Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 12 Sa 1266/23 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0705.12SA1266.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 138 Abs. 1 S. 1 BGB, § 3 EFZG, § 138 Abs. 2 ZPO |
1. Im Rechtsstreit über die Rückforderung vom Arbeitgeber gezahlter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall konkretisieren sich die Darlegungslasten zur Leistungskondiktion wie folgt:
Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss der Arbeitgeber durch von ihm darzulegende und ggf. zu beweisende Umstände in ihrem Beweiswert erschüttern.
Ansonsten widerlegt sie das behauptete Fehlen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.
Außerdem muss der Arbeitgeber konkreten Vortrag des Arbeitnehmers zu den Umständen der Erkrankung und einer daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ggf. durch erfolgreiche Beweisführung widerlegen.
2. Erklärt sich der Arbeitnehmer nicht zu den konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen, und damit die Rechtsgrundlosigkeit der Entgeltfortzahlung als zugestanden.
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 16. November 2023 - 1 Ca 1125/22 - dahin abgeändert, dass der Kläger auf die Widerklage der Beklagten hin verurteilt wird,
1. an die Beklagte 3.363,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Oktober 2023 zu zahlen;
2. den ihm zustehenden Erstattungsanspruch gegen die Salus BKK wegen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 27. Oktober 2022 bis November 2022 gemäß § 26 Absatz 3 SGB IV an die Beklagte abzutreten.
II. Die Kosten des Berufungsverfahren hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 14 % und die Beklagte 86 % zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um die Rückzahlung gewährter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Beklagte beschäftigte den Kläger seit dem 15. November 2021 als Produktionsleiter.
Am 26. Oktober 2022 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten, Herr S, dem Kläger mündlich das Arbeitsverhältnis.
Am 27. Oktober 2022 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank. Seit diesem Tag arbeitete er nicht mehr für die Beklagte.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2022, dem Kläger am selben Tag zugegangen, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2022.
Der Kläger übersandte der Beklagten ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Anl. B5 und B6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2023, Bl. 94 und 96 dA) als Erstbescheinigung über die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit am 27. Oktober 2022 seit diesem Tag bis zum 10. November 2022 und als Folgebescheinigung vom 9. November 2022 über eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. November 2022.
Am 12. November 2022 war der Kläger im Rahmen eines Handballspiels als Spieler aktiv. Am 19. November 2022 war der Kläger bei einem Handballspiel Schiedsrichter.
Die Beklagte leistete an den Kläger als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum ab dem 27. Oktober 2022 für zwei Arbeitstage im Oktober 2022 371,42 EUR brutto und für November 2022 3.900 EUR brutto. Über das Entgelt für Oktober und November 2022 erteilte sie dem Kläger Abrechnungen (Anlage BK1 und BK2 Berufungsbegründung, Bl. 148f dA).
Mit am 18. Oktober 2023 zugestellter Widerklage hat die Beklagte die Rückzahlung der für Oktober und November 2022 geleisteten Entgeltfortzahlung gerichtlich geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Kläger habe sie über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit getäuscht. Tatsächlich sei der Kläger nicht arbeitsunfähig krank gewesen. Hierfür sprächen der zeitliche Zusammenhang zur mündlichen Kündigung und dessen sportliche Aktivitäten. Somit habe der Kläger die Entgeltfortzahlung zu Unrecht erhalten und sie könne sie als Bruttobetrag zurückverlangen.
Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 4.271,42 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2023 zu zahlen.
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
Mit Urteil vom 16. November 2023 hat das Arbeitsgericht die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus der Vorschrift zur ungerechtfertigten Bereicherung in § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Kläger habe die Leistung nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zu Recht erhalten. Er sei im Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Maßgebend seien die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Deren Beweiswert sei nicht erschüttert. Es habe nicht festgestanden, dass der Kläger an einem Leiden erkrankt gewesen sei, bei dem der Handballsport mindestens zu einer Verschlechterung führen könnte. Auch die Freizeitaktivität eines Schiedsrichters sei im vorliegenden Fall nicht zwingend hinderlich. Es sei nicht klar, an welcher Erkrankung der Kläger gelitten habe und ob die Schiedsrichtertätigkeit der Krankheit zuwiderlaufe. Außerdem hat das Arbeitsgericht auf die Möglichkeit der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst hingewiesen.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Dezember 2023 Berufung eingelegt und am 25. Januar 2024 begründet. Sie verfolgt die Widerklageforderung abgeändert weiter und macht geltend: Das Arbeitsgericht habe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu Unrecht als erwiesen angesehen. Da die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 EFZG nicht vorgelegen hätten, habe sie einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Absatz 1 BGB in der eingeklagten Höhe. Ihr Vortrag habe den Beweiswert der Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit erschüttert. Bereits die sportlichen Aktivitäten des Klägers hätten Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gegeben. Außerdem sei der Beweiswert erschüttert im Hinblick auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen mündlicher Kündigung und Krankmeldung sowie die passgenaue Krankschreibung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Schließlich überschreite die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für 15 Tage durch die Erstbescheinigung die in der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie festgelegte Höchstdauer von zwei Wochen. Jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung führten diese Gesichtspunkte zu einer Erschütterung des Beweiswerts. Deshalb liege die volle Beweislast bei dem Kläger, der zur Arbeitsunfähigkeit nichts vorgetragen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 16. November 2023 - 1 Ca 1125/22 - abzuändern und auf die Widerklage hin den Kläger zu verurteilen,
1. an die Beklagte 3.363,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. seinen Erstattungsanspruch gegen die Salus BKK gemäß § 26 Absatz 3 SGB IV wegen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 27. Oktober bis
November 2022 in Höhe von 908,08 EUR an die Beklagte abzutreten.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die Berufung beantwortet. Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt aus: Im Hinblick darauf, dass vorliegend die Beklagte gekündigt habe, führe die Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls dazu, dass der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung nicht erschüttert sei. Der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten, die sich auf ein pauschales Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit beschränkt habe, habe zu einer Erschütterung nicht ausgereicht. In der Berufungsinstanz sei die Beklagte mit neuem Tatsachenvorbringen präkludiert.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2024 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass eine Rückforderbarkeit der geleisteten Entgeltfortzahlung hinsichtlich des von dem Arbeitnehmer zu tragenden Teils der Sozialversicherungsbeiträge im Hinblick auf § 26 Sozialgesetzbuch IV ausscheiden könnte. Die Beklagte hat daraufhin mit Dokument vom 19. Juni 2024 die Beiträge beziffert, den Zahlungsantrag entsprechend reduziert und klageerweiternd den Antrag wegen Abtretung des Erstattungsanspruchs des Klägers gegen die Krankenkasse geltend gemacht.
Die zulässige und begründete Berufung führt zu der zuletzt von der Beklagten beantragten Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts.
I.
Die Berufung und die Klageänderung im Berufungsverfahren sind zulässig.
1. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Berufungseinlegung und deren Begründung sind innerhalb der durch § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG vorgegebenen ein- bzw. zweimonatigen Frist ab Zustellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts erfolgt. Einlegung und Begründung der Berufung genügen den formalen und inhaltlichen Anforderungen aus § 64 Absätze 6 und 7 in Verbindung mit §§ 46c, 46g ArbGG, §§ 519 - 520 Zivilprozessordnung (ZPO). Insbesondere ist in der Begründung eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen erfolgt. Die Beklagte macht mögliche Rechtsfehler geltend, auf denen die Entscheidung über die Widerklage beruhen soll, vgl. § 520 Absatz 3 Nr 2 ZPO.
2. Die im Berufungsverfahren zuletzt erfolgte Änderung der Widerklage ist zulässig. Der Kläger hat der Reduktion des Zahlungsantrags und der Einführung der Klageforderung wegen Abtretung eines Erstattungsanspruchs gegen die Krankenkasse nicht widersprochen. In Anwendung von §§ 525 Satz1, 267 ZPO ist daher dessen Einwilligung in die Änderung der Widerklage zu vermuten. Im Übrigen würde die Klageänderung auch sachdienlich im Sinne von § 533 ZPO sein. Schließlich ist die weitere Voraussetzung aus der genannten Vorschrift gegeben. Die Entscheidung über die geänderten Anträge kann auf die Tatsachen gestützt werden, die das Landesarbeitsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat. Insbesondere bedarf es dazu keiner weitergehenden Feststellung streitiger Tatsachen.
II.
Die Berufung ist begründet.
Die Abweisung der Widerklage beruht auf einem Rechtsfehler. Unter Zugrundelegung des Vorbringens aus beiden Instanzen ist festzustellen, dass der Beklagten die mit der Widerklage zuletzt von ihren verfolgten Forderungen zustehen. Anders als es das Arbeitsgericht angenommen hat, ist im Hinblick auf die von der Beklagten vorgebrachten Umstände der Beweiswert der von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert. Da der Kläger nicht zu den Umständen einer Erkrankung und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit vorgetragen hat, gilt das Vorbringen der Beklagten, er sei in dem in Rede stehenden Zeitraum tatsächlich nicht arbeitsunfähig krank gewesen, als zugestanden. Somit besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und damit kein Rechtsgrund für die von der Beklagten geleisteten Zahlungen. Als rechtsgrundlose Leistung kann die Beklagte diese deshalb von dem Kläger zurückfordern. Dabei sind als Erlangtes von dem Kläger an die Beklagte zu leisten die Rückzahlung des Nettobetrags und des Abzugs wegen Lohnsteuer und außerdem wegen des abgeführten Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung die Abtretung des diesbezüglichen Erstattungsanspruchs gegen die Krankenkasse.
1. Wie es das Arbeitsgericht aufgezeigt hat, ist Anspruchsgrundlage für die Rückforderung der Entgeltfortzahlung die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch zur rechtsgrundlosen Leistung. Nach § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Alternative BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Dies umfasst die Rückforderung vom Arbeitgeber erbrachter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei tatsächlich nicht bestehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
2. Von den Voraussetzungen der Leistungskondiktion ist zwischen den Prozessparteien allein das Bestehen eines Rechtsgrunds im Streit. Unstreitig hat die Beklagte Entgeltfortzahlung für den in Rede stehenden Zeitraum an den Kläger geleistet. Für das Fehlen des Rechtsgrunds ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast folgend, nach denen derjenige, der einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion geltend macht, auch für das das Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistung darlegungs- und beweisbelastet ist (BGH, 11. März 2014 - X ZR 150/11, juris Rn 11), hat auch der Arbeitgeber, der bereits Entgeltfortzahlung gewährt hat und im Nachhinein meint, der Arbeitnehmer sei im Bezugszeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen, einen Sachverhalt schlüssig darzulegen und ggf. zu beweisen, aus dem sich ergibt, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen und der Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung demzufolge ohne Rechtsgrund erhalten hat (LArbG Köln, 11. Januar 2024 - 8 Sa 300/23, juris Rn 26; vgl. zum Lohnfortzahlungsgesetz: BAG, 26. August 1993 - 2 AZR 154/93, juris Rn 54).
3. Wenn somit der die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückverlangende Arbeitgeber die Behauptungs- und Beweislast für das Fehlen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs und damit die Abwesenheit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit trägt, so ist dabei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den näheren Umständen bezüglich der Erkrankung des Arbeitnehmers und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit hat. Vor diesem Hintergrund konkretisieren sich im Rechtsstreit über die Rückforderung vom Arbeitgeber gezahlter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Darlegungslasten zur Leistungskondiktion wie folgt: Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss der Arbeitgeber durch von ihm darzulegende und ggf. zu beweisende Umstände in ihrem Beweiswert erschüttern. Ansonsten widerlegt sie das behauptete Fehlen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Außerdem muss der Arbeitgeber konkreten Vortrag des Arbeitnehmers zu den Umständen der Erkrankung und einer daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ggf. durch erfolgreiche Beweisführung widerlegen. Erklärt sich aber der Arbeitnehmer nicht zu den konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen, und damit die Rechtsgrundlosigkeit der Entgeltfortzahlung als zugestanden.
a. Bei der Konkretisierung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Prüfung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als zu widerlegender Rechtsgrund für die zurückverlangte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten die gleichen Maßstäbe, wie sie zur Prüfung des Vortäuschens einer Krankheit als Kündigungsgrund entwickelt worden sind (vgl. BAG, 26. August 1993 - 2 AZR 154/93, juris Rn 54). Danach gehört es zum Vortrag des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat. Im Hinblick auf die Verpflichtung zum konkreten Bestreiten aus § 138 Absatz 2 ZPO muss der Arbeitnehmer seinerseits substantiiert im Einzelnen vortragen, warum sein Fehlen als entschuldigt anzusehen ist. Nur diese vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine Krankheit, so hat er, solange ein ärztliches Attest nicht vorgelegt ist, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben. Der Arbeitgeber hat das zu widerlegen (BAG, 26. August 1993 - 2 AZR 154/93, juris Rn 35). Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich in § 5 Absatz 1 Satz 2 EFZG vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (zum Beweiswert zuletzt: BAG, 28. Juni 2023 - 5 AZR 335/22, juris Rn 12). Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern.
b. Ist es dem Arbeitgeber allerdings gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand (BAG, 26. August 1993 - 2 AZR 154/93, juris Rn 36f). Im Rahmen der Erklärungspflicht aus § 138 Absatz 2 ZPO über das von dem Arbeitgeber behauptete Fehlen einer erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitnehmer die Einzelheiten vortragen, aus denen seine Erkrankung und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit folgen sollen. Er muss bezogen auf den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum schildern, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben (vgl. BAG, 8. September 2021 - 5 AZR 149/21, juris Rn 15). Erst wenn dies substantiiert erfolgt ist, ist es an dem für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung der Entgeltfortzahlung beweisbelasteten Arbeitgeber, diesen Vortrag durch Führung des Beweises einer tatsächlich nicht bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu widerlegen. Dies entspricht den Grundsätzen zur Wirkung sekundärer Darlegungs- und Beweislasten (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, vor § 284, Rn 34a).
4. Was die Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigung angeht, so sind in der Rechtsprechung die passgenau zur Kündigungsfrist erfolgende Krankschreibung und die Missachtung bestimmter Vorgaben aus der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses als Indizien anerkannt, die gegen das tatsächliche Vorliegen der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit sprechen können. Ein solches Indiz kann sich auch aus beobachteten Freizeit- oder. Sportaktivitäten ergeben.
a. Ein Indiz zur Erschütterung ihres Beweiswertes kann es sein, wenn die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach einer Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abdeckt (vgl. BAG, 8. September 2021 - 5 AZR 149/2, juris Rn 19). Hierbei ist nicht – wie der Kläger meint – maßgebend, ob es sich um Kündigung von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite handelt. Auch bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber kann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werden, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Zugang der Kündigung erkrankt und nach den Gesamtumständen des zu würdigenden Einzelfalls Indizien vorliegen, die Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit begründen (BAG, 13. Dezember 2023 - 5 AZR 137/23, juris Rn 18).
b. Auch die Missachtung der Vorgabe aus § 5 Absatz 4 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, erlassen von dem Gemeinsamen Bundesausschuss, wonach die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden soll, gehört zu den Indizien, die den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttern können (BAG, 28. Juni 2023 - 5 AZR 335/22, juris Rn 17).
c. Was das Ausüben von Freizeitsport während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit angeht, so ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Im Allgemeinen werden begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu verneinen sein. In derartigen Fällen sollte aber angesichts der ungünstigen Beweissituation, in der der Arbeitgeber sich ohnehin befindet, nicht zu restriktiv entschieden werden (Schmitt EFZG/Küfner-Schmitt, 9. Aufl. 2023, EFZG § 5 Rn 144).
5. In Anwendung dieser Grundsätze und Überlegungen ist vorliegend – abweichend von der Beurteilung durch das Arbeitsgericht – jedenfalls in der Gesamtschau der Indizien auf eine Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigungen vom 27. Oktober und vom 9. November 2022 zu schließen.
a. Die Bescheinigungen decken die nach der seitens der Beklagten ausgesprochenen Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses passgenau ab. Die erste Bescheinigung ist an dem Tag nach dem Ausspruch der mündlichen Kündigung ausgestellt. Zwar konnte diese wegen Missachtung des Schriftformgebots aus § 623 BGB nicht wirksam werden. Sie manifestierte allerdings die Beendigungsabsicht der Beklagten und konnte von dem Kläger als Ankündigung einer formwirksamen Kündigung verstanden werden. Anhaltspunkte für eine am 27. Oktober 2022 bereits bestehende Erkrankung oder deren Fortdauer über den 30. November 2022 sind nicht ersichtlich. Vortrag zu einem Erkrankungsgeschehen unabhängig von der Kündigungsfrist ist nicht erfolgt.
b. Weitere Erschütterungsindizien liegen vor. Der Hinweis der Beklagten auf die nach der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie zu beachtende regelmäßige Höchstdauer einer Krankschreibung begründet Zweifel an der Folgebescheinigung vom 9. November 2022. An diesem Tag ist dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit für die kommenden 20 Tage bescheinigt worden und somit die Maßgabe aus der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie missachtet, dass der bescheinigte Zeitraum sich nicht auf mehr als zwei Wochen belaufen soll. Außerdem stützen die beobachteten Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Handballsport die Zweifel an einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Dies umso mehr, als das wettkampfmäßige Betreiben des Handballsports wohl eine robuste körperliche Verfassung voraussetzt und der Kläger keine Erläuterungen abgegeben hat, weshalb seine Aktivitäten mit einer Arbeitsunfähigkeit vereinbar gewesen sein sollen.
c. Zu der von dem Kläger angenommene Präklusion einschlägigen beklagtenseitigen Vorbringens ist es vorliegend bereits deshalb nicht gekommen, weil die herangezogenen Indizien allesamt unstreitig sind. Unstreitiges Vorbringen kann aber nach der einschlägigen Vorschrift in § 67 ArbGG nicht von der Berücksichtigung im Berufungsverfahren ausgeschlossen sein Die Präklusionsregeln gelten nur für streitiges Vorbringen, nicht auch für unstreitige Tatsachen (LAG Rheinland-Pfalz, 7. Juni 2018 - 5 Sa 446/17, juris Rn 42; Düwell/Lipke/Maul-Sartori, ArbGG, 5. Auflage 2019, § 67 Rn 12; GMP/Schleusener, ArbGG, 10. Auflage 2022, § 67 Rn 3a; Schwab/Weth-Schwab, ArbGG, 6. Auflage 2022, § 67 Rn 9).
6. Die Möglichkeit der Begutachtung durch den medizinischen Dienst, wie sie von dem Arbeitsgericht in dessen Entscheidungsgründen angesprochen worden ist, bedeutet nicht, dass bei Ausbleiben einer Begutachtung eine Erschütterung des Beweiswerts einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgeschlossen sein würde. Nach § 275 Absatz 1a Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Das Ausbleiben eines solchen Verlangens schließt aber eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Frage nicht aus (ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, EFZG § 5 Rn 17; Linck, in: Schaub ArbR-HdB, 20. Auflage 2023, § 98 Rn 111).
7. Im Hinblick auf die Erschütterung des Beweiswertes der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hätte es dem Kläger oblegen vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben, so dass er im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert war. Irgendein Vortrag zu den Umständen einer Erkrankung ist aber seitens des Klägers nicht erfolgt. Der Kläger ist somit seiner Verpflichtung zum konkreten Bestreiten aus § 138 Absatz 2 ZPO nicht nachgekommen und die Behauptung der Beklagten, er sei ab dem 27. Oktober bis zum 30. November 2022 nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen, gilt damit als von ihm zugestanden. Nach § 138 Absatz 3 ZPO sind nämlich von der Gegenseite behauptete Tatsachen als zugestanden anzusehen, wenn sie nicht konkret bestritten werden.
8. Der Kläger hat die von der Beklagten geforderte Rückzahlung der Nettovergütung zuzüglich der Abzüge wegen Lohnsteuer zu leisten sowie die Abtretung der näher bezeichneten Ansprüche auf Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung als aufgrund deren rechtsgrundlos erbrachten Leistung Erlangtes.
a. Dem Inhalt nach ist der Anspruch aus § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Alternative BGB auf das von dem Schuldner Erlangte und damit auf die dem Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber geleistete Bruttovergütung gerichtet. Wie es das Bundesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, erstreckt sich die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht nicht nur auf die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen. Fehlt es an einem Rechtsgrund für die von dem Arbeitgeber geleistete Vergütung, erlangt der Arbeitnehmer nicht nur die Auszahlung des entsprechenden Nettolohns und im Umfang der abgeführten Steuern eine entsprechende Befreiung einer gegenüber dem Fiskus bestehenden Steuerschuld, sondern auch durch die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung eine Leistung ohne Rechtsgrund. Hinsichtlich der Beiträge ist aber die Regelung des Erstattungsanspruchs gemäß § 26 SGB IV zu beachten. Der Arbeitnehmer ist in Höhe des für ihn durch den Arbeitgeber abgeführten Sozialversicherungsanteils ungerechtfertigt bereichert, da ihm dieser Vermögenswert unmittelbar in der Sozialversicherung zu Gute kommt. Erlangt hat der Arbeitnehmer indes zunächst nach § 26 Absatz 2 SGB IV einen Erstattungsanspruch, der ihm nach § 26 Absatz 3 SGB IV alleine zusteht. Dementsprechend hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf Abtretung dieses gegen den Sozialversicherungsträger bestehenden Anspruchs (BAG, 9. April 2008 - 4 AZR 164/07, juris Rn 57).
b. Die Beklagte hat mit ihren zuletzt gestellten Anträgen diese Grundsätze beachtet. Die zur Zahlung verlangten Beträge hat sie aus dem für den in Rede stehenden Zeitraum geleisteten Nettoentgelt zuzüglich der diesbezüglich abgeführten Lohnsteuer berechnet. Wegen der auf das anteilige Bruttoentgelt entfallenden Abzüge wegen des Arbeitnehmeranteils an den Sozialversicherungsbeiträgen hat sie die Abtretung der Erstattungsansprüche des Klägers geltend gemacht. Dabei ist im Hinblick auf § 211 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 351 Absatz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und die diesbezüglich abgeschlossenen Vereinbarungen zwischen den Sozialversicherungsträgern die Krankenversicherung des Kläger Gegnerin des Erstattungsanspruchs auch wegen der Beiträge zur Renten- bzw. Arbeitslosenversicherung (vgl. Knickrehm/Roßbach/Waltermann/ Roßbach, 8. Auflage 2023, SGB IV § 26 Rn 19). Der Kläger ist dem Vorbringen zur Berechnung der Rückzahlung und zur Abtretung nicht entgegengetreten.
9. Die ausgeurteilten Zinsen kann die Beklagte von dem Kläger aus §§ 286 Absatz 1 Satz 2, 288 Absatz 1 BGB ab dem auf die Klagezustellung folgenden Tag (vgl. § 187 Absatz 1 BGB) beanspruchen.
III.
Von den Nebenentscheidung beruht die Entscheidung zur Kostentragungspflicht des im Berufungsverfahrens unterlegenen Klägers auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Kostenentscheidung zum erstinstanzlichen Verfahren war im Hinblick auf das Obsiegen mit der Widerklage auf der Grundlage von § 92 Absatz 1 Satz 1 ZPO an das Teilunterliegen beider Prozessparteien anzupassen.
Veranlassung, in Anwendung von § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
Der Kläger wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen.