Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 25.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 81/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0625.13WF81.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde im Übrigen wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 26.04.2024 - 31 F 31/24 - auf die Beschwerde des Antragsgegners abgeändert.
Ziffer 1. des Ausspruchs erhält folgende Fassung:
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 2.885,50 Euro festgesetzt.
I.
Der Antragsgegner beanstandet eine Kostenentscheidung in einem Sorgerechtsverfahren als unzutreffend.
Die Antragsbeteiligten sind die seit August 2022 rechtskräftig geschiedenen, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der betroffenen Kinder. Seit Trennung der Eltern im Januar 2019 leben die Kinder ausschließlich im Haushalt der Antragstellerin.
Im Zuge ihrer Absicht, mit den beiden Kindern im Sommer 2024 in ein anderes Bundesland zu verziehen, hat die Antragstellerin den Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2024 vorgerichtlich um schriftliche Erteilung seines sorgerechtlichen Einverständnisses durch Unterzeichnung einer vorformulierten Zustimmungserklärung gebeten. Am 23.02.2024 wies der Antragsgegner durch Telefonanruf in den Kanzleiräumen des von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwalts auf die Unrichtigkeit seiner in der Zustimmungserklärung aufgeführten Wohnanschrift hin, die sich umzugsbedingt geändert habe, woraufhin ihm eine Kanzleimitarbeiterin vorschlug, die Anschrift handschriftlich zu korrigieren. In der Folge hat der Antragsgegner eine schriftliche Einverständniserklärung betreffend den in Rede stehenden Umzug der beiden Kinder vorgerichtlich nicht erteilt.
Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 20.03.2024 (Bl. 1) hat die Antragstellerin die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts, für die beiden Kinder und die Übertragung auf sie allein beantragt und dies damit begründet, der Antragsgegner habe ihr seine neue Anschrift bewusst vorenthalten und verweigere damit die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Sorge. Weiter habe er ihr gegenüber per Whatsapp mitgeteilt, einem Umzug wohl nicht zuzustimmen. Jedenfalls habe er eine entsprechende Zustimmung nicht erteilt.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 11.04.2024 (Bl. 18) mitgeteilt, keine Einwände gegen den beabsichtigten Umzug der Kinder zu haben und die ihm übersandte vorformulierte Zustimmungserklärung nur wegen der unrichtigen Anschrift nicht unterzeichnet und zurückgesandt zu haben. Er habe in dem Telefonat mit der Rechtsanwaltskanzlei der Antragstellerin um die Übersendung einer korrigierten Zustimmungserklärung gebeten, was grundlos abgelehnt worden sei.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung und persönlichen Anhörung aller Beteiligten und des Jugendamts am 26.04.2024 (Bl. 34) haben die Antragstellerin und der Antragsgegner das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner eine sorgerechtliche Vollmacht zugunsten der Antragstellerin erteilt hat, unter anderem betreffend die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der beiden Kinder, die durch das Amtsgericht schriftlich protokolliert wurde.
Durch die angefochtene Entscheidung vom 26.04.2024 (Bl. 39) hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt und dies auf eine grob verschuldete Verfahrensveranlassung gestützt, § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Der Antragsgegner hätte durch eine handschriftliche Korrektur der unrichtigen Anschrift in der ihm vorgerichtlich übersandten Zustimmungserklärung, durch Erstellung einer eigenen schriftlichen Erklärung betreffend seine Zustimmung zum Umzug der Kinder und durch rechtzeitige Information der Antragstellerin über die Änderung seiner Anschrift die Verfahrenseinleitung verhindern können.
Mit seiner Beschwerde vom 23.05.2024 (Bl. 49) wendet sich der Antragsgegner gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten. Indem er in dem Telefonat mit der Mitarbeiterin der von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ausdrücklich um die Übersendung einer schriftlichen Zustimmungserklärung mit seiner zutreffenden Wohnanschrift gebeten habe, habe er bereits vorgerichtlich zum Ausdruck gebracht, keine Einwände gegen den Umzug zu haben. Eine handschriftliche Änderung seiner Anschrift in dem ihm übersandten Formular habe er abgelehnt, da er nicht in ein fremdes Formular habe schmieren wollen. Nicht er, sondern die Antragstellerin habe die Verfahrenseinleitung grundlos veranlasst.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 49),
die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen, hilfsweise, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Die Antragsteller beantragt sinngemäß (Bl. 4 der OLG-Akte),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner habe in dem Telefonat mit der Kanzleimitarbeiterin der von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwaltskanzlei einerseits seine Ablehnung betreffend seine Unterschrift unter die ihm übersandte Zustimmungserklärung zum Ausdruck gebracht, aber auch gefragt, wohin er diese zu senden habe, worauf ihm mitgeteilt worden sei, er solle sie an die Rechtsanwaltskanzlei schicken, was er in der Folge jedoch nicht getan habe.
II.
Die Kostenbeschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 und 65 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Da es sich bei der zugrundeliegenden Kindschaftssache um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist das Rechtsmittel unabhängig vom Erreichen der Mindestbeschwer von über 600,- € (§ 61 Abs. 1 FamFG) zulässig (BGH FamRZ 2013, 1876; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 29.03.2021, 9 WF 3/21, juris; OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2015, 523; Weber in BeckOK FamFG, Hahne/Schlögel/Schlünder, 40. Ed. Stand 01.07.2021 § 81 FamFG Rn. 40).
