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Streitwert für einen Antrag auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts an der Arbeitsleistung angesichts einer Verlagerung der Dienststelle der Klägerin im Zuge der Zusammenlegung von Dienststellen der Bundesländer Berlin und Brandenburg


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Beschwerdekammer Entscheidungsdatum 23.07.2024
Aktenzeichen 26 Ta (Kost) 6043/24 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0723.26TA.KOST6043.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 63 GKG, § 68 GKG, § 42 GKG

Leitsatz

1. Der Antrag auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf die Arbeitsleistung stellt sich als Pendant zum Beschäftigungsantrag dar, mit dem die tatsächliche Beschäftigung beim Arbeitgeber begehrt wird (vgl. Hessisches LAG 30. Januar 2014 – 1 Ta 240/13, Rn. 6).

2. Während es bei dem Antrag auf Beschäftigung um den tatsächlichen Einsatz geht, wird mit dem Antrag auf Feststellung des Zurückbehaltungsrechts die gerichtliche Feststellung angestrebt, dass – in der Regel bis zur Sicherstellung konkret genannter Maßnahmen - eine Arbeitsleistung gerade nicht zu erbringen ist.

3. Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine Änderung des Aufgabenbereichs oder des Arbeitsortes, beträgt der Gegenstandswert in der Regel eine Bruttomonatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei (I.14 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit, Stand: 1. Februar 2024). Bei wirtschaftlichen Auswirkungen ist der dreijährige Differenzbetrag in Ansatz zu bringen, maximal aber drei Bruttoeinkommen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 9. Juli 2019 – 26 Ta (Kost) 6064/18).

4. Diese Grundsätze finden auch Anwendung, wenn die klagende Partei sich mit einem Feststellungsantrag auf das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts beruft (so auch schon Hessisches LAG 30. Januar 2014 – 1 Ta 240/13, Rn. 6; zur Begrenzung auf ein Vierteljahreseinkommen auch in dieser Konstellation vgl. LAG Berlin-Brandenburg 4. August 2017 – 17 Ta (Kost) 6063/17, zu Nr. 1 der Gründe).

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2024 – 60 Ca 7382/21 – teilweise abgeändert und der Streitwert auf 29.000 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin wenden sich gegen den Ansatz eines Streitwerts für einen Antrag auf die Feststellung, dass „der Klägerin seit dem 1. April 2019 gegenüber der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung zusteht“. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag bei der Berechnung des Streitwerts mit 5.000 Euro in Ansatz gebracht. Den Gesamtstreitwert hat es - unter Berücksichtigung eines weiteren Streitgegenstands - auf 25.000 Euro festgesetzt.

Die Parteien haben darüber gestritten, ob eine durch die Beklagtenseite vorgenommene Zuweisung eines anderen Tätigkeitsorts zumutbar war und welche Rechtsfolgen daraus resultieren. Die Klägerin war ursprünglich im Landesumweltamt in Potsdam tätig, später in Kleinmachnow und von August 2010 bis zum 31. Dezember 2007 in der Invalidenstraße in Berlin, was für sie zuletzt bereits mit einer Fahrzeit von über zwei Stunden täglich verbunden war. Nach einer erneuten Verlagerung der Dienststelle ist der Klägerin ab dem 1. April 2019 die Tätigkeit an deren neuen Standort Adlershof zugewiesen worden. Das ist nach dem Vortrag der Klägerin in der Klageschrift mit einer Wegestreckenzeit von mindestens drei Stunden und vierzig Minuten verbunden, häufig auch mit mehr als vier Stunden. Die Parteien haben sich vor dem Hintergrund der zeitlichen Belastung auf eine Reduzierung der Arbeitszeit bei 30 Stunden geeinigt. Mit der im Juli 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts seit dem 1. April 2019 geltende gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2023 abgewiesen.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin sind der Ansicht, für den Antrag müsse als Anknüpfungspunkt das Bruttoeinkommen der Klägerin seit dem 1. April 2019 herangezogen werden. So werde ja auch in den Fällen verfahren, in denen wegen eines zu Unrecht ausgeübten Zurückbehaltungsrechts der Lohnanspruch verloren gehe. Auch ein Streitwert in Höhe von zwölf Monatseinkommen wäre nicht zu hoch bemessen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juli 2024 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Antrag auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf die Arbeitsleistung der Klägerin ist hier mit einem Vierteljahreseinkommen zu bewerten.

1)    Ein solcher Antrag stellt sich als Pendant zum Beschäftigungsantrag dar, mit dem die tatsächliche Beschäftigung beim Arbeitgeber begehrt wird (vgl. Hessisches LAG 30. Januar 2014 – 1 Ta 240/13, Rn. 6). Während es mit dem Antrag auf Beschäftigung um den tatsächlichen Einsatz geht, wird mit dem Antrag auf Feststellung des Zurückbehaltungsrechts die gerichtliche Feststellung angestrebt, dass – in der Regel bis zur Sicherstellung konkret genannter Maßnahmen - eine Arbeitsleistung gerade nicht zu erbringen ist.

2)    Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine Änderung des Aufgabenbereichs oder des Arbeitsortes, beträgt der Gegenstandswert in der Regel eine Bruttomonatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei (I.14 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit, Stand: 1. Februar 2024). Bei wirtschaftlichen Auswirkungen ist der dreijährige Differenzbetrag in Ansatz zu bringen, maximal aber drei Bruttoeinkommen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 9. Juli 2019 – 26 Ta (Kost) 6064/18).

Diese Grundsätze finden auch Anwendung, wenn die klagende Partei sich mit einem Feststellungsantrag auf das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts beruft (so auch schon Hessisches LAG 30. Januar 2014 – 1 Ta 240/13, Rn. 6). Hier geht es der Klägerin, die ihre Tätigkeit - wenn auch mit erheblichen Belastungen - weiterhin ausübt, um eine Beschäftigung zu aus ihrer Sicht zumutbaren Bedingungen oder jedenfalls um einen angemessenen Ausgleich für die zusätzlichen Belastungen.

Hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Betrags war zu berücksichtigen, dass – auch wenn der Arbeitsweg aufgrund der Zusammenlegung der Einrichtungen der Länder Berlin und Brandenburg für die Klägerin schon zuvor immer länger geworden war – die Auswirkungen zuletzt gravierend waren. Während die Dienstelle in der Invalidenstraße für sie noch – wenn auch bereits mit nicht unerheblichem zeitlichen Aufwand – von ihrer Wohnung in Schwielowsee aus erreichbar war, ist der jetzige Weg zur Arbeit angesichts der ganz erheblichen Belastungen ohne einen Umzug auf Dauer kaum noch zu bewerkstelligen. Zwar kommt die Änderung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht gleich, aber bereits sehr nahe. Hier kommt hinzu, dass die Parteien sich auf eine Reduzierung der Arbeitszeit und verbleibende 30 Stunden/Woche geeinigt haben mit den entsprechenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Diese liegen - bei Ansatz eines 36-fachen Betrages - deutlich über drei Bruttoeinkommen, sodass der Ansatz eines Vierteljahreseinkommens – und damit der Maximalbetrag - gerechtfertigt ist (zu einer entsprechenden Begrenzung in einer ähnlichen Konstellation: LAG Berlin-Brandenburg 4. August 2017 – 17 Ta (Kost) 6063/17, zu Nr. 1 der Gründe).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG. Das Verfahren ist gebührenfrei, § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG.