Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen fehlende Notwendigkeit, fehlendes Sonderinteresse, Grundbuchrechtliche...

fehlende Notwendigkeit, fehlendes Sonderinteresse, Grundbuchrechtliche Eintragung, Haus-(Grundstücks-)anschlusskosten, Neuanschluss an Grundstücksgrenze, Zutrittsrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 01.03.2024
Aktenzeichen VG 6 K 1604/19 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0301.6K1604.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 10 KAG

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über einen Kostenersatz für die Errichtung eines Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses des Beklagten.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks K_____ 03249 S_____, O_____.

Mit Schreiben vom 8. November 2017 und 28. November 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, auf dessen Kosten ein uneingeschränktes Zutrittsrecht zugunsten des beklagten Verbandes in das Grundbuch des streitbefangenen Grundstücks eintragen zu lassen, andernfalls ein neuer Anschluss an der Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks errichtet werden müsse. Der Kläger kam der Aufforderung nicht nach, teilte dem Beklagten aber mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Dezember 2017 mit, dass dem beklagten Verband jederzeit Zutritt zum Grundstück für Zwecke zur Prüfung des Grundstücksanschlusses gewährt werde.

Am 9. April 2018 errichtete der beklagte Verband an der Grundstücksgrenze einen Schmutzwasser-Grundstücksanschluss für das bezeichnete Grundstück, obwohl sich bereits ein Grundstücksanschlussschacht auf dem klägerischen Grundstück befand.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2019 zog der Beklagte den Kläger zum Kostenersatz für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses für das bezeichnete Grundstück i.H.v. 863,87 € heran. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenersatzes die Satzung über den Kostenersatz für Abwassergrundstücksanschlüsse des Wasser- und Abwasserverbandes W_____(G_____2019) vom 10. April 2019 sei. Danach habe der Kläger als Eigentümer die Kosten für den tatsächlich entstandenen Aufwand für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses zu zahlen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das Grundstück bereits über einen geeigneten Schacht verfügte und die Herstellung eines Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses somit nicht notwendig gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2019 – dem Kläger am 16. November 2019 zugestellt – wies der Beklagte den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage die G_____ vom 10. April 2019 sei. Die Überprüfung des Bescheides habe ergeben, dass die Höhe des Kostenersatzes korrekt ermittelt worden sei. Anhand der Satzung seien dem beklagten Verband die bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses zu erstatten. Anhand der Satzung bestimme der Verband die Anzahl, Art und Nennweite des Grundstücksanschlusses. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 8. November 2017 mitgeteilt worden, dass vorbereitende Arbeiten für die angeordnete Kanalisatierung durchgeführt würden. Bei der vorgenommenen Bestandsaufnahme sei festgestellt worden, dass der auf dem Grundstück vorhandene Grundstücksansanschlussschacht zwar den geltenden Regeln der Technik entspräche, aber nicht uneingeschränkt zugänglich sei. Grundvoraussetzung für die Anerkennung als geeigneter Grundstücksansanschlussschacht sei die freie Zugänglichkeit für den Verband zur Erfüllung seiner Kontrollfunktionen. Diese könne nur durch die Sicherung eines Betretungsrechts im Grundbuch erfolgen. Aufgrund der derzeit geltenden Rechtsprechung im Land Brandenburg würden zur Absicherung der uneingeschränkten Erreichbarkeit die Grundstücksansanschlussschächte vor der Grundstücksgrenze im öffentlichen Verkehrsraum errichtet. Die Eintragung einer Dienstbarkeit zur Sicherung eines Zutritts- bzw. Betretungsrechts sei vom Kläger abgelehnt worden.

Daraufhin hat der Kläger am 16. Dezember 2019 Klage erhoben.

