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Nachweis eines Betreuungsplatzes, Deckung des Betreuungsbedarfs im Rahmen der allgemein üblichen Arbeitszeiten, Zumutbarkeit, Vereinbarkeit mit den Arbeitszeiten der Eltern, auf dem Arbeitsweg eines Elternteils gelegener Betreuungsplatz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 02.08.2024
Aktenzeichen OVG 6 S 28/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0802.OVG6S28.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 3 Satz 1 KitaG, § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 Satz 6 VwGO

Leitsatz

Zur Frage der Zumutbarkeit eines auf dem Arbeitsweg eines Elternteils gelegenen Betreuungsplatzes.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Juni 2024 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Gründe

Die Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die von dem Antragsteller dargelegten, für das Beschwerdegericht allein maßgeblichen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Beschwerdegründe ergeben keine Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, fehlt es an einem Anordnungsgrund. Denn der dem Antragsteller durch den Antragsgegner nachgewiesene Betreuungsplatz in der von Montag bis Freitag jeweils von 8 bis 16 Uhr geöffneten Kindertagespflegestelle „“ in der in entspricht sowohl dem gesetzlichen Mindestbetreuungsanspruch von sechs Stunden täglich gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KitaG als auch dem vom Antragsteller begehrten Betreuungsumfang von acht Stunden täglich von Montag bis Freitag.

Dass die Betreuungszeit in der nachgewiesenen Kindertagespflegestelle um 8:00 Uhr beginnt und um 16:00 Uhr endet, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Die pauschale Darlegung der Beschwerde, der angebotene Platz sei aufgrund der vorgegebenen Betreuungszeiten nicht mit den Arbeitszeiten der Eltern kompatibel und nicht realisierbar, vermag die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern. Denn wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist der Gewährleistungsanspruch des § 24 Abs. 2 SGB VIII regelmäßig bereits dann erfüllt, wenn der Betreuungsbedarf im Rahmen der allgemein üblichen Arbeitszeiten gedeckt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2019 – OVG 6 S 62.19 – juris Rn. 7 und vom 7. Mai 2024 – OVG 6 S 16/24 – BA Seite 3 f.). Mit ihren Ausführungen, es sei in einer Reihe von Berufen üblich, dass die Arbeit zumindest bereits um 8:00 Uhr beginne und etwa erst um 16:00 Uhr ende und es sei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers keine Kita bekannt, die erst um 8:00 Uhr öffne, setzt die Beschwerde lediglich ihre eigene Auffassung der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Öffnungszeiten der Kindertagespflegestelle „“ deckten die allgemein üblichen Arbeitszeiten ab, entgegen. Die Beschwerde lässt jedoch eine substantiierte Begründung vermissen, warum diese Auffassung des Verwaltungsgerichts unrichtig sein sollte.

Weiter kommt die Anerkennung eines den üblichen Rahmen überschreitenden Anspruchs nur in Betracht, wenn hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass die Eltern des zu betreuenden Kindes keine andere zumutbare Möglichkeit haben, ihre beruflichen Verpflichtungen zu erfüllen. Auch daran fehlt es vorliegend.

Der Vortrag der Beschwerde, die Eltern des Antragstellers wollten sich selbstverständlich bei der Betreuung ihrer Kinder aufteilen und unterstützen, aber dafür müsse es möglich sein, dass derjenige, der früher mit der Arbeit beginne, die Kinder abhole, und dass derjenige, der später mit der Arbeit beginne, die Kinder in die Betreuungseinrichtung bringe, und der Vaters des Antragstellers, der die Schwester des Antragstellers in die Kita „“ in der in bringe und dort wieder abhole, könne auch den Antragsteller dorthin bringen und abholen, sofern dieser dort einen Platz erhielte, vermag den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht grundlegend zu erschüttern. Auch wenn diese Aufteilung und der Erhalt eines weiteren Platzes in der Kita „“ aus Sicht der Eltern günstiger erscheinen mögen, genügt dies nicht den Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit des angebotenen Platzes in der Kindertagespflegestelle „“.

Es ist nicht substantiiert dargelegt und auch nicht glaubhaft gemacht, dass es der Mutter des Antragstellers nicht möglich oder sonst unzumutbar wäre, ihre Arbeitszeit im so zu verteilen, dass sie den Antragsteller vor ihrem Arbeitsbeginn in die angebotene Kindertagespflegestelle bringen und nach Arbeitsende dort wieder abholen kann. Die vorliegende Bescheinigung des vom 26. April 2024 (Blatt 55 der Gerichtsakte) lässt weder eine Unmöglichkeit noch eine Unzumutbarkeit bezüglich einer solchen Änderung der Arbeitszeiten der Mutter noch sonst Ausführungen zu einer etwaigen Kernarbeitszeit erkennen. Aus ihr geht lediglich hervor, dass die wöchentliche Arbeitszeit der Mutter 30,80 Stunden beträgt, die sich „in der Regel“ auf vier Werktage aufteilen, und dass die tägliche Arbeitszeit um 8:00 Uhr beginnt und um 16:00 Uhr endet (einschließlich einer 30-minütigen Pause). Damit ist nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht, warum es der Mutter nicht möglich sein sollte, den Antragsteller an vier Tagen pro Woche in der Kindertagespflegestelle um ca. 7:40 Uhr abzugeben und danach pünktlich an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen oder alternativ den Antragsteller um 8:00 Uhr dort abzugeben und ihre Arbeit im Anschluss daran um ca. 8:20 Uhr anzutreten. Die Kindertagespflegestelle in der liegt nach den Ausführungen des Antragsgegners (Schreiben vom 30. November 2023, Blatt 27 der Gerichtsakte), denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, acht Kilometer von der Arbeitsstelle der Mutter in der entfernt, was einem zeitlichen Mehraufwand von ca. 20 Minuten per Pkw pro Arbeitsweg entspricht. Es ist nicht dargelegt, dass die Kindertagespflegestelle und/oder der Arbeitgeber der Mutter nicht bereit oder nicht in der Lage wären, an den genannten Tagen entweder den Antragsteller 20 Minuten früher in Empfang zu nehmen oder den Arbeitsbeginn der Mutter um 20 Minuten nach hinten zu verlegen oder welche Gründe sonst für eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit dieser Lösung sprächen. Entsprechendes gilt für die Abholung des Antragstellers.

Weiter fehlt es alternativ an einer Darlegung und Glaubhaftmachung einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, die 30,8 Stunden der Arbeitszeit der Mutter auf fünf – statt wie jetzt auf vier – Arbeitstage pro Woche zu verteilen, was die Bring- und Abholprobleme des Antragstellers entspannen würde. Dass das sich einer entsprechenden Bitte der Mutter gänzlich verschließen würde oder dass dies der Mutter sonst unzumutbar wäre, ist durch die Bescheinigung vom 26. April 2024 weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Ebenso fehlt es an einer Darlegung und Glaubhaftmachung von Gründen, weshalb nur der Vater des Antragstellers, der offenbar bereits dessen Schwester in eine in gelegene Kita bringt bzw. diese von dort abholt, den Antragsteller in die Kindertagespflegestelle bringen bzw. von dort abholen könnte. Da der Vater nach eigener Darlegung auf den ÖPNV angewiesen ist, um seine Arbeitsstätte in der in zu erreichen, erscheint es wesentlich praktikabler, wenn die Mutter, die ihre Arbeitsstätte nach eigener Darlegung per Pkw aufsucht, den Antragsteller in die Kindertagespflegestelle bringt und von dort abholt.

Ob das Begehren auch daran scheitert, dass der Bevollmächtigte, wie das Verwaltungsgericht annimmt, mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2023 eingeräumt hat, der angebotene Betreuungsplatz decke den Bedarf des Antragstellers (vgl. hierzu die eidesstattliche Erklärung des Bevollmächtigten vom 22. Juli 2024, Blatt 93 der Gerichtsakte), bedarf vor dem dargelegten Hintergrund keiner Entscheidung.

Schließlich ist im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Platz in der Kindertagespflegestelle „“ nach den Darlegungen des Antragsgegners in seinen Schriftsätzen vom 30. November 2023 und 22. Dezember 2023 lediglich um einen vorübergehenden Zustand handeln dürfte. Der Antragsgegner hat ausgeführt, dass in die Eröffnung von zwei weiteren Kindertagesstätten mit einer Kapazität von insgesamt 145 Plätzen voraussichtlich im November 2024 geplant sei (vgl. Blatt 25 und 37 der Gerichtsakte). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unzumutbar, dass die Eltern des Antragstellers mit ihren jeweiligen Arbeitgebern klären, ob eine befristete Anpassung bzw. eine eventuelle Verlagerung ihrer Arbeitszeiten für einen begrenzten Übergangszeitraum in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).