festgestellt werden kann. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, zur Eignung eines Beamten im Auswärtigen Dienst zähle zulässigerweise auch die Bereitschaft, sich für längere Zeit an eine Auslandsvertretung der Beklagten versetzen zu lassen. Diese habe bei der Klägerin bis zum Ablauf der regulären Probezeit noch nicht festgestellt werden können, da eine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Bewährungsbeurteilung mangels eines Auslandseinsatzes in der Probezeit gefehlt habe. Das diesbezügliche Zulassungsvorbringen hat keinen Erfolg.
Die Annahme der Klägerin, die Beklagte dürfe eine Einsatzbereitschaft im Ausland zwar im Allgemeinen verlangen, es fehle jedoch eine Rechtsgrundlage, nach der diese bereits in der Probezeit manifestiert werden müsse, verkennt den Zweck des Probebeamtenverhältnisses. Gerade weil eine solche Bereitschaft von den Lebenszeitbeamtinnen und -beamten des gehobenen Auswärtigen Dienstes zu verlangen ist, was die Klägerin zu Recht nicht in Abrede stellt, darf diese bereits in der Probezeit verlangt werden. Zum einen kann die für eine vollumfängliche Bewährung des Probebeamten bzw. der Probebeamtin i.S.d. § 28 Abs. 2 BLV erforderliche Feststellung, wechselnde Anforderungen „der Laufbahn“ erfüllen zu können, nur dann getroffen werden, wenn diesen Anforderungen bereits in der Probezeit genügt worden ist. Zum anderen eröffnet § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG dem Dienstherrn im Fall fehlender Bewährung eines Probebeamten eine vereinfachte Entlassungsmöglichkeit, die ausgehöhlt würde, dürfte die mangels Auslandseinsatzbereitschaft fehlende Eignung für den gehobenen Auswärtigen Dienstes erst im Nachgang einer Lebenszeiternennung festgestellt werden. Aus diesem Grund ist auch nicht maßgeblich, ob das Personalkonzept der Beklagten eine zwingende Auslandsverwendung allein für Beförderungen vorsieht.
Nichts anderes folgt aus der von der Klägerin zitierten Passage des Personalentwicklungskonzepts der Beklagten (S. 14, unter „Diversifizierungsphase nach der Laufbahnprüfung“), demzufolge der Einsatz nach der Laufbahnprüfung – also während des Probebeamtenverhältnisses – nur „grundsätzlich“ im Ausland zu erfolgen habe und hiervon „in besonderen Fällen oder aus dienstlichen Erfordernissen“ abgesehen werden könne. Denn die betreffende Passage beschreibt lediglich den Regelfall und mögliche Sonderfälle der Ausgestaltung des Probebeamtenverhältnisses. Sie verhält sich jedoch nicht dazu, welche Folgen diese jeweilige Gestaltung für die Feststellung der Bewährung und damit für die Dauer der Probebeamtenzeit hat. Aus der Fürsorgepflicht folgt insoweit zwar die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Probebeamten bzw. der Probebeamtin einen Auslandsdienstposten zuzuweisen, dessen Ausübung Voraussetzung für die Bewährungsfeststellung ist, und die weitergehende Verpflichtung, bei der Ausgestaltung dieses Postens auf die schutzwürdigen Belange der Probebeamten und ihre Familienangehörigen Rücksicht zu nehmen. Sie begründet jedoch keine darüber hinausgehende Verpflichtung, auf das Erfordernis eines Auslandseinsatzes gänzlich zu verzichten, welche dem vom Verwaltungsgericht unwidersprochen angenommenen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn bei der Festlegung des Anforderungsprofils widersprechen würde.
Zu Unrecht bemängelt die Klägerin, dass eine entsprechende Berücksichtigung ihres besonderen Falls unterblieben sei. Tatsächlich ist diese dadurch erfolgt, dass die Beklagte sie nicht, wie im Regelfall, während der gesamten dreijährigen Probezeit auf einem Auslandsdienstposten eingesetzt, sondern ihr während des Studiums ihres Ehemannes einen Dienst im Inland ermöglicht hat und sich zudem nach dessen Abschluss mit einem kurzzeitigen Auslandseinsatz für die hier allein maßgebliche Bewährungsfeststellung begnügt hätte. Eine vierjährige Auslandsstandzeit in der Probebeamtenzeit war entgegen dem Zulassungsvorbringen also gerade nicht verlangt, und ob die Klägerin als Lebenszeitbeamtin mit einer längeren Auslandsverwendung hätte rechnen müssen, ist für den vorliegenden Streitgegenstand ohne Belang.
Gründe, die unter Fürsorgegesichtspunkten oder im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein noch weitergehendes Entgegenkommen des Dienstherren geboten hätten, werden von der Klägerin nicht dargetan. Insbesondere lässt der Zulassungsvortrag, es sei für den Ehemann „naheliegend“, vor einem Auslandseinsatz der Klägerin zunächst Berufserfahrung zu sammeln, nicht ansatzweise erkennen, dass ihm solches – zumal in einem Ingenieurberuf – nicht auch im Ausland möglich gewesen wäre. Auch die insoweit vermisste Unterstützung bei der Arbeitssuche hätte zunächst vorausgesetzt, dass die Klägerin ihre erstmalige Bereitschaft für einen Auslandseinsatz hätte erkennen lassen, da erst dies ihren Dienstherrn in die Lage versetzt hätte, konkrete vakante Dienstposten auf ihre Tauglichkeit für die Familie der Klägerin zu überprüfen.
Ebenso wenig musste die Beklagte der Klägerin vor einer Verlängerung zunächst im Wege des Erlasses einen konkreten Auslandsdienstposten zuweisen. Zum einen bot die Klägerin, solange sie nicht davon abgerückt war, keinerlei Verwendung im Ausland annehmen zu wollen, keine Gewähr für eine Erfüllung der auf einem solchen Dienstposten wahrzunehmenden Aufgaben, hätte eine dessen ungeachtet erfolgende Zuweisung jedoch dessen anderweitige Besetzung zwecks ordnungsgemäßer Aufgabenerfüllung verhindert. Zum anderen verdeutlichte bereits die Verlängerung der Probezeit, dass der Dienstherr eine Auslandsverwendung für unabdingbar hielt und dass die Klägerin dementsprechend eine Entscheidung treffen musste, ob sie dieser Anforderung künftig genügen oder – wie hier nachfolgend geschehen – in eine Inlandslaufbahn wechseln wolle. Entgegen dem Zulassungsvorbringen erweist sich die Probezeitverlängerung damit nicht nur als das gegenüber einer Entlassung mildere Mittel, sondern auch als geeignet, um eine solche Entscheidung der Klägerin entweder für eine Auslandsverwendung zwecks Bewährungsfeststellung oder für eine Beendigung des Probebeamtenverhältnisses herbeizuführen.
Schließlich legt das Zulassungsvorbringen, die Klägerin habe bereits im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes gezeigt, dass sie den besonderen Bedingungen des Auslandseinsatzes gewachsen sein, keine ernstlichen Richtigkeitszweifel dar, da es sich nicht mit der vom Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung gegebenen Begründung auseinandersetzt, dass die Anforderungen beider Ämter nicht vergleichbar seien.
Gegen weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Verlängerungsentscheidungen keine Ermessensfehler aufwiesen, wendet sich der Zulassungsantrag nicht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind gegeben, wenn die Rechtssache überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich diese auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall entscheidungserheblich sind. Dabei ist es zur Darlegung des Zulassungsgrundes erforderlich, dass die Fragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, konkret bezeichnet werden. Ferner ist regelmäßig zu erläutern, worin die besondere Schwierigkeit besteht. Ergibt sich die Schwierigkeit schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils, so genügt der Antragsteller seiner Darlegungslast indes mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Erblickt der Antragsteller die Schwierigkeiten des Falles hingegen darin, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, so hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 18. Mai 2022 – OVG 10 N 4/21 – juris Rn. 42 und vom 28. Juli 2023 – OVG 10 N 67.19 – juris Rn. 39, jeweils m.w.N.).
Das ist hier nicht geschehen. Die Klägerin beschränkt sich auf die Behauptung, besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten ergäben sich hier aus der Frage, ob der Auslandsaufenthalt zwingende Voraussetzung für die Lebenszeiternennung eines Probebeamten im Auswärtigen Dienst sein dürfe. Zu deren Darlegung beschränkt sie sich indes auf die Behauptung, dass die Frage nicht einfach zu beantworten und sei und sich nicht aus der bloßen Gesetzeslektüre ergebe und verweist im Übrigen lediglich auf ihre Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine solche Bezugnahme auf Ausführungen, die ihrerseits nicht hinreichend substantiiert sind, genügt auch in Ansehung einer aus der Strukturgleichheit der Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ggf. folgenden Reduzierung der Darlegungsanforderungen (dazu Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 114 f. m.w.N.) nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Gegenstand der Klage war nicht allein die Anfechtung der Bescheide, mit welchen die laufbahnrechtliche Probezeit zweimal verlängert worden war. Das für die Bestimmung des Streitwerts maßgebliche Begehren der Klägerin richtete sich vielmehr zuletzt auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterbleibens ihrer Lebenszeiternennung. Hatte das Verfahren mithin die Begründung eines Lebenszeitbeamtenverhältnisses zum Gegenstand, so bemisst sich der Streitwert gemäß § 52 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, Satz 3 GKG nach der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen und familienabhängiger Besoldungsbestandteile. Für die Klägerin, die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung des anfänglichen Verpflichtungsbegehrens am 1. Januar 2021 in der Stufe 2 der Besoldungsgruppe A9 alimentiert war, waren dies monatlich 2.992,89 Euro, mithin jährlich 35.914,68 Euro.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).