Die Beschwerde ist mit dem Hilfsantrag erfolgreich.
Bei einer Erledigung des Verfahrens auf sonstige Weise oder aufgrund einer Rücknahme des Antrags sind die Verfahrenskosten gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil aufzuerlegen. Die vom erstinstanzlichen Gericht auf der Grundlage dieser Vorschrift getroffene Entscheidung ist dabei nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr ist das Beschwerdegericht zu einer eigenständigen Ermessensausübung berufen (BGH FamRZ 2013, 1876; OLG Frankfurt, BeckRS 2018, 41133).
Bei der Billigkeitsentscheidung ist der allgemeine Grundsatz zu berücksichtigen, dass in familiengerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten ist. Daraus folgt, dass die Gerichtskosten in der Regel zwischen den Eltern zu teilen und außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 29.03.2021, 9 WF 3/21, juris; 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2015, 523). Der Gesetzgeber hat sich mit der Regelung der Kostenverteilung auf der Grundlage einer Billigkeitsentscheidung bewusst dagegen entschieden, ausschließlich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zum Maßstab der Kostenverteilung zu machen. Damit wird in Kindschaftssachen dem Umstand Rechnung getragen, dass die Eltern bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres Begehrens jedenfalls auch das Kindeswohl im Auge haben. Derartige Verfahren sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten subjektiv sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, was erhebliches Konfliktpotential birgt und gerichtliche Auseinandersetzungen verursacht. Die eindeutige Verantwortlichkeit nur eines Beteiligten dafür, dass es zu dem Verfahren und damit zu Kosten gekommen ist, lässt sich regelmäßig nicht feststellen.
Vorliegend sind keine Umstände dafür ersichtlich, abweichend vom oben dargestellten Grundsatz der Zurückhaltung in Familiensachen die Gerichtskosten der Antragstellerin oder dem Antragsgegner allein aufzuerlegen. Eines der Regelbeispiele des § 81 Abs. 2 FamFG liegt jeweils nicht vor.
Nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn dieser durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat. Ein grobes Verschulden des Antragsgegners, das Vorsatz oder eine Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss, voraussetzt (KG NJOZ 2021, 693; OLG Schleswig, BeckRS 2016, 16097; BeckOK FamFG/Weber, 50. Ed. 1.5.2024, § 81 FamFG Rn. 22), ist vorliegend nicht erkennbar. Es ist nicht feststellbar, dass der Antragsgegner das, was jedem einleuchten muss, nicht beachtet und dadurch die Verfahrenseinleitung durch die Antragstellerin provoziert hat, indem er eine handschriftliche Korrektur seiner Anschrift in dem ihm übersandten Formular abgelehnt hat. Es musste für den Antragsgegner nicht auf der Hand liegen, dass die Antragstellerin daraus auf eine generelle Verweigerung seiner Zustimmung zu dem beabsichtigten Umzug der Kinder schließen würde. Da darüber hinaus nicht festzustellen ist, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner eine Frist zur Rücksendung des unterschriebenen Formulars gesetzt hat, musste der Antragsgegner auch insoweit nicht zwingend damit rechnen, dass die Antragstellerin seine Ablehnung einer handschriftlichen Korrektur als generelle Verweigerung der erbetenen Einverständniserklärung mit dem Umzug der Kinder werten werde.
Auch liegt kein Fall einer auf grobem Verschulden der Antragstellerin beruhenden Prozessführung vor, § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Danach muss der Antrag zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv erkennbar aussichtslos gewesen sein. Die Aussichtslosigkeit muss anhand des Einzelfalls in einer ex-ante-Betrachtung beurteilt werden (MüKo FamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 46). Ein derartiges grobes Verschulden der Antragstellerin ist nicht festzustellen. Die Antragstellerin musste zwar nicht, aber sie konnte die Ablehnung der handschriftlichen Korrektur des Formulars durch den Antragsgegner als Ausdruck dafür bewerten, dass der Antragsgegner ohne gerichtliche Schritte nicht bereit sein würde, die erbetene Erklärung abzugeben. Es musste für die Antragstellerin nicht auf der Hand liegen, dass der Antragsgegner ein an ihn übersandtes maschinenschriftlich korrigiertes Formular zeitnah - und ohne weitere Einwände - unterschrieben zurücksenden würde. Auch aufgrund des Zeitdrucks, dem die Antragstellerin aufgrund des von ihr beabsichtigten Umzugs unterlag, ist ihre Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ohne vorherige Fristsetzung gegenüber dem Antragsgegner nicht vorwerfbar.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens hat sich am Wert der Kosten der 1. Instanz zu orientieren, die dem Antragsgegner auferlegt worden sind. Der festgesetzte Betrag von 2.885,50 Euro setzt sich zusammen aus den Gerichtskosten in Höhe von 70,- € (0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 1310 VV FamGKG), der Vergütung der Verfahrensbeiständin in Höhe von 1.100 Euro (§ 158c FamFG) sowie den Rechtsanwaltskosten, die der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Kostenfestsetzungsantrag vom 26.04.2024 bereits mit 862,75 Euro beziffert hat und für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners - mit Ausnahme der Kosten für die Einwohnerauskunft - in gleicher Höhe, mithin in Höhe von 852,75 Euro zu berücksichtigen sind.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.