Er ist ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen der Ansicht, dass die Satzung rechtswidrig sei. Die dem Bescheid zu Grunde liegende Rechnung vom 22. Januar 2019 liege die Aufstellung der Zeitvertragsarbeiten für den Zeitraum 2015-2016 zu Grunde. Aus der Aufstellung für die Zeitvertragsarbeiten 2015-2016 gehe kein Bezug der Arbeiten zum klägerischen Grundstück hervor. Es lasse sich aus der Rechnung nicht entnehmen, dass Arbeiten am Grundstücksanschluss im Jahr 2016 erbracht worden seien. Hinsichtlich dieser Kosten sei jedenfalls Verjährung eingetreten. Die Errichtung des Grundstücksanschlusses werde bestritten, sie sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen, weil er dem Beklagten ein jederzeitiges Zutrittsrecht zum Revisionsschacht auf seinem Grundstück gewährt habe, er habe dieses lediglich nicht grundbuchlich verankert wissen wollen. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen. Ferner habe der Beklagte sein Ermessen nicht ausgeübt. Es sei zu vermuten, dass der Anschluss vielmehr anderen Grundstücken und nicht dem klägerischen diene.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid vor, dass die Satzung rechtmäßig und ordnungsgemäß bekannt gegeben sei. Da ein Betretungsrecht ohne eine Sicherung im Grundbuch für den Verband nicht bestehe, müsse er zur Erfüllung seiner Betriebs-, Kontroll-, Instandhaltungs- und Reparaturobliegenheit Grundstücksanschlüsse in den öffentlichen Straßenraum verlegen, wenn anderweitig eine uneingeschränkte dauerhafte Erreichbarkeit nicht gewährleitet werden könne. Die seitens des Klägers erfolgte schriftliche Erklärung zum jederzeitigen Zutrittsrecht sei nicht ausreichend, weil die uneingeschränkte und dauerhafte Erreichbarkeit hierdurch nicht begründet werde; dies sei nur durch eine grundbuchliche Sicherung vollumfassend und langfristig, ggfs. auch gegenüber Rechtsnachfolgern möglich. Eine verlässliche Erfüllung der dem Verband obliegenden Pflichten sei anders nicht gewährt. Insofern sei die Verlegung des Grundstücksanschlusses notwendig gewesen. Die in der Abrechnung verzeichneten „Zeitvertragsarbeiten 2015-2016 für W_____“ bezögen sich nicht auf den tatsächlichen Bautermin. Auch sei der Kostenersatzanspruch weder festsetzungs- noch zahlungsverjährt. Es sei auch keine Verwirkung eingetreten.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87 a Abs. 2,3 VwGO anstelle der Kammer und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger somit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ist § 10 Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG) i.V.m. der Satzung über den Kostenersatz für Abwassergrundstücksanschlüsse des Wasser- und Abwasserverbandes W_____ (G_____2019) vom 10. April 2019. Gegen die den maßgeblichen Zeitpunkt umfassende G_____ 2019 bestehen weder formellrechtliche noch materielle Bedenken; solche sind weder gerügt, noch sind sie sonst ersichtlich.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Kostenersatz sind nicht erfüllt. Nach § 10 Abs. 1 KAG können die Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KAG). Der Aufwand und die Kosten können in der tatsächlich geleisteten Höhe ermittelt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG). Zum Kreis der Ersatzpflichtigen zählen die Grundstückseigentümer als Gegenleistung dafür, dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der Ersatzanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung der Anschlussleitung, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme (§ 10 Abs. 2 KAG).

Dem entsprechend regelt § 1 Abs. 1 G_____ 2019, dass dem beklagten Zweckverband die Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses für die Entsorgung von Schmutzwasser oder Niederschlagswasser (Abwasser) zu ersetzen sind. Kostenersatzpflichtig ist gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenersatzpflicht Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kostenersatzpflicht entsteht nach § 4 Abs. 1 der Satzung mit der endgültigen Herstellung des Grundstückanschlusses, im Übrigen mit Beendigung der Maßnahme. Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung besteht der Hausanschluss zwischen dem Abzweig am Kanal bis zur Grundstücksgrenze einschließlich des mit dieser Anschlussleitung verbundenen Revisionsschachtes. Kann der Revisionsschacht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht unter dem öffentlichen Straßenraum vor dem Grundstück hergestellt werden, ist Bestandteil des Grundstücksanschlusses auch die von der Grundstücksgrenze bis zum Revisionsschacht führende Anschlussleitung für Abwasser.

