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Entscheidung 13 UF 191/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 15.08.2024
Aktenzeichen 13 UF 191/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0815.13UF191.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 15.11.2023 - 36 F 10/23 (2) - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 8.822 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von nachehelichem Unterhalt, den er von seiner geschiedenen Ehefrau, der Antragsgegnerin, für den Zeitraum ab dem 01.10.2022 verlangt.

Die im Jahr 2009 geschlossene Ehe der Beteiligten, aus der zwei im Jahr 2007 und 2010 geborene Söhne hervorgegangen sind, ist seit dem 20.10.2022 rechtskräftig geschieden. Seit der Trennung der Beteiligten im Jahr 2019 leben die Kinder im Haushalt der Antragsgegnerin, die das Kindergeld bezieht und Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse des Landes Brandenburg für sie vereinnahmt hat.

Wegen seiner Barunterhaltsverpflichtung gegenüber den gemeinsamen Kindern ist der Antragsteller durch Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 22.11.2023 - 28 F 168/23 - zur Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergelds sowie Unterhaltsrückständen seit dem 01.12.2020 in Höhe von insgesamt rund 6.500 € pro Kind verpflichtet worden. Über die dagegen gerichtete Beschwerde des (hiesigen) Antragstellers hat der Senat (13 UF 7/24) bislang nicht entschieden. Der Ausspruch ist für den ab November 2023 fälligen Kindesunterhalt sofort wirksam.

Der Antragsteller war von 2008 bis zum Jahr 2016 als Finanzbeamter im gehobenen Dienst des Freistaats B... im Finanzamt M... … tätig und bezog ein Gehalt nach der Besoldungsgruppe A 9. Im Jahr 2016 wurde er wunschgemäß nach B... versetzt und ist seitdem als Finanzbeamter derselben Besoldungsgruppe beim Finanzamt St... tätig. Bis zu seiner Versetzung lebte der Antragsteller während der Werktage in M... und an den Wochenenden in B... bei der Antragsgegnerin und den gemeinsamen Kindern. Die Dienststelle des Antragstellers ist von der von ihm von März 2020 bis 30.04.2024 bewohnten Wohnung in …H…, OT H…, …str. …, rund 39 km entfernt; seit dem 01.05.2024 wohnt der Antragsteller unter der im Rubrum genannten Anschrift (Bl. 104 OLG-Akte, im Folgenden: OLG). Für seine - seit jeher - vollschichtige Tätigkeit fließt ihm im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Gehalt unter Einschluss von Zulagen und Sonderzahlungen in Höhe von durchschnittlich 3.073,73 € monatlich nach Abzug von Steuern zu (Bl. 10 - 12). Für seine Krankheitsvorsorge wendet er monatlich 313,40 € auf (Bl. 66). Der Antragsteller hat an die Unterhaltsvorschusskasse auf deren Unterhaltsvorschusszahlungen für die gemeinsamen Söhne bis zum 31.07.2023 monatlich insgesamt 550 € und ab dem 01.08.2024 monatlich 192,40 € gezahlt.

Der Antragsteller ist am 16.11.2021 Vater eines weiteren Sohns geworden, mit dem und dessen Mutter er von März 2020 bis 30.04.2024 die o. g. Wohnung in H… OT H… bewohnt hat. Vom Girokonto der Mutter dieses Kindes sind am 05.12.2022 zwei Überweisungen in Höhe von insgesamt 550 € mit der Zweckbestimmung „...UhVorschG - fuer 12/2022 A… T…“ an den Landkreis M…-O… ausgeführt worden (Bl. 157). Das Jugendamt des Landkreises M…-O… hat mit einem an das Amtsgericht S… im Rahmen des dort anhängigen Sorgerechtsverfahren (28 F 63/21) der Beteiligten gerichteten Schreiben vom 11.03.2021 (Bl. 54 der OLG-Akte, im Folgenden: OLG) mitgeteilt, der Antragsteller habe im März 2020 mit seiner Lebenspartnerin eine 3 - Raum-Wohnung in H… bezogen. Ausweislich des Protokolls der persönlichen Anhörung der am o. g. Sorgerechtsverfahren Beteiligten vom 18.08.2021 (Bl. 52 OLG) hat die den Kindern der Beteiligten bestellte Verfahrensbeiständin berichtet, das Kind J... habe ihr gegenüber geäußert, sein Vater habe seine Freundin mit ins Haus gebracht. Mit Anwaltsschriftsatz vom 07.06.2022 (Bl. 56 OLG) hat der Antragsteller im Rahmen des vor dem Amtsgericht Strausberg geführten Scheidungsverfahren der Beteiligten dem Amtsgericht mitgeteilt, eine Eheschließung mit der Mutter seines jüngsten Kindes zu beabsichtigen.

Die Antragsgegnerin ist seit der Eheschließung ununterbrochen als Finanzbeamtin im mittleren Dienst, Besoldungsgruppe A 7, des Landes B... vollschichtig tätig. Sie arbeitet im Finanzamt L… und hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein durchschnittliches monatliches Gehalt in Höhe von 3.252,77 € nach Abzug von Steuern vereinnahmt, das sich aus dem Grundgehalt von 2.921,94 €, dem Familienzuschlag Stufe 1 in Höhe von monatlich 69,52 €, dem Familienzuschlag wegen Kindern in Höhe von 477,03 € und weiteren Zuschlägen zusammensetzt (Bl. 53 - 55). Bis zu ihrer Trennung bzw. Scheidung vereinnahmte der Antragsteller die monatlichen Familienzuschläge in Höhe von 139,04 € (Stufe 1) und in Höhe von 477,03 € (kindbezogener Zuschlag). Die Antragsgegnerin wendet monatlich insgesamt 286,40 € für Krankheitsvorsorge auf (Bl. 110 ff.).

Nachdem der Antragsteller die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.10.2022 (Bl. 13) vorgerichtlich zur Auskunftserteilung wegen Ehegattenunterhalts aufgefordert hatte, hat er im Wege des Stufenantrags vom 02.02.2023 (Bl. 1) Auskunft verlangt und seine Unterhaltsforderung mit Schriftsätzen vom 25.05.2023 (Bl. 59) und 06.06.2023 (Bl. 64) unter Hinweis auf Fahrtkosten zur Bewältigung der Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem PKW in Höhe von 7.534,80 € für 230 Arbeitstage/Jahr, die an die Unterhaltsvorschusskasse erbrachten Zahlungen und den Zufluss der Familienzuschläge an die Antragsgegnerin beziffert. Er hat weiter vorgetragen, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht regelmäßig Heimarbeit geleistet und hierzu auch nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, und mit der Mutter seines jüngsten Kindes nicht in einer gefestigten Beziehung zu leben (Bl. 150). Weiter hat er bestritten, dass die Antragsgegnerin auf einen 1999 abgeschlossenen Darlehensvertrag seit 2014 noch Zahlungen leiste oder dazu noch verpflichtet sei, da eine etwaige Darlehensverpflichtung mittlerweile jedenfalls verjährt sei (Bl. 150).

Der Antragsteller hat - sinngemäß - beantragt (Bl. 160, 64),

die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller ab 01. Oktober 2022 eine monatlich im Voraus fällige Unterhaltsrente in Höhe von 709,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 709,57 € seit dem 01.10.2022, 01.11.2022, 01.12.2022, 01.01.2023, 01.02.2023, 01.03.2023, 01.04.2023 und 01.05.2023 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt (Bl. 160),

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Nichtberücksichtigung der Familienzuschläge bei der Ermittlung ihres unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens eingewandt und die Höhe der Fahrtkosten des Antragstellers unter Hinweis auf die Möglichkeiten der Heimarbeit bestritten. Sie hat weiter Fahrtkosten in Höhe von 1.236,48 € pro Jahr für die Bewältigung der 16 km entfernten Strecke zur Arbeit mit dem PKW und Zahlungen an ihre Eltern in Höhe von monatlich 500 € aufgrund einer im Jahr 1999 begründeten Darlehensabrede über umgerechnet 72.003 € geltend gemacht. Weiter hat sie eingewandt, der Antragsteller habe während der Ehezeit keine wirtschaftlichen oder finanziellen Nachteile erlitten. Er habe vielmehr auf ihre Kosten Karriere gemacht, seine Besoldung übersteige ihre um 2 Besoldungsgruppen. Während er sich zu Ausbildungs-/Karrierezwecken in B... aufgehalten habe, habe sie die Kindererziehung allein übernommen und eine Wochenendehe geführt (Bl. 23). Insbesondere sei sie ihm nicht zum Unterhalt verpflichtet, weil er mit der Mutter seines jüngsten Kindes eine gefestigte Lebensgemeinschaft führe.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 15.11.2023 (Bl. 168) hat das Amtsgericht die Anträge des Antragstellers abgewiesen. Es hat einen ungedeckten Bedarf des Antragstellers aufgrund der von der Antragsgegnerin vereinnahmten Familienzuschläge unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen für die Nutzung des B... öffentlichen Nahverkehrs ermittelt und eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Unterhalt mangels hinreichender Darlegungen des Antragstellers zum Vorliegen eines ehebedingten Nachteils und dem Nichtvorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit der Mutter des jüngsten Kindes abgelehnt.

Mit seiner Beschwerde vom 13.12.2023 (Bl. 182) verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzlich verfolgtes Ziel teilweise weiter.

Er macht geltend, auf die Nutzung seines Privatfahrzeugs für die Strecke zum Arbeitsplatz in St... angewiesen zu sein, die mit dem PKW ca. 50 Minuten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1 Stunde und 37 Minuten beanspruche (Bl. 70 OLG). Ein ehebedingter Nachteil bestehe darin, dass er infolge der zur Familienzusammenführung von ihm veranlassten Versetzung nach B... von der Besoldungsgruppe A 9, Stufe 6, aus der sein Gehalt als Beamter des Freistaats B... ermittelt worden sei, auf die Besoldungsgruppe A 9, Stufe 4 heruntergestuft worden sei, was nach Abzug von Steuern zu einem Einkommensrückgang von 210,90 € monatlich führe. Er lebe mit der Mutter seines jüngsten Kindes nicht in einer Partnerschaft, sondern seit März 2020 nur in einer Wohn- und Zweckgemeinschaft mit dieser, aus der sich vorübergehend eine ausschließlich sexuelle Beziehung entwickelt habe, der das gemeinsame Kind entstamme. Aufgrund des Altersunterschieds von 15 Jahren und der Ungleichheit der Interessen sei es aber bei der Trennung von zwei Haushalten innerhalb der angemieteten Wohnung geblieben. Er habe vor, sich neuen Wohnraum zu suchen, und die Mutter seines Kindes plane einen Umzug nach M… -V… (Bl. 9 OLG).

Der Antragsteller beantragt sinngemäß (Bl. 4, 21 OLG),

unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung vom 15.11.2023 die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller ab dem 01. Oktober 2022 eine monatlich im Voraus fällige Unterhaltsrente in Höhe von 518,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie aus jeweils 518,94 € seit dem 01.10.2022, 01.11.2022, 01.12.2022, 01.01.2023, 01.02.2023, 01.03.2023, 01.04.2023 und 01.05.2023 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt (Bl. 23 OLG),

die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Berufung auf die angefochtene Entscheidung trägt sie ergänzend vor (Bl. 37 OLG), im Zuge der Versetzung des Antragstellers von B... nach B... sei eine „Laufbahnnachzeichnung“ durch den B... Dienstherrn erfolgt, durch den die in B... zurückgelegten Besoldungszeiten anerkannt und bei der Besoldung in B... berücksichtigt würden, so dass dem Antragsteller ein finanzieller Nachteil durch die Rückkehr nach B... nicht entstanden sei.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsätzen vom 28.03.2024 (Bl. 26 OLG) und 04.07.2024 (Bl. 98 OLG) die Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage weiterer Unterlagen betreffend seine Einkommensverhältnisse und sein Dienstverhältnis im Land B... beantragt. Der Senat hat von einer entsprechenden Verpflichtung des Antragstellers nach § 235 FamFG abgesehen, da die Vorlage der in Rede stehenden Unterlagen nicht entscheidungsrelevant ist.

Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 97 OLG), über die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, von der angesichts des umfangreichen Schriftwechsels der Beteiligten im zweiten Rechtszug ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten war.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache nicht begründet.

Die Antragsgegnerin ist zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts an den Antragsteller nicht verpflichtet, weil sie sich bereits für den Unterhaltszeitraum ab Oktober 2022 erfolgreich auf den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB berufen kann. Wer sich in einer neuen, verfestigten Lebensgemeinschaft befindet, muss sich widersprüchliches Verhalten vorwerfen lassen, wenn er die nacheheliche Solidaritäts- und Loyalitätspflicht des geschiedenen Ehegatten für sich in Anspruch nimmt, so dass dem Verpflichteten eine Unterhaltsleistung nicht zuzumuten ist (BGH FamRZ 2011, 1854; BeckOGK/Haidl, 1.2.2024, § 1579 BGB Rn. 44). Für die Unzumutbarkeit einer fortdauernden Unterhaltsbelastung des geschiedenen Ehegatten ist dabei entscheidend, dass der Unterhaltsberechtigte und sein neuer Partner ihre Lebensverhältnisse so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen und damit ihr Zusammenleben ähnlich gestalten, wie es sich aufgrund der nach außen dringenden Gegebenheiten auch in einer Ehe darstellt (BeckOGK/Haidl § 1579 BGB Rn. 44). Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen (BGH FamRZ 2011, 1356; BGH FamRZ 2011, 1498; OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2019, 1966). Was die Dauer der Verbindung angeht, so wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, von der der Senat abzuweichen keinen Anlass hat, für eine Verfestigung im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB in der Regel eine Dauer von zwei bis drei Jahren verlangt (BGH NJW 1989, 1083; NJW 1997, 1851; NJW 2002, 1947). Dabei indiziert ein gemeinsamer Haushalt in der Regel die Annahme einer verfestigten Gemeinschaft (BGH NJW 1983, 1548; BGH NJW 1989, 1083), insbesondere kommt es aber auf das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, mithin das Auftreten als Paar, an (OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2023, 45; KG FamRZ 2017, 202). Bei Zusammenleben in einem Haushalt mit gemeinsamem Wirtschaften und Versorgung eines gemeinsamen Kindes kann eine verfestigte Lebensgemeinschaft auch schon bei einer Dauer des Zusammenlebens von einem Jahr anzunehmen sein (BeckOGK/Haidl § 1579 BGB Rn. 66).

Hieran gemessen sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Antragstellers nach dem Vortrag der Antragsgegnerin bereits für den Zeitraum ab Oktober 2022 erfüllt. Wer sich auf einen Verwirkungstatbestand nach § 1579 BGB stützt, hat hinreichende Indizien vorzutragen, die für eine verfestigte Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten sprechen, woraufhin es dem Letztgenannten obliegt, diesen Vortrag substantiiert zu entkräften (vgl. BeckOGK /Haidl § 1579 BGB Rn. 79). Es liegen hinreichende Indizien dafür vor, dass der Antragsteller bereits ab Oktober 2022 mit der Mutter seines jüngsten Kindes in der gemeinsamen Wohnung nicht nur aufgrund einer Zweckgemeinschaft gelebt, sondern dem äußeren Erscheinungsbild nach eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt hat und als Paar nach außen aufgetreten ist, ohne dass der Antragsteller diesen Indizien substantiiert entgegen getreten ist.

Darauf, ob der Antragsgegner, wie er vorträgt, aufgrund des Altersunterschieds und der Interessengegensätze mit der Mutter seines Kindes von März 2020 bis April 2024 nur die Wohnung geteilt hat, ohne mit ihr liiert zu sein, kommt es vorliegend für den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB nicht an. Entscheidend ist, dass der Antragsgegner nach außen hin den unmissverständlichen Eindruck erweckt hat, sich in einer neuen eheähnlichen Lebensgemeinschaft fest und auf Dauer ausgelegt gebunden zu haben, weswegen er von der Antragstellerin nacheheliche Solidarität nicht mehr einfordern kann (vgl. OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2023, 45; KG FamRZ 2017, 202). Der an das Amtsgericht Strausberg gerichtete Bericht des Jugendamts vom 11.03.2021 lässt erkennen, dass der Antragsgegner gegenüber den Mitarbeitern des Jugendamts erklärt oder auf sonstige Weise den Eindruck erweckt hat, sich in einer neuen Lebensgemeinschaft zu befinden und die gemeinsame Wohnung mit seiner Partnerin - nicht einer bloßen Mitbewohnerin - zu teilen. Auch die Mitteilung der Verfahrensbeiständin im Anhörungstermin vom 18.08.2021 lässt den Rückschluss zu, dass der Antragsteller gegenüber seinem Sohn J... den Eindruck erweckt hat, eine neue Paarbeziehung eingegangen zu sein. Insbesondere stellt die Mitteilung der Eheschließungsabsicht gegenüber dem Amtsgericht Strausberg mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 07.06.2022 im dort anhängigen Scheidungsverfahren eine nach außen gerichtete Verlautbarung eines auf Dauer angelegten Zusammenschlusses mit der Mutter seines jüngsten Kindes in einer Paarbeziehung dar. Diese Verlautbarungen liefern zusammen mit der Tatsache, dass der Antragsgegner mit der Mutter seines Kindes vier Jahre lang in einer gemeinsamen Wohnung lebt - was für sich genommen schon die Annahme einer Lebensgemeinschaft indiziert (vgl. BGH FamRZ 2012, 2001; NJW 1983, 1548) - hinreichende Umstände für die Feststellung eines Auftretens als eheähnlich zusammenlebendes Paar in der Öffentlichkeit. Darüber hinaus ist auch feststellbar, dass der Antragsgegner mit der Mutter seines jüngsten Kindes jedenfalls teilweise wirtschaftlich verflochten ist, da die von ihm geschuldete Zahlung gegenüber der Unterhaltsvorschusskasse für den Monat Dezember 2022 von deren Girokonto überwiesen worden ist. Schließlich genügt auch die Dauer des Zusammenlebens des Antragsgegners mit der Mutter seines jüngsten Kindes - seit März 2020 - für die Feststellung einer hinreichenden Verfestigung der Lebensgemeinschaft ab Oktober 2022, dem Beginn des hier in Rede stehenden Unterhaltszeitraums.

Einer auf § 1579 Nr. 2 BGB beruhenden Verwirkung des Unterhaltsanspruchs stehen vorliegend auch nicht andere, die Zahlung nachehelichen Unterhalts gebietende Umstände entgegen. Für den Untergang eines Unterhaltsanspruchs nach § 1579 BGB muss bei jedem Härtegrund als eigene, zusätzliche Anspruchsvoraussetzung die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig sein. Bei jedem Ausschlusstatbestand muss deshalb geprüft werden, ob die Grenze des Unzumutbaren im konkreten Einzelfall tatsächlich erreicht ist. Das Ergebnis dieser Interessenabwägung kann auch sein, dass trotz Vorliegens eines Verwirkungstatbestands eine Versagung, Kürzung oder zeitliche Begrenzung der Unterhaltszahlung zu unterbleiben hat (BGH FamRZ 2007, 1532; OLG Koblenz FamRZ 2018, 1852; OLG Saarbrücken NJW-RR 2017, 1092; Wendl/Dose/Siebert, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 4 Rn. 1218).

Dafür ist vorliegend indes nichts ersichtlich. Vielmehr wäre die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung nachehelichen Unterhalts auch ungeachtet eines Verwirkungstatbestands unangemessen, weil ein berücksichtigungsfähiger ehebedingter Nachteil des Antragstellers nicht festzustellen ist. Nach § 1578b BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten herabzusetzen oder zu befristen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs und/oder dessen zeitlich unbegrenzte Zubilligung auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe für den Berechtigten Erwerbsnachteile eingetreten sind; solche Nachteile können sich vor allem – aber nicht ausschließlich – aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Maßgebend ist deswegen darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatrichters ehebedingte Nachteile absehbar sind (vgl Senat B. vom 12.06.2024, 13 UF 153/21, juris).

Einen berücksichtigungsfähigen ehebedingten Nachteil kann der Senat nicht feststellen. Die Antragsgegnerin hat das Vorliegen der vom Antragsteller behaupteten Nachteile aufgrund seiner Versetzung aus dem Beamtendienst des Freistaats B... in den B... Beamtendienst mit nachvollziehbaren Argumenten bestritten, denen der Antragsteller, den insoweit eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. Wendl/Dose/Bömelburg, § 4 Rn. 327 mwN), nichts entgegen setzt. Ein ehebedingter Nachteil kann zwar auch darin begründet sein, dass ein Ehegatte aufgrund der Rollenverteilung und/oder gemeinsamen Lebensplanung der Ehegatten auf Aufstiegschancen verzichtet (Wendl/Wönne § 4 Rn. 1045; MüKoBGB/Maurer, 9. Aufl. 2022, § 1578b BGB Rn. 51), oder seinen Arbeitsplatz wechselt, um wohnortnah zu arbeiten, und durch diesen Wechsel Nachteile in seiner beruflichen Entwicklung erleidet (BGH BeckRS 2013, 6782; BeckOGK/Schlecht, 1.5.2024, § 1578b BGB Rn. 63).

Vorliegend ist aber nicht feststellbar, dass der Antragsteller durch die Versetzung in den Beamtendienst des Landes B... auf Karrierechancen verzichtet oder Nachteile in seiner beruflichen Entwicklung erlitten haben könnte. Unstreitig hat er sich in B... verbeamten lassen, weil er dort schnellere und bessere Aufstiegschancen erwartet hatte. Im bayerischen Beamtendienst hat er die Besoldungsgruppe A 9 erreicht, in die er infolge seiner Versetzung in B... ebenfalls eingruppiert worden ist. Dass er bei Fortsetzung seiner Tätigkeit in B... alsbald eine höhere Besoldungsgruppe erreicht hätte, hat er nicht vorgetragen. Da er dann in B... wiederum in die Besoldungsgruppe A 9 eingruppiert worden ist, ist ein Verlust an Aufstiegschancen - und damit ein ehebedingter Nachteil - nicht festzustellen.

Soweit der Antragsteller ins Feld führt, aufgrund der landesrechtlich unterschiedlichen Besoldungsregelungen - namentlich der unterschiedlich geregelten Rhythmen für das Erreichen einzelner Erfahrungsstufen und der jeweils an sie geknüpften Gehaltserhöhungen - zum Zeitpunkt des Ehezeitendes infolge der Versetzung in einer - nach B... Besoldungsordnung - niedrigeren Erfahrungsstufe eingruppiert gewesen zu sein, als das in B... - hypothetisch - der Fall gewesen wäre, wenn er zum Zeitpunkt des Ehezeitendes noch dort verbeamtet gewesen wäre, kann dahinstehen, ob - auch angesichts der höheren Lebenshaltungskosten in B... - darin überhaupt ein ehebedingter Nachteil zu sehen sein könnte. Jedenfalls aber wäre selbst für den Fall, dass die Besoldung des Antragstellers im B... Landesdienst dauerhaft hinter der ihm in B... hypothetisch zustehenden zurückbleiben würde, der aus der unterschiedlichen Besoldung resultierende - verhältnismäßig geringfügige - Gehaltsunterschied nicht geeignet, den Verwirkungstatbestand des § 1579 BGB ganz oder teilweise zurücktreten zu lassen.

Weitere tragfähige Anhaltspunkte für eine trotz der Erfüllung eines Verwirkungstatbestands und des Nichtvorliegens beachtlicher ehebedingter Nachteile in Betracht kommende Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung nachehelichen Unterhalts sind nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht dargelegt. Selbst bei rechnerischer Ermittlung eines - dem Beschwerdeziel des Antragstellers folgend - etwaigen ungedeckten Bedarfs von 518 € monatlich sprächen keine Billigkeitsgründe für eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin. Der Antragsteller bezieht sein Gehalt aus einer um zwei Gruppen höheren Besoldungsgruppe als die Antragsgegnerin. Dass sie gegenüber dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des Antragstellers höhere Einnahmen erzielt, beruht in erster Linie darauf, dass die seit Trennung und Scheidung ihr allein zufließenden Familienzuschläge in Höhe von insgesamt 546,55 Euro (69,52 € Familienzuschlag Stufe 1 - 477,03 € kindbezogener Zuschlag) unterhaltsrechtlich einkommenserhöhend zu berücksichtigen sind. Anders als Kindergeld, das eine öffentliche Sozialleistung darstellt, auf die beide Elternteile bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen gleichermaßen Anspruch haben und die deshalb bei der Ermittlung der beiderseitigen Kindesunterhaltsverpflichtungen zwischen den Eltern ausgeglichen werden müssen, handelt es sich bei den kindbezogenen Bestandteilen der Dienst- und Versorgungsbezügen von Beamten nicht um eine öffentliche Sozialleistung. Die Familienzuschläge werden zwar wegen des Vorhandenseins unterhaltsberechtigter Kinder gewährt, aber nur mit Rücksicht auf das mit dem Empfänger des Zuschlags begründeten Beamtenverhältnis, und zählen deshalb zu den unterhaltsrechtlich relevanten Dienstbezügen eines Beamten (BGH NJW-RR 2018, 579 Rn. 29 mwN; BeckOGK/Witt, 1.5.2024, § 1578 BGB Rn. 409). Dieser auf der Trennung und Scheidung der Beteiligten beruhende Umstand genügt bei - wie hier - Vorliegen eines Verwirkungsgrunds und ohne Vorliegen eines den Antragsteller belastenden ehebedingten Nachteils nicht zur Begründung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs.

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vom Antragsteller vorgetragen, aufgrund derer ab Mai 2024 das Wiederaufleben eines Unterhaltsanspruchs wegen Wegfalls des Verwirkungstatbestands in Betracht kommen könnte. Der Umstand, dass der Antragsteller seit dem 01.05.2024 eine neue ladungsfähige Anschrift mitgeteilt hat und zuvor bereits mit Schriftsatz vom 19.01.2024 erklärt hatte, die Mutter seines jüngsten Kindes habe zu diesem Zeitpunkt einen Umzug in ein anderes Bundesland beabsichtigt, lässt mangels weiteren konkreten Sachvortrags aus sich selbst heraus noch nicht den Schluss zu, die Lebensgemeinschaft sei beendet. Darüber hinaus würde deren Auflösung vorliegend auch nicht zu dem Wiederaufleben eines Unterhaltsanspruchs führen. Durch eine Auflösung einer nach der Trennung der Ehegatten begründeten verfestigten Lebensgemeinschaft entfällt nicht der Umstand, dass sich der Ehegatte, der eine neue Lebenspartnerschaft eingegangen ist, hierdurch von der nachehelichen Solidarität gegenüber dem anderen Ehegatten losgesagt hat und sie deshalb auch seinerseits vom anderen nicht mehr einzufordern berechtigt ist, weshalb grundsätzlich das Wiederaufleben eines Unterhaltsanspruchs auch nach Auflösung der neuen Lebenspartnerschaft nicht in Betracht kommt (vgl. MüKoBGB/Maurer § 1379 BGB Rn. 134). Anhaltspunkte für Tatsachen, die eine von diesem Grundsatz abweichende Bewertung rechtfertigen könnten, etwa eine von der Regelung des § 1586a Abs. 1 BGB erfasste Konstellation (vgl. MüKoBGB/Maurer § 1379 BGB Rn. 134; Wendl/Siebert § 4 Rn. 1384), liegen im Streitfall nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 97 ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 55 Abs. 2, 51 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.