Gericht | LG Neuruppin 2. Große Strafkammer | Entscheidungsdatum | 22.06.2005 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 12 Qs 9/04 | ECLI | ECLI:DE:LGNEURU:2005:0622.12QS9.04.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 23.01.2004 werden die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen auf 655,26 € festgesetzt.
Der Beschwerdeführer hat die notwendigen Auslagen des Nebenklägers für das Beschwerdeverfahren und die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 1/3 zu tragen; der Nebenkläger hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren und die Kosten für das Beschwerdeverfahren zu 2/3 zu tragen.
Beschwerdewert
209,66 €
Die gemäß § 464 b StPO i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde, die insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist und mithin rechtzeitig erhoben wurde, ist in der Sache überwiegend begründet.
I.
Der Beschwerdeführer wurde im Berufungsverfahren durch Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 03.05.2002, rechtskräftig seit demselben Tage, wegen einer zum Nachteil des Nebenklägers begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer 8-monatigen Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Zugleich sind ihm die notwendigen Auslagen des Nebenklägers für das Berufungsverfahren auferlegt worden.
Der Nebenkläger hat die Erstattung einer Gebühr für die Berufungshauptverhandlung nach §§ 12, 85 Abs. 1 BRAGO i. H. v. 600 € beantragt. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Antrag entschieden. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer und begehrt die Festsetzung der Mittelgebühr.
Der Nebenkläger macht geltend, dass das Verfahren besonders umfangreich gewesen sei, mehrere Zeugen zu vernehmen gewesen seien und dies wegen Falschaussagen auch besonders kompliziert gewesen sei. Im Übrigen sei die Sache wegen der zweimaligen Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Geschehen und seiner Verletzungen besonders bedeutsam, was ein Überschreiten der Mittelgebühr rechtfertige.
II.
1. Die Kammer entscheidet durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. Aus der Verweisung des § 464 b S. 3 StPO folgt, dass der strafprozessuale Kostenerstattungsanspruch den Regeln des Zivilprozesses unterworfen werden soll, um so die verfahrensrechtlich einheitliche Behandlung der Rechtsmaterie auch im Beschwerderechtszug zu gewährleisten. Insoweit wendet die Kammer konsequent und in jahrelanger, konstanter Rechtsprechung auch die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 569 ZPO an.
Der in Rechtsprechung (zuletzt wohl OLG Koblenz, NJW 2005, 917) und Schrifttum vertretenen Ansicht, die zivilprozessualen Vorschriften seien nur insoweit anzuwenden, als die StPO Regelungslücken aufweise bzw. die zivilrechtliche Regelung mit den Grundsätzen des Strafverfahrens in Einklang zu bringen sei, vermag die Kammer nicht die Folge zu entnehmen, § 568 ZPO sei nicht anwendbar. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 21.07.2003 - 1 Ws 66/03 - wie folgt ausgeführt:
„Tragende strafprozessuale Grundsätze stehen einer Entscheidung des Senats durch eines seiner Mitglieder als originärem Einzelrichter nach § 568 Abs. 1 ZPO n. F. nicht entgegen. Insbesondere gilt kein strafprozessualer Grundsatz des Inhalts, dass die im Beschwerdeverfahren sachlich zuständigen Rechtsmittelgerichte stets mit drei Berufsrichtern besetzt sind. So lässt § 76 Abs. 2 GVG eine aus zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen bestehende Besetzung zu, gemäß § 76 Abs. 1 S. 2 2. Hs. sind Strafkammern in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Strafrichters oder des Schöffengerichts im Übrigen nur mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt. [...]
Dem Einzelrichter des Strafsenats die Entscheidungskompetenz über sofortige Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Rechtspfleger [...] zu übertragen, ist auch mit den allgemeinen Grundsätzen des Strafverfahrens vereinbar. Die strafprozessualen Grundsätze haben ihre besondere Ausformung vor allem vor dem Hintergrund erhalten, dass die Strafprozessordnung Zwangsmaßnahmen vorsieht, die zwangsläufig mit Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürger verbunden sind. Derartige Gesichtspunkte haben indes im Kostenfestsetzungsverfahren, bei dem es lediglich um die Abwicklung der kostenrechtlichen Folgen eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens geht, keine maßgebliche Bedeutung mehr (zutreffend OLG Düsseldorf, NStZ 2003, 324)“.
Diese zutreffenden Ausführungen tritt die Kammer vollumfänglich bei. Im Übrigen kann spätestens nach der Reform des Kostenrechts auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber das strafrechtliche Kostenfestsetzungsverfahren von den Neuregelungen hat ausnehmen wollen. Denn der Einzelrichter ist nunmehr unzweifelhaft zuständig für Beschwerden gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 6 GKG) und bei der Festsetzung von Vergütung, Entschädigung oder eines Vorschusses eines nach dem JEVG Berechtigten (§ 4 Abs. 7 JEVG) und damit auch in Strafsachen explizit vorgesehen. Es besteht nach alledem kein Grund (mehr), ihn als „strafprozessualen Prinzipen widersprechend“ anzusehen.
2. Die vom Nebenkläger geltend gemachte Gebühr von 600 € ist gegenüber dem Dritten, der sie zu ersetzen hat, unbillig und damit gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO nicht verbindlich. Der Umfang des Verfahrens und seine Schwierigkeit rechtfertigen eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr. Die Mittelgebühr liegt bei 419,26 €. Das Verfahren ist durch eine überdurchschnittlich schwierige Beweiswürdigung geprägt, nachdem ein Zeuge zwischenzeitlich verstorben war und die übrigen Zeugen nach den rechtskräftigen Feststellungen der Kammer falsch ausgesagt haben, um den Beschwerdeführer zu entlasten. Allerdings ist die Gebühr mit 77 % der Höchstgebühr übersetzt. Sie befindet sich auch nicht mehr in einem Rahmen, den der Beschwerdeführer und demnach auch das Gericht hinnehmen müsste, weil es sich um eine nach Billigkeit festzusetzende Gebühr handelt. Nach Ansicht der Kammer hätte der Nebenkläger eine Gebühr von 480€ festsetzen lassen dürfen. Die Differenz zur festgesetzten Gebühr beträgt mehr als 20% und ist damit jedenfalls nicht mehr billig.
Soweit der Nebenkläger vorbringt, er habe sich zweimal dem Verfahren stellen müssen, kann dies von Rechts wegen keine Berücksichtigung finden, da dies in der Verfahrensordnung so vorgesehen ist. Der Nebenkläger muss hinnehmen, dass der Verurteilte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einlegt. Allein darin eine zu berücksichtigende Schwerniss zu sehen, hieße, die Mittelgebühr für das Berufungsverfahren anzuheben, ohne das dies im Gesetz eine Stütze findet. Auch erscheinen die Verletzungen und Folgen der Tat nicht so schwer, dass dies eine weitere Anhebung der Gebühr rechtfertigt. Insbesondere ist aber gebührensenkend zu berücksichtigen, dass der Nebenkläger selbst nicht wohlhabend ist.
Die Gebühr ist demnach auf 480 € (zzgl 16 % = 556,50 €) festzusetzen. Da gegen die übrigen Positionen nichts erinnert worden ist, sind dem Nebenkläger für das Berufungsverfahren insgesamt notwendige Auslagen in Höhe von 655,26 € zu erstatten.
3. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeverfahren im Verhältnis von 139,20 €/209,66 € (= 2/3) obsiegt. Die Kosten und notwendigen Auslagen waren daher jeweils in diesem Verhältnis zu ersetzen (§ 473 Abs. 4 StPO).
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.