Gericht | LG Neuruppin 2. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 29.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 T 46/22 | ECLI | ECLI:DE:LGNEURU:2023:0629.2T46.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die sofortige Beschwerde des sonstigen Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Prenzlau vom 02.06.2022, Az. 6 M 46/22, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors hin wird die Kostenrechnung des Obergerichtsvollziehers … vom 02.09.2021 (…) dahingehend geändert, dass die Gebühr KV 207 i.H.v. 16,00 € entfällt.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
I.
Die Gläubigerin beauftragte den Obergerichtsvollzieher … mit Vollstreckungsmaßnahmen aus einem Vollstreckungsbescheid, nämlich u.a. der Abnahme der Vermögensauskunft nach vorherigen Pfändungsversuch, dem Erlass eines Haftbefehls, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft nicht abgibt, der Weiterleitung des Haftbefehls an den Gerichtsvollzieher und der Verhaftung des Schuldners. Nach Erlass eines Haftbefehls nach § 802 g ZPO vom 16.07.2021 suchte der Gerichtsvollzieher am 27.08.2021 den Schuldner zum Zweck der Verhaftung auf. Der Schuldner wurde zur freiwilligen Abgabe der Vermögensauskunft bzw. zur freiwilligen Zahlung aufgefordert. Als er dem nicht nachkam, wurde der Schuldner verhaftet. Danach gab er die Vermögensauskunft ab.
Mit Kostenrechnung vom 02.09.2021 zum Geschäftszeichen … (Bl. 3 d.A.) stellte der Obergerichtsvollzieher 100,- € in Rechnung, u.a. eine Gebühr von 16,- € gemäß KV 207 für den Versuch einer gütlichen Erledigung.
Der Bezirksrevisor erhob mit Schreiben vom 24.05.2022 (Bl. 10 d.A.) Erinnerung gegen den Ansatz der Gebühr gemäß KV 207.
Mit Beschluss vom 02.06.2022 hat das Amtsgericht Prenzlau die Erinnerung zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 07.07.2022 hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Neuruppin Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Prenzlau eingelegt. Die Gebühr des KV 207 könne bei einem Verhaftungsauftrag nach § 802g ZPO nicht entstehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erinnerung vom 24.05.2022 (Bl. 10 f. d.A.) und die Beschwerdebegründung vom 07.07.2022 (Bl. 16 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 18.07.2022 nicht abgeholfen.
Die Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom 30.05.2023 der Kammer übertragen.
II.
Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Gerichtsvollzieher hat in seiner Kostenrechnung zu Unrecht eine Gebühr in Höhe von 16,- € für den Versuch einer gütlichen Einigung nach Nr. 207 KV GvKostG erhoben.
In Betracht kommt nur die Entstehung der nach Nr. 208 KV GvKostG reduzierten Gebühr. Ist der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer Sachpfändung oder der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt, so ermäßigt sich die Gebühr auf 8,- €. Die volle Gebühr nach Nr. 207 KV GvKostG fällt für den Versuch der gütlichen Erledigung i.S.v. §§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 802b ZPO an, wenn der Gerichtsvollzieher nicht gleichzeitig mit der Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO) oder der Sachpfändung (§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO) beauftragt ist. Hauptsächlicher Anwendungsbereich für den Gebührentatbestand ist der isolierte Auftrag zur gütlichen Erledigung.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr war der Gerichtsvollzieher gerade mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt. Zwar handelt es sich bei dem Auftrag zur Vollziehung des Haftbefehls nach § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG um einen besonderen Auftrag. Daneben bleibt jedoch der ursprünglich erteilte Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft weiterhin anhängig. Die Verhaftung dient der Durchsetzung des Anspruchs auf Erteilung der Vermögensauskunft. Entsprechend hat der Schuldner auch hier die Vermögensauskunft nach der Verhaftung erteilt. Davon ausgehend kommt allenfalls die Entstehung einer reduzierten Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG in Betracht (ebenso Richter/Zuhn: Gerichtsvollzieherkosten im Rahmen der Vollziehung des Haftbefehls, DGVZ 2020, 194, 197; Herrfurth: Verfahrensrechtliche und kostenrechtliche Einordnung von Verhaftung und gütlicher Einigung, DGVZ 2020, 116; OLG Celle, DGVZ 2022, 69; LG Osnabrück, DGVZ 2021, 94; Schröder-Kay, 14. Aufl., Nr. 207, 208 Rn. 26).
Auch eine solche Gebühr ist jedoch nicht entstanden. Die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG ist bereits im vorangegangenen Verfahren über die Vermögensauskunft (DR II 183/21) angefallen. Ob die Gebühr mehrfach angesetzt werden kann, richtet sich nach § 10 GvKostG. Es kommt darauf an, ob die gütliche Einigung in mehreren kostenrechtlichen Aufträgen versucht worden ist. Ein erneuter Gebührenansatz kommt nur in Betracht, wenn die Fortsetzung des Verfahrens zur Erlangung der Vermögensauskunft gemäß § 3 Abs. 4 S. 3 GvKostG einen neuen Auftrag darstellt. Das ist der Fall, wenn der Verhaftungsauftrag nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 3 Abs. 4 S. 3 GvKostG erteilt worden ist. So liegt der Fall hier nicht, die Frist war noch nicht abgelaufen. Es handelt es sich danach um die Durchführung desselben Auftrags, so dass die Gebühr nur einmal erhoben werden kann.
Aus § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG folgt nichts anderes. Die Regelung betrifft allein die im Zusammenhang mit der Verhaftung des Schuldners entstehenden Gebühren und Auslagen. Auf andere Kostentatbestände innerhalb des Auftrags hat die Regelung keinen Einfluss (OLG Celle, Beschluss v. 10.12.2021 - 2 W 182/21 -, BeckOnline).
Dem Bezirksrevisor ist im Übrigen darin zuzustimmen, dass die Gebühr für die gütliche Erledigung nicht sowohl in dem Verhaftungsverfahren als auch im Zusammenhang mit der Vermögensauskunft entsteht. Bezüglich des Haftauftrags wird der Auftrag zur gütlichen Erledigung nämlich nicht durch § 802a Abs. 2 ZPO fingiert. Der Versuch der gütlichen Erledigung findet danach allein in dem Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft statt, das sich fortsetzt (OLG Celle, a.a.O.). Ob hier erneut eine reduzierte Gebühr anfällt hängt - wie bereits dargestellt - allein von der Frage ab, ob derselbe Auftrag i.S. des § 10 GvKostG vorliegt.
Die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers war daher in Höhe von 16,00 EUR zu kürzen. Auf die Höhe der Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG hatte die Korrektur keine Auswirkung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 66 Abs. 8 GKG, 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG.
Da die strittige Rechtsfrage noch nicht obergerichtlich geklärt ist, war gemäß § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zuzulassen.