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Entscheidung 5 U 230/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 25.07.2024
Aktenzeichen 5 U 230/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0725.5U230.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Oktober 2022 verkündete Teilurteil des Landgerichts Cottbus, Az. 1 O 384/19, zum Klageantrag zu Ziffer 3 (auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von G... des Amtsgerichts Cottbus, Flur ..., Flurstück .../... sowie des hierauf befindlichen Einfamilienhauses) aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Berufung des Klägers wird verworfen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2 richtet.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 214.720,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Räumung und Herausgabe sowie Nutzungsersatz betreffend ein Hausgrundstück.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 2. Die Beklagte zu 1 ist die Ehefrau des Beklagten zu 2. Gemeinsam bewohnen sie ein im Alleineigentum des Beklagten zu 2 stehendes Einfamilienhaus in G... als Ehewohnung. Zwischen den Eheleuten besteht kein Mietvertrag. Jedenfalls seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2008 bis zum Jahr 2016 forderte der Kläger die Beklagte nicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung auf.

Der Kläger begehrt mit den Klageanträgen zu 1 und 5 von der Beklagten für die unentgeltliche Nutzung des Wohneigentums ihres Ehemanns die Zahlung einer Nutzungsentschädigung von jeweils 7.800,00 € für die Jahre 2016 und 2018 (jeweils 5,- €/m² für geschätzte 130 m² Wohnfläche). Er hat behauptet, die Wohnfläche des von den Beklagten genutzten Hauses, die für die Nutzungsentschädigung zugrunde zu legen sei, betrage 138 m² (Bl. 82). Im Berufungsverfahren hat er mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2023, zugestellt am 2. Januar 2024, die Klage erweitert und verlangt weitere 7.800,00 € nebst Zinsen für das Jahr 2020. Mit dem Klageantrag zu 2 hat er begehrt, festzustellen, dass die Beklagte zu 1 als Gesamtschuldnerin neben ihrem Ehemann dem Kläger seit 1. Januar 2016 für veranschlagte 170 m² Wohnfläche mindestens 5,- €/m² als Nutzungsentschädigung schuldet. Im Berufungsverfahren hat der Kläger diesen Antrag auf den Beklagten zu 2 erweitert und begehrt nunmehr diese Feststellung gegenüber beiden Beklagten. Mit dem Klageantrag zu 3 hat der Kläger von der Beklagten zu 1 die Räumung und Herausgabe des Grundstücks an die Insolvenzmasse begehrt, um es zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu verwerten. Erstinstanzlich hat er darüber hinaus beantragt, auch den Beklagten zu 2 zu verurteilen, das streitbefangene Grundstück in G... sowie das Einfamilienhaus zu räumen und an ihn herauszugeben.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, der Beklagten zu 1 stünde ein Besitzrecht an der Wohnung zu. Das Recht ergebe sich aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 Abs. 1 BGB.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Wortlauts der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Teilurteil die Klageanträge auf Zahlung und Feststellung von Nutzungsersatz und den Herausgabeantrag gegenüber der Beklagten zu 1 abgewiesen. Sie habe ein Recht auf Mitbesitz am gemeinsam genutzten Einfamilienhaus. Ihr Besitzrecht bestünde so lange, wie der Kläger die Herausgabe des Grundvermögens gegen den Beklagten zu 2 aus dem Insolvenzeröffnungsbeschluss nicht vollstrecke. Aufgrund des Besitzrechts der Beklagten zu 1 komme auch ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gemäß §§ 987, 988 BGB nicht in Betracht, da es an einer Vindikationslage im Sinne von §§ 985, 986 BGB fehle. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB scheide aus, da die Beklagte zu 1 nichts durch Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt habe. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 (Nichtleistungskondiktion) scheide aus, weil der Mitbesitz der Beklagten zu 1 durch Leistung des Beklagten zu 2 zwecks Erfüllung seiner Pflicht zur Herstellung der häuslichen Lebensgemeinschaft einerseits und seiner aus dem konkludent zwischen den Beklagten geschlossenen Gebrauchsüberlassungsvertrag folgenden Pflicht zur Einräumung des Mitbesitzes an der Ehewohnung andererseits zugewandt habe. Im Hinblick auf diese Vermögensverschiebung liege ein Leistungsverhältnis vor, welches eine Nichtleistungskondiktion des Klägers sperre.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerechten Berufung, die er im Feststellungsantrag (Klageantrag zu Ziffer 2) nunmehr gegen beide Beklagten als Gesamtschuldner richtet.

Er rügt, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung unter Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Erlass eines Teilurteils sei unzulässig, da die Durchsetzung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs einen Titel gegen beide Eheleute voraussetze. Die Klagegegenstände seien nicht voneinander abgrenzbar und könnten nicht als eigenständige Forderungen verfolgt werden. Er habe das Teilurteil zum Anlass genommen, den entsprechenden Vollstreckungsauftrag zur Herausgabe und Räumung gemäß § 885 ZPO beim Amtsgericht Cottbus zu stellen. Die zuständige Gerichtsvollzieherin habe die Zwangsvollstreckung unter Hinweis auf die Regelungen der §§ 750 Abs. 1 ZPO, 148 Abs. 2 InsO verweigert. Auf eine Vollstreckungserinnerung habe sie auf die praktische Unmöglichkeit hingewiesen. Das Landgericht verweigere ihm damit effektiven Rechtschutz, indem es eine vorherige Vollstreckung gegen den Insolvenzschuldner aus dem Insolvenzeröffnungsbeschluss zur Voraussetzung eines Titels gegen die Beklagte zu 1 mache. Eine Räumung und damit auch eine Verwertung des Grundstücks würden undurchführbar. Bei einer Veräußerung des Grundbesitzes drohe zudem die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, da eine Räumungsklage gegen die Beklagte zu 1 nicht auf den Beklagten zu 2 erweiterbar sei. Ein mutmaßlicher Erwerber müsste stattdessen gegen den Beklagten zu 2 gesondert vorgehen. Der Grund für die Erhebung einer Leistungsklage gegen den Schuldner trotz Vorliegens eines vollstreckbaren Eröffnungsbeschlusses liege deshalb in dem Vorteil, dass die Rechtswirkung des § 265 ZPO genutzt werde. Der Räumungsprozess könne mit Wirkung für einen Käufer auch nach Umschreibung des Eigentums fortgesetzt, es müsse kein neuer Räumungsprozess gegen den Schuldner begonnen werden. Sein Herausgabeanspruch ergebe sich aus § 985 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 InsO, sein Anspruch auf Nutzungsentschädigung folge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Beklagte zu 1 um den Nutzungsvorteil ungerechtfertigt bereichert. Die Leistung bestehe in der Einräumung des Besitz- und Nutzungsrechts für die Immobilie.

Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2023 hat der Kläger die Klage hinsichtlich Nutzungsentschädigung für das Jahr 2020 gegen die Beklagte zu 1 erweitert und beantragt zuletzt sinngemäß, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 21. Oktober 2022, Az. 1 O 384/18,

1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn 7.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2020 zu zahlen;

2. festzustellen, dass ihm seit dem 1. Januar 2016 für das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von G... des Amtsgerichts Cottbus, Flur ..., Flurstück .../..., eine Nutzungsentschädigung von mindestens 5 €/ Quadratmeter Nutzfläche für 170 m² Wohnfläche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zusteht;

3. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, das streitbefangene Grundstück, eingetragen im Grundbuch von G... des Amtsgerichts Cottbus, Flur ..., Flurstück .../..., sowie das hierauf befindliche Einfamilienhaus zu räumen und an ihn herauszugeben;

4. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn weitere 7.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

5. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn weitere 7.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Urteil sei keine Überraschungsentscheidung, das Landgericht habe seine vorläufige Rechtsauffassung auch im Verhandlungsprotokoll niedergelegt. Der Kläger habe die nach § 165 InsO durchzuführende Verwertung des Grundbesitzes jahrelang nicht betrieben. Solange im Zwangsversteigerungsverfahren keine Räumungsvollstreckung durch Zuschlagsbeschluss erfolge oder die Gläubigerversammlung keine Entscheidung zu einem freihändigen Verkauf getroffen habe, seien sie rechtmäßige Besitzer.

II.

A)

Die in der Berufung erfolgte subjektive Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2 (Berufungsantrag zu 2) ist unzulässig.

Die nachträgliche subjektive Klagehäufung ist in der Berufungsinstanz wegen des für den neuen Beklagten anderenfalls eintretenden Instanzverlustes nur zulässig, wenn er zustimmt, sofern er seine Zustimmung nicht rechtsmissbräuchlich verweigert (BeckOK/Bacher § 263 ZPO Rn. 26 und 27; BGH Urteil vom 4. Oktober 1985, Az. V ZR 136/84). Vorliegend fehlt es an dieser Zustimmung des Beklagten zu 2; er hat der Klageerweiterung ausdrücklich widersprochen. Gesichtspunkte, die diese Verweigerung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

B)

Die im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise – hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 3 auf Räumung und Herausgabe des Hausgrundstücks – Erfolg, hinsichtlich der Klageanträge auf Zahlung von Nutzungsersatz ist sie unbegründet.

1)

Das Rechtsmittel führt hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 3 zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des gesamten Berufungsverfahrens nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO, weil es sich bei dem Urteil des Landgerichts Cottbus um ein Teilurteil handelt, das nicht den Anforderungen des § 301 Abs. 1 ZPO genügt und deswegen unzulässig ist.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf ein Teilurteil im Sinne von § 301 ZPO nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse – auch in Folge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (BGHZ 120, 376; BGHZ 107, 236). Das trifft auch für den nach § 301 Abs. 1 ZPO gleichstehenden Fall zu, dass von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur ein Teil des Klagebegehrens als zur Entscheidung reif erachtet wird. Bei Klagen gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung) gilt nichts anderes. § 301 ZPO soll die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Entscheidungen in ein und demselben Rechtsstreit bis zu dessen rechtlicher, nicht nur faktischer Trennung gewährleisten. Ein Teilurteil ist bereits dann unzulässig, wenn sich durch die bloße Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug die Gefahr widersprechender Entscheidungen ergeben kann (BGH, Urteil vom 12. Januar 1999, Az. VI ZR 77/98). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (BGH, Urteil vom 24. Februar 2015, Az. VI ZR 279/14), eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mithin nicht besteht. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche zwischen diesen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht, so etwa wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (vgl. BGHZ 189, 356; BGH, Urteil vom 24. Februar 2015, Az. VI ZR 279/14).

Gemessen hieran war der Erlass eines Teilurteils bezogen auf den Klageantrag zu 3 unzulässig. Vorliegend besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, weil das Klagebegehren gegenüber der Beklagten zu 1 davon abhängt, dass der Beklagte zu 2 zur Herausgabe an den Kläger verpflichtet ist. Im Einzelnen:

a)

Zwar könnte dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 ein Anspruch auf Herausgabe des im Eigentum des Beklagten zu 2 als Insolvenzschuldner stehenden Hausgrundstücks nach § 985 BGB in Verbindung mit dem als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegten Eröffnungsbeschluss zustehen. Hierdurch wurde das streitbefangene Hausgrundstück Teil der Insolvenzmasse (vgl. Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, Rn. 132 zu § 35 InsO). Gemäß § 148 InsO hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwahrung zu nehmen. Danach kann der Insolvenzverwalter die Herausgabe von im Alleinbesitz des Schuldners stehenden Gebäuden gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 885 ZPO direkt aus dem vollstreckbaren Eröffnungsbeschluss betreiben. Bei Mitbesitz bedarf es allerdings eines eigenständigen Titels gegen den Mitbewohner, auch gegen den Ehegatten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2004, IXa ZB 29/04; Karsten Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, Rn. 32 zu § 148 m.w.N.; Cranshaw/Gietl, ZfIR 2010, 753, 758; a.A. Nerlich/Römermann, InsO, 47 EL März 2023, Rz 43 zu § 148). Dieser Herausgabeanspruch gegen den Mitbewohner ist nicht davon abhängig, dass der Insolvenzverwalter bereits gegen den Insolvenzschuldner vollstreckt hat, da die Vollstreckung ohne den Titel gegen dessen Ehegatten ausscheidet.

Der Beklagten zu 1 steht auch kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB zu. