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Vorschusszahlungen auf die Anwaltsgebühren aus dem Schonvermögen rechtfertigen nicht einen Abzug von den nach § 115 Abs. 4 ZPO zu ermittelden Kosten der Prozessführung


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Beschwerdekammer Entscheidungsdatum 19.07.2024
Aktenzeichen 26 Ta 306/24 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0719.26TA306.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 115 ZPO, § 45 RVG, § 58 RVG

Leitsatz

1. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der einschränkenden Maßgabe, dass sich der Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse um den Betrag der von der Partei gezahlten Vorschüsse vermindere, ist unzulässig (so zutreffend: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 58 Rn. 26).

2. Vorschusszahlungen an einen Prozessbevollmächtigten rechtfertigen jedenfalls dann nicht die Annahme ausreichenden Vermögens für die Prozessführung, wenn die Zahlungen aus dem Schonvermögen erfolgen. Solche Vorschusszahlungen können nicht von den nach § 115 Abs. 4 ZPO zu ermittelden Kosten der Prozessführung in Abzug gebracht werden.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Januar 2024 – 22 Ca 11211/23 – abgeändert und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A mit Wirkung vom 3. November 2023 mit der Maßgabe bewilligt, dass monatliche Raten aus dem Einkommen in Höhe von … Euro zu zahlen sind. Der Beginn der Zahlungspflicht bleibt der späteren Festsetzung vorbehalten.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Der Kläger hat am 3. November 2023 zunächst selbst und sodann durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 10. November 2023 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und dessen Beiordnung beantragt. Der dem Schriftsatz beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ist zu entnehmen, dass er zum damaligen Zeitpunkt (3. November 2023) angeblich über keine Einnahmen verfügte. Aus den nachgereichten Kontoauszügen ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger noch am 27. September 2023 Bezüge in Höhe von … Euro erhalten hat und am 16. November 2023 einen Betrag in Höhe von … Euro von der Bundesagentur. Ausweislich des zur Akte gereichten Bescheids der Bundeagentur erhält der Kläger im Übrigen seit dem 14. Dezember 2023 Arbeitslosengeld in Höhe von … Euro monatlich. Das Konto wies durchweg Beträge unter … Euro auf. Mit Urteil vom 2. April 2024 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die umstrittenen Kündigungen nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte ist zur Weiterbeschäftigung des Klägers (als Fachangestellter für Bäderbetriebe) und zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verurteilt worden. Das Bruttoeinkommen des Klägers beträgt … Euro.

Das Arbeitsgericht hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23. Januar 2023 mit der Begründung zurückgewiesen, die Kosten der Prozessführung überstiegen angesichts seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vier Monatsraten. Eine Beiordnung sei nicht beantragt worden. Außerdem habe er selbst bereits bei der Antragstellung mitgeteilt, die Anwaltskosten schon beglichen zu haben. Der Kläger hatte im Rahmen der Antragstellung erklärt, an seinen Prozessbevollmächtigten … Euro sowie weitere … Euro gezahlt zu haben, was sich auch aus den durch das Arbeitsgericht angeforderten Kontoauszügen ergibt. Ein Betrag in Höhe von … Euro ist danach auf eine Rechnung des Klägervertreters auf dessen Konto am 12. September 2023 überwiesen worden. Eine weitere Überweisung erfolgte am 18. Oktober 2023 in Höhe von … Euro. Am 28. November 2023 hat der Kläger nochmals eine Überweisung an den Klägervertreter vorgenommen. Die im Falle eines Unterliegens allein zu tragenden Gerichtsgebühren beliefen sich auf weniger, als der Antragsteller innerhalb von vier Monatsraten aus seinem Einkommen aufbringen könne. Das Arbeitsgericht ist dabei von Arbeitslosengeldeinnahmen in Höhe von … Euro sowie von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von … Euro ausgegangen.

Der Kläger hat gegen den ihm am 30. Januar 2024 zugestellten Beschluss mit einem am 19. Februar 2024 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde trägt er vor, dass ausweislich der Berechnung durch das Gericht Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung hätte bewilligt werden müssen. Insgesamt seien bisher schon „Anwaltskosten in Höhe von … Euro angefallen, wobei … Euro auf das gerichtliche Verfahren“ entfielen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. März 2024 nicht abgeholfen. Die Entscheidung sei in Ermangelung eines Vergleichsabschlusses unverändert zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

1)     Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der einschränkenden Maßgabe, dass sich der Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse um den Betrag der von der Partei gezahlten Vorschüsse vermindere, ist unzulässig (so zutreffend: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 58 Rn. 26).

2)    Ob bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Rahmen der Frage, ob überhaupt vier Monatsraten angefallen wären (§ 115 Abs. 4 ZPO), die Anrechnungsregeln des § 58 RVG Anwendung finden können, kann hier dahinstehen. Das Arbeitsgericht durfte die bereits durch den Kläger an seinen Prozessbevollmächtigten geleisteten Zahlungen schon deshalb nicht berücksichtigen, weil der Kläger einen Teil seines Schonvermögens in Anspruch genommen hat, um die Vorschussforderungen des Klägervertreters zu erfüllen. Dazu wäre er im Rahmen des Bewilligungsverfahrens erst ab einem über 10.000 Euro hinausgehenden Vermögen verpflichtet gewesen. Über ein solches Vermögen verfügte der Kläger aber gerade nicht. Ließe man die Argumentation des Arbeitsgerichts zu, schlösse man die „arme“ Partei von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein deshalb aus, weil sie noch aufgrund eines vorhandenen Schonvermögens in der Lage war, einen Vorschuss zu zahlen.

3)    Im Ergebnis kann daher auch offenbleiben, in welchem Umfang eine Anrechnung nach § 58 Abs. 2 ZPO möglich gewesen wäre bzw. sein wird (vgl. dazu die Beispiele bei Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 58 Rn. 11) und dass das Arbeitsgericht zudem die Höhe der Gerichtskosten nicht ganz zutreffend ermittelt hat.

4)    Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe sind erfüllt.

5)    Mit seiner Beschwerde hat der Kläger den Antrag auf Bewilligung von PKH begrenzt mit der Maßgabe, dass er sich mit der Anordnung einer Ratenzahlungsverpflichtung einverstanden erklärt. Diese Maßgabe war allerdings nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers auch erforderlich.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Gebühr ist nicht angefallen.

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.