Vorliegend hat sich der Beklagte entschlossen einen neuen Anschluss an die Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks zu legen. Somit ist das Tatbestandsmerkmal der (Neu-)Herstellung zwar erfüllt. Es fehlt allerdings an der Notwendigkeit der erfolgten Maßnahme, jedenfalls stand sie nicht im Sonderinteresse des Klägers. Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches ergänzend voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück des Kostenpflichtigen der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 10 KAG regelt einen besonderen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten für eine vorangegangene spezielle Leistung des Einrichtungsträgers, die gerade dem Pflichtigen zugutekommt (vgl. Kluge in Becker u.a., Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 83 ff., Rn. 91 ff. m.w.N.; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012, a.a.O., Rn. 30 ff.). Ein Sonderinteresse und damit ein Kostenerstattungsanspruch des Einrichtungsträgers entfiele nur, wenn feststünde, dass er für die Ursache der Maßnahme selbst verantwortlich sei. Bleibt die Verantwortlichkeit des Einrichtungsträgers unerweislich, trägt der Grundstückseigentümer hierfür die materielle Beweislast (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. vom 30.4.2015 – 9 M 20.14 -, juris, Rn. 6; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012 – 8 K 1055/10 –, juris, Rn. 31; Urt. vom 13.11.2015 – 8 K 2294/12 -, juris, Rn. 22; zur dortigen Rechtlage OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21.2.1996 – 22 A 3216/92 –, juris zur Beseitigung der Undichtigkeit einer Leitung, die durch die Verwendung einer ungeeigneten Mörtelmasse entstanden war; Hessischer VGH, Urt. vom 16.1.1985 – 5 UE 401/84 –; Urt. vom 17.7.1997 – 5 UE 3780/96 –, NVwZ-RR 1999 S. 69; Beschl. vom 12.10.2020 – 5 A 3073/19 -, juris, Rn. 17 ff; VG Wiesbaden, Urt. vom 30.5. 2012 – 1 K 614/11 –, juris, Rn. 19).

Nach übereinstimmenden Beteiligtenvortrag verfügt der Kläger über einen dem Stand der Technik entsprechenden, voll funktionstüchtigen Schmutzwassergrundstücksanschluss, dessen Zugang zum Grundstücksanschlussschacht sich allerdings auf dem klägerischen Grundstück befindet, was satzungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Neuherstellung erfolgte lediglich aufgrund der Tatsache, dass der Kläger dem beklagten Verband kein grundbuchrechtlich gesichertes, jederzeitiges Zutrittsrecht einräumen wollte und insoweit nur ohne grundbuchliche Eintragung den Zutritt zu seinem Grundstück zwecks etwaig entstehender Arbeiten am Grundstücksanschluss gewährte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Neuherstellung allerdings als unnötig und von dem beklagten Verband selbst verursacht dar. Eine konkrete, aktuelle Nützlichkeit des Neuanschlusses, die ein Sonderinteresse des Klägers auslösen könnte, ist nicht ersichtlich, weil der Kläger bereits über einen dem Stand der Technik entsprechenden, funktionstüchtigen Anschluss verfügte. Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, seinen obliegenden Pflichten am Grundstücksanschluss aufgrund fehlendem grundbuchrechtlich eingetragenen Betretungsrechts nicht ausüben zu können, so geht diese Annahme fehl. Es ist ausreichend, dass der Kläger – wie geschehen – dem Verband schriftlich ein jederzeitiges Zutrittsrecht einräumt, denn hierdurch wird ihm die Möglichkeit gegeben, seine notwendigen Arbeiten am Grundstücksanschluss durchzuführen. Durchschlagen können die Argumente des Beklagten nicht, wenn er die Auffassung vertritt, der Kläger könne dieses Zutrittsrecht jederzeit widerrufen bzw. es gelte nicht gegenüber Rechtsnachfolgern fort. Hierbei handelt es sich um Annahmen ins Blaue hinein, die jedenfalls eine derzeitige Herstellung eines neuen Anschlusses nicht rechtfertigen. Für den Fall der Rechtsnachfolge steht es dem Beklagten frei, sich von dem etwaigen Rechtsnachfolger ein ähnliches Zutrittsrecht erteilen zu lassen. Im Falle der Zutrittsverweigerung wäre dann ggfs. eine Notwendigkeit eines Neuanschlusses gegeben. Gleiches gilt für den Fall des Widerrufs des Zutrittsrechts durch den Kläger. In einem solchen Fall wäre voraussichtlich von einer Notwendigkeit und einem Sonderinteresse des Klägers auszugehen. Für einen Widerruf des Zutrittsrechts sind allerdings nach derzeitiger Sachlage keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Beklagte hat somit die Maßnahme selbst verursacht und hat dementsprechend für die von ihm selbst gewählte und technisch nicht notwendige Maßnahme sämtliche Kosten selbst zu tragen.

Vor diesem Hintergrund kommt es vorliegend auf die weiteren klägerischen Einwendungen nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung: