Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 25.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 1 OAus 10/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0725.1OAUS10.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Auslieferung des Verfolgten L… an Nordmazedonien zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil K.Nr. 60/08 des Grundgerichts in S... vom 25. Juni 2008 wegen Mordes gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von 15 Jahren ist gegenwärtig unzulässig.
Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 4. April 2024 sowie die Haftfortdauerentscheidungen vom 15. Mai 2024 und vom 8. Juli 2024 werden aufgehoben.
Der Verfolgte L... ist unverzüglich aus der Auslieferungshaft zu entlassen.
I.
1. Mit einer Interpol-Fahndung (Red Notice) ersuchten die nordmazedonischen Justizbehörden unter Bezugnahme auf den Haftbefehl des Primary Court Struga vom 4. Oktober 2007 (Az.: KI 60/07) um Auslieferung des Verfolgten zunächst zum Zweck der Strafverfolgung wegen des Vorwurfs des Mordes.
Gemäß der deutschen Übersetzung des Ausschreibungstextes wurde dem Verfolgten zur Last gelegt, am 04. Juli 2007 in der Absicht, 500,00 € von I... A... zu stehlen, gemeinsam mit B… N… in S… das Haus des Ab... M... betreten zu haben. Während B… Wache gehalten habe, habe der Verfolgte in einem Zimmer I... A... mit einer Schusswaffe angegriffen, ihn mit zwei Kugeln getroffen und so ermordet. Danach hätten die Täter den Tatort verlassen.
Infolge der vorgenannten Interpol-Ausschreibung wurde der Verfolgte am 27. Februar 2024 anlässlich einer grenzpolizeilichen Einreisekontrolle am Flughafen B… in S… vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat nach richterlicher Anhörung des Verfolgten am 28. Februar 2024 eine Festhalteanordnung und der Senat am 7. März 2024 einen vorläufigen und am 4. April 2024 einen unbeschränkten Auslieferungshaftbefehl erlassen, infolge dessen der Verfolgte in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen inhaftiert ist. Des Weiteren hat der Senat mit Beschluss vom 15. Mai 2024 gegen den Auslieferungshaftbefehl gerichtete Einwendungen des Verfolgten zurückgewiesen und die Fortdauer der Auslieferungshaft, ebenso erneut mit weiterem Beschluss vom 8. Juli 2024, angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorgenannten Beschlüsse verwiesen.
2. a) Das Justizministerium der Republik Nordmazedonien hat unter dem Datum des 17. März 2024 die Auslieferungsunterlagen übermittelt. Danach ersuchen die nordmazedonischen Behörden um Auslieferung des Verfolgten nunmehr nicht - wie im Festnahmeersuchen noch dargelegt - zur Strafverfolgung, sondern bezogen auf den in der Inpol-Ausschreibung enthaltenen Sachverhalt um Auslieferung zur Vollstreckung des Urteils K.Nr. 60/08 des Grundgerichts in Struga vom 25. Juni 2008. Hierzu haben die nordmazedonischen Justizbehörden auf dem diplomatischen Weg das vorgenannte Urteil, den Vollstreckungshaftbefehl des Grundgerichts Tetovo vom 2. April 2009 (KUIKP.Nr. 79/2009; BI. 147f, 162 d. A.) sowie den Gesetzestext der angewendeten Vorschriften des StGB von Nordmazedonien (BI. 149 f., 163 d. A.), jeweils auch in deutscher Übersetzung, übersandt.
Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Verfolgte durch Urteil K.Nr. 60/08 des Grundgerichts in Struga vom 25. Juni 2008 wegen Mordes gemäß Art. 123 Abs. 2 Nr. 3 des StGB von Nordmazedonien zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt wurde. Das Urteil ist ausweislich des Schreibens des Grundgerichts Tetovo vom 6. März 2024 (Bd. I, BI. 129 ff., 154 f d.A.) seit dem 11. Februar 2009 rechtskräftig.
Der Sachverhalt, den der Senat seinem vorläufigen Haftbefehl vom 7. März 2024 auf der Basis der deutschen Übersetzung der Inpol-Ausschreibung zu Grunde gelegt hat, findet in dem Inhalt des Urteils vom 25. Juni 2008 seine Bestätigung. Danach wurde der Verfolgte schuldig gesprochen, am 4. Juli 2007 in S... im Haus des Ab... M... den I... A... mit einer Waffe getötet zu haben. Der Verfolgte soll das Zimmer, in dem sich das Opfer mit Freunden aufgehalten habe, betreten und ihm gedroht haben, ihn zu töten, falls er nicht 500 Euro zahle. Als I... A... der Geldforderung widersprochen habe, habe der Verfolgte L... mit der Waffe eine Kugel auf A… abgegeben, die ihn im Brustbereich getroffen habe. Der Verfolgte habe einen weiteren Schuss abgegeben, die am Kopf eines der Anwesenden vorbeigegangen und in der Wand des Raumes stecken geblieben sei. I... A... sei an seiner Schussverletzung gestorben; der Verfolgte sei vom Tatort geflüchtet.
b) Hinsichtlich der Haftbedingungen hat das Justizministerium der Republik Nordmazedonien mit Schreiben vom 16. April 2024 (Bd. II BI. 337 f. d. A.) betreffend die Auslieferung des Verfolgten mitgeteilt, dass dieser seine Freiheitsstrafe unter Bedingungen verbüßen werde, die nicht unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention seien und die den europäischen Mindestgrundsätzen des Ministerkomitees des Europarats vom 11. Januar 2006 entsprächen. Ferner wird mitgeteilt, dass der Verfolgte von einem deutschen Konsularmitarbeiter der deutschen Auslandsvertretung besucht werden könne, der Verfolgte habe ferner das Recht, sich schriftlich und telefonisch an Vertreter der Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland zu wenden.
Im Falle seiner Auslieferung soll der Verfolgte die Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Idrizovo verbüßen.
Auf die Bitte der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg um Beschreibung der Haftbedingungen in der genannten Vollzugsanstalt und der Abgabe diesbezüglicher konkreter Zusicherungen (Bd. II BI. 377 f d. A.) hat die Vollstreckungsverwaltung des Justizministeriums der Republik Nordmazedonien mit Schreiben vom 21./23. Mai 2024 (Bd. II, BI. 420 ff., 423 ff. d. A.) mitgeteilt, dass die Räume der Verurteilten eine Fläche von 16 m2 haben würden. Abhängig von dem Raum würden so viele Gefangene untergebracht, wie es notwendig sei, damit jede Person 9 m3/4 m2 zur Verfügung habe und dass jeder von ihnen ein eigenes Bett habe. In Widerspruch zu diesen Angaben wird weiter mitgeteilt, dass in einem Raum vier bis acht Personen untergebracht seien. Weiter wird in dem vorgenannte Schreiben dargelegt, dass es in den Unterkunftsräumen der Verurteilten Fenster für das Tageslicht gebe. In jedem Raum, in dem die Gefangenen untergebracht seien, gebe es genügend Luft und Tageslicht. Die notwendigen Reparaturen der Sanitärknoten seien durchgeführt worden. Den Verurteilten werde das Recht auf medizinische Versorgung zugesichert gemäß den Vorschriften aus dem Bereich des Gesundheitsschutzes und der Krankenversicherung. Die Anstalt verfüge über eine Ambulanz und eine Zahnarztpraxis und jeden Tag stünden Fachärzte zur Verfügung. Die Räume für die Verurteilten würden die Grundbedingungen für die Hygiene erfüllen. An die Verurteilten verteile man Hygienemittel zur persönlichen Hygiene. Im alten Teil der Anstalt sei der Sanitärraum ein gemeinsamer, und in dem neuen Teil seien die Sanitärbereiche in den Räumen, in denen die Verurteilten sich aufhielten. Die Verurteilten würden ungestörten Zutritt zum kalten und warmen Wasser haben und abhängig von ihren Bedürfnissen duschen können. Die Unterkunftsräume der Verurteilten würden die Grundhygienebedingungen gemäß den Klimabedingungen der Umgebung erfüllen, sie seien entsprechend ausgerüstet und hätten die notwendige Belüftung und genügend Tageslicht. Das Objekt verfüge über eine Zentralheizung. Die Verurteilten hätten das Recht auf Aufenthalt von mindestens zwei Stunden täglich an der frischen Luft. Erbetene Auskünfte dazu, ob die konkreten Sanitärräume von den Hafträumen getrennt sind, enthält das Schreiben des Justizministeriums der Republik Nordmazedonien vom 21./23. Mai 2024 nicht.
Zu der Frage, ob die Unterbringung des Betroffenen in der Haftanstalt Kumanovo möglich sei, teilte die Vollstreckungsverwaltung mit, dass der Verfolgte gemäß der Einweisungsakte, ausgestellt von dem Vollstreckungsrichter, seine Freiheitsstrafe in der Haftanstalt Idrizovo verbüßen soll. Verurteilte würden ihre Freiheitsstrafe in der Empfangsabteilung beginnen und danach entsprechend der Höhe der Freiheitsstrafe und des Risikogrades klassifiziert in geschlossenen, neuen halboffenen Abteilungen oder offenen Abteilungen untergebracht. Der Vollstreckungsrichter schütze die Rechte der Verurteilten, führe die Aufsicht über die Gesetzgebung in der Prozedur zur Vollstreckung von Maßnahmen durch und sorge für die Gleichberechtigung der Verurteilten vor dem Gesetz. Der Vollstreckungsrichter entscheide über Einweisungen zur Freiheitsstrafe. Die Vollstreckungsverwaltung sei nicht zuständig für die Einweisung der Verurteilten in Strafvollzugsanstalten.
c) Angesichts der missverständlichen Formulierungen in dem Schreiben der Vollstreckungsverwaltung vom 21./23. Mai 2024 hinsichtlich des den Gefangenen zur Verfügung stehenden Raumes – einerseits Inhaftierung in einem Haftraum mit einer Fläche von 16 m2, in dem jeder Person 4 m2 zur Verfügung stehen würden, andererseits Unterbringung von vier bis acht Personen in dem Raum; keine ausdrückliche Bestätigung, dass die Sanitärräume vom Haftraum getrennt sind und deren Fläche bei dem Raum, der dem einzelnen Gefangenen zur Verfügung steht, nicht berücksichtigt wird – sind die nordmazedonischen Behörden auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg nochmals auf dem diplomatischen Geschäftsweg über das Auswärtige Amt mit Verbalnote vom 18. Juni 2024 um eine konkrete Zusicherung gebeten worden, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in einer Zelle untergebracht wird, in der ihm ein persönlicher Raum von mindestens 3 m2 ohne Berücksichtigung des Platzes für die Sanitäranlagen zur Verfügung steht, und dass der Sanitärraum vom Haftraum getrennt ist.
Die nordmazedonsichen Justizbehörden haben auf dem elektronischen Weg mit Datum vom 18. Juli 2024 über das Bundesamt für Justiz erneut Unterlagen übermittelt, darunter ein Schreiben der nordmazedonischen Strafvollzugsverwaltung vom 12. Juli 2024, die am 22. Juli 2024 über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg eingegangen sind. Anstelle der erbetenen Zusicherung, dass dem Verurteilten ein persönlicher Raum in der Haftanstalt von mindestens 3 Quadratmetern ohne Berücksichtigung des Platzes für Sanitäranlagen zur Verfügung steht und dass der Sanitärraum vom Haftraum getrennt ist, werden mit dem beigefügen Schreiben der nordmazedonischen Strafvollzugsverwaltung vom 12. Juli 2024 lediglich die widersprüchlichen Angaben aus dem Schreiben vom 21./23. Mai 2024 wiederholt, wonach den Verurteilten Unterkunftsräume von 16 m² Größe zur Verfügung stünden, in denen 4-8 Personen untergebracht würden; hinsichtlich der Frage nach der Trennung des Sanitärraums vom Haftraum enthält das Schreiben vom 12. Juli 2024 abermals keine Angaben.
3. Bereits bei seiner richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen am 28. Februar 2024 hat sich der Verfolgte nach Belehrung mit einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt und auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Er hat angegeben, seit 20 Jahren im Kosovo zu leben, in Deutschland befinde er sich als Tourist und wolle seine zwei in der Bundesrepublik lebenden Brüder besuchen.
Zu dem von dem nordmazedonischen Justizministerium übermittelten Auslieferungsersuchen ist der Verfolgte L... erneut am 24. Juni 2024 gemäß § 28 IRG vor dem Amtsgericht Cottbus richterlich vernommen worden (Bd. II, BI. 436 ff. d. A.). Auch hierbei hat er sich mit seiner Auslieferung nach Nordmazedonien nicht einverstanden erklärt. Mithin bedarf es einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung. Ein Verzicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes erfolgte ebenfalls nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg erachtet in ihrer Stellungnahme vom 23. Juli 2024 die auf dem diplomatischen Weg erbetenen Zusicherungen als von den nordmazedonischen Justizbehörden nicht abgegeben bzw. als unzureichend, was zur Unzulässigkeit der Auslieferung nach § 73 IRG iVm. Art. 3 EMRK führe.
II.
Der Senat teilt die Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, dass die Ausführungen der nordmazedonischen Justizbehörden zu den Haftbedingungen unzureichend sind und die Einhaltung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention und der europäischen Mindestgrundsätze für die Ausgestaltung des Strafvollzugs des Ministerkomitees des Europarats vom 11. Januar 2006 nicht garantieren.
Die Auslieferung des Verfolgten L... an Nordmazedonien zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil K.Nr. 60/08 des Grundgerichts in Struga vom 25. Juni 2008 wegen Mordes gegen den Verfolgten verhängten Freiheitsstrafe von 15 Jahren ist daher gegenwärtig unzulässig.
1. Der Auslieferungsverkehr mit Nordmazedonien findet nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 i.V.m. dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 statt, wobei die Auslieferungsersuchen auf dem diplomatischen Geschäftsweg zu übermitteln sind (Anlage II Länderteil zur RiVASt).
Die Auslieferungsunterlagen wurden vorliegend auf dem vorgeschriebenen Geschäftsweg durch die nordmazedonischen Behörden übermittelt. Diese belegen schlüssig den gegen den Verfolgten erhobenen Tatvorwurf. Insbesondere gibt die in den Urteilsgründen enthaltene Sachverhaltsdarstellung in ausreichender Weise Auskunft über Tatzeit, Tatort und die Tathandlung des Verfolgten. Zweifel an der Authentizität der vorgelegten Dokumente bestehen nicht.
Die Auslieferungsfähigkeit ist nach § 3 Abs. 1 und 2 IRG gegeben. Die beiderseitige Strafbarkeit der Taten ist gegeben, die dem Verfolgten vorgeworfene Tat ist sowohl nach dem StGB von Nordmazedonien als auch nach deutschem Recht (§ 212 Abs. 1 StGB) mit einer Höchststrafe von mehr als einem Jahr bedroht; ferner ist eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten zu vollstrecken (Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk); auch ist die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat bzw. die Vollstreckung nicht verjährt (Art. 10 EuAlÜbk). Bei der Tat, die Gegenstand des zu vollstreckenden Urteils ist, handelt es sich weder um eine politische noch um eine militärische Straftat (Art. 3, 4 EuAlÜbk).
2. Der Zulässigkeit der Auslieferung steht jedoch – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 23. Juli 2024 zutreffend darlegt – das Auslieferungshindernis des § 73 IRG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die deutschen Gerichte im Auslieferungsverfahren zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332; 75, 1; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 8. April 2004, StV 2004, 440; zu Nordmazedonien: OLG Hamm, Beschluss vom 21. Oktober 2021, 2 Ausl. 178/21, zit. n. juris). Danach ist eine Auslieferung unzulässig, wenn diese fundamentalen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung oder dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard auf dem Gebiet der Menschenrechte widerspricht (vgl. BVerfG, NJW 1975, 1; OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 351; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Oktober 2021, 2 Ausl. 178/21, zit. n. juris; OLG Hamm, StV 2008, 648; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1429). Dies ist der Fall, wenn der ersuchte Staat mit einer Rechtshilfehandlung dazu beitragen würde, dass der Ausgelieferte der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt werden würde. Diese Mindestvoraussetzungen gehören inzwischen zum festen Bestand des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes (vgl. BVerfG, StV 2004, 440). Aufgrund des im Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandards der Grundrechte und insbesondere im Hinblick auf Art. 4 der EU-Grundrechtscharta (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Februar .2013, Az.C-399/11, Fall Melloni) ist der Senat verpflichtet, das Vorliegen dieser Gefahr zu würdigen, denn der Vollzug eines Europäischen Haftbefehls darf nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Verfolgten führen. Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um die Auslieferung des Verfolgten auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, weil Nordmazedonien kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist. Dennoch legt Art. 3 EMRK auch in Fällen wie dem vorliegenden den Behörden des ersuchten Mitgliedsstaats, in dessen Hoheitsgebiet eine Person zum Zwecke der Auslieferung inhaftiert ist, eine positive Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass der Verfolgte im Falle der Auslieferung im ersuchenden Staat unter Bedingungen untergebracht wird, die die Wahrung der Menschenwürde gewährleisten, und dass der Verfolgte keiner Bürde oder Last ausgesetzt ist, deren Intensität über das dem Freiheitsentzug unvermeidlich innewohnende Maß des Leidens hinausgeht. Gesundheit und Wohlergehen des Verfolgten müssen im ersuchenden Mitgliedsstaat auch in Haft in angemessener Weise sichergestellt werden (so zur Rechtslage innerhalb der EU Urteil des EGMR vom 08.01.2013 in der Sache Torreggiani und andere/Italien, Az. 43517/09, 46882/09, 55400/09, 57875/09, 61535/09, 35315/10 und 37818/10 und Urteil des EuGH vom 25.07.2018 in der Rechtssache C - 220/18 PPU und vom 05.04.2016 in den Rechtssachen C-404/15 und C-659/15 PPU).
Grenzen werden einer Auslieferung hiernach sowohl hinsichtlich der Ausgestaltung des Strafverfahrens als auch des Vollstreckungsverfahrens gesetzt. Die deutschen Gerichte sind gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, dem im ersuchenden Staat eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe droht oder für den europäische Mindeststandards für die Strafvollstreckung nicht eingehalten werden (BVerfG a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 18. September 2014, AuslA 39/14-31, zit. n. juris, dort Rn. 22; ; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Oktober 2021, 2 Ausl. 178/21 unter Hinweis auf den CPT-Bericht vom 29. Juli 2021, zit. n. juris, dort Rn. 40, 42 ff.).
bb) Letzteres ist vorliegend der Fall. Vor dem Hintergrund des Berichtes des Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (CPT) vom 29. Juli 2021, wonach u.a. in einzelnen Haftanstalten in Nordmazedonien in Zellen mit einer Größe von 9 m² bis zu fünf Häftlinge untergebracht sind, mitunter sich sogar zwei Häftlinge ein Bett teilen mussten, dazu Zellen mit 16 Grad Raumtemperatur nur unzureichend beheizt oder mit 60% eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit aufwiesen, erweisen sich pauschale Erklärungen zur Einhaltung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention und der europäischen Mindestgrundsätze des Ministerkomitees des Europarats vom 11. Januar 2006, wie sie vorliegend mit Schreiben des Justizministeriums der Republik Nordmazedonien vom 16. April 2024 abgegeben worden sind, als unzureichend. Dies gilt umso mehr, als nach dem vorgenannten CTP-Bericht die Haftanstalt Idrizovo, in der der Verfolgte sehr wahrscheinlich untergebracht werden sollte, beispielsweise über einen 32 m² großen Haftraum verfügte, in dem zur Zeit des Inspektionsbesuches 16 Gefangene inhaftiert waren.
Vielmehr sind konkrete Zusicherungen zu den konkreten Haftbedingungen, insbesondere zur Belegung der Hafträume und zu einer Trennung der Hafträume von den Sanitäranlagen, einzuholen. Dies gilt im vorliegenden Fall vor allem, weil die nordmazedonischen Justizbehörden im vorliegenden Verfahren konkret mitgeteilt haben, dass in 16 m² großen Hafträume 4 bis 8 Gefangene untergebracht seien, mögen auch nur in „seltenen Fällen“ mehr als 4 Personen in einem solchen Raum inhaftiert sein.
Auch auf die konkret formulierte Verbalnote vom 18. Juni 2024 mit der Bitte um Zusicherung der nordmazedonischen Justizbehörden, dass dem Verfolgten im Zuge der Strafvollstreckung ein persönlicher Raum von mindestens 3 m² zur Verfügung stehen wird und die Sanitäranlagen von dem Haftraum getrennt sind, wurden mit Schreiben der nordmazedonischen Strafvollzugsverwaltung vom 12. Juli 2024 lediglich die ungenauen und widersprüchlichen Ausführungen aus der voraufgegangenen Erklärung vom 21./23. Mai 2024 wiederholt. Damit haben die nordmazedonischen Justizbehörden – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in der Stellungnahme vom 23. Juli 2024 zutreffend ausführt – keine Zusicherung abgegeben. Nach den Ausführungen der nordmazedonischen Strafvollzugsverwaltung vom 21./23. Mai 2024 und vom 12. Juli 2024 bleibt es weiterhin möglich, dass dem Verfolgten in einer Haftzelle weniger persönlicher Raum als 3 m² zur Verfügung steht, dies sogar unter Berücksichtigung des Sanitärbereiches.
Unter diesen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass die Inhaftierung des Verfolgten in Nordmazedonien Art. 3 EMRK bzw. den europäischen Mindestgrundsätzen des Ministerkomitees des Europarats vom 11. Januar 2006 widerspricht, weshalb sich seine Auslieferung an Nordmazedonien zur Strafvollstreckung nach § 73 IRG jedenfalls gegenwärtig als unzulässig erweist.
Infolge der Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an Nordmazedonien ist der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 4. April 2024 aufzuheben und der Verfolgte unverzüglich aus der Haft zu entlassen.