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Entscheidung 13 KLs 25/22


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 3. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 20.01.2023
Aktenzeichen 13 KLs 25/22 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2023:0120.13KLS25.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Angeklagte wird wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Die in Tansania erlittene Auslieferungshaft wird im Maßstab von 1 : 4 angerechnet.

Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 41.470,- € wird angeordnet.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Es wird gemäß § 101 Abs. 7 S. 2 und 4 StPO festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 12. November 2021 (70 Gs 2372/21) rechtswidrig ist. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Cottbus vom 19. November 2021 und 1. Dezember 2021 (70 Gs 2440/21, 70 Gs 2461/21, 70 Gs 2441/21, 70 Gs 2463/21 und 70 Gs 2498/21) sind rechtmäßig.

Angewandte Vorschriften: §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG §§ 53, 73c StGB

Gründe

Dem Urteil ist eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen.

I. Feststellungen zur Person

Der in E. geborene und heute 44-jährige Angeklagte wuchs bei seiner Mutter auf, nachdem sich seine Eltern fünf Jahre nach der Geburt getrennt hatten. In der Folgezeit erkrankte die Mutter an einer nach wie vor bestehenden Depression, sodass sich der Angeklagte schon als Kind in der Verantwortung sah, für sie sorgen zu müssen. Die Beziehung des Angeklagten zu seinem Vater kühlte in den Jahren nach der Trennung ab, festigte sich im Erwachsenenalter des Angeklagten dann aber wieder. Auch zu seinen aus der neuen Partnerschaft des Vaters stammenden drei Halbgeschwistern pflegt der Angeklagte Kontakt.

Schulisch erbrachte der Angeklagte zunächst durchschnittliche bis gute Leistungen und erwarb nach 10 Schuljahren den Realschulabschluss. Der anschließende Wechsel in die gymnasiale Oberstufe misslang allerdings. Nicht zuletzt wegen zu hoher Fehlzeiten brach der Angeklagte im zweiten Anlauf die 11. Klasse ab und beendete so endgültig seine schulische Laufbahn.

Aufgrund der Aussicht, eines Tages eventuell das Baugeschäft seines Vaters übernehmen zu können, begann der Angeklagte eine Lehre zum Stuckateur, brach auch diese jedoch bereits nach wenigen Wochen wieder ab. Nach Ableistung des Zivildienstes in einem Krankenhaus in E. begab sich der Angeklagte in die Selbständigkeit und verdiente seinen Lebensunterhalt über mehrere Jahre durch den Import von Holzkohle aus Thailand. Anschließend stieg er in das von seiner Lebensgefährtin geführte Bekleidungsgeschäft ein und betätigte sich dort im Bereich des Wareneinkaufs und des Online-Handels.

Im Jahr 2011 macht der Angeklagte seine erste Hafterfahrung, als er wegen des dringenden Tatverdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für etwa acht Monate in Untersuchungshaft genommen wurde. Das Verfahren (220 Js 37112/09) ist nach Aufhebung und Zurückverweisung des im April 2013 verkündeten Urteils durch die Revisionsinstanz nunmehr bei dem Landgericht Potsdam (210 KLs 4/20) anhängig, dort aber bisher nicht rechtskräftig abgeschlossen worden.

Mit seiner Lebensgefährtin lebt der Angeklagte bereits seit 20 Jahren in einer festen Partnerschaft. Dabei brachte sie zwei Kinder im Alter von damals vier und neun Jahren mit in die Beziehung, zu denen der Angeklagte wenn auch kein väterliches, so doch ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Am 4. April 2019 kamen die gemeinsamen Zwillinge des Paares zur Welt. Der Angeklagte lebt mit seiner Partnerin und den gemeinsamen Kindern in einem Haushalt in L., unterhält gleichzeitig jedoch noch eine eigene Wohnung in B., die ihm als privater Rückzugsort dient.

Der Angeklagte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

In vorliegender Sache hat das Amtsgericht Z. mit Beschluss vom 29. September 2021 (4 Gs 18/21) die Untersuchungshaft des Angeklagten angeordnet. Aufgrund dieses Haftbefehls ist der Angeklagte am 14. Dezember 2021 auf dem Flughafen in Sansibar durch die tansanischen Behörden festgenommen und bis zu seiner Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland am 22. Mai 2022 in Tansania inhaftiert worden.

Nach seiner Festnahme wurde der Angeklagte zunächst auf die Polizeistation nach Stone Town in Sansibar-Stadt verbracht, wo er ohne Eröffnung eines Haftbefehls für die nächsten zwei Nächte mit 14 weiteren Häftlingen in einer nur etwa 9 m² großen, fensterlosen und unbeleuchteten Zelle festgehalten wurde. Ein Verschluss der Zelle erfolgte zwar nur zur Nachtzeit, doch fehlte es an Schlafplätzen, sanitären Anlagen sowie an Schutz vor den zahlreichen Stechmücken. Zum Verrichten der Notdurft hatten die Häftlinge ein Loch im Boden am Ende des Flurs, an den sich die Zellen anschlossen, zu benutzen. Wasser und Nahrungsmitteln erhielt der Angeklagte erst am auf die Festnahme folgenden Tag von einem in der Region lebenden Bekannten.

Anschließend wurde der Angeklagte in eine Polizeistation nach Dar es Salaam verbracht. Zum Grund seiner Festnahme teilten die Behördenmitarbeiter dem Angeklagten lediglich mit, es liege eine „Red Notice“ gegen ihn vor. Die Kontaktaufnahme zu seinem Verteidiger wurde ihm auch hier verwehrt. Die Inhaftierung erfolgte unter ähnlich schlechten Bedingungen wie in Sansibar-Stadt. Mit sieben Mithäftlingen teilte er sich eine etwa 6 m² große Zelle. Die Häftlinge hatten auf dem Boden zu schlafen, die Sanitäranlagen waren stark verschmutzt. Wasser erhielt der Angeklagte von einem Mithäftling. Eine darüberhinausgehende Versorgung erfolgte nicht. Die dem Angeklagten gegenüber auftretenden Polizeibeamten zeigten sich verbal aggressiv und bedrohlich. Am nächsten Tag wurde der Angeklagte vor den Kisutu Magistrates Court gebracht. Die ihm dort zur Seite gestellte örtliche Anwältin konnte den Angeklagten darüber aufklären, dass er wegen des Verdachts des Betäubungsmittelhandels festgenommen worden sei.

Die folgenden Monate verbrachte der Angeklagte in der Haftanstalt Segerea. Nach seiner Ankunft veranlasste das Wachpersonal den Angeklagten und die übrigen Ankömmlinge dazu, sich vollständig zu entkleiden und bis auf Weiteres in der Hocke zu verharren, wobei teils allein der Erniedrigung dienende Anweisungen – auf einem Bein stehen, im Kreis drehen, Singen, längeres im Kreis laufen – zu befolgen waren. Als Teil dieser Aufnahmekontrolle wurde der Angeklagte gezwungen, sich über einem verschmutzten Eimer zu erleichtern. Ähnliche Prozeduren erlebte der Angeklagte in den folgenden Monaten regelmäßig, etwa im Rahmen der dreimal täglich stattfindenden Gefangenenzählungen. Auch bei der Wasseraufnahme oder dem Toilettengang, für den nur ein betoniertes Loch und ein Eimer zur Verfügung standen, musste der Angeklagte stets der von dem Wachpersonal vorgegeben Ordnung Folge leisten, die unter anderem längeres Verharren in gehockter Stellung forderte. In der etwa 100 m² großen, sogenannten Quarantänezelle war bei einer Belegung von bis zu 100 Häftlingen das Schlafen regelmäßig nur auf der Seite möglich. Die stark verschmutzten Zellen waren mit vergitterten Fenstern und einem Blechdach ausgestattet, wobei Letzteres für eine starke Hitzeentwicklung am Tage sorgte. Der von den verschmutzten Schaumstoffmatratzen abgegebene Staub belastete die Atemwege der Gefangenen. Der Ungezieferbefall umfasste neben Bettwanzen und Stechmücken auch Ratten und Kakerlaken. Tagsüber hielten sich die in diesem Trakt Inhaftierten auf einem etwa 1000 m² großen Innenhof auf. Die Versorgung bestand am Morgen aus einer Suppe aus Wasser und Maismehl, von der jeder Gefangene etwa 200 ml erhielt. Für die Wasserversorgung aus einem nahegelegenen und nicht immer gefüllten Brunnen hatten die Gefangenen zu sorgen. Später am Tag wurde stets eine dürftige Portion Maisbrei mit Bohnen ausgegeben. Bereits nach wenigen Tagen litt der Angeklagte an einem Ausschlag am ganzen Körper sowie an einem Atemwegsinfekt, welcher erst nach drei Wochen wieder abklang. Zu dieser Zeit wurde der Angeklagte aus der sogenannten Quarantänezelle verlegt, die Haftverhältnisse blieben aber im Wesentlichen unverändert. Zwischen Januar und März wurde der Angeklagte etwa alle zwei Wochen vor den Magistrate Court gebracht, wobei er bei diesen Gelegenheiten auch kurz Kontakt zu seiner Lebensgefährtin und seinem Verteidiger aufnehmen konnte.

Eine kleine Verletzung, die sich der Angeklagte am Fußgelenk zugezogen hatte, entzündete sich aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen in der Haftanstalt schwer. Echte ärztliche Betreuung erfolgte erst nach einer Woche. Gleichzeitig breitete sich von seiner Leistengegend kommend ein weiterer schmerzhafter Ausschlag über den gesamten Körper aus mit stark juckenden und schmerzenden Schwellungen an Leiste, Gesäß, Oberschenkeln und Bauch. Eine vollständige Heilung ist bis heute nicht eingetreten. Die teils offenen Geschwüre in der Leistengegend haben zu einer Vernarbung des dortigen Gewebes geführt. Ferner litt der Angeklagte zwischenzeitlich an einer schweren Durchfallerkrankung sowie einer weiteren Atemwegsinfektion.

An den Wochenenden bestanden in begrenztem Umfang Besuchsmöglichkeiten. Zwar war in dem überfüllten Raum, in welchem ein Lochblech die Besucher von den Gefangenen trennte, ein echter Austausch kaum möglich, doch konnte sich der Angeklagte so von seinem in der Nähe lebenden Bekannten regelmäßig mit Bargeld versorgen lassen, welches er unmittelbar an ranghöheres Gefängnispersonal übergeben ließ. Auf diese Weise konnte er sich etwa mit Medikamenten versorgen lassen. Der Zugriff auf Barmittel versetzte ihn darüber hinaus in die Lage, durch Bestechung sich selbst mehrfach sowie in etwa 15 Fällen auch Mithäftlinge in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses bringen zu lassen, um dort medizinisch versorgt zu werden.

Ende März 2022 erhielt der Angeklagte erstmals den Auslieferungsantrag der deutschen Behörden zur Kenntnis. Anschließend wurde er in die Haftanstalt Keko verbracht, ohne dass dies mit einer Besserung der Haftverhältnisse verbunden gewesen wäre. Gemeinsam mit sechs weiteren Häftlingen teilte der Angeklagte eine etwa 6 m² große Zelle. Die Einschlusszeit betrug 14 Stunden am Tag. Die äußeren Haftbedingungen führten in Verbindung mit den fortbestehenden körperlichen Leiden nun zunehmend auch zu einem Abbau der psychischen Gesundheit des Angeklagten.

Am 20. Mai 2022 wurde der Angeklagte zunächst zur Polizeistation in Oysterbay und am Folgetag zum Flughafen verbracht, wo er von Beamten des Brandenburgischen Landeskriminalamtes übernommen und nach Deutschland überführt wurde. Erst hier war es ihm möglich, Rechtsberatung durch seinen Verteidiger in Anspruch zu nehmen. Diesem war es aus Deutschland nicht gelungen, einen sicheren Zugang zu dem Angeklagten in Tansania herzustellen, um dem Angeklagten Akten bzw. geschützte Verteidigerunterlagen übergeben bzw. den Inhalt des Haftbefehls erörtern zu können.

Während seiner gesamten Haftzeit in Tansania wurde der Angeklagte mehrfach Zeuge von teils brutaler körperlicher Gewalt des Wachpersonals gegenüber anderen Häftlingen. Während seines Aufenthalts sah er zwei Mithäftlinge infolge von Krankheit versterben. Das Erlebte belastet den Angeklagten bis heute, wobei er an posttraumatischen Symptomen wie Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten leidet.

Nach seiner Auslieferung befand sich der Angeklagte vom 22. Mai 2022 bis zur Aufhebung des Haftbefehls durch Kammerbeschluss vom 20. Januar 2023 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Nord-Brandenburg Teilanstalt Neuruppin-Wulkow.

