Gericht | OLG Brandenburg 13. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 17.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 13 U 3/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0717.13U3.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam (1 O 176/20) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 200.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.06.2020 Zug um Zug gegen Herausgabe der in der Anlage K9 (Bl. 125 und Bl. 126) gekennzeichneten, bebauten Teilfläche des Grundstücks, belegen (Straße, Nr.), (PLZ, Ort), mit den Grundbuchdaten: Flur (Nr.), Flurstück (Nr.), eingetragen im Grundbuch von (Ort), Blatt (Nr.), zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 200.000 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Geldsumme in Höhe von 200.000 € aus einer zwischen den Parteien am 28.05.2015 getroffenen Vereinbarung in Anspruch.
Die Parteien waren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft miteinander verbunden. Sie bewohnten gemeinsam das zu dieser Zeit im Eigentum der damals noch den Nachnamen (Name 01) tragenden Beklagten stehende Hausgrundstück (Straße, Nr.) in (Ort), auf dem der Kläger während der Zeit des Zusammenlebens der Parteien verschiedene Bauleistungen erbrachte.
Im Jahr 2012 trennten sich die Parteien. Am 28.05.2012 unterzeichneten sie beide eine privatschriftliche Vereinbarung mit folgendem Inhalt:
"Hiermit erteile ich, Frau (Name 01), Herrn (Name 02) ein lebenslanges, kostenfreies Wohnrecht auf Lebenszeit.
Ausgenommen von den Kosten: eigener Stromverbrauch.
Das Wohnrecht bezieht sich von Anfang Garage bis Grundstücksgrenze Richtung (Ort 02).
Zusatzvereinbarung
Ein Durchfahrtsrecht wird ebenfalls zu jeder Tag- und Nachtzeit gewährt.
Sollte das Wohnrecht auf Lebenszeit von Frau (Name 01) nicht mehr gewährt werden, so zahlt Frau (Name 01) auf Grund der gesamten erbrachten Bauleistungen eine Abfindung in Höhe von
200000 Euro (zweihunderttausend)
an Herrn (Name 02). Fälligkeit der oben genannten Zahlung 20 Werktage nach Auszug.
Diese Vereinbarung wurde im beiderseitigen Einverständnis erstellt."
Einige Zeit später – am 09.03.2013 – ist die Beklagte von dem Hausgrundstück fortgezogen.
Der Kläger hat unstreitig seit 2012 die auf das Grundstück entfallenden Kosten getragen, namentlich unter anderem für Trink- und Schmutzwasser, Gas, Versicherungen, Grundsteuer, Kosten für Wasser / Abwasser und zusätzlich auf verschiedene weitere Verbindlichkeiten der Beklagten, u.a. Darlehensraten für das Hausgrundstück und zur Finanzierung eines Autokaufs geleistet sowie diverse Steuerschulden der Beklagten beglichen. Insgesamt hat er im Zeitraum von 2012 bis 2020 hierdurch einen Betrag von etwa 150.000 € auf Verbindlichkeiten der Beklagten geleistet.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.11.2019 hat die Beklagte dem Kläger die fristlose Kündigung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung vom 28.5.2012 ausgesprochen, weil er mit der Zahlung von Gas, Wasser, Grundsteuer und Kreditraten für das Hausgrundstück in Rückstand geraten sei.
Dieser Kündigung hat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 13.12.2019 mit der Begründung widersprochen, dass er ausweislich der Vereinbarung vom 28.5.2012 zu einer zu erbringenden Gegenleistung für die Gewährung des von ihm genutzten Wohnrechts bereits nicht verpflichtet sei, gleichwohl aber habe er die in der Kündigung aufgeführten Verbindlichkeiten der Beklagten beglichen, die in der Kündigung behaupteten Rückstände bestünden nicht.
Dem ist die Beklagte in der nachfolgenden umfänglichen vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien nicht mehr entgegengetreten, sondern hat dem Kläger, der sich in der Folge zunächst bereiterklärte, das Grundstück zum 31.03.2020 zu räumen, wenn ihm im Gegenzug hierfür u.a. die in der Vereinbarung vom 28.05.2012 genannte Summe von 200.000 € gezahlt werde, mit Schreiben vom 26.03.2020 mitgeteilt, dass er mit einer Zahlung dieses Betrages nicht zu rechnen habe. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 27.03.2020 erwidert, dass er deshalb das Grundstück „selbstredend… nicht übergeben“ werde, da es sich um eine „vereinbarte Zug-um-Zug-Leistung“ handele.
Mit seiner der Beklagten am 11.06.2020 zugestellten Klage hat der Kläger zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200.000 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage Zug um Zug gegen Herausgabe der in der Anlage K9 gekennzeichneten bebauten Teilfläche des Grundstücks, belegen (Straße, Nr.), (PLZ, Ort), mit den Grundbuchdaten: Flur (Nr.), Flurstück (Nr.), eingetragen im Grundbuch von (Ort), Blatt (Nr.), zu zahlen und
2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug hinsichtlich der Herausgabe der in der Anlage K9 gekennzeichneten, bebauten Teilfläche des Grundstücks, belegen (Straße, Nr.), (PLZ, Ort), mit den Grundbuchdaten: Flur (Nr.), Flurstück (Nr.), eingetragen im Grundbuch von (Ort), Blatt (Nr.), befindet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die Vereinbarung vom 28.5.2012 biete keinen Rechtsgrund für die klageweise geltend gemachte Forderung, weil sie bereits gemäß § 125 BGB formnichtig sei, denn sie hätte gemäß § 311b Abs. 3 BGB der notariellen Beurkundung bedurft. Überdies sei die Vereinbarung auch nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil dem auf Zahlung von 200.000 € gerichteten Zahlungsversprechen keine Gegenleistung gegenüberstehe; die vom Kläger auf dem Grundstück errichteten Bauten seien allesamt Schwarzbauten. Jedenfalls sei die Klageforderung aber auch noch nicht fällig, weil der Kläger das Grundstück noch nicht herausgegeben hat und die 200.000 € – selbst für den Fall der Wirksamkeit der Vereinbarung – erst 20 Tage nach seinem Auszug verlangen könne. Bei der Klageforderung handele es sich um eine „Fantasieforderung“, weil der Kläger genau wisse, dass die Beklagte gar nicht in der Lage sei, die verlangten 200.000 € zu zahlen.
Die Beklagte hat das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 01.07.2021 – mithin nach Rechtshängigkeit – zu einem Kaufpreis von 85.000 € veräußert. Die Erwerber des Grundstücks haben den Kläger auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks verklagt.
Mit am 18.08.2022 verkündetem Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte zwar der klageweise geltend gemachte Anspruch ohne weiteres und insbesondere unabhängig von einer von ihm Zug-um-Zug zu erbringenden Gegenleistung zustehe; weil aber die deshalb an sich gebotene uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten über den auf eine Zug-um-Zug zu erbringende Leistung gerichteten Klageantrag hinausginge (§ 308 ZPO), sei die Klage abzuweisen.
Gegen dieses ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 07.09.2022 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 30.09.2022 eingelegten und nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.11.2022 an diesem Tag begründeten Berufung.
Zur Begründung seines Rechtsmittels rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und die Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten. Im Übrigen nimmt er auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18.08.2022 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 200.000 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage Zug um Zug gegen Herausgabe der in der Anlage K9 gekennzeichneten, bebauten Teilfläche des Grundstücks, belegen (Straße, Nr.), (PLZ, Ort), mit den Grundbuchdaten: Flur (Nr.), Flurstück (Nr.), eingetragen im Grundbuch von (Ort), Blatt (Nr.), zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug hinsichtlich der Herausgabe der in der Anlage K9 gekennzeichneten, bebauten Teilfläche des Grundstücks, belegen (Straße, Nr.), (PLZ, Ort), mit den Grundbuchdaten: Flur (Nr.), Flurstück (Nr.), eingetragen im Grundbuch von (Ort), Blatt (Nr.), befindet.
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 200.000 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der nach ihrer Meinung durch den Hilfsantrag erfolgten Klageänderung stimme sie nicht zu.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Der Kläger hat aus der zwischen den Parteien am 28.05.2012 geschlossenen Vereinbarung einen Anspruch auf die Zahlung von 200.000 € gegen die Beklagte, Zug um Zug gegen Räumung und Herausgabe der im Urteilstenor näher bezeichneten Grundstücksteilfläche.
Die Vereinbarung ist – anders als die Beklagte meint – formwirksam zustande gekommen; einer notariellen Beurkundung nach Maßgabe der Bestimmung in § 311b Abs. 3 BGB hatte es nicht bedurft. Es handelt sich nicht um einen Vertrag, durch den sich die Beklagte verpflichtet hätte, ihr gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil hiervon zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten.
Bei dem dem Kläger zu lebenslangem Bewohnen überlassenen Grundstücksteil, der Gegenstand der Vereinbarung vom 28.05.2012 ist, handelt es sich zunächst nicht um das ganze Vermögen der Beklagten oder einen Bruchteil davon im Sinne des § 311b Abs. 3 BGB. Unter dem gesamten Vermögen in diesem Sinne ist die Zusammenfassung aller Aktiva (RGZ 69, 283 (285 f.); BeckOK BGB/Gehrlein, 69. Ed. 1.2.2024, § 311b BGB Rn. 40) zu verstehen. Dass die Beklagte, die im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Vereinbarung zudem jedenfalls auch noch Eigentümerin des vom Kläger nicht genutzten Grundstücksteils war, über keinerlei weitere Aktiva verfügt hätte, ist von ihr weder dargelegt noch ist hierfür sonst etwas ersichtlich. Die Übertragung eines Bruchteils im Sinne der Vorschrift erfordert eine rechnerische Bezeichnung durch eine Quote oder einen Prozentsatz und greift nicht ein bei einem Vertrag über einzelne, besonders bedeutsame Vermögensgegenstände (BGH WM 1976, 744 f.; BeckOK BGB/Gehrlein, 69. Ed. 01.02.2024, § 311b BGB Rn. 40), unabhängig welchen Wert diese Gegenstände bei Eingehung der Verpflichtung im Verhältnis zum Restvermögen haben (MüKoBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, § 311b BGB Rn. 109). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall zweifelsfrei nicht gegeben.
Überdies war die Vereinbarung auch nicht auf die Übertragung eines einzelnen Vermögensteils der Beklagten im Sinne einer Änderung der Eigentumszuordnung, sondern nur auf eine rechtsgeschäftliche Gebrauchsüberlassung gerichtet, und auch die Einräumung eines Nießbrauchs, dessen Entstehung an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sich nach den Bestimmungen in §§ 873, 874 BGB richtet (BeckOK BGB/Reischl, 69. Ed. 1.2.2024, § 1030 BGB Rn. 20), liegt im Streitfall nicht vor.
Die Vereinbarung ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Bei dem streitigen Zahlungsversprechen handelt es sich um eine grundsätzlich zulässige und von der Rechtsordnung gebilligte Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB. Die Parteien haben für den Fall, dass die Beklagte dem Kläger das Wohnrecht nicht mehr gewähren sollte, eine Vertragsstrafe (§ 339 BGB ff.) in Höhe von 200.000 € vereinbart. Entscheidend für die Einordnung als Vertragsstrafe ist stets, ob die Vereinbarung eine Sanktion vorsieht, die für eine Pflichtverletzung unabhängig von einem Schaden verhängt werden kann (vgl. BGH NJW 1994, 1532). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die verabredete Zahlung des versprochenen Betrages sollte offenkundig in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Gebrauchsüberlassung der bezeichneten Grundstücksfläche sichern und auf die Beklagte einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben, die übernommenen Pflichten einzuhalten.
Eine unangemessene, gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung der Beklagten ergibt sich hierbei auch nicht aus der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe ist nicht unangemessen. Eine Vertragsstrafe erweist sich insbesondere dann als überzogen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und den Folgen für den Gläubiger der Vertragsstrafe steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsstrafe gemäß §§ 339 ff. BGB nach der Intention des Gesetzgebers eine doppelte Zielrichtung hat: Sie soll zum einen als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten und zum anderen dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit der erleichterten Schadloshaltung eröffnen (vgl. Motive II; S. 275). Bei der Bewertung der Höhe der Vertragsstrafe sind danach zum einen die Bedeutung der gesicherten Pflicht und die von einer Pflichtverletzung ausgehende Gefahr für den Gläubiger sowie der ihm drohende Schaden von maßgeblicher Bedeutung. Zum anderen sind sowohl die Form des Verschuldens auf Seiten des Schuldners als auch Auswirkungen der Vertragsstrafe auf den Schuldner, auch eine etwaige Existenzgefährdung, zu berücksichtigen. Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen; eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre (vgl. BGH NJW 2016, 1230 Rn. 34; NJW 1997, 3233, 3235 Rn. 21; KG BeckRS 2020, 40938 Rn. 87).
Die von den Parteien „auf Grund der gesamten erbrachten Bauleistungen“ des Klägers vereinbarte Vertragsstrafe genügt diesen Anforderungen an die Mittel-Zweck-Relation. Die Vertragsstrafe entsteht, wenn die Beklagte dem Kläger das vereinbarte lebenslange Wohnrecht an dem Grundstücksteil nicht mehr gewährt. Der Wegfall der Möglichkeit, das Grundstück zu nutzen, wirkt sich für den Kläger gravierend aus, weil er hierdurch seinen Lebensmittelpunkt und die gesamten von ihm erbrachten baulichen Investitionen verliert.
Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Lebenserwartung können einer - wie der Kläger - im Jahre 1968 geborenen Person auch ohne Weiteres noch im Verlauf ihres weiteren Lebens Kosten für die Anmietung oder den Erwerb einer entsprechenden Unterkunft im räumlichen Umfeld des vertragsgegenständlichen Grundstücks in beträchtlicher Höhe entstehen. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger unstreitig erhebliche bauliche Investitionen – gleich, ob diese auch für die Beklagte von Nutzen gewesen wären oder ob diese sie hätte beseitigen wollen – auf das Grundstück getätigt und im Laufe der Jahre, in denen er das Grundstück genutzt hat, unstreitig auch die auf seinen Erwerb entfallenden Darlehensbeträge zurückgeführt hat. Gemessen an dem hiermit verbundenen wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Fortbestand des ihm eingeräumten Wohnrechts auf dem von ihm zu diesem Zweck zumindest teilweise finanzierten und be- bzw. -ausgebauten Grundstück erscheint die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe angemessen und geeignet, um den mit ihr bezweckten Druck auf die Beklagte auszuüben, sich an die von ihr gegebene Zusage zu halten und dem Kläger nicht den Nutzen seiner in Erwartung eines lebenslangen Wohnrechts getätigten Investitionen zu entziehen. Dass der Kläger unter anderem insbesondere auch den Erwerb des Grundstücks für die Beklagte werde zumindest in weiten Teilen zu finanzieren haben, war den Parteien offenkundig auch bei Vereinbarung der Vertragsstrafe bereits bewusst. Zwar ist in der schriftlichen Vereinbarung vom 28.05.2012 von einem „kostenfreien Wohnrecht“ die Rede, gleichwohl folgt aus dem Inhalt der zur Akte gereichten Korrespondenz der Parteien (Schreiben vom 29.11.2019 und vom 13.12.2019), dass sie offenkundig auch noch eine weitere Abrede getroffen hatten, nach der es augenscheinlich allein dem Kläger oblag, das zur Finanzierung des Grunderwerbs durch die Beklagte aufgenommene Darlehen zu tilgen.
Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Höhe einer Vertragsstrafe – von hier immerhin 200.000 € – unter Umständen geeignet sein kann, die wirtschaftliche Existenz des Zahlungspflichtigen zu gefährden oder gar zu vernichten. Hierfür hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte, abgesehen von ihrer vor der Veräußerung des Grundstücks abgegebenen Erklärung, einen Betrag von 200.000 € „gar nicht zahlen“ zu können, allerdings nichts dargelegt. Die Parteien haben bis 2012 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt. Unstreitig hat der Kläger auch noch danach sowohl für das Grundstück als auch zur Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten der Beklagten finanzielle Aufwendungen in Höhe von ca. 150.000 € getragen. Die Parteien haben die streitgegenständliche Vereinbarung kurz nach bzw. im zeitlichen Umfeld ihrer Trennung geschlossen, die damit offenkundig auch der wirtschaftlichen Entflechtung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft dergestalt dienen sollte, dass sowohl die vom Kläger für die Beklagte bereits erbrachten als auch die noch künftig von ihm zu erbringen vereinbarten Leistungen ihr verbleiben sollten, wofür er im Gegenzug ein lebenslanges Wohnrecht erhalten und sie von den mit dem Grundstück verbundenen laufenden Kosten (unter anderem Grundsteuer, Wasser/Abwasser, Schornsteinfeger, Müllentsorgung, Versicherung) freistellen sollte. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe zur Sicherung des im Übrigen nur schuldrechtlich begründeten und nicht dinglich abgesicherten Wohnrechts weder als unbillig noch als sittenwidrig dar.
3. Die Beklagte hat die Vertragsstrafe dadurch verwirkt, dass sie dem Kläger das ihm eingeräumte Wohnrecht nicht mehr gewährt, weil sie die diesem zu Grunde liegende Vereinbarung vom 28.05.2012 gekündigt, ihn zum Auszug aufgefordert und letztlich das Grundstück an Dritte veräußert hat.
Dahingestellt bleiben kann hier, ob die Vertragsstrafe für den Fall nicht angefallen wäre, dass der Kläger Veranlassung zur Kündigung gegeben hätte, weil er sich seinerseits nicht vertragstreu verhalten hätte. Soweit die Beklagte die von ihr ausgesprochene Kündigung zunächst darauf zu stützen gesucht hatte, dass der Kläger seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die laufenden Grundstückskosten zu begleichen und den zur Finanzierung des Grundstückskaufs aufgenommenen Kredit zu tilgen, hat sie hieran nicht mehr festgehalten, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 13.12.2019 darauf hingewiesen hatte, dass die von ihr behaupteten Zahlungsrückstände tatsächlich nicht bestünden, was auch die kreditgebende Bank in Ansehung der Tilgungsraten für das zum Grunderwerb aufgenommene Darlehen bestätigt hätte.
Jedenfalls durch die Veräußerung des Grundstücks hat sich die Beklagte der weiteren Erfüllung ihrer Leistungspflicht aus der Vereinbarung vom 28.05.2012 entzogen. Eine - wie hier - in schuldrechtlicher Form vereinbarte Gebrauchsüberlassungsverpflichtung an einem Grundstück geht nicht auf den Grundstückserwerber über. Eine nach Abschluss eines Schuldvertrages durch Übereignung der vertragsgegenständlichen Sache eintretende Änderung der dinglichen Vermögenslage führt nicht zur Vertragsüberleitung auf den Erwerber, sondern ist auf der Sekundärebene zwischen den Vertragsparteien des obligatorischen Geschäfts auszugleichen. Der Erwerber erhält das Eigentum in Ansehung der schuldrechtlichen Verpflichtung lastenfrei und wird in die Vertragsbeziehungen des Veräußerers nicht einbezogen. Der Verlust der Verfügungsbefugnis auf Seiten des Veräußerers führt vielmehr zu einem von diesem zu vertretenden Unvermögen, aufgrund dessen er seinem Vertragspartner grundsätzlich zum Schadensersatz (§ 283 BGB) verpflichtet ist, wobei im Streitfall an die Stelle eines solchen Schadensersatzes die vereinbarte Vertragsstrafe getreten ist (Prinzip der Nichtkumulation, vgl. BeckOGK/Ulrici, Stand: 1.9.2021, § 339 BGB Rn. 48 f.).
4. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung wäre die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe an sich noch nicht fällig, weil die Parteien vereinbart haben, dass die Fälligkeit erst eintreten soll, wenn der Kläger ausgezogen ist und das Grundstück bereits seit 20 Tagen verlassen hat. Sie haben damit die Fälligkeit der Vertragsstrafe von der Räumung und Herausgabe des Grundstücks durch den Kläger und dem Ablauf von hierauf folgenden 20 Tagen abhängig gemacht, mithin eine sogenannte beständige Vorleistungspflicht begründet, bei der die von dem Vorleistungsberechtigten geschuldete Gegenleistung erst mit oder - wie hier - nach Erbringung der Leistung des Vorleistungspflichtigen fällig wird (vgl. MüKoBGB/Emmerich, § 320 BGB Rn. 30).
Diese Vorleistungspflicht des Klägers hat sich gemäß § 321 BGB hier aber durch die Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 26.03.2020 und im Schriftsatz vom 30.10.2020, nicht zahlen zu können und auch nicht zu wollen, in eine Verpflichtung zur Leistung Zug-um-Zug geändert. Nach § 321 BGB entfällt die Vorleistungspflicht mit der Folge der Rückkehr zur Zug-um-Zug-Leistung, wenn und solange der andere Teil ernsthaft und endgültig erklärt, die eigene Leistung nicht mehr erbringen zu können oder zu wollen (vgl. BGH NJW 1997, 938, 939; BGH NJW 1995, 957; BGH NJW 1994, 2025, 2026; MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, § 320 BGB Rn. 31).
Der beantragten Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Vertragsstrafenbetrags Zug um Zug gegen Räumung und Herausgabe der vom Kläger genutzten Grundstücksteilfläche steht auch nicht entgegen, dass sich die Beklagte durch Veräußerung des Eigentums an der geräumt herauszugebenden Teilfläche begeben hat, weil die schuldrechtliche Vereinbarung der Parteien – wie vorstehend bereits ausgeführt – die dingliche Änderung in Bezug auf den Vertragsgegenstand überdauert und der Kläger weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die in Rede stehende Liegenschaft an die Beklagte herauszugeben, unabhängig davon, ob diese hiernach selbst zum Besitz berechtigt ist oder sie ihrerseits sofort an die (neuen) Eigentümer herauszugeben hat.
5. Ohne Erfolg bleibt die Berufung, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der von ihm zu erbringenden Räumung und Herausgabe des streitigen Grundstücksteils in Verzug befindet.
Der Begriff des Annahmeverzugs im Sinne von § 322 Abs. 2 BGB entspricht demjenigen in den §§ 293 ff. BGB (vgl. BGH BeckRS 2023, 16950 Rn. 25 ff.; BeckOK BGB/H. Schmidt, 69. Ed. 1.2.2024, § 322 BGB Rn. 6). Ungeachtet der Frage, ob ein Annahmeverzug der Beklagten dadurch eingetreten sein sollte, dass sie das durch Schreiben vom 10. und 20.03.2020 unterbreitete Angebot des Klägers auf Räumung und Herausgabe der Liegenschaft wegen der damit verbundenen Zahlungsaufforderungen nicht angenommen haben mag, endet ein Annahmeverzug jedenfalls dann, wenn der Schuldner das Angebot der Leistung zurücknimmt (Staudinger/Feldmann, 2019, § 293 BGB Rn. 32). So aber liegt der Fall hier. Der Kläger hat sein Angebot durch Schreiben vom 27.03.2020 ausdrücklich zurückgenommen; dass er es in der Folge in einer einen Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise wiederholt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auf die von der Beklagten in der Berufungserwiderung in Zweifel gezogene Zulässigkeit des Hilfsantrags kommt es nach alledem nicht an, weil sich der Senat mit diesem wegen des Erfolgs des auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung gerichteten Hauptantrags nicht zu befassen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.
Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt neben dem Antrag auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (BGH BeckRS 2020, 113352). Die Frage nach dem Vorliegen des Annahmeverzugs ist nur ein rechtlich unselbständiges Element der streitigen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch; eine mit dem Feststellungsausspruch verbundene etwaige Kostenersparnis des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung ist für die Ermittlung des Streitwerts im Erkenntnisverfahren nicht maßgeblich (MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, § 3 ZPO Rn. 31).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nach Maßgabe von §§ 708 Nr. 1, 711 S. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.