Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Beschwerdekammer | Entscheidungsdatum | 25.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 26 Ta (Kost) 6040/24 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0725.26TA.KOST6040.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 380 ZPO, § 381 ZPO, § 9 ArbGG, § 569 ZPO |
1. Eine Rechtsmittelbelehrung ist nur dann ordnungsgemäß im Sinne von § 9 Abs. 5 ArbGG, wenn sie durch die für die Entscheidung zuständigen Richter unterschrieben ist. Die Unterschrift muss den zu unterzeichnenden Text abschließen. Sie wird daher im Regelfall unter den fertigen Text gesetzt. Dies ist durch eine andere Handhabung nicht sichergestellt (vgl. BAG 15. Mai 1984 – 1 AZR 532/80, Rn. 7; 30. September 1998 – 5 AZR 690/97, Rn. 14).
2. Die Urschrift eines Beschlusses genügt diesen Anfordungen nicht, wenn es in ihr lediglich heißt: „Rechtsmittel: Sofortige Beschwerde Zeugen“. Es liegt insoweit keine durch den Vorsitzenden unterschriebene Rechtsmittelbelehrung vor. Die Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil der Entscheidung. Sie muss so unterschrieben sein, wie das für die entsprechende Entscheidung gilt (Düwell/Lipke-Reinfelder § 9 ArbGG, Rn. 64).
3. Die Formulierung einer Rechtsmittelbelehrung darf nicht aufgrund von stichwortartigen Angaben dem Geschäftsstellenpersonal überlassen bleiben. Die von der Geschäftsstelle ausformulierte Rechtsmittelbelehrung wird durch die richterliche Unterschrift nicht mehr gedeckt. Eine Ausfertigung mit vollständiger Rechtsmittelbelehrung darf auf solcher Grundlage nicht erstellt werden (vgl. LAG Hamm 9. August 1984 - 8 Ta 210/84, MDR 1984, 1052; Germelmann/Prütting § 9 ArbGG, Rn. 36; Schwab/Weth-Weth § 9 ArbGG, Rn. 23).
4. Eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben eines Zeugen im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, erfordert schwerwiegende Gründe. Als derartige Entschuldigungsgründe werden nur äußere Ereignisse anerkannt, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, eine eigene Erkrankung oder eine schwere Erkrankung eines nächsten Angehörigen.
5. Selbst die Dauererkrankung eines Zeugen vermag sein Ausbleiben jedoch nur dann genügend zu entschuldigen, wenn ihm dadurch ein Erscheinen vor Gericht unzumutbar wird. Der durch ein privatärztliches Attest belegte Umstand, der Zeuge sei am Verhandlungstag arbeitsunfähig gewesen, genügt dafür nicht, denn ein arbeitsunfähiger Zeuge kann gleichwohl verhandlungs- und reisefähig sein. Es obliegt nicht den Gerichten, dem säumigen Zeugen die Reise- und Verhandlungsfähigkeit nachzuweisen. Vielmehr muss sich der Zeuge seinerseits hinreichend entschuldigen (vgl. BFH 10. Mai 2012 – III B 223/11, Rn. 9).
6. Die Entscheidungen nach § 380 Absatz 1 und 2 ZPO und nach § 381 ZPO sehen - nach wohl überwiegender Ansicht - in § 380 Abs. 3 und in § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ge-sonderte Beschwerdemöglichkeiten vor (vgl. KG 1. Februar 2022 - 22 W 4/22, MDR 2022, 720; Schultzky MDR 2022, 808; StJ/Berger Rn 21; MskV/Huber Rn 12; gegen die Möglichkeit einer Beschwerde gegen den Beschluss nach § 381 ZPO, weil sonst die Befristung der Beschwerde nach § 380 III obsolet würde: MK/Damrau/Weinland Rn 16; Zöller/Greger § 381 ZPO, Rn. 5; hier offengelassen).
1. Die Beschwerde des Zeugen gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 22. April 2024 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes durch das Arbeitsgericht. Er war als Zeuge zu Terminen am 17. November 2023 und 12. April 2023 geladen. Zu beiden Terminen erschien der Zeuge ohne vorherige Entschuldigung nicht. Die Ladung zum 12. April 2024 ist ihm sowohl am 21. März als auch am 30. März 2024 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 22. April 2024 hat das Arbeitsgericht daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 400 Euro gegen ihn verhängt. Der Ordnungsgeldbeschluss, welcher als Rechtsmittelbelehrung den Hinweis „Rechtsmittel: Sofortige Beschwerde Zeugen“ beinhaltet und von dem sich in der Akte keine Abschrift findet, ist dem Zeugen am 27. April 2024 zugestellt worden. Er hat hiergegen bei dem Arbeitsgericht (Rechtsantragsstelle) am 29. Mai 2024, einem Mittwoch, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass er zu dem Termin am 22. April 2024 zwar ordnungsgemäß geladen worden sei. Den Termin habe er jedoch aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen können. Eine Bescheinigung habe er in dem erneut zur Beweisaufnahme anberaumten Termin am 29. Mai 2024 eingereicht. Der Beschluss nehme im Übrigen Bezug auf einen Termin vom 11. November 2023, zu dem er auch nicht erschienen war. Das solle nunmehr für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblich sein. Die Ladung zu dem Termin habe er aber seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, übergeben, welche ihm zugesagt habe, sich darum zu kümmern. Es gehe daher nicht zu seinen Lasten, dass er den Termin nicht habe wahrnehmen können.
Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde als unzulässig angesehen, ihr aber teilweise abgeholfen und das Ordnungsgeld mit Beschluss vom 1. Juli 2024 auf die Hälfte (200 Euro) reduziert.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. April 2024 ist zulässig, aber unbegründet.
1) Gegenstand der Beschwerde war der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22. April 2024. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Zeuge u.a gegen die Ausübung des Ermessens seitens des Arbeitsgerichts, indem er geltend macht, bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes dürfe das Ausbleiben im Termin am 17. November 2023 keine Berücksichtigung finden. In dem Beschluss vom 22. April 2024 ging es noch nicht um eine Entschuldigung für das Ausbleiben in den Terminen. Dazu gab es seitens des Klägers noch keinen Vortrag, über den das Arbeitsgericht hätte befinden können.
2) Soweit das Gesuch des Zeugen in seinem Antrag vom 29. Mai 2024 danach als Beschwerde nach § 380 Abs. 3 ZPO auszulegen ist, ist diese entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts zulässig. Der Zeuge war nicht gehindert, auch noch nach Ablauf der Frist des § 569 ZPO Beschwerde einzulegen. Die Frist war durch den Beschluss vom 22. April 2024 nicht in Gang gesetzt worden. Es fehlte an einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung.
a) Eine Rechtsmittelbelehrung ist nur dann ordnungsgemäß im Sinne von § 9 Abs. 5 ArbGG, wenn sie durch die für die Entscheidung zuständigen Richter unterschrieben ist. Die Unterschrift muss den zu unterzeichnenden Text abschließen. Sie wird daher unter den fertigen Text gesetzt. Dies ist durch eine andere Handhabung nicht sichergestellt (vgl. BAG 15. Mai 1984 – 1 AZR 532/80, Rn. 7; 30. September 1998 – 5 AZR 690/97, Rn. 14).
b) Die Urschrift des Beschlusses vom 22. April 2024 enthält nicht die vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung. Es heißt lediglich: „Rechtsmittel: Sofortige Beschwerde Zeugen“. Es liegt insoweit keine durch den Vorsitzenden unterschriebene Rechtsmittelbelehrung vor. Eine derartige Formulierung genügt nicht den Anforderungen, die das Gesetz an eine Rechtsmittelbelehrung stellt. Die Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil der Entscheidung. Sie muss so unterschrieben sein, wie das für die entsprechende Entscheidung gilt (Düwell/Lipke-Reinfelder § 9 ArbGG, Rn. 64). Die Formulierung darf nicht aufgrund von stichwortartigen Angaben dem Geschäftsstellenpersonal überlassen bleiben. Die von der Geschäftsstelle ausformulierte Rechtsmittelbelehrung wird durch die richterliche Unterschrift nicht mehr gedeckt. Eine Ausfertigung mit vollständiger Rechtsmittelbelehrung darf auf solcher Grundlage nicht erstellt werden (vgl. LAG Hamm 9. August 1984 - 8 Ta 210/84, MDR 1984, 1052; Germelmann/Prütting § 9 ArbGG, Rn. 36; Weth in: Schwab/Weth § 9 ArbGG, Rn. 23). Mangels einer Abschrift in der Akte ist zudem nicht erkennbar, ob der Beschluss durch die Geschäftsstelle letztlich überhaupt mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen worden ist und ggf. mit welcher.
3) Die Beschwerde ist jedenfalls insoweit unbegründet, als das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen hat. Das Arbeitsgericht hat das Ordnungsgeld mit zuletzt 200 Euro nicht zu hoch festgesetzt.
a) Nach § 380 Abs. 1 ZPO hat das Gericht einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld sowie ersatzweise Ordnungshaft festzusetzen. Dem ist das Arbeitsgericht durch den angegriffenen Beschuss bisher teilweise nachgekommen.
aa) Hier waren die Voraussetzungen dieser gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen erfüllt. Der Beschwerdeführer war ordnungsgemäß als Zeuge zum Termin am 22. April 2024 geladen worden.
bb) Der Zeuge hat eine ausreichende Entschuldigung nicht angebracht.
(1) Eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, erfordert schwerwiegende Gründe. Als derartige Entschuldigungsgründe werden nur äußere Ereignisse anerkannt, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, eine eigene Erkrankung oder eine schwere Erkrankung eines nächsten Angehörigen. Selbst die Dauererkrankung eines Zeugen vermag sein Ausbleiben jedoch nur dann genügend zu entschuldigen, wenn ihm dadurch ein Erscheinen vor Gericht unzumutbar wird. Der durch ein privatärztliches Attest belegte Umstand, der Zeuge sei am Verhandlungstag arbeitsunfähig gewesen, genügt dafür nicht, denn ein arbeitsunfähiger Zeuge kann gleichwohl verhandlungs- und reisefähig sein. Es obliegt nicht den Gerichten, dem säumigen Zeugen die Reise- und Verhandlungsfähigkeit nachzuweisen. Vielmehr muss sich der Zeuge seinerseits hinreichend entschuldigen (vgl. BFH 10. Mai 2012 – III B 223/11, Rn. 9). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht. Der ICD-10-Code in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lässt nicht darauf schließen, dass er neben seiner Arbeitsunfähigkeit auch aussageunfähig gewesen ist. Die Diagnosen könnten auch für das Gegenteil sprechen. Eine Bescheinigung über die Aussageunfähigkeit hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht vorgelegt.
(2) Der Beschwerdeführer hat sein Nichterscheinen am 22. April 2024 zudem nicht vorab rechtzeitig entschuldigt, obwohl ihm jedenfalls die Arbeitsunfähigkeit seit dem 9. April 2024 bekannt war. Im Falle einer nicht rechtzeitigen Entschuldigung unterbleibt die Auferlegung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Auch an einer in diesem Sinne genügenden Entschuldigung fehlt es. Es bestand ausreichend Zeit, das Gericht vor dem Termin zu informieren. Dass der Beschwerdeführer hierzu aufgrund der festgestellten Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, ergibt sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und seinem Vortrag gerade nicht.
bb) Das Arbeitsgericht hat sein Ermessen bei der Bestimmung der Höhe des Ordnungsgeldes in der zuletzt festgesetzten Höhe nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgeübt. Es hat nach dem Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 1. Juli 2024 davon abgesehen, das Ausbleiben im Termin am 17. November 2023 bei der Bestimmung der Höhe des Ordnungsgeldes mit einzubeziehen. Damit hat es dem Begehren des Zeugen insoweit Rechnung getragen. Dieses Vorgehen war nicht zwingend. Es spricht viel dafür, dass es auch nicht zu beanstanden gewesen wäre, den Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits zu der Sitzung am 17. November 2023 ohne eine rechtzeitige Entschuldigung zu einer Beweisaufnahme nicht erschienen war. Die Entschuldigung für sein Ausbleiben am 17. November 2023 ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht erkennbar, was die Deutsche Post als seine Arbeitgeberin mit der Ladung zu dem Termin zu tun hatte. Es fehlte insoweit auch an einer Glaubhaftmachung.
4) Es kann danach hier dahinstehen, ob der Antrag vom 29. Mai 2024 jedenfalls als ein Antrag nach § 381 ZPO auf Aufhebung des Beschlusses vom 22. April 2024 auszulegen gewesen wäre. § 381 ZPO soll allerdings ein selbständiges Verfahren vorsehen, mit dem ein Zeuge die Aufhebung einer nach § 380 ZPO getroffenen Entscheidung beantragen kann (Anders/Gehle-Gehle § 381 ZPO Rn. 12). Die Entscheidungen nach § 380 Absatz 1 und 2 ZPO und nach § 381 ZPO sehen - nach wohl überwiegender Ansicht - in § 380 Abs. 3 und in § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gesonderte Beschwerdemöglichkeiten vor (vgl. KG 1. Februar 2022 - 22 W 4/22, MDR 2022, 720; Schultzky MDR 2022, 808; StJ/Berger Rn 21; MskV/Huber Rn 12; gegen die Möglichkeit einer Beschwerde gegen den Beschluss nach § 381 ZPO, weil sonst die Befristung der Beschwerde nach § 380 III obsolet würde: MK/Damrau/Weinland Rn 16; Zöller/Greger § 381 ZPO, Rn. 5). Die Entscheidung nach § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO soll zudem vorrangig sein gegenüber der nach § 380 Abs. 3 ZPO (Anders/Gehle-Gehle § 380 Rn. 24). Nur soweit neben den Gründen aus § 381 ZPO noch andere Gesichtspunkte vorgetragen werden, wie zB. Ermessensfragen nach § 380 ZPO (so allerdings hier), soll bei Nichtabhilfe sofortige Vorlage geboten sein (Anders/Gehle-Gehle § 381 ZPO Rn. 12). Eine „sofortige Beschwerde“, mit der die Aufhebung eines Beschlusses nach § 380 ZPO beantragt wird, ist nach dieser Ansicht ansonsten – gerade bei Versäumung der Beschwerdefrist - als Antrag nach § 381 ZPO auszulegen. Dieser soll nicht fristgebunden sein (vgl. KG Berlin 1. Februar 2022 – 22 W 4/22, MDR 2022, 720, Rn. 4; abwägend: Schultzky, MDR 2022, 808).
III.
Einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es in der vorliegenden Konstellation nicht. Das Arbeitsgericht hat bisher nur über das Ordnungsgeld entschieden und von den übrigen nach § 380 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Maßnahmen abgesehen. Für das Beschwerdeverfahren ist allerdings eine Gebühr angefallen. Diese wird angesichts des teilweisen Erfolgs der Beschwerde auf ½ ermäßigt.
IV.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.