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Entscheidung 3 U 51/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 23.07.2024
Aktenzeichen 3 U 51/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0723.3U51.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.03.2024 - 18 O 48/24 - wird abgeändert.

Den Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall von insgesamt zwei Jahren untersagt,

sich der Verfügungsklägerin auf dem Grundstück W… Straße …, 1… B… in einer Entfernung unterhalb von fünf Metern zu nähern und die Verfügungsklägerin auf dem Grundstück W… Straße …, 1… B… in irgendeiner Form anzusprechen.

2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin in erster Instanz tragen die Verfügungsbeklagte zu 1 einen Anteil von 2/3 und der Verfügungsbeklagte zu 2 einen Anteil von 1/3. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Verfügungsbeklagten jeweils selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Verfügungsbeklagten jeweils zur Hälfte zu tragen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000 € festgesetzt. Der Streitwert für die erste Instanz wird auf 12.000 € abgeändert.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat Erfolg.

1.

Dass für den ursprünglichen Antrag zu 1 gemäß § 23 S. 1 Nr. 2 a) GVG streitwertunabhängig die ausschließliche amtsgerichtliche Zuständigkeit bestand, ist im Berufungsverfahren gemäß § 513 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.

2.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung von persönlichen Kontaktaufnahmen und auf ein Näherungsverbot gemäß §§ 1004 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (BGH, NJW 1996, 1128, 1129; BGH NJW 2011, 1005 Rn. 8). Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und ggf. in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will (BGH, Urteil vom 08.02.2011 − VI ZR 311/09, Rn. 8, juris; OLGR Köln 1992, 57). Das unmissverständliche, deutliche und ernstliche Verbot, mit dem Betroffenen Kontakt aufzunehmen, ist vom Erklärungsempfänger zu respektieren (OLG Brandenburg, ZEV 2020, 493 Rn. 21). Der ausdrücklich geäußerte Wille, von dem Adressaten in Ruhe gelassen zu werden, ist als Ausfluss des personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, in welcher Weise zuvor Kontakte stattgefunden und ob sie verletzenden Charakter gehabt haben. Entscheidend ist allein die Nichtbeachtung des Willens. Jeder hat diesen Willen zu respektieren und eventuelle notwendige Kontakte durch Vermittlung dritter Personen herzustellen. Wird dieser Wille missachtet, hält sich der Angesprochene nicht an das nachdrückliche Ersuchen des Betroffenen, Kontakte mit ihm zu unterlassen, so verletzt der mit dem Kontaktverbot belegte andere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (LG Oldenburg, NJW 1996, 62). Ein ausdrücklich ausgesprochenes Verbot ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn der zuvor stattgefundene Kontakt selbst bereits das allgemeine Persönlichkeitsrecht in erheblichem Maße verletzt hat (so bei Telefonterror, siehe LG Oldenburg, a. a. O.).

Schon nach ihrem eigenen Vortrag missachten die Verfügungsbeklagten beharrlich den Wunsch der Verfügungsklägerin, von ihnen in Ruhe gelassen zu werden.

a)

Die Verfügungsbeklagte zu 1 hat in ihrer erstinstanzlichen persönlichen Anhörung eingeräumt, am 11.03.2024 - nachdem sie den verfahrenseinleitenden Antrag zur Kenntnis genommen habe - persönlich Kontakt zur Verfügungsklägerin aufgenommen zu haben, um diese zur Unterzeichnung einer von ihr vorbereiteten eidesstattlichen Versicherung (Anlage AST 13) zu bewegen, was die Verfügungsklägerin abgelehnt hat. Mit der vorbereiteten Erklärung sollte die Verfügungsklägerin nach dem Willen der Verfügungsbeklagten eidesstattlich versichern, dass sie den verfahrenseinleitenden Antrag nicht gestellt und Rechtsanwalt S… nicht bevollmächtigt, sondern lediglich die eidesstattliche Versicherung vom 27.02.2024 (AST 1) für Herrn M... unterzeichnet habe, damit dieser das Schriftstück in seinem strafrechtlichen Berufungsverfahren vorlegen könne. Am 12.03.2024 hat die Verfügungsbeklagte bei der Verfügungsklägerin geklingelt, um nachzufragen, ob sie die eidesstattliche Versicherung nun unterzeichne. Die Verfügungsklägerin hat aber nicht geöffnet. Die Verfügungsbeklagte hat - wie sie im Berufungsverfahren in ihrer eidesstattlichen Versicherung einräumt - bei der Verfügungsklägerin am 14.05.2024 erneut geklingelt, um eine Wohnungsangelegenheit zu besprechen. In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat hat die Verfügungsbeklagte geäußert, dass sie die Verfügungsklägerin „natürlich“ anspreche. Die Verfügungsbeklagte missachtet demnach beharrlich den Wunsch der Verfügungsklägerin, persönliche Kontaktaufnahmen zu unterlassen, und bekundet, dies auch weiterhin tun zu wollen.

b)

Auch der Verfügungsbeklagte zu 2 gibt regelmäßige Gesprächskontakte mit der Verfügungsklägerin zu, die aber nach seiner Behauptung stets von der Verfügungsklägerin ausgingen. So spreche ihn die Verfügungsklägerin wegen Mietangelegenheiten an, etwa am 07.05.2024 wegen des Badestegs, wie er in seiner persönlichen Anhörung gesagt hat. In einem Gespräch am 26.05.2024 soll es um die Beseitigung der in der Wohnung der Verfügungsklägerin vorhandenen Mängel gegangen sein. Hingegen will er die Verfügungsklägerin nicht - wie diese eidesstattlich versichert hat - gefragt haben, wann sie ausziehe, und nicht gesagt haben, dass er die Schnauze voll habe und alles noch viel schlimmer werde.

Soweit der Verfügungsbeklagte zu 2 glauben machen will, die von ihm eingeräumten Gesprächskontakte gingen von der Verfügungsklägerin aus, ist dies nicht glaubhaft. So hatte der Verfügungsbeklagte zu 2 als Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 1 die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 25.04.2024 (Anlage AST 19) unter Fristsetzung und Androhung einer Anzeigenerstattung und Ersatzvornahme für den Fall der Nichterledigung aufgefordert, den Bootssteg um eine Fläche von 13,375 m² zurückzubauen. Dass die Verfügungsklägerin ihn am 07.05.2024 auf den Bootssteg angesprochen haben soll, ist durch das eigene Schreiben des Verfügungsbeklagten zu 2 vom 13.05.2024 widerlegt (Anlage AST 20). Damit hat er die Verfügungsklägerin wegen des noch nicht erfolgten Rückbaus des Bootstegs gemahnt, wobei er einleitend ausführte, sie habe auf das Schreiben vom 25.04.2024 nicht reagiert.

c)

Soweit beide Verfügungsbeklagten ihr Verhalten auch damit verteidigen, dass der vorliegende Antrag nicht dem Willen der Verfügungsklägerin entspreche, sondern in Wahrheit von H… M... betrieben werde, und sie ein völlig entspanntes Verhältnis mit der Verfügungsklägerin hätten, ist das realitätsfern.

Die Verfügungsbeklagten konnten schon erstinstanzlich nicht mit ihrer Vollmachtsrüge durchringen, weil die schließlich im Original vorgelegte Vollmacht von der Verfügungsklägerin unstreitig unterschrieben ist. Die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts greifen die Verfügungsbeklagten auch im Berufungsverfahren nicht an.

Dass das vorliegende Verfahren von der Verfügungsklägerin initiiert und gewollt ist, kommt auch in ihrer Weigerung zum Ausdruck, die von der Verfügungsbeklagten zu 1 vorbereitete eidesstattliche Versicherung zu unterschreiben.

Die Verfügungsklägerin unterzeichnet auch nicht etwa blindlings von H… M... oder ihrem Prozessbevollmächtigten vorgefertigte eidesstattliche Versicherungen. Vielmehr hat sie in eigener Initiative handschriftlich festgehalten, dass und mit welchen Worten der Verfügungsbeklagte zu 2 sie am 07.05., 22.05. Und 26.05.2024 angesprochen hat (Anlage zum Schriftsatz vom 17.06.2024).

Die Verfügungsklägerin hat mehrfach und in verschiedener Form ihren unmissverständlichen und ernsthaften Willen manifestiert, von den Verfügungsbeklagten in Ruhe gelassen zu werden, was verständlich ist, versuchen diese doch schon seit Jahren, die Verfügungsklägerin mit unlauteren Mitteln aus ihrer Wohnung zu drängen.

So hat das Amtsgericht Strausberg mit Urteil vom 09.06.2022 - 24 C 252/220 (Anlage AST 4) eine Räumungsklage der Verfügungsbeklagten zu 1 abgewiesen, die sich auf insgesamt sechs Kündigungserklärungen, nämlich vom 27.01.2020, 29.07.2020, 17.09.2020, 23.12.2021, 17.03.2022 und vom 29.03.2022 gestützt hat. Zwei der Kündigungserklärungen waren auf einen angeblichen Eigenbedarf gestützt, den das Amtsgericht nachvollziehbar als offenbar vorgeschoben gewertet hat. Denn der seinerzeit 90 Jahre alte Vater der Verfügungsbeklagten zu 1, der angeblich die Wohnung der Verfügungsklägerin benötigte, hatte sich selbst unter dem 12.05.2021 schriftlich dahingehend geäußert, er wolle in seiner Wohnung in der H…straße … in B… bleiben. Auch hatte ausweislich der amtsgerichtlichen Feststellungen ein weiteres Familienmitglied – A… S… - erklärt, die Verfügungsklägerin instrumentalisiere ihren Vater nur für ihre persönlichen Immobilieninteressen. Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass die Verfügungsklägerin - mit demselben Erklärungsmuster wie im vorliegenden Fall - behauptete, die Erklärung entspreche nicht dem Willen ihres Vaters, sondern sei nur abgegeben worden, weil er Angst habe, sonst nicht von seinem Sohn besucht zu werden. Die später auf den vermeintlichen Eigenbedarf des Verfügungsbeklagten zu 2 gestützte Kündigung hat das Amtsgericht ebenfalls für unwirksam erachtet, weil es die Aussage des Verfügungsbeklagten zu 2 nachvollziehbar als nicht glaubhaft gewürdigt hat. Das Amtsgericht wirft mithin der Verfügungsbeklagten zu 1 einen versuchten Betrug durch vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen und dem Verfügungsbeklagten zu 2 eine uneidliche Falschaussage vor, wobei es auch die vielfachen Versuche der Verfügungsbeklagten zu 1 gewürdigt hat, das Mietverhältnis zu beenden. Die fristlosen Kündigungen wegen angeblicher Beleidigungen seitens der Verfügungsklägerin waren nach den Feststellungen des Amtsgerichts durch nichts unterlegt.

Das Ziel, das Mietverhältnis zu beenden bzw. die Verfügungsklägerin zu einem freiwilligen Auszug zu bewegen, verfolgt die Verfügungsbeklagte zu 1 nach wie vor, wie sie auch selbst zugibt. Inzwischen hat sie durch anwaltliches Schreiben vom 06.06.2024 (Anlage AST 26) eine erneute Kündigung des seit 1980 bestehenden Mietverhältnisses wegen der angeblichen Nutzung nicht gemieteter Räume (was bereits Gegenstand des vorgenannten amtsgerichtlichen Räumungsprozesses gewesen ist) und wegen angeblicher illegaler Um- und Ausbauten ausgesprochen. Dem vorausgegangen waren die vom Verfügungsbeklagte zu 2 als ihr Vertreter verfassten Schreiben vom 25.04.2024 (Anlage AST 19), vom 13.05.2024 (Anlage AST 20), vom 14.05.2024 (Anlage AST 21 und AST 22), mit denen er die Verfügungsklägerin zum Rückbau diverser Um- und Ausbauten aufgefordert hat. Derzeit sind - wie bereits erwähnt - wieder zwei Verfahren zwischen den Mietvertragsparteien vor dem Amtsgericht anhängig.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig unplausibel, wenn die Verfügungsklägerin zu 1 in ihrer persönlichen Anhörung vom 13.03.2024 behauptet, sie habe mit der Verfügungsklägerin nach „Räumungsfragen“ vereinbart, immer alles persönlich zu besprechen, da es sich dabei um Missverständnisse gehandelt habe, die durch Herrn M... verursacht worden seien; die Verfügungsklägerin habe ausziehen wollen, bis sich Herr M... eingemischt habe (den sie laut Schriftsatz vom 20.03.2024 als Drahtzieher einer gegen sie gerichteten Verschwörung wähnt). Soweit H... M... die Verfügungsklägerin unterstützt, mag er zwar auch eine eigene Agenda verfolgen. Das ändert aber nichts daran, dass die Verfügungsklägerin in erster Linie selbst ein fundamentales Interesse an dem beantragten Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot in Form persönlicher Ansprache hat. So hat sie mit eidesstattlicher Versicherung vom 20.03.2024 erklärt, es sei kein Missverständnis gewesen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1 versucht habe, ihr mit unwahren Angaben die Wohnung durch eine Räumungsklage zu nehmen, sondern eine Bösartigkeit, die sie bis heute zur Verzweiflung bringe (AST 15).

Ungeachtet dessen halten die Verfügungsbeklagten aber an ihrer unglaubhaften Version fest, das Verhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens sei völlig normal bis entspannt und man führe regelmäßig Gespräche über mieterbedingte Fragen, die von der Verfügungsklägerin ausgingen (so die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsbeklagten zu 2 vom 15.07.2024). Die Verfügungsbeklagte hat etwa in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am 13.03.2024 das Verhältnis zur Verfügungsklägerin als entspannt bezeichnet, in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.06.2024 hingegen als distanziert, aber respektvoll. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.03.2024 führt die Verfügungsbeklagte unter ausdrücklicher Ausblendung der beiden am Amtsgericht Strausberg anhängigen Zivilverfahren aus, es habe seit längerem keinen Streit mit der Verfügungsklägerin gegeben. Auch der Verfügungsbeklagte zu 2 will mit seiner eidesstattlichen Versicherung vom 15.07.2024 glaubhaft machen, das Verhältnis zur Verfügungsklägerin sei „seit langem völlig entspannt“. In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat schwankten die Angaben beider Verfügungsbeklagten zwischen „entspannt“, „normal“, „kühl“ und „distanziert“. Diese Schilderung widerspricht jeglicher Lebenserfahrung.

c)

Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist hier auch als rechtswidrig zu qualifizieren. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht lässt sich seine Reichweite nicht absolut festlegen, sondern muss durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, NJW 2018, 3506; BGH, NJW 2010, 2432).

Nach dieser Maßgabe überwiegt das Interesse der Verfügungsklägerin, das hochrangige Individualrechtsgüter betrifft, dasjenige der Verfügungsbeklagten. Zwar muss die Verfügungsbeklagte zu 2 in mietrechtlichen Angelegenheiten Kontakt mit der Verfügungsklägerin aufnehmen. Dies kann aber auch in schriftlicher Form erfolgen. Es ist kein notwendig persönlich zu realisierendes Kontaktbedürfnis der Verfügungsbeklagten dargetan.

Auch die Kontaktaufnahmen seitens des Verfügungsbeklagten zu 2 sind rechtswidrig, weil sie dem erklärten Willen der Verfügungsklägerin entgegenstehen und der Verfügungsbeklagte keine schützenswerten rechtlichen Interessen an einer persönlichen Kontaktaufnahme hat, selbst wenn er nunmehr als Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 1 in mietrechtlichen Angelegenheiten agiert.

c)

Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 BGB besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Notwendig ist eine am Einzelfall orientierte Interessenabwägung, wobei eine Folgenabschätzung vorzunehmen ist. Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile des Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.10.2018 - 3 W 1932/18, Rn. 16, juris; Zöller/G. Vollkommer, a. a. O., § 940 Rn. 1 m. ww. N.).

Es besteht hier ein dringendes Regelungsbedürfnis. Von dem Grundsatz, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden darf, sind die Fälle ausgenommen, in denen der Verfügungskläger dringend auf einen gerichtlichen Titel angewiesen ist und ihm ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann. Letzteres gilt für Ansprüche auf Unterlassung insbesondere in den Fällen, in denen eine Wiederholung des streitgegenständlichen Verhaltens konkret zu befürchten ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 U 25/19, Rn. 13, juris). Dies ist hier angesichts der wiederholten Kontaktaufnahmen im laufenden Verfahren seitens beider Verfügungsbeklagten zu bejahen.

3.

Die Ordnungsmittelandrohung erfolgt gemäß § 890 ZPO.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.

Hinsichtlich des ursprünglichen Antrags zu 1 haben die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagte zu 1 das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Es liegt - entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten - eine Teilerledigungserklärung hinsichtlich des Antrags zu 1 seitens der Verfügungsklägerin vor. Diese ist mit Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 24.03.2024 ausdrücklich erfolgt und in der Berufungsbegründung (dort im Antrag und auf S. 7) wiederholt worden. Angesichts der vorgenannten eindeutigen Erklärungen ist die Rechtsauffassung der Verfügungsbeklagten nicht nachvollziehbar, zumal eine Erledigungserklärung nicht notwendig ausdrücklich, sondern auch schlüssig erfolgen kann (Zöller/Althammer, a. a. O., § 91a ZPO, Rn. 10). Die Verfügungsbeklagte hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 12.06.2024 angeschlossen.

Infolge der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung ist insoweit gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei entspricht es grundsätzlich billigem Ermessen, der Partei, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen wäre, die Kosten aufzuerlegen (BGH, Beschluss vom 24.07.2019 – XII ZB 562/18, Rn. 6, juris).

Die Verfügungsbeklagte wäre hier ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen.

a)

Die Verfügungsklägerin hatte gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots aus dem zwischen ihnen bestehenden Mietvertrag, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Empfang von Besuch zählt als sozialadäquat offensichtlich zum Gebrauchsrecht des Mieters. Dies schließt es zwar nicht aus, dass der Besuch durch einzelne Personen vertragswidrig sein kann, weil die Interessen des Vermieters dem Besuch entgegenstehen. Solche Ausnahmefälle liegen insbesondere vor, wenn der Besucher in der Vergangenheit nachhaltig bzw. schwerwiegend den Hausfrieden gestört hat (etwa durch Beleidigungen und tätliche Angriffe) und zu besorgen ist, dass sich solche Störungen wiederholen (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, BGB § 535 Rn. 617). Die schwere Störung des Hausfriedens rechtfertigt einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Position des Mieters, so dass der Vermieter dem Dritten gegenüber ein Hausverbot aussprechen kann, an das sich der Mieter zu halten hat (BeckOK BGB/Zehelein, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 535 Rn. 530 m. w. N.). Denn Besucher, die sich im Einverständnis mit dem Mieter in der Wohnung aufhalten, sind im Hinblick auf die Einhaltung des Hausfriedens als Erfüllungsgehilfen des Mieters anzusehen, deren Verhalten sich dieser mithin nach § 278 BGB zurechnen lassen muss (BGH, NZM 2017, 26 Rn. 17).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Verfügungsbeklagte hat dem Besucher der Verfügungsklägerin - H... M... - zu Unrecht ein Hausverbot erteilt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass er den Hausfrieden gestört hätte. Das trägt die Verfügungsbeklagte auch nicht vor. Sie hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 12.03.2024 lediglich pauschal behauptet, der H... M... habe sich wiederholt hoch aggressiv ihr und Dritten gegenüber verhalten. Dass diese nicht näher dargelegten und deshalb nicht einlassungsfähigen Vorfälle sich im von der Verfügungsklägerin bewohnten Haus zugetragen hätten, behauptet die Verfügungsbeklagte nicht. Sie verweist zwar in diesem Zusammenhang auf eine Verurteilung des H... M... wegen Hausfriedensbruchs aufgrund der Hauptverhandlung vom 14.02.2024 vor dem Strafgericht. Abgesehen davon, dass diese nicht rechtskräftig ist, hat das Amtsgericht nach glaubhaft gemachtem Vortrag (siehe die eidesstattliche Versicherung des H... M... vom 17.05.2024, Anlage AST 16) das Hausverbot unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.10.2023 - 13 O 306/22 (Anlage AST 7) in einer äußerungsrechtlichen Auseinandersetzung für rechtmäßig erachtet. Dabei geht es allein um Äußerungen, die der H... M... auf Plakaten bzw. im Internet getätigt hat (siehe hierzu auch die Entscheidung des 1. Senats vom 12.02.2024 - 1 U 4/23, Anlage AST 17), und gerade nicht in dem von der Beklagten bewohnten Miethaus der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsklägerin darf mithin nach Belieben Besuch von H... M... empfangen.

b)

Es bestand auch ein Verfügungsgrund. Denn das unrechtmäßig erteilte Hausverbot für den H... M... beeinträchtigt die Verfügungsklägerin permanent in ihrer grundgesetzlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrem mietvertraglichen Recht auf Empfang von Besuchern. Schützenswerte Belange der Verfügungsbeklagten oder negative Folgen für sie durch Rücknahme des Hausverbots sind nicht ersichtlich.

Die Verfügungsklägerin hat auch nicht durch ihr Verhalten Anlass zu der Annahme gegeben, die Sache sei nicht besonders dringlich für sie. Eine Selbstwiderlegung der nicht vermuteten Dringlichkeit kommt zwar in Frage, wenn der Antragsteller in Kenntnis aller Umstände zu lange bis zur Stellung des Verfügungsantrages zuwartet (OLG Saarbrücken, Beschluss vom - 5 W 81/19, Rn. 9, juris; Zöller/G. Vollkommer, a. a. O:, § 935 Rn. 12 m. w. N.). Wann die Verfügungsbeklagte hier das Hausverbot erteilt hat, ist der Akte nicht zu entnehmen. Es muss aber schon vor geraumer Zeit gewesen sein, wenn dieses als Grundlage für die am 14.02.2024 erfolgte strafrechtliche Verurteilung wegen Hausfriedensbruch diente. Der H... M... hat sich aber bis zu seiner strafrechtlichen Verurteilung (zu Recht) nicht an das Hausverbot gehalten, so dass die Verfügungsklägerin erst ab dem 14.02.2024 Veranlassung hatte, die streitgegenständliche einstweilige Verfügung zu beantragen. Denn seitdem traut sich H... M... nicht mehr, sie zu besuchen, wie die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift vorgetragen hat.

4.

Eine Entscheidung zur sofortigen Vollstreckbarkeit ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht veranlasst (MüKo/Götz, ZPO, 6. Aufl., § 704 Rn. 15). Denn das Urteil wird mit seiner Verkündung rechtskräftig; eine Revision ist nicht möglich, § 542 Abs. 2 ZPO.

5.

a)

Den Streitwert für die erste Instanz ändert der Senat gemäß § 63 Abs. 1 Ziffer 2 GKG auf 12.000 €.

In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist in Anwendung von § 3 Hs. 1 ZPO, § 48 Abs. 2 S. 1 GKG der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen.

Mit dem Antrag zu 1 hat die Verfügungsklägerin die Rücknahme eines Hausverbots gegen einen ihrer Besucher von der Verfügungsbeklagten als ihrer Vermieterin verlangt. Der Wert richtet sich in einem solchen Fall nicht nach §§ 8, 9 ZPO, weil diese Vorschriften nur heranzuziehen sind, wenn das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig und der Beendigungszeitpunkt ungewiss ist oder sich die streitige Zeit nicht ermitteln lässt. Streiten die Parteien hingegen nur über die Berechtigung des Mieters, die Mietsache in einer bestimmten Art und Weise nutzen zu dürfen, und ist hierbei der Bestand des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig, ist für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands allein § 3 ZPO maßgeblich (BGH, Beschluss vom 13.11.2019 – XII ZB 382/19, Rn. 8, juris). Die Beeinträchtigung durch das Hausverbot bewertet der Senat mit 4.000 €.

Bei Unterlassungsanträgen ist nach § 3 Hs. 1 ZPO das Interesse des Klägers an der Verhinderung bzw. Beseitigung der Beeinträchtigungen maßgeblich (Musielak/Voit/Heinrich, 21. Aufl. 2024, ZPO § 3 Rn. 36). Sind diese nichtvermögensrechtlicher Art, ist nach § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu bewerten (BGH 30.11.2004 – VI ZR 65/04). Die Beeinträchtigung der Verfügungsklägerin durch die unerwünschte Kontaktaufnahme seitens der beiden Verfügungsbeklagten bewertet der Senat ebenfalls mit je 4.000 € je Störer. Denn nach § 5 ZPO sind mehrere in eiern Klage geltend gemachte Ansprüche nach ihrem Streitwert zusammenzurechnen, und zwar auch wenn inhaltsgleiche Unterlassungsansprüche gegen eine Mehrzahl von Schuldnern geltend gemacht werden (OLG Hamburg, Beschluss vom 13.07.2006 - 5 W 89/06, Rn. 3, juris, m. w. N.).

Ein prozentualer Abschlag ist hier nicht vorzunehmen, obwohl es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt. § 53 Abs. Nr. 1 GKG verweist auf § 3 ZPO. Im Allgemeinen liegt der Streitwert unter dem der Hauptsache, weil das für Eilverfahren bzgl. des Streitwerts maßgebende Interesse des Antragstellers an der Sicherung (Sicherstellung) im Regelfall das Befriedigungsinteresse nicht erreicht (Zöller/Herget, ZPO, 35. Auflage, 2024, § 3 ZPO, Rn. 16.63). Wenn aus der Sicht des Antragstellers die Erwartung berechtigt ist, das vorläufige Verfahren werde zu einer abschließenden Lösung führen, geht die Rechtsprechung aber bis zum Hauptsachewert (Zöller/Herget, a. a. O. m. w. N.). Dies wird bei Unterlassungsansprüchen bejaht, da der Antragsteller nicht nur die Sicherung, sondern die Befriedigung seines Unterlassungsanspruchs für die - bei Antragstellung noch unabsehbare - Dauer des Bestands der einstweiligen Verfügung anstrebt (vgl. OLG München, Beschluss vom 26.05.2009 – 29 W 1498/09, Rn. 4, juris).

b)

Der übereinstimmend für erledigt erklärte Antrag zu 1 ist in der zweiten Instanz nicht mehr gesondert zu bewerten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erhöhen die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den Streitwert und Wert der Beschwer nicht, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache noch im Streit ist (BGH, Beschluss vom 04. 04.2012 – IV ZB 19/11, Rn. 5, juris). Betrifft die übereinstimmende Teilerledigungserklärung demnach einen Teil der Hauptforderung - wie hier - (und ggf. dessen Nebenforderung), wird der Streitwert nach der restlichen Hauptforderung bestimmt (Zöller/Herget, a. a.O., § 3 ZPO, Rn. 16.67).

Der Streitwert für die zweite Instanz beträgt demnach 8.000 €.