Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Berufungsrücknahme, gerichtlicher Vergleich, Gesamtvergleich

Berufungsrücknahme, gerichtlicher Vergleich, Gesamtvergleich


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer Entscheidungsdatum 26.06.2024
Aktenzeichen 12 Sa 1069/23 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0626.12SA1069.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 98 ZPO, § 516 Abs. 3 ZPO

Leitsatz

Nimmt der Berufungsführer die Berufung in Erfüllung einer in einem gerichtlichen Vergleich in einem anderen Verfahren vereinbarten Verpflichtung zurück, so sind in Anwendung von § 98 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens als gegeneinander aufgehoben anzusehen, es sei denn, die Parteien haben in dem Vergleich eine abweichende Vereinbarung getroffen oder der Vergleich hat der Sache nach ein Anerkenntnis der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt.

Tenor

1. Die Berufungsklägerin wird der eingelegten Berufung für verlustig erklärt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschluss hat die Folgen der von der Klägerin erklärten Berufungsrücknahme zum Gegenstand, insbesondere deren Kostenfolge.

Nachdem das Arbeitsgericht den Zeugnisberichtigungsanträgen der Klägerin teilweise stattgegeben hatte, stritten die Parteien auf die Berufung der Klägerin hin im Berufungsverfahren über die von dem Arbeitsgericht zurückgewiesenen Berichtigungsbegehren.

Am 17. April 2024 verglichen sich die Parteien in dem Verfahren bei dem Arbeitsgericht Berlin 56 Ca 16/23 unter anderem wegen der Berichtigungsbegehren. Unter Ziffer 5 des dortigen Vergleichs verpflichtete sich die Klägerin, die dem hiesigen Verfahren zu Grunde liegende Berufung zurückzunehmen. Der Vergleich enthält keine ausdrückliche Regelung zu den Kosten.

Am 30. Mai 2024 nahm die Klägerin die Berufung zurück.

Das Gericht hat die Parteien zu dem infolge der Rücknahme zu erlassenden Beschluss angehört.

Die Klägerin ist der Auffassung, in dem Beschluss sei die Kostenaufhebung auszusprechen. Die Regelung zu den Kostenfolgen eines Vergleichs in § 98 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach die Kosten als gegeneinander aufgehoben anzusehen seien, erfasse auch Berufungsverfahren, bezüglich derer in dem Vergleich eine Rücknahmeverpflichtung vereinbart sei.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Kosten des Berufungsverfahrens seien der Klägerin aufzuerlegen. Dies folge aus der zivilprozessualen Regelung zu den Folgen der Berufungsrücknahme in § 516 ZPO, wonach die Zurücknahme der Berufung die Verpflichtung zur Folge habe, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Ein Fall des § 98 ZPO liege nicht vor, da diese Vorschrift nur für das durch den Vergleich beendete Verfahren gelte. 

II.

Durch Beschluss sind die Folgen der Berufungsrücknahme seitens der Klägerin wie aus dem Tenor ersichtlich festzustellen. Gemäß § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO hat die Rücknahme den Verlust der eingelegten Berufung zur Folge. Abweichend von der in der zitierten Vorschrift niedergelegten regelmäßigen Kostentragungspflicht der zurücknehmenden Partei ist vorliegend im Hinblick auf die in einem gerichtlichen Vergleich in einem anderen Verfahren vereinbarte Rücknahme der Berufung die Kostenaufhebung auszusprechen. Nimmt der Berufungsführer die Berufung in Erfüllung einer in einem gerichtlichen Vergleich in einem anderen Verfahren vereinbarten Verpflichtung zurück, so sind in Anwendung von § 98 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens als gegeneinander aufgehoben anzusehen, es sei denn, die Parteien haben in dem Vergleich eine abweichende Vereinbarung getroffen oder der Vergleich hat der Sache nach ein Anerkenntnis der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt.

1. Gemäß § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO hat die Zurücknahme der Berufung die Verpflichtung zur Folge, die Kosten des durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Dies gilt aber nur vorbehaltlich gesetzlicher Sonderregelungen (Althammer, Stein/Jonas, ZPO, Bd. 6, 23. Auflage 2018, § 516 Rn 19) oder einer abweichenden vertraglichen Kostenregelung (BeckOK ZPO/Wulf, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 516 Rn 15). Die Kostenfolge wird von Amts wegen in dem nach Berufungsrücknahme ergehenden Beschluss (vgl. § 516 Absatz 3 Satz 2 ZPO) ausgesprochen (Heßler in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 516 ZPO, Rn 19).

2. Vorliegend folgt aus § 98 ZPO, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben sind.

a. Die zivilprozessuale Regelung zu den Kostenfolgen eines Vergleichs kann zu den angesprochenen gesetzlichen Sonderregelungen bzw. vertraglichen Vereinbarungen gehören, wie sie von der Kostentragungspflicht der ihre Berufung zurücknehmenden Partei abweichen. Im Verhältnis zwischen den einschlägigen Vorschriften in § 98 und § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO ist zu differenzieren: Bei einem gerichtlichen Vergleich in einem anderen Verfahren ist § 98 ZPO auch auf das durch Rücknahme beendete Berufungsverfahren anzuwenden, wenn sich der Rechtsmittelführer in dem Vergleich zur Rücknahme des Rechtsmittels verpflichtet hat (Anders/Gehle/Göertz, ZPO, 82. Auflage 2024, § 98 Rn 11). Die konkurrierende Vorschrift zur Rücknahme der Berufung ist nicht anzuwenden, obwohl prozessrechtlich erst die erklärte Rücknahme das Verfahren beendet. Denn die Parteien wollen schon mit dem Vergleich den Streit beenden (vgl. Musielak/Voit/ Flockenhaus, 21. Aufl. 2024, ZPO § 98 Rn 6). Da der Vergleich nach dem Parteiwillen den Rechtsstreit beenden soll, gilt nur § 98 (Herget in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 98, Rn. 5). Haben die Parteien in dem in einem anderen Verfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleich zur Kostenfrage nichts gesagt, dann ist, wenn die Umstände nicht entgegenstehen, § 98 ZPO anzuwenden (vgl. Muthorst, Stein/Jonas, ZPO, Bd 2, 23. Auflage 2016, § 98 Rn 6). Eine entsprechende vorrangige Anwendbarkeit von § 98 ZPO hat der Bundesgerichtshof für die in einem außergerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung zur Berufungsrücknahme bzw. Zurücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde anerkannt (BGH, 25. Mai 1988 - VIII ZR 148/87, juris Rn 22; BGH, 15. März 2006 - XII ZR 209/05, juris Rn 5). Der Gesamtvergleich in einem Gerichtsverfahren, durch den weitere Verfahren miterledigt werden, ist hinsichtlich der Anwendung von § 98 ZPO wie der außergerichtliche Vergleich zu behandeln (BeckOK ZPO/Jaspersen, 52. Auflage 1.3.2024, ZPO § 98 Rn 2).

b. Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass der Vergleichsschluss in dem Verfahren bei dem Arbeitsgericht Berlin 56 Ca 16/23 angesichts der dort vereinbarten Verpflichtung zur Rücknahme der Berufung die Kostenaufhebung in dem hiesigen Verfahren zur Folge hat.

aa. Zwar wird von den dargestellten Grundsätzen abweichend für Fälle, wo der Vergleich die Anerkennung des angefochtenen Urteils zum Inhalt hat, ein Vorrang des § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO angenommen (vgl. BGH, 15. März 2006 - XII ZR 209/05, juris Rn 5; Saenger/Gierl, ZPO, 10. Auflage 2023, § 98 Rn 12, beck-online, vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 98 Rn 17). Eine solche Fallgestaltung ist aber vorliegend nicht zu beurteilen. Die Beklagte hat in dem Vergleich weiteren Berichtigungsbegehren bezüglich des Zeugnisses zugestimmt.

bb. Eine Kostenregelung durch die Parteien lässt sich dem Vergleich auch nicht durch Auslegung entnehmen. Aus der in dem Vergleich außerdem versprochenen Entschädigung, die die Beklagte in ihrer Stellungnahme anspricht, kann nicht auf eine Kostentragungspflicht der Klägerin geschlossen werden. Eine Zweckbestimmung bezüglich der Entschädigung, die hiesigen Verfahrenskosten (mit) abzugelten, wird in dem Vergleich nicht erkennbar.

3. Veranlassung, in Anwendung von § 78 Satz 2, § 72 Absatz 2 Arbeitsgerichtsgesetz die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.