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Entscheidung 2 O 17/21


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 2. Zivilkammer Entscheidungsdatum 27.06.2023
Aktenzeichen 2 O 17/21 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2023:0627.2O17.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Steuerberatervertrags in Anspruch.

Der Kläger ist Arzt und betreibt selbständig eine Praxis für Allgemeinmedizin. Der Beklagte war als Steuerberater für den Kläger tätig. Unter anderem war der Beklagte damit beauftragt, für die Jahr 2004 bis 2012 die Einkommenssteuererklärungen für den Kläger zu fertigen. Bei der Gewinnermittlung wurde die sogenannte Praxisgebühr bei den Umsätzen des Klägers nicht erfasst. Dadurch wurden die Gewinne zu gering ausgewiesen und der Kläger zahlte zu wenig Einkommenssteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag. Im Jahr 2016 ordnete das Finanzamt … eine steuerliche Außenprüfung bei dem Kläger für die Jahre 2010 bis 2012 an. Im März 2016 meldete die neue Steuerberaterin des Klägers …, dass versehentlich die Praxisgebühren in den Jahren 2009 bis 2012 nicht als Einnahmen erfasst worden seien. Gegen den Kläger wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Der Prüfungszeitraum wurde auf die Jahre 2004 bis 2009 erweitert. Die Prüfung führte zu verschiedenen Beanstandungen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfbericht vom 15.11.2016 (Bl. 36 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Finanzamt … erließ für den Zeitraum von 2004 bis 2012 geänderte Einkommensteuerbescheide. Danach hatte der Kläger unter anderem Zinsen in Höhe von insgesamt 73.407,- € zu zahlen. Gegen die Bescheide legte der Kläger Einspruch ein. Die Einsprüche wurden zurückgewiesen. Die gegen die Zurückweisung der Einsprüche gegen die Bescheide betreffend die Jahre 2004 - 2009 erhobene Klage wies das Finanzgericht Berlin-Brandenburg rechtskräftig zurück (Bl. 324 ff. d.A.).

Der Kläger behauptet, die nunmehr für ihn tätige Steuerberaterin … habe im Zuge der Vorbereitung der Außenprüfung festgestellt, dass der Kläger aufgrund der Nichtberücksichtigung der Praxisgebühr zu wenig Steuern gezahlt habe. Der Beklagte sei umfassend mit der steuerlichen Beratung des Klägers und seiner Ehefrau beauftragt gewesen. Die Buchführungsordner mit sämtlichen Belegen seien ihm überreicht worden. Er habe ohne Weiteres erkennen können, dass die Praxisgebühren angefallen seien, da diese in den Abrechnungen offen ausgewiesen seien. Dem Beklagten habe als Fachmann auch bekannt sein müssen, dass die Praxisgebühren dem Einkommen des Klägers hätte hinzugerechnet werden müssen. Den hierdurch entstandenen Schaden habe der Beklagte zu erstatten. Er beziffert seinen Schaden wie folgt:

Beratung und Vertretung im Steuerstrafverfahren 737,80 €
Zinsen 73.407,00 €
Kosten für die Aufarbeitung durch Steuerberaterin … 1.720,00 €
Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten imEinspruchsverfahren gegen die neuen Einkommenssteuerbescheide 3.047,35 €
insgesamt 78.912,15 €

Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift (Bl. 16 - 18 d.A.) verwiesen. Weiterer Schaden sei zu erwarten.

In einem von dem Beklagten erstellten Einnahmediagramm für das Jahr 2004 sei ihm aufgefallen, dass seine Einnahmen zurückgegangen seien. Er habe den Beklagten gefragt, ob dies an der neu eingeführten Praxisgebühr liegen könne. Dieser habe daraufhin gesagt, er habe es übersehen und angekündigt, es richtig zu stellen. Hierauf habe er sich verlassen. Der Wechsel des Steuerberaters sei bereits vor Ankündigung der Außenprüfung erfolgt, da der Kläger mit den Leistungen des Beklagten nicht mehr zufrieden gewesen sei.

Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage hat der Kläger am 08.01.2019 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an den Kläger 78.912,15 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden aufgrund der von ihm fehlerhaft erstellten Einkommenssteuererklärungen für den Zeitraum 2004 bis 2012 zu ersetzen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, nicht mit der Buchführung beauftragt gewesen zu sein. Die laufende Verbuchung der Geschäftsvorfälle habe - um Kosten zu sparen - die Ehefrau des Klägers unternommen. Lediglich in den Jahren 2008 und 2012 seien die Buchhaltungsaufgaben teilweise durch den Beklagten durchgeführt worden. Es seine Ausgabenbelege und Belege zu Barausgaben nacherfasst worden. Die Vorerfassung der Belege habe daher nicht zu seinen Aufgaben gehört. Er habe auftragsgemäß lediglich die von dem Kläger selbst erstellten Summen und Saldenlisten übernommen und daraus die Abschlüsse nebst der Gewinnermittlung erstellt. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben. Schadensersatzansprüche des Klägers kämen schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser sich gemäß dem Urteil des Finanzgerichts der vorsätzlichen Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus § 280 BGB nicht zu.

Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter einzuordnen. Der Auftrag des Beklagten bezog sich nicht nur auf eine konkrete Einzelleistung, so dass kein Werkvertrag anzunehmen ist. Der Beklagte erstellte vielmehr für den Beklagten über viele Jahre hinweg dessen Einkommenssteuererklärung. Dagegen kam es nicht jedes Jahr zu einer neuen einmaligen Beauftragung des Beklagten.

Verletzt der Steuerberater die vertraglich geschuldeten Pflichten, so ist er seinem Mandanten gemäß § 280 Abs. 1 BGB zur Schadensersatz verpflichtet. Für den steuerlichen Berater gelten auf seinem Fachgebiet die gleichen Sorgfaltsanforderungen, die an die Wahrnehmung der Pflichten aus einem Anwaltsvertrag zu stellen sind.

Die Einkommenssteuererklärung erfolgt jeweils auf der Grundlage der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG, also einer Einnahmen-Ausgaben-Überschussermittlung. Der Kläger arbeitete dem Beklagten bei der Ermittlung des Überschusses zu. Dabei kann offen bleiben, wie weit die Zuarbeit des Klägers ging. Denn der Beklagte war verpflichtet bei dem Mandanten nachzufragen, soweit ihm Unstimmigkeiten und Fehler in den überreichten Unterlagen aufgefallen sein sollten. Das Jahr 2004 war das erste Jahr, in dem die neu eingeführte Praxisgebühr angefallen ist. Der Beklagte als Fachmann auf dem Gebiet des Steuerrechts hatte danach Anlass, zu klären, ob und wie der Beklagte die Praxisgebühr in den von ihm überreichten Listen der Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt hatte. Zu den Pflichten des Steuerberaters gehört es, seinen Mandanten vor einer Steuerhinterziehung und den hiermit verbundenen Folgen zu bewahren. Nach seiner Darstellung hat er die Frage der Verbuchung der Praxisgebühr jedoch nicht angesprochen. Das ist insofern nachvollziehbar, als er auch heute trotz der eindeutigen Handhabung der Frage durch die Finanzbehörden immer noch die Auffassung vertritt, es sei fraglich, ob die vereinnahmten Praxisgebühren bei den Einnahmen zu berücksichtigen seien. Seine Pflichten als Steuerberater dürfte er hierdurch verletzt haben.

Die Frage kann indes offen bleiben. Denn auch wenn von einer Pflichtverletzung des Beklagten auszugehen sein sollte, so hat er dem Kläger die mit der Nichtangabe der vereinnahmten Praxisgebühren in den Steuererklärungen entstandenen Schäden nicht zu erstatten. Der Kläger hat nämlich an der Entstehung des Schadens in so wesentlichem Umfang mitgewirkt, dass er diesen selbst zu tragen hat, § 254 Abs. 1 BGB.

Nach seiner eigenen Darstellung, die er im Rechtsstreit erstmals mit Schriftsatz vom 27.10.2021 vorgetragen hat, ist dem Kläger bereits frühzeitig im Hinblick auf das Steuerjahr 2004 aufgefallen, dass seine Einnahmen nach einem von dem Beklagten zur Verfügung gestellten Diagramm spürbar zurück gegangen waren. Er hat dies nach seiner Darstellung mit der Praxisgebühr in Verbindung gebracht. Hintergrund konnte nur seine Befürchtung sein, dass die Praxisgebühr bei den Einnahmen nicht berücksichtigt worden war. Der Beklagte habe erwidert, ihm sei ein Fehler unterlaufen, den er richtig stellen werde. Der Kläger wusste danach frühzeitig, dass der Beklagte den Jahresüberschuss falsch, nämlich ohne Berücksichtigung der Praxisgebühr ermittelt hatte. Die Richtigstellung gegenüber den Finanzbehörden ist - für den Kläger erkennbar - nicht erfolgt. Der Kläger hat keine geänderte Steuererklärung für das Jahr 2004 unterzeichnet. Das Diagramm, welches den Jahresvergleich der Jahresergebnisse von 1998 bis 2008 zeigt (Bl. 289 d.A.) weist für das Jahr 2004 immer noch einen spürbaren Rückgang des Umsatzerlöses um ca. 40.000,- € aus. Hier ist offenbar nichts korrigiert worden. Der Kläger hat zudem für das Jahr 2004 eine Steuererstattung in Höhe von 12.000,- € erhalten. Danach lag es auf der Hand, dass eine Richtigstellung nicht erfolgt war. Der Kläger durfte sich unter diesen Umständen auch nicht darauf verlassen, dass der Beklagte für die Folgejahre 2005 bis 2012 die richtigen Umsatzzahlen zugrunde legen werde. Er hatte im Gegenteil jeden Anlass daran zu zweifeln, weil bereits für das Jahr 2004 eine falsche Steuererklärung gefertigt und nicht korrigiert worden war. Dennoch hat er die Steuererklärung für die Folgejahre, die ebenfalls von einem falsch ermittelten Gewinn ausgingen, unterzeichnet. Für das Landgericht ist es ebenso wie für das Finanzgericht Berlin-Brandenburg kaum vorstellbar, dass der Kläger nicht gemerkt hat, dass die Angaben in den Steuererklärungen zu seinem jeweiligen Jahresgewinn von den wirklich erzielten Gewinnen erheblich abwichen. Es kommt indes nicht darauf an, ob der Kläger von den falschen Angaben positive Kenntnis hatte. Jedenfalls hat er vor einem möglichen Fehler des Beklagten in Missachtung seiner eigenen Interessen die Augen verschlossen und Steuererklärungen unterzeichnet, von denen er hätte wissen müssen, dass diese falsch waren. Damit hat er die in eigenen Angelegenheiten aufzuwendende Sorgfalt missachtet und außer Acht gelassen, was zu beachten für jeden Teilnehmer am Rechtsverkehr auf der Hand lag. Er hat die eigenen Interessen so erheblich außer Acht gelassen, seine Obliegenheiten also so erheblich verletzt, dass er den hiermit verbundenen Schaden allein zu tragen hat. Ein mögliches Verschulden des Beklagten tritt hinter das „Verschulden des Klägers gegen sich selbst“ (vgl. MüKo, BGB, 9. Aufl., § 254 Rnr. 3) zurück. Er muss daher den Rechtsnachteil hinnehmen, seinen Schaden nicht ersetzt zu erhalten.

Soweit der Kläger ohne nähere Erläuterung weitere Fehlleistungen und Fehlbuchungen des Beklagten behauptet hat, ist nicht erkennbar, dass diese für den entstandenen Schaden mitursächlich waren.

Unter diesen Umständen bot die Klageänderung und Klageerweiterung vom 17.04.2023 keine Veranlassung die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zu Grunde.