II. Feststellungen zur Sache

Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft C. vom 29. Juni 2022 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, durch zehn selbständige Handlungen unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und dabei als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben. In der Hauptverhandlung ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Kammerbeschluss vom 9. Januar 2023 das Verfahren hinsichtlich acht dieser Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden (Ziffern 2. bis 9. der Anklageschrift).

Bezüglich der verbliebenen Taten (Ziffer 1. und 10. der Anklageschrift) konnten folgende Feststellungen getroffen werden:

Obgleich dem Angeklagten bewusst war, dass er nicht über eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 BtMG zur Einfuhr von Betäubungsmitteln verfügt, entschloss er sich spätestens im Jahr 2018 um seines finanziellen Vorteils willen größere Mengen Marihuana aus Spanien in die Bundesrepublik einzuführen. Dazu unterhielt er Verbindungen zu Rauschgiftanbietern in Spanien. Über einen unbekannten Dritten gelang es ihm zudem im Sommer 2018 Kontakt zu dem gesondert verfolgten L. S. herzustellen.

L. S. unterhielt zu dieser Zeit eine Lagerhalle sowie zwei Bunker auf einem abgelegenen ehemaligen Militärgelände in G. OT Wo., wofür er dem Eigentümer einen monatlichen Mietzins von 3.600,- Euro schuldete. Von dort aus betrieb er eine Art „Dienstleistungsunternehmen“, dessen Gegenstand die Einlagerung und der Vertrieb von Betäubungsmitteln für verschiedene Auftraggeber war. Dabei beschäftigte L. S. den gesondert verfolgten D. B. und arbeitete regelmäßig mit seinem Bruder, dem gesondert verfolgten M. H., zusammen. Für die Auslieferung der Betäubungsmittel zu ihren Abnehmern setzte er vor allem den gesondert verfolgten R. T. ein.

Nach mehreren persönlichen Treffen in B. und Umgebung, bei denen sich der Angeklagte auch die Lagerhalle in G. zeigen ließ, kamen er und L. S. schließlich dahingehend überein, dass sich Letzterer bereit erklärte, künftig von dem Angeklagten gemeinsam mit dessen spanischem Partner eingeführtes Marihuana abzunehmen und weiterzuveräußern. Abseits der persönlichen Treffen verlief die weitere Kommunikation zwischen dem Angeklagten, der sich zu dieser Zeit regelmäßig in Spanien aufhielt, und L. S. ausschließlich über einen verschlüsselten E-Mail-Dienst. Auf diese Weise kommunizierte der Angeklagte auch mit seinem spanischen Geschäftspartner. Zusätzlich stellte der Angeklagte auch einen direkten Kommunikationskanal zwischen seinem spanischen Geschäftspartner und dem L. S. über einen auf Mobilfunkgeräten des Herstellers BlackBerry installierten Nachrichtendienst sowie über jenen verschlüsselten E-Mail-Dienst her. Die Festlegung der Bedingungen für die beabsichtigte Einfuhr von Marihuana und deren Organisation behielt der Angeklagte allerdings weitestgehend in eigener Hand. Einen diesbezüglichen Austausch zwischen L. S. und dem spanischen Lieferanten gab es nicht. Auch als der spanische Geschäftspartner bereit zur Auslieferung war, teilte er dies nicht dem L. S., sondern dem Angeklagten mit, welcher wiederum auf L. S. zuging, um die nun nahende Anlieferung anzukündigen. Sodann machte der Angeklagte seinem spanischen Partner detaillierte Vorgaben zum Zeitpunkt und Zielort der Lieferung. Zusätzlich gab er Einzelheiten zur Durchführung des Transports vor, wie dass der einzusetzende LKW zur Tarnung mit Salatköpfen beladen werden solle. Der Angeklagte war während der anschließenden Ausführung der Einfuhr zu jedem Zeitpunkt über den Stand der Dinge und die exakte Fahrtroute des LKWs im Bilde und hätte über den durchgehend aufrechterhaltenen Kommunikationskanal jederzeit eingreifen können.

Der Angeklagte hatte zuvor mit seinem spanischen Geschäftspartner auch die Menge des einzuführenden Marihuanas sowie den dafür zu entrichtenden Preis ausgehandelt. Auf der anderen Seite hatte er mit L. S. dessen Entlohnung sowie seinen eigenen Anteil verabredet. Danach stand L. S., der für die Entgegennahme, Einlagerung, Umverpackung und Portionierung der Betäubungsmittel sowie das gesamte Verkaufsgeschäft verantwortlich sein sollte, für jedes umgesetzte Kilogramm Marihuana eine Entlohnung von 100,- Euro zu. Auf der anderen Seite beanspruchte der Angeklagte für die Ermöglichung und Organisation der Einfuhr 250,- Euro je eingeführtem Kilogramm Marihuana.

Am 26. November 2018 traf der aus Spanien kommende LKW entsprechend der Vorgaben des Angeklagten mit dem hinter einer Tarnladung von Salatköpfen versteckten Marihuana an der Lagerhalle des L. S. in G. ein. Gemäß den zuvor getroffenen Absprachen belief sich die Gesamtenge der ungefähr kiloweise abgepackten Ware insgesamt auf 165,872 Kilogramm. Im Zuge der nun folgenden Verkaufsbemühungen des L. S. stellte sich allerdings heraus, dass das Produkt in Teilen mit Gewürzen, vermutlich Oregano, gestreckt worden war. L. S. gelang es zwar, das Gewürz aus dem Marihuana zu sieben, doch verblieben hiernach nur noch 135 Kilogramm an verkaufsfähigem Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jedenfalls 13,5 Kilogramm THC. Die verminderte Menge und Qualität sowie der hierdurch deutlich geringer als erwartet ausfallende Erlös, welcher abzüglich der Anteile für L. S. und den Angeklagten von den Abnehmern über das sogenannte Hawala-Finanzsystem an den spanischen Lieferanten gezahlt wurde, belastete die geschäftliche Beziehung des L. S. zu dem Angeklagten und dessen Partner, aber auch zu den Endabnehmern zunächst schwer, nicht zuletzt da zwischen den Parteien Unklarheit herrschte, wer für die Verunreinigung des Marihuanas verantwortlich zu machen sei. In Abkehr von ihren ursprünglichen Absichten weigerten sich der Angeklagte und sein spanischer Geschäftspartner zunächst, weitere Einfuhren durchzuführen.

Im Februar 2019 traf sich der Angeklagte dann ein weiteres Mal persönlich mit L. S., um sich in einem B. Restaurant auszusprechen. Im Ergebnis dieser Unterredung erklärte sich L. S. bereit, dem Angeklagten seine volle im Voraus vereinbarte Entlohnung auszukehren und dem spanischen Geschäftspartner des Angeklagten seinen Schaden zu ersetzen. So erhielt der Angeklagte für seine zur Anbahnung und Umsetzung der Betäubungsmitteleinfuhr unverzichtbaren Tatbeiträge trotz des letztlich deutlich geringer ausgefallenen Verkaufserlöses den vollen Betrag von 41.470,- Euro.

Nach vollständiger Abwicklung dieser Zahlungen erklärten sich der Angeklagte und sein spanischer Geschäftspartner zu einer weiteren Einfuhr von Marihuana aus Spanien in die Bundesrepublik bereit. So nahm der Angeklagte, ohne dessen erneute Tatbeiträge sein spanischer Partner und L. S. eine weitere Einfuhr für undurchführbar erachteten, in derselben Weise wie im Vorfeld der Lieferung im November 2018 die Planung und Organisation der Einfuhr auf. Die ausgehandelte Menge sollte sich nun auf 205 Kilogramm Marihuana belaufen, für deren Einfuhr sich der Angeklagte erneut 250,- Euro je Kilogramm, mithin 51.250,- Euro zusichern ließ. Auch die Entlohnung des L. S. sollte unverändert bei 100,- Euro je umgesetztem Kilogramm Marihuana bleiben.

Am 14. Juni 2019 traf entsprechend der Planung des Angeklagten ein LKW einer litauischen Spedition aus Spanien kommend an der Lagerhalle des L. S. in G. ein. Hinter den zur Tarnung geladenen Paletten mit Salatköpfen waren drei Paletten mit insgesamt 203,39 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 27,84 Kilogramm THC geladen. In dem Moment des Eintreffens des LKWs erfolgte der Zugriff der Brandenburgischen Ermittlungsbehörden, die das Gelände seit einiger Zeit überwachten. Die geladenen Betäubungsmittel wurden sichergestellt; L. S. und der für ihn arbeitende D. B. konnten festgenommen werden.

III. Beweiswürdigung

1. Feststellungen zur Person

Der Angeklagte hat sich zu seinen persönlichen Verhältnissen wie festgestellt eingelassen.

Die Haftbedingungen, denen er in Tansania ausgesetzt gewesen war, hat er eindrücklich anhand eines umfangreichen, selbstverfassten und von seinem Verteidiger verlesenen Erlebnisberichts geschildert und diesbezügliche Nachfragen der Kammer beantwortet. Dabei wirkte seine lebhafte Einlassung schlüssig und nachvollziehbar, ohne dass er zur eigenen Entlastung das erfahrene Übel zu übersteigern versucht hätte. So hat er zwar berichtet, häufig brutale Übergriffe gegenüber anderen Häftlingen – teils unter Einsatz eines hölzernen Schlagstocks, dem sogenannten Rungu – beobachtet zu haben. Eigene konkrete Gewalterfahrungen hat er hingegen nicht geschildert. Zudem hat er in seiner Einlassung auch nicht seine stellenweise privilegierte Position innerhalb der Haftanstalt in Segerea verschwiegen. So habe er sich bisweilen über einen Bekannten mit Antibiotikasäften und anderen Medikamenten versorgen lassen und die ihm verfügbar gemachten Barmittel zur Bestechung des Gefängnispersonals einsetzen können. Der Umfang dieser Mittel habe es ihm sogar in etwa 15 Fällen ermöglicht, für 200,- bis 300,- Euro andere Inhaftierte zur ärztlichen Behandlung in ein Krankenhaus verbringen zu lassen. Insgesamt hatte die Kammer keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Gehörten und hat dieses ihren Feststellungen zugrunde gelegt.

2. Feststellungen zur Sache

Zur Sache hat sich der Angeklagte durch eine von seinem Verteidiger verlesene Erklärung zunächst dahingehend eingelassen, dass er seine Täterschaft hinsichtlich der Anklagevorwürfe zu den Ziffern 1 und 10 grundsätzlich einräume und diese Einlassung nach Verständigung über das weitere Verfahren gemäß § 257c StPO so ergänzt, wie es den Feststellungen zu entnehmen ist.

Die Kammer hat sich von der Richtigkeit dieses Geständnisses anhand der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme überzeugen können.

Insbesondere der Zeuge L. S. hat die Angaben des Angeklagten zur Geschäftsanbahnung, -abwicklung und der damaligen Aufgabenverteilung bestätigt. Er hat bekundet, er habe damals eine Art Dienstleistungsunternehmen betrieben. Unter dem Namen des D. B. habe er das Gelände in G. angemietet und dort für verschiedene Auftraggeber Lieferungen von Betäubungsmitteln entgegengenommen, portioniert und weiterverkauft. Für die Miete des Geländes habe er 3.600,- Euro Miete pro Monat gezahlt.

Mit dem Angeklagten habe er dabei nur zweimal in dieser Weise zu tun gehabt. Der Kontakt sei über einen Dritten zustande gekommen. Das erste Geschäft mit dem Angeklagten sei Ende des Jahres 2018 abgewickelt worden. Das zweite Geschäft habe die Tat betroffen, bei der er festgenommen worden sei. Ansonsten habe er andere Auftraggeber gehabt, die er nicht benennen wolle. Dabei hat der Zeuge in Übereinstimmung mit dem Angeklagten die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der ersten Einfuhr darstellen können. Es habe Probleme gegeben, da das Marihuana mit Kräutern vermischt gewesen sei. Es habe ihn mehrere Wochen gekostet, diese Kräuter auszusieben. Dadurch habe sich die Liefermenge um etwa 30 Kilogramm reduziert. Die Verunreinigung des Marihuanas habe zu großen Konflikten geführt, da der Vorwurf im Raum gestanden habe, er sei hierfür verantwortlich zu machen. Die nach dem Aussieben verbliebene Menge an Marihuana habe er zwar verkaufen können, es habe aber geklärt werden müssen, wer für den Schaden aufzukommen habe. Um dieses Problem zu lösen, habe er sich noch einmal persönlich mit dem Angeklagten in B. getroffen. Schließlich habe er sich bereit erklärt, den durch das Fehlen von etwa 30 Kilogramm Marihuana bedingten finanziellen Ausfall aus eigenen Mitteln zu ersetzen. Wie hoch dieser Schaden ausgefallen sei, wisse er nicht mehr. Seine eigentliche Entlohnung seien 10 Cent pro Gramm Marihuana gewesen.

Der Zeuge S. hat weiter bekundet, mit der eigentlichen Einfuhr nicht befasst gewesen zu sein. Er habe zwar über verschlüsselte Kommunikationsmittel verfügt, über welche ihm zum Beispiel auch mitgeteilt worden sei, wohin er die Betäubungsmittel zu liefern habe. Hinsichtlich des aus dem Ausland eingeführten Marihuanas sei ihm allerdings allein gesagt worden, zu welcher konkreten Uhrzeit die Lieferung eintreffen werde, sodass er sich rechtzeitig zur Lagerhalle habe begeben können. Er wisse nicht einmal genau, woher die Lieferungen aus dem Ausland gekommen seien. Die eintreffenden Transportfahrzeuge seien mit Salat beladen gewesen, hinter welchem sich die Betäubungsmittel befunden hätten.

Eine weitere Aufklärung des Inhalts der geschäftlichen Kommunikation und der Identität der auf spanischer Seite daran Beteiligten war der Kammer nicht möglich. So hat der Zollbeamte ZOI Z. bekunden können, dass an der Person des Zeugen S. bei seiner Festnahme am 14. Juni 2019 zwar ein Mobiltelefon der Marke BlackBerry habe sichergestellt werden können, dieses von dem Zollkriminalamt aber nicht mehr habe ausgelesen werden können.

Das Geständnis des Angeklagten fand hinsichtlich des Zeitpunkts und der Liefermenge der ersten gegenständlichen Einfuhr in einem der bei dem Zeugen S. sichergestellten Bestandsbücher Bestätigung. In den insgesamt drei Notizbüchern konnte die Kammer diverse handschriftliche, teils datierte Eintragungen mit tabellarischen Gegenüberstellungen von Marihuana-Sorten wie „Amnesia Haze“, „Afghan Kush“ oder „Critikal Haze“ und zugehörigen Mengen in (Kilo)Gramm erkennen. Eine bei Inaugenscheinnahme zwar unkenntliche, vom Landeskriminalamt des Landes Brandenburg aber kriminaltechnisch untersuchte und wieder sichtbar gemachte Schreibleistung in dem als Spur 2 geführten Notizbuch betrifft dabei einen auf den 28. November 2018 datierten Eintrag, in welchem sich die in oben beschriebener Weise aufgelisteten Teilmengen auf insgesamt 165,872 Kilogramm Marihuana addieren lassen.

Der Zeuge L. S. hat auf Vorhalt angegeben, er könne zwar nicht mehr sagen, welcher Eintrag von ihm selbst, von D. B. oder von R. T. stamme, da alle drei Verfasser von Eintragungen gewesen seien. Grundsätzlich könne er aber sagen, dass die Zahlen meist als Grammzahlen zu verstehen seien und die jeweilige Menge der aufgeführten Betäubungsmittel beträfen. Bis auf wenige Ausnahmen seien auch nur Wareneingänge aufgelistet worden. Zu den einzelnen Eintragungen waren dem Zeugen keine konkreten Angaben mehr möglich. Er konnte die Handschriften nicht zuordnen, Abkürzungen nicht mehr entschlüsseln oder sich an einzelne den Eintragungen zugrundeliegende Vorgänge erinnern und hat sich zur Erklärung seiner Erinnerungslücken darauf berufen, damals selbst in erheblichem Maße Betäubungsmittel konsumiert zu haben.

Schließlich fügten sich auch die Angaben des Zeugen D. B. in das von dem Angeklagten und dem Zeugen S gezeichnete Bild. Er hat bekundet, den Zeugen S. schon seit Jugendtagen gekannt zu haben. Enger sei der Kontakt allerdings erst im Frühjahr 2018 geworden. Damals sei er über den jüngeren Bruder des Zeugen S. als Umzugshelfer angefragt worden. Daraufhin habe er dann immer wieder kleinere Arbeiten für den Zeugen S. erledigt und sei auch bei ihm eingezogen. Nach ein bis zwei Monaten habe der Zeuge S. ihn dann erstmals mit in die Lagerhalle genommen. Von da an habe er für den Zeugen S. das Marihuana verpackt. Das Marihuana sei in Tüten zu je etwa einem Kilogramm geliefert worden. Das seien ganz normale Plastiktüten gewesen, die er dann nochmal mit einem Vakuumiergerät eingeschweißt und in Kartons verpackt habe. Bei der ersten Lieferung, die er erlebt habe, sei der Transporter mit etwa 100 Tüten beladen gewesen. Angenommen hätten sie die Lieferung an der Lagerhalle, an der er später auch festgenommen worden sei. Drei oder vier solche Lieferungen habe es zwischen Beginn seiner Tätigkeit für den Zeugen S. und dem Tag der Festnahme gegeben. Dabei vermochte sich der Zeuge auch an solche Lieferungen zu erinnern, bei welchen das Marihuana in den ankommenden LKWs hinter Salatköpfen versteckt gewesen sei. Den Salat hätten sie nach dem Abladen auf dem Gelände beseitigt. Nach der Anlieferung und Verpackung sei die Ware in einem der Bunker zwischengelagert worden. Da seien auch noch andere Betäubungsmittel eingelagert gewesen. Mit denen habe er sich aber nicht beschäftigen sollen. Bei diesen Lieferungen sei das Marihuana wohl aus Spanien gekommen. Am Tag seiner Festnahme sei das eintreffende Marihuana auf einem litauischen LKW geladen gewesen. Das habe er am Nummernschild erkennen können. Ansonsten habe er von den Auftraggebern nichts mitbekommen und auch von dem Zeugen S. nichts weiter erfahren können. Er habe allerdings gesehen, dass der Zeuge S. über sein Telefon Anweisungen erhalten habe. Konkret habe er immer eine Nachricht bekommen, wenn es „losgegangen“ sei. Hinsichtlich seiner Entlohnung hat der Zeuge B. angegeben, er habe freie Kost und Logis erhalten. Ab und zu sei ihm auch Geld von dem Zeugen S. zugesteckt worden. Insgesamt schätze er den Gesamtwert dieser Gegenleistungen auf 1.000,- Euro im Monat. Das eingelagerte Marihuana sei dann nach und nach von R. T. zu den Abnehmern im Bundesgebiet gefahren worden. Nach der Festnahme des R. T. am 5. April 2019 habe L. S. auch selbst Auslieferungen durchgeführt.

Der Zeuge B. hat auch bestätigen können, dass eine Lieferung verschnitten gewesen sei und von dem Zeugen S. habe ausgesiebt werden müssen. Die Tüten hätten geöffnet, ausgesiebt und neu verpackt werden müssen. Es habe sich vermutlich um beigemischten Oregano gehandelt.

Zu den Notizbüchern hat er auf Vorhalt bekunden können, dort auch Eintragungen vorgenommen zu haben. Er habe dort Sorte und Menge des angelieferten Marihuanas eingetragen. Zu den einzelnen Eintragungen konnte der Zeuge jedoch keine konkreten Erinnerungen mehr schildern.

Menge und Wirkstoffgehalt des am 14. Juni 2019 sichergestellten Marihuanas ergaben sich aus dem entsprechenden Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll sowie dem Gutachten der Generalzolldirektion vom 9. September 2019 zu den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung. Den Wirkstoffgehalt des bei der ersten Tat eingeführten Marihuanas hat die Kammer durch Heranziehung des durchschnittlichen und bereits um Messunsicherheiten bereinigten Wirkstoffgehalts des Marihuanas aus der Lieferung vom 14. Juni 2019 von 13,687 % geschätzt, bei dem sie einen weiteren Sicherheitsabschlag vorgenommen hat und im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten von einem Wirkstoffgehalt von nur 10 % ausgegangen ist.

Eine Beteiligung des Angeklagten an dem Handel mit den von ihm eingeführten Betäubungsmitteln konnte die Kammer schließlich nicht feststellen. Er selbst hat zwar angegeben, dem Zeugen S. auch Abnehmer für das Marihuana benannt zu haben, doch ließ sich die insoweit vage gehaltene Einlassung nicht weiter verifizieren. Wen er benannt haben soll blieb ebenso offen wie die Frage, ob im Falle des Zutreffens dieser Einlassung tatsächlich auch an diese benannten Abnehmer Betäubungsmittel verkauft wurden. Der Zeuge S. hat jedenfalls bekundet, allein im Zusammenhang mit der Einfuhr mit dem Angeklagten zu tun gehabt zu haben.

Hinsichtlich der beiden Einfuhrtaten verblieben in der Gesamtschau der Beweisaufnahme jedoch keine Zweifel an der besonderen Organisationsherrschaft des Angeklagten. Für die Richtigkeit seiner insoweit geständigen Einlassung sprach zunächst, dass er bei der ersten Tat trotz der Verunreinigung des zum Verkauf bestimmten Marihuanas die volle im Voraus vereinbarte Entlohnung erhielt. Diese wurde offenbar allein für seine Tätigkeiten in Bezug auf die Einfuhr aus Spanien fällig und stand ihm unabhängig von einem späteren, von ihm nicht zu verantwortenden Absatzerfolg zu. Für seine Täterschaft streitet auch das besonders gewichtige Interesse am Taterfolg. Für die erste Tat erhielt er 41.470,- Euro, für die zweite sollte er 51.250,- Euro erhalten. Die Höhe seiner Entlohnungen indiziert dabei auch, dass die Tatbeiträge des Angeklagten bei Anbahnung, Organisation und Überwachung der Betäubungsmitteleinfuhren für den Taterfolg zwingend notwendig waren. Anders lässt sich aus Sicht der Kammer nicht erklären, dass der Angeklagte das 2,5fache dessen erhielt bzw. erhalten sollte, was dem Zeugen S. zustand. Schließlich war der Zeuge S. für die Annahme, Prüfung, Portionierung des Marihuanas sowie das komplette Verkaufsgeschäft zuständig. Er beschäftigte den Zeugen B., kümmerte sich um die Fahrer und betrieb eine Lagerhalle und Bunkeranlage. Damit hatte er im Gegensatz zu dem Angeklagten hohe laufende Kosten. Die Miete allein belief sich auf 3.600,- Euro im Monat. Hinzu kamen Personal- und Ausstattungskosten. Ausweislich des Einsatz- und Durchsuchungsberichts vom 15. Juni 2019 befanden sich in der Lagerhalle eine 110x80x60 Zentimeter große, professionelle Vakuumiermaschine sowie umfangreiche Überwachungstechnik. Zum anderen war der Zeuge S. so auch einem viel höheren Entdeckungsrisiko als der Angeklagte, der mit dem Marihuana nicht in direkten Kontakt kam, ausgesetzt. Dass sich dennoch auf ein derart hohes Gefälle in der Entlohnung geeinigt wurde, unterstrich für die Kammer, dass sich die Tätigkeit des Angeklagten nicht etwa allein auf eine bloße Kontaktvermittlung zwischen spanischem Lieferant und dem Zeugen S. als Zwischenhändler beschränkt haben kann, sondern wie von dem Angeklagten auch eingeräumt Planung und Gelingen der Einfuhr maßgeblich von seinem Willen und Tätigwerden abhängig gewesen sein müssen. Zuletzt macht dies auch der Umstand deutlich, dass der Angeklagte für die zweite Einfuhrtat erneut tätig werden und in selber Höhe, nämlich mit 250,- Euro pro eingeführtem Kilogramm Marihuana, entlohnt werden sollte. Bei einer bloßen Kontaktvermittlung oder nur untergeordneten Tatbeitragen hätten der Zeuge S. und der spanische Lieferant, die nunmehr die Möglichkeit des direkten Kontakts hatten, auch ohne den Angeklagten handeln können. Dass seine Mitwirkung offenbar als unverzichtbar angesehen wurde, spricht für seine tatherrschaftliche Stellung.

IV. Rechtliche Würdigung

Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen in zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG schuldig gemacht, nicht hingegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, da Tatbeiträge zu den späteren Verkaufshandlungen des Zeugen S. von der Kammer nicht festgestellt werden konnten. Das von dem Angeklagten am 26. November 2018 in die Bundesrepublik eingeführte Marihuana lastete mit einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 13,5 Kilogramm THC den Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC um das 1.800fache aus. Das von dem Angeklagten am 14. Juni 2019 eingeführte Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 27,94 Kilogramm THC überstieg den Grenzwert zur nicht geringen Menge sogar um das 3712fache.

V. Rechtsfolgenbemessung

Hinsichtlich beider Taten stand der Kammer der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zur Verfügung, der Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren vorsieht. Die Kammer hat geprüft, ob vorliegend ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG anzunehmen ist, dies aber im Ergebnis verneint. Insgesamt betrachtet ergab sich im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung kein vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle derart abweichendes Tatbild, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschien. Zwar war deutlich zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er sich in der Hauptverhandlung frühzeitig und noch vor Verfahrensverständigung geständig eingelassen hat, nicht vorbestraft ist und die Taten bereits mehrere Jahre zurückliegen. Auch hat die Kammer in den Blick genommen, dass es sich bei Marihuana nur um eine sogenannte „weiche“ Droge handelt und bei der zweiten Tat das eingeführte Marihuana letztlich nicht auf den Markt gelangt ist, wobei hier insoweit relativierend zu bemerken ist, dass dies nicht auf Veranlassung des Angeklagten geschah, sondern dem Einsatz der Ermittlungsbehörden zu verdanken ist. Schließlich hielt es die Kammer angesichts der menschenwürdewidrigen Haftumstände, denen der Angeklagte für einen nicht unerheblichen Zeitraum ausgesetzt gewesen ist, für angezeigt, diese nicht allein im Rahmen der Anrechnungsentscheidung zu würdigen, sondern diese bereits mildernd in die allgemeine Strafzumessung einfließen zu lassen. Dennoch hielt die Kammer bei beiden Taten die Anwendung des Regelstrafrahmens für geboten, da der Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne des Gesetzes mit 1.800 bzw. 3.712 um einen jeweils enorm hohen Faktor überschritten wurde.

Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer erneut die oben genannten strafmildernden und strafschärfenden Aspekte in die Abwägung eingestellt. Aufgrund der gewichtigen strafmildernden Umstände hat die Kammer trotz der erneut zu betonenden großen Menge an eingeführten Betäubungsmitteln Einzelstrafen jeweils im unteren Drittel des Regelstrafrahmens für tat- und schuldangemessen gehalten und bei der Abstufung der beiden Taten untereinander insbesondere auf den für die erste Tat größeren Zeitablauf sowie auf die mehr als doppelt so hohe – wenn auch nicht in den Verkehr gelangte – Menge an Betäubungsmittel bei der zweiten Tat abgestellt.

Für die Tat vom 26. November 2018 hat die Kammer auf eine

    Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten

und für die Tat vom 14. Juni 2019 auf eine

    Freiheitsstrafe von vier Jahren

erkannt.

Aus diesen beiden Einzelstrafen hatte die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe durch Erhöhung der höheren Einzelstrafe zu bilden. Dabei hat die Kammer die bereits benannten allgemeinen und speziellen Strafzumessungskriterien erneut umfassend abgewogen und berücksichtigt, dass zwischen den Taten zwar nur ein bedingter zeitlicher, jedoch ein enger situativer Zusammenhang gegeben war. Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer insoweit auf eine

Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten

erkannt.

Die getroffene Anrechnungsentscheidung beruht auf § 51 Abs. 3 StGB. In der Gesamtschau der festgestellten Umstände hat die Kammer das ihr eröffnete Ermessen dahingehend ausgeübt, die in Tansania erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 4 auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen. Besonderer Bedeutung kam dabei der Inhaftierung des Angeklagten in deutlich zu kleinen, überfüllten Hafträumen ohne individuelle Schlafplätze, dem Unterschreiten hygienischer Mindeststandards, dem Fehlen von Sanitäreinrichtungen, der unzureichende Versorgung mit Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe, der missbräuchlichen und erniedrigenden Behandlung durch das Wachpersonal, den erlittenen Gesundheitsschädigungen und dem fehlenden Zugang zu anwaltlicher Betreuung zu. Viele dieser Umstände bedeuteten – im Falle der Anwendbarkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention – bereits für sich genommen einen Verstoß gegen das in Art. 3 EMRK festgeschriebene Verbot der „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“. In ihrer Gesamtheit wiegt das Übel damit umso schwerer. Die Kammer hat dabei auch nochmal besonders gewürdigt, dass der Angeklagte den beschriebenen Zuständen für einen nicht unerheblichen Zeitraum ausgesetzt gewesen ist.

Darüber hinaus hatte die Kammer hinsichtlich der von dem Angeklagten für die erste Tat erlangten Entlohnung die Wertersatzeinziehung gemäß § 73c S. 1 StGB auszusprechen.

VI. Kein Verfahrenshindernis

Entgegen der Ansicht des Angeklagten war das Verfahren nicht durch Prozessurteil einzustellen.

Die vorübergehende Inhaftierung des Angeklagten in Tansania begründet kein Verfahrenshindernis. Die Entscheidung über die Festnahme und die Art und Weise der Inhaftierung sind unmittelbar in Zuständigkeit und Verantwortung eines ausländischen Staates getroffen worden. Hingegen haben der vorherige Erlass des Haftbefehls, die anschließende internationale Fahndung nach dem Angeklagten per „Red Notice“ sowie insbesondere das nach Festnahme von deutschen Behörden gestellte Rechtshilfeersuchen mit dem Ziel der Auslieferung die Belastung des Angeklagten nicht zurechenbar begründet bzw. vertieft. Bewirkt aber ein Auslieferungsersuchen als solches weder unmittelbar noch mittelbar einen der Bundesrepublik zurechenbaren Eingriff in die Freiheit des Betroffenen (BVerfG, Beschluss vom 25. März 1981 – 2 BvR 1258/79), liegt es fern, darin eine rechtsstaatswidrige Belastung zu sehen, die in besonderen Ausnahmesituationen entsprechend der in der Rechtsprechung zur Verfahrensverzögerung entwickelten Grundsätze zu einem Verfahrenshindernis führen kann.

Ferner hat sich die Kammer freibeweislich nicht von einer bewussten Verschleppung des Rechtshilfeverfahrens durch die auf deutscher Seite tätig gewordenen Behörden überzeugen können. Der dem vorliegenden E-Mail-Verkehr zu entnehmende Austausch zwischen dem Auswärtigen Amt, der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Dar es Salaam, dem Bundesamt für Justiz und der Staatsanwaltschaft lässt – trotz erkennbarer Unsicherheiten hinsichtlich der Einzelheiten des zu beachtenden Verfahrens (vgl. E-Mail vom 16. Dezember 2021, 11:25 Uhr: „so einen Fall hatten wir noch nicht“) – deutlich das Bewusstsein der Dringlichkeit und den frühzeitigen Glauben, alle wesentlichen Unterlagen an die tansanischen Behörden übersandt zu haben, erkennen. So heißt es in einer intern im Auswärtigen Amt am 16. Dezember 2021 versandten E-Mail, die Unterlagen, die per Verbal Note versendet werden sollen, werden „dringend“ benötigt. In einer E-Mail vom selben Tag, 17:25 Uhr, richtet die deutsche Botschaft an die tansanische Seite die Anfrage:

„Bitte teilen Sie uns auch mit, ob von uns einzuhaltende Fristen existieren. Weiterhin gehe ich davon aus, dass wir bereits alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt haben, mit Ausnahme der beglaubigten Kopien der Wortlaute der gesetzlichen Bestimmungen, nach denen die begangenen Taten strafbar sind, und in denen sich Angaben zu den Strafen für deren Begehung finden, sowie einer beglaubigten Ablichtung des Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen, die sich auf die geltende Verjährungsfrist beziehen.

Mit unserer Verbalnote, die dem Ministerium für Äußere Angelegenheiten und Ostafrikanische Zusammenarbeit der Vereinigten Republik Tansania heute bereits überreicht wurde, haben wir die Wortlaute der anwendbaren Gesetze vorgelegt, jedoch nicht als beglaubigte Kopien, was wir umgehend nachholen werden. Herr XXX wurde in Sansibar festgenommen und mir wurde mitgeteilt, dass er heute nach Daressalam gebracht worden sei. Ich bin nicht sicher, ob das zutrifft, da wir keine Auskunft von offizieller Seite dazu erhalten haben.

Ich bitte Sie mir mitzuteilen, wo sich Herr XXX aufhält und ihn aufsuchen zu dürfen (ein diesbezügliches Ersuchen wurde dem Außenministerium bereits per Verbalnote überreicht.“

(amtliche Übersetzung der in englischer Sprache erfolgten Anfrage)

In einer E-Mail vom 14. Februar 2022, 12:32 Uhr, teilte das Auswärtige Amt der Staatsanwaltschaft mit: „Im Nachgang zu meiner gerade übersandten E-Mail hier nun auch die offizielle Anfrage der TZA Behörden zu den – aus dortiger Sicht – ausstehenden Dokumenten. Wie Frau H. von der Botschaft schon ausführt, waren diese Angaben/Unterlagen bereits mit den Auslieferungsunterlagen übersandt worden“. Die Annahme eines Verfahrenshindernisses lag damit auch unter diesem Gesichtspunkt fern. Ob abseits einer willkürlichen oder gezielten Verzögerung die bloße schnellere Bearbeitung des Rechtshilfeverfahrens auf deutscher Seite möglich gewesen und die Haftzeit in Tansania hätte verkürzen können, konnte dahinstellen, da dies jedenfalls mittelbar durch die besondere Würdigung der nicht unerheblichen Dauer der erlittenen Haft im Rahmen von Strafzumessung und Anrechnungsentscheidung in das Urteil eingeflossen ist. Einer weiteren Kompensation bedurfte es nicht.

VII. Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

VIII. Entscheidung nach § 101 Abs. 7 S. 2 und 4 StPO

Der gemäß § 101 Abs. 7 S. 4 StPO in der das Verfahren abschließenden Entscheidung zu bescheidende Antrag des Angeklagten vom 20. Januar 2022 auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihn betreffender Anordnungen des Amtsgerichts C. nach den §§ 100a ff. StPO führt hinsichtlich des Beschlusses vom 12. November 2021 (70 Gs 2372/21) zur Feststellung der Rechtswidrigkeit. Die angeordnete Überwachung und Aufzeichnung des über den von dem Angeklagten genutzten E-Mail-Account xxx laufenden E-Mail-Verkehrs sowie die diesbezüglichen Pflichten des Providers zur Auskunftserteilung konnten nicht auf § 100a StPO gestützt werden. Auch sonst fehlte es an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Bei einem sogenannten Webmail-Dienst, wie er auch von dem vorliegend verpflichteten Provider betrieben wird, handelte es sich nach der damals geltenden und im Lichte des Art. 2 lit. c) der Kommunikation-Rahmen-Richtlinie (RL 2002/21/EG) auszulegenden Fassung des § 3 Nr. 24 TKG nicht um einen Telekommunikationsdienst (ausführlich hierzu OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2020 – 13 A 17/16).

Mit der zum 1. Dezember 2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 3 TKG ist der Anwendungsbereich allerdings entsprechend erweitert worden, sodass sich der im Übrigen inhaltsgleiche Beschluss vom 1. Dezember 2021 (70 Gs 2498/21) nunmehr auf die §§ 100a ff. StPO stützen ließ. Er erweist sich danach so wie auch die auf Überwachung des Telekommunikationsverkehrs und die Erhebung von Verbindungsdaten abgeschlossener Telekommunikationsverbindungen zweier auf die Lebensgefährtin des Angeklagten registrierter Anschlüsse gerichteten Anordnungen vom 19. November 2021 (70 Gs 2440/21, 70 Gs 2461/21, 70 Gs 2441/21, 70 Gs 2463/21) als rechtmäßig. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt des Erlasses aus den zutreffenden Gründen der zur Überprüfung stehenden Entscheidungen verdächtig, sich in zehn Fällen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht zu haben. Der Verdacht bezog sich damit auf schwere Straftaten im Sinne von § 100a Abs. 1, 2 Nr. 7 b) StPO, die – im Raum stand der Handel mit insgesamt über 640 Kilogramm Marihuana – auch im Einzelfall schwer wogen bzw. von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO waren. Da der Angeklagte sich nicht in der Bundesrepublik aufhielt und die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise aussichtslos erschien, war der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen auch verhältnismäßig und die Anordnungsvoraussetzungen damit insgesamt erfüllt.

Die Beanstandungen des Angeklagten zur Art und Weise des Vollzugs der Anordnungen, namentlich seine Befürchtungen zur Überwachung geschützter Verteidigerkommunikation, sind unbegründet. Soweit ersichtlich sind die zur Überprüfung stehenden Anordnungen in den wenigen Wochen bis zur Festnahme des Angeklagten in Sansibar nicht mehr vollzogen worden.