Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 06.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 5 U 118/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0606.5U118.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30. Juni 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 1 O 100/22, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 50.000 €
I.
Die Klägerin, die zusammen mit ihrem damaligen Ehemann im Jahr 2018 vom Beklagten ein Hausgrundstück in B…-M… erworben hat, das vom „Schallschutzprogramm BER“ erfasst wird, nimmt den Beklagten wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die von der Klägerin in erster Linie erhobenen Feststellungsklagen mangels Feststellungsinteresse abgewiesen und dem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne als Vertragspartei Ansprüche gegen den Beklagten geltend machen, weil sie im Jahr 2020 den weiteren Miteigentumsanteil an dem Grundstück von dem damaligen Mitkäufer erworben habe. Zudem sei die erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom Beklagten erhobene Rüge der fehlenden Aktivlegitimation verspätet. Bei lebensnaher Betrachtung sei davon auszugehen, dass die Klägerin im Zuge der Eigentumsübertragung von ihrem Ehemann ermächtigt worden sei, im Wege der Prozessstandschaft oder infolge einer Abtretung den Anspruch geltend zu machen. Der Beklagte habe eine ihm obliegende Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt. Im Hinblick auf die Lage der Immobilie im Einzugsbereich des zukünftigen Flughafens BER stelle die Aufnahme in das Schallschutzprogramm, insbesondere die bereits erfolgte Finanzierung von Schallschutzmaßnahmen durch die Flughafengesellschaft, einen Umstand dar, der für den Willensentschluss jedes potentiellen Käufers von Bedeutung sein könne und dies auch für die Klägerin gewesen sei. In dem notariellen Kaufvertrag finde sich weder ein Hinweis auf die Aufnahme des Objekts in das Schallschutzprogramm noch auf die bereits vom Beklagten vereinnahmte Zahlung. Auch eine entsprechende Information vor Abschluss des Kaufvertrages könne nicht festgestellt werden. Eine solche Aufklärung habe der Beklagte zudem weder in der Klageerwiderung noch in der mündlichen Verhandlung behauptet, sondern erstmals in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Mai 2023. Ungeachtet dessen, dass ein Schriftsatznachlass nur auf neues Vorbringen, nicht jedoch zu dem bereits in der Klageschrift vorgebrachten Sachvortrag in Betracht komme, genüge das Vorbringen in dem Schriftsatz vom 11. Mai 2023 nicht den Anforderungen an die Substantiierungspflicht. Eine Nachfristsetzung sei jedenfalls wegen der endgültigen Weigerung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe damit einen Anspruch auf Auskehrung und Erstattung der Entschädigungszahlungen für sie schallschutzmäßige Ertüchtigung des Objekts in Höhe der dem Beklagten gewährten Entschädigung. Etwaige Mehrkosten seien nicht erstattungsfähig. Die von der Klägerin in erster Linie erhobene Feststellungsklage sei dagegen unzulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehle.
Gegen das ihm am 3. Juli 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam hat der Beklagte mit am 28. Juli 2023 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 4. Oktober 2023 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Er macht unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2023 darauf hingewiesen, dass es von einer Aufklärungspflicht des Beklagten ausgehe. Er, der Beklagte, habe dann gemäß dem Beschluss des Landgerichts Gelegenheit erhalten, auf die Erörterungen im Termin und den Schriftsatz der Gegenseite vom 16. Januar 2023 bis zum 11. Mai 2023 Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit habe er mit dem Schriftsatz vom 11. Mai 2023 genutzt und fristwahrend zu den Hinweisen Stellung genommen. Sein Vorbringen sei vom Landgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Er gehe weiter davon aus, dass eine Hinweispflicht nicht bestanden habe. Das Landgericht habe zudem fehlerhaft die Aktivlegitimation der Klägerin angenommen. Sie habe zudem erstmals in der mündlichen Verhandlung ihren Schadensersatzanspruch beziffert. Sie habe aber einen Schaden schon nicht schlüssig dargelegt, weil ihr ein Schadensersatz nur in Höhe der Kosten für die tatsächlich notwendigen Schallschutzmaßnahmen zustehe. Er habe aber schon bestritten, dass solche überhaupt erforderlich seien.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 30. Juni 2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 1 O 100/22, die Klage insgesamt abzuweisen und
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und
im Wege der Anschlussberufung dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz insgesamt aufzuerlegen.
Die Klägerin verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf diese. Mit ihrer Anschlussberufung, die sie, nachdem ihr mit der am 10. Oktober 2023 zugestellten Verfügung eine Berufungserwiderungsfrist von drei Wochen gesetzt worden war, mit am 31. Oktober 2023 eingegangenem Schriftsatz eingelegt hat, macht sie geltend, die Kostenentscheidung des Landgerichts sei fehlerhaft, weil die Streitwerte der Feststellungsklagen und der Zahlungsklage nicht hätten addiert werden dürfen. Der Streitwert sei allein nach dem gestellten Zahlungsantrag zu bemessen.
II.
A) Berufung
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht (§§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Abweisung der Klage insgesamt.
1.
Das Rechtsmittel des Beklagten hat bereits deshalb Erfolg und führt zur Abweisung auch der in I. Instanz noch hilfsweise geltend gemachten Zahlungsklage, weil die Klägerin nicht berechtigt ist, Zahlung an sich allein zu verlangen.
a) Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch aus einem Schuldverhältnis, nämlich dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Grundstück bzw. der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) geltend, das zwischen dem Beklagten einerseits und der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann als Käufer andererseits bestanden hat. Bei der danach auf der Gläubigerseite bestehenden Mehrheit von Gläubigern handelt es sich um eine Gläubigerschaft nach § 432 BGB und nicht um eine Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB.
Eine Gesamtgläubigerschaft nach § § 428 BGB besteht kraft Gesetzes, kraft Vertrages oder, bei entsprechender Eintragung im Grundbuch, an dinglichen Rechten. Weil diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist daher grundsätzlich eine Gläubigerschaft nach § 432 Abs. 1 BGB anzunehmen. Ob ausnahmsweise für den teilbaren und auf Geld gerichteten Rückzahlungsanspruch aufgrund einer Preisminderung die Annahme von Teilforderungen entsprechend den Miteigentumsquoten in Betracht kommt (so Münchener Kommentar/Heinemeyer, BGB, § 432 Rn. 7), kann dahinstehen, weil es vorliegend nicht um einen solchen Minderungsanspruch geht, sondern um einen Schadensersatzanspruch aus einer unteilbaren Pflichtverletzung (vgl. BGH NJW 1984, 795; Münchener Kommentar/Heinemeyer, a. a. O.).
Ist danach von einer Gläubigerschaft nach § 432 Abs. 1 BGB auszugehen, kann die Klägerin zwar den vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten geltend machen, aber nur Zahlung an sich und ihren vormaligen Ehemann als weiteren Käufer gemeinsam verlangen. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang angestellten Mutmaßungen zu einer Abtretung oder einer Prozessstandschaft, für die die Klägerin weder in I. noch in II. Instanz konkrete Tatsachen vorgetragen hat, können eine Berechtigung der Klägerin, Zahlung allein an sich selbst zu verlangen, nicht begründen.
b) Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2024 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Senat hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches von einer Gläubigerschaft nach § 432 Abs. 1 BGB ausgeht und daher die Klägerin nur berechtigt ist, mit der Klage einen Anspruch auf Zahlung an beide Gläubiger geltend zu machen, und sie demgemäß ihren Antrag umstellen müsse, weil sie nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht Zahlung an sich alleine verlangen könne.
Sie hat gleichwohl, auch nicht hilfsweise, Zahlung an sich und ihren damaligen Ehemann als weiteren Käufer beantragt, sondern es bei dem Antrag auf Zahlung nur an sich belassen, so dass die Berufung bereits deswegen Erfolg hat und zur Abweisung auch der Zahlungsklage führt.
c) Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2024 ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass sie nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht Zahlung an sich alleine verlangen könne und sie in der mündlichen Verhandlung weder einen solchen Antrag – auch nicht hilfsweise – gestellt noch einen Schriftsatznachlass auf den Hinweis zu dem aus Sicht des Senats sachdienlichen Antrags gestellt hatte, bestand für den Senat auch kein Anlass, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Gewährung einer Frist zu den in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen Stellung nehmen zu können, die mündliche Verhandlung zu vertagen oder von Amts wegen wiederzueröffnen.
Erfolgt ein Hinweis nach § 139 ZPO nicht bereits vor, sondern erst in der mündlichen Verhandlung, ist dieser rechtzeitig erteilt, wenn eine sofortige Äußerung nach den Umständen des Falls und den Anforderungen des § 282 Abs. 1 ZPO erwartet werden kann (vgl. BGH BeckRS 2009, 86576 Rn. 4; NJW-RR 2007, 412; BeckOK ZPO/von Selle, ZPO § 139 Rn. 48). Ist dagegen offensichtlich, dass sich die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergeht, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGH NJW-RR 2020, 574 Rn. 9; NJW 2018, 2202 Rn. 8; NJOZ 2014, 1001 Rn. 12 ff.; NJW-RR 2013, 1358 Rn. 7). Nach einer einschränkenden Auffassung soll eine Entscheidung, die auf einem erst in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis beruht, nicht notwendig eine unzulässige und den Anspruch auf rechtliches Gehör verkürzende Entscheidung sein. Dies soll nur der Fall sein, wenn die betroffene Partei darlegen kann, warum, wenn aufgrund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung eine sofortige Erklärung nicht abgegeben werden konnte, kein Schriftsatznachlass nach § 139 Abs. 5 ZPO beantragt worden ist (BVerfG BeckRS 2021, 13468 Rn. 24, beck-online; in diesem Sinne auch BeckOK ZPO/von Selle, ZPO § 139 Rn. 49.1).
Welcher Auffassung zu folgen ist, kann vorliegend dahinstehen, weil auch nach der insoweit engeren Auffassung des Bundesgerichtshofs in den zitierten Entscheidungen kein Anlass bestand, auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung zu vertagen oder sie gemäß § 156 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 ZPO wiederzueröffnen. Hinsichtlich des Hinweises auf die erforderliche Korrektur des Klageantrages war der anwaltlich vertretenen Partei eine Erklärung bzw. eine sachdienliche Antragstellung jedenfalls in der Weise, dass der Antrag auf Zahlung an beide Käufer jedenfalls hilfsweise gestellt wird, ohne weiteres zumutbar und möglich.
2.
Die Klage hat aber auch in der Sache deswegen keinen Erfolg, weil der Klägerin mangels Verletzung einer Aufklärungspflicht durch den Beklagten schon dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nicht zusteht.
a) Weil die Parteien hierüber eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen haben, ist allein die Lage des streitgegenständlichen Grundstücks in einem Bereich, der zur Aufnahme in das Schallschutzprogramm für den BER führt, kein Sachmangel im Sinne von § 434 BGB. Der geltend gemachte Anspruch kann daher nicht auf Vorschriften des Gewährleistungsrechts gestützt werden.
b) Ein Anspruch dem Grunde nach kann sich danach, wie vom Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen, aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241, 280 Abs. 1 BGB wegen der schuldhaften Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten des Beklagten als Verkäufer gegenüber der Klägerin als Käuferin ergeben.
aa) Eine Haftung des Verkäufers aus einer schuldhaften Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen kommt insbesondere in Betracht, wenn in dem fraglichen Umstand, über den der Käufer nicht in der gebotenen Weise informiert worden ist, kein Mangel im Sinne der Gewährleistungsvorschriften gesehen werden kann, weil dann für einen Vorrang der Gewährleistungsregeln von vorneherein kein Raum ist (MünchenerKommentar/Emmerich, BGB, § 311 Rn. 85 m. w. Nachw.).
Den Verkäufer treffen grundsätzlich dieselben Aufklärungspflichten wie andere Schuldner auch aufgrund der § 241 Abs. 2, § 242 und § 311 Abs. 2 BGB. Der Verkäufer muss also den Käufer vor Abschluss des Vertrages über solche Umstände aufklären, die dieser nicht kennt, die aber für seinen Vertragsentschluss, für den Verkäufer erkennbar, von wesentlicher Bedeutung sind, sofern dem Verkäufer die deshalb nötige Information des Käufers ohne weiteres möglich und nach der Verkehrsauffassung zumutbar ist (BGH NJW 2011, 3640 f. Rn. 7; BGH NJW-RR 1989, 211, 212). Eine Aufklärungspflicht besteht aber nur dann, wenn wegen besonderer Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen werden muss, dass der künftige Vertragspartner nicht hinreichend unterrichtet ist und die Verhältnisse nicht durchschaut (BGH, NJW 1997, 3230, 3231; NJW 2001, 2021, beck-online). Keine Aufklärungspflicht besteht dagegen hinsichtlich solcher Umstände, über die sich der Käufer ohne weiteres selbst informieren kann oder nach denen er fragen kann, wenn es ihm darauf ankommt (Münchener Kommentar/Emmerich, a. a. O., Rn. 81).
bb) Danach war der Beklagte im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen nicht verpflichtet, von sich aus ohne Nachfrage der Käuferseite darauf hinzuweisen, dass das Grundstück vom „Schallschutzprogramm BER“ erfasst wird und er bereits im Rahmen dieses Programms eine Entschädigungszahlung erhalten hat. Der Beklagte hat, von der Klägerin unwidersprochen, in diesem Zusammenhang bereits mit seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass der Planfeststellungsbeschluss „Lärmschutzkonzept BBI“ vom 20. Oktober 2009 und der Planfeststellungsbeschluss „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2014 öffentlich bekannt gemacht gewesen seien und sich aus diesen öffentlich zugänglichen Beschlüssen ergebe, dass das streitgegenständliche Grundstück im Lärmeinwirkungsbereich des Flughafens liege. Die Klägerin hielt diesem Vortrag in ihrem Schriftsatz vom 16. Januar 2023 in I. Instanz lediglich entgegen, es habe für sie keine vertragliche Neben- oder Hauptpflicht bestanden, sich über mögliche Lärmeinwirkungen auf den Kaufgegenstand zu informieren. Hätte sie die öffentlich-rechtlichen Planungen zur Kenntnis genommen, hätte sie zwar erfahren, dass es Entschädigungszahlungen der Flughafengesellschaft für bestimmte Grundstücke gab oder noch geben würde, mangels Auskunft des Klägers hätte sie aber annehmen müssen, dass sie selbst noch solche Entschädigungszahlungen erhalten würde oder der Verkäufer die Entschädigungszahlung für Lärmschutzmaßnahmen eingesetzt hätte.
Hinsichtlich der Belegenheit des Grundstücks im Einzugsbereich des zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffneten Flughafens verfügte der Beklagte als Verkäufer danach über keinen derartigen Wissensvorsprung, der ihn dazu hätte veranlassen müssen, von sich aus auf diesen Umstand und die bereits erhaltene Entschädigungszahlung hinzuweisen. Für die Klägerin war es ohne weiteres möglich und im eigenen Interesse geboten, sich über die Lage des Grundstücks und den Umstand, dass dieses im Bereich des Schallschutzprogramms BER liegt, aus den öffentlich zugänglichen Informationsquellen zu informieren. Es wäre in der Folge dann auch ihre Sache gewesen, entsprechend im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen beim Beklagten nachzufragen, ob für das Grundstück bereits eine mögliche Entschädigung aufgrund seiner Lage beantragt worden ist. Ohne eine solche Nachfrage konnte sie nicht davon ausgehen, dass eine Entschädigung nicht schon beantragt oder ausgezahlt worden ist. Der Beklagte hätte seine Hinweis- und Aufklärungspflichten in diesem Fall nur dann verletzt, wenn er eine entsprechende Frage der Klägerin schuldhaft falsch oder unvollständig beantwortet hätte.
Ohne eine solche Nachfrage musste der Beklage, der im Rahmen der auf den Abschluss eines gegenseitigen Vertrages gerichteter Vertragsverhandlungen nicht die wirtschaftlichen Interessen der Gegenseite zu wahren hatte, nicht davon ausgehen, dass es der Käuferseite für ihre Kaufentscheidung auf eine solche Information ankommt
cc) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann eine für den Abschluss des Vertrages mit dem vereinbarten Inhalt ursächliche Pflichtverletzung durch den unterbliebenen Hinweis auf die bereits erhaltene Entschädigungszahlung auch nicht auf eine weitergehende Hinweispflicht des Beklagten als Verkäufer, wie sie etwa einen Makler bei der Anbahnung eines Vertrages trifft, gestützt werden.
Der Verkäufer haftet weitergehend über den unter aa) dargestellten Umfang hinaus wegen der Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten, wenn er ausdrücklich oder konkludent gegenüber dem Käufer die Verpflichtung übernommen hat, ihn hinsichtlich der Eigenschaften der Kaufsache oder anderer für den Käufer relevanter Umstände zu beraten und er diese Pflicht schuldhaft verletzt (BGH NJW 2013, 1873, 1874; NJW 2015, 1510, 1511; Münchener Kommentar/Emmerich, BGB § 311 Rn. 88).
Dafür, dass der Beklagte als Verkäufer gegenüber der Käuferseite Beratungspflichten übernommen hätte, die mit denen eines Maklers vergleichbar sein könnten, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die vom Landgericht zur Begründung in Bezug genommenen Entscheidungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2019 (Az. 6 U 65/17) und vom 22. Februar 2018 (Az. 5 U 40/17) betreffen deswegen mit der Aufklärungspflicht von Maklern und dem arglistigen Verschweigen von Sachmängeln anders gelagerte Sachverhalte und sind auf die Hinweis- und Aufklärungspflichten eines Verkäufers, der gegenüber einem Käufer keine weitergehenden Beratungspflichten übernommen hat, nicht übertragbar.
dd) Auch zu diesem ihr in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2024 erteilten Hinweis, dass es entgegen der Auffassung des Landgerichts auch an einer Verletzung der Aufklärungspflicht des Beklagten fehlt, hat die Klägerin weder in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen, noch den Hinweis zum Anlass genommen, ihr insoweit eine Schriftsatzfrist zu gewähren. Jedenfalls letzteres wäre ihr ohne weiteres zumutbar gewesen, weil die Frage der Verletzung einer Aufklärungspflicht bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war und die Parteien hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten haben.
Die Berufung führt demgemäß auch deswegen zur Abweisung der Klage, weil die schuldhafte Verletzung einer Aufklärungspflicht durch den Beklagten nicht festgestellt werden kann.
3.
Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass die Klägerin, worauf sie ebenfalls in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist, darüber hinaus einen ersatzfähigen Schaden noch nicht dargelegt hat.
Bei Verletzung von Aufklärungspflichten kommt grundsätzlich als Schadensersatz allein der Ersatz des entstandenen Vertrauensschadens in Betracht. Dies wäre hier in erster Linie die Rückgängigmachung des Vertrages, was die Klägerin aber nicht geltend macht.
Zwar kann auch ausnahmsweise das Erfüllungsinteresse ersetzt verlangt werden, nämlich dann, wenn der Vertrag ohne die Verletzung der Aufklärungspflicht zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre (m. w. Nachw. Grüneberg/Grüneberg, BGB, § 311 Rn. 56). Einen entsprechenden Schaden hat die Klägerin aber nicht konkret dargelegt. Es kann nicht, wie das Landgericht dies angenommen hat, allein in dem auf das Jahr 2008 berechneten Entschädigungsbetrag von 49.800 €, den der Beklagte vereinnahmt hat, spiegelbildlich ein entsprechender Schaden in Form eines überhöhten Kaufpreises angenommen werden. Es fehlen konkrete Ausführungen der Klägerin dazu, um wieviel günstiger der Kaufpreis ausgefallen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass der Beklagte, der in diesem Zusammenhang behauptet, die Klägerin und ihren Ehemann bei der Besichtigung des Objekts entsprechend informiert zu haben und im Hinblick darauf einer entsprechenden Reduzierung des zunächst von ihm vorgesehenen Kaufpreises zugestimmt zu haben, diesen Entschädigungsbetrag bereits vereinnahmt hatte.
B) Anschlussberufung
Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig.
Zwar ist grundsätzlich eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (§ 99 Abs. 1 ZPO). Legt jedoch eine Partei in der Hauptsache ein zulässiges Rechtsmittel ein, ist aber dem Gegner ein unselbständiges Anschlussrechtsmittel allein wegen der ihn beschwerenden Kostenentscheidung möglich (so für die Anschlussrevision BGH NJW 2011, 2649, 2653; a. A. wohl BeckOK/Jaspersen, ZPO, § 99 Rn. 14.3).
Die Anschlussberufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Klägerin wegen der Abweisung der Klage insgesamt die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
C) Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht.