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Entziehung der Fahrerlaubnis


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 22.10.2014
Aktenzeichen VG 1 L 330/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 11 Abs 3 S 1 Nr 4 FeV, § 11 Abs 6 FeV, § 11 Abs 8 FeV

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.250,00 € festgesetzt.

Gründe

Der (sinngemäße) Antrag auf Wiederherstellung und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 01. Oktober 2014 gegen Ziffern 1. und 2. i. V. m. Ziffer 3. sowie gegen Ziffer 4. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 10. September 2014 ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 sowie Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg n. F. statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, wonach die Behörde in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen hat. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer zum Fahrerlaubnisrecht muss aus der Begründung zwar an sich hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen Gründen die Behörde im konkreten Einzelfall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen eingeräumt hat; sofern die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe allerdings zugleich – wie regelmäßig im Bereich der Gefahrenabwehr – die Dringlichkeit der Vollziehung zu begründen geeignet sind, kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen. Das gilt auch, wenn der Fahrerlaubnisinhaber – wie vorliegend – einer den formellen und materiellen Anforderung entsprechenden Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne nachvollziehbare Begründung keine Folge geleistet hat. Die stets erforderliche Abwägung zwischen den Gefahren, die für hochrangige Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer aus der weiteren Teilnahme des als ungeeignet angesehenen Kraftfahrzeugführers entstehen, und dem Interesse des Betroffenen, weiterhin als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilnehmen zu können, ist in diesen Sachverhaltskonstellationen typischerweise gleich gelagert, so dass – sofern Besonderheiten des Einzelfalls nicht vorliegen – auch eine typisierende Begründung ausreichen kann (vgl. etwa Beschlüsse der Kammer v. 17. April 2012 – VG 1 L 102/12 – und v. 06. Juni 2012 – VG 1 L 126/12 – juris Rn. 2 ff.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 – juris Rn. 3; OVG f. d. Ld. Brandenburg, Beschl. v. 05. Februar 1998 – 4 B 134/97 – juris Rn. 10 ff.).

Dem Antragsteller wird zur Last gelegt, in dem Zeitraum vom 25. Juli 2012 bis zum 25. Februar 2014 insbesondere im Bereich der Dresdner Straße in A verkehrswidrig geparkt zu haben, weit überwiegend, indem er die durch Zusatzzeichen angeordnete Parkscheibe nicht richtig einstellte oder sie nicht im Fahrzeug auslegte Unter anderem der Aufforderung des Antragsgegners zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 03. April 2014 trat der Antragsteller im Wesentlichen damit entgegen, er habe für sich die „Selbstverwaltung proklamiert“ und Behörden der „Bundesrepublik Deutschland “ seien für ihn daher nicht zuständig. Der Antragsgegner begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Wesentlichen dahingehend, diese sei geboten gewesen, um die Allgemeinheit wirksam vor den Gefahren zu schützen, die eintreten, wenn ein ungeeigneter Kraftfahrzeugführer weiterhin am öffentlichen motorisierten Straßenverkehr teilnimmt; der Antragsteller biete derzeit keine Gewähr für ein jederzeit verkehrsgerechtes Verhalten. Die sofortige Vollziehung der Ablieferung des Führerscheins sei erforderlich, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu nehmen, eine gültige Fahrerlaubnis vortäuschen zu können. Diese Begründung ist nicht zu beanstanden, weil derzeit von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen ist. Dass der Antragsteller bislang – soweit ersichtlich – “lediglich“ mit Parkverstößen im öffentlichen Straßenverkehr aufgefallen ist, ist in diesem Zusammenhang von lediglich untergeordneter Bedeutung.

Die Interessenabwägung des Gerichts fällt ebenfalls zu Lasten des Antragstellers aus, weil sich die Entziehung der Fahrerlaubnis – entsprechend auch die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins – bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 05. März 2003 (BGBl. I. S. 310) i. V. m. § 46 Abs. 1 S. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsgegner durfte nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darauf schließen, dass dem Antragsteller die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt, nachdem er das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgemäß vorgelegt hatte. Die Aufforderung des Antragsgegners vom 03. April 2014 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 1 und 2 FeV und sie ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Die Aufforderung findet in § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV eine materiell-rechtliche Rechtsgrundlage, wonach die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Gutachterstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV angeordnet werden kann, u. a. bei wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Diese Voraussetzungen liegen hier vor und die Entscheidung des Antragsgegners, zur Klärung des künftigen Verhaltens des Antragstellers die Vorlage eines Gutachtens zu verfügen, ist auch mit Blick auf die erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden.

In diesem Zusammenhang ist allerdings grundsätzlich zu beachten, dass dem Schutz vor Gefahren, die sich aus einer Häufung von Verstößen gegen Verkehrsvorschriften ergeben, regelmäßig durch das Punktesystem nach § 4 StVG Rechnung getragen wird; das Punktesystem findet indes nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVG a. F., § 4 Abs. 1 S. 3 StVG n. F. keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen auf Grund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, ergibt. Vom Punktesystem kann abgewichen werden, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber schon dann als fahrungeeignet angesehen werden kann, bevor er (nach neuer Rechtslage) 8 Punkte erreicht hat. Diese besonderen Gründe müssen sich aus Art und/oder Häufigkeit der Verkehrsverstöße ergeben und sie müssen in spezifischer Weise Bedeutung für die Eignung zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr haben.

Nur ausnahmsweise schließen auch geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, insbesondere (im Punktesystem ohnehin nicht berücksichtigte) Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung nicht anerkennt und offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen worden sind, einzuhalten, und diese hartnäckig missachtet (BVerwG, Urt. v. 17.12.1976 – VII C 57.75 – juris Rn. 34ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Oktober 2008 – OVG 1 M 10.08 – juris Rn. 9 ff. und Beschl. v. 05. März 2012 – OVG 1 S 19.12 – Beschlussabdruck S. 2; VG des Saarlandes, Urt. v. 16. Dezember 2011 – 10 K 487/11– juris Rn. 34 ff.).

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs hinreichend sichere Rückschlüsse auf die innere Haltung des Fahrerlaubnisinhabers zu den Verkehrsvorschriften allgemein zulassen und jedenfalls Zweifel an seiner Kraftfahreignung begründen, beantwortet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da das Gewicht solcher Verstöße im Allgemeinen ohne hinreichende Aussagekraft ist, kommt – neben dem Punktestand im Verkehrszentralregister – zunächst der Anzahl der begangenen Verstöße maßgebliche Bedeutung zu. Als alleiniges Merkmal ist die bloße Anzahl von Verstößen gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs allerdings erst hinreichend aussagekräftig, wenn diese sich über einen längeren Beobachtungszeitraum derart häufen, dass hierdurch nicht nur eine laxe Einstellung gegenüber den das Abstellen des Kraftfahrzeugs regelnden Verkehrsvorschriften, sondern eine Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbar wird. Dies ist – im Sinne einer Faustformel – jedenfalls dann anzunehmen, wenn auf ein Jahr gesehen nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verstoß zur Anzeige gelangt. Zusätzliche Anhaltspunkte können sich aus der Art und Weise der Begehung ergeben. Denn wenn Zuwiderhandlungen in dichter Folge am selben Ort begangen werden, etwa der Umgebung der Wohnung des Betroffenen oder seines Arbeitsplatzes, kann dies für ein hartnäckiges Missachten unter Voranstellung eigener Interessen sprechen. Auch mehrfache Verstöße am selben Tag können Indiz für Gleichgültigkeit und, je nach den Umständen, mangelnde Belehrbarkeit sein. Daraus wird deutlich, dass im Einzelfall auch eine geringere Zahl geringfügiger Verstöße über einen verhältnismäßig längeren Zeitraum genügen kann, um die Eignung nach § 3 Abs. 1 StVG als fehlend oder jedenfalls als klärungsbedürftig anzusehen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Oktober 2008 – OVG 1 M 10.08 – juris Rn. 10).

Das Verhalten des Antragstellers im Zusammenhang mit dem Abstellen seines Fahrzeuges lässt jedenfalls als äußerst zweifelhaft erscheinen, ob er gewillt ist, Verkehrsvorschriften anzuerkennen. Beachtlich ist nicht nur, dass dem Antragsteller in einem Zeitraum von 19 Monaten 57 Parkverstöße im Wesentlichen an demselben Ort in A zur Last fallen, es fällt darüber hinaus auf, dass sich die Verstöße in jüngerer Zeit häufen: So sind für das Jahr 2012 lediglich 4 Ordnungswidrigkeiten zu verzeichnen, für das Jahr 2013 36 Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem ruhenden Verkehr (davon allein im Oktober 2013 7 Verstöße, im November 2013 8 Verstöße und im Dezember 2013 5 Verstöße) und für die Monate Januar und Februar 2014 bereits 17 Parkverstöße, wobei für den 12. Februar 2014 2 Verstöße und für den 19. Februar 2014 gar 3 Verstöße zu verzeichnen waren.

Die Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs und hochrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer erfordert es, den derzeit ungeeigneten Antragsteller ohne Gewährung eines zeitlichen Aufschubs schon vor dem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich ggf. anschließenden Klageverfahrens von der Teilnahme mit Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr auszuschließen. Der Antragsteller hat nicht nur durch sein Verhalten als Fahrzeugführer – Entsprechendes würde gelten, wenn er die Parkverstöße durch seine Angestellten lediglich geduldet hätte (BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 1976 – VII C 57.75 – juris Rn. 34) – sondern auch durch sein Verhalten und seine Einlassungen im Verwaltungsverfahren in eindrucksvoller Weise zum Ausdruck gebracht, dass er – grundsätzlich – nicht gewillt ist, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung anzuerkennen. Das öffentliche Interesse überwiegt die gegenläufigen Belange des Antragstellers selbst dann, wenn dieser auf die Nutzung des Kraftfahrzeugs aus beruflichen Gründen angewiesen sein sollte – was der Antragsteller, anders als er meint, - im Übrigen weder hinreichend dargelegt noch gar im Eilverfahren entsprechend § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes sind Rechtsfehler weder ersichtlich noch dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung der Klassen A und CE (unter Einschluss der anderen Klassen, § 6 Abs. 3 FeV) ist in Anlehnung an Ziffern 46.1 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/01. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen von dem zweieinhalbfachen Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG auszugehen, der mit Blick auf die Vorläufigkeit einer Entscheidung zu halbieren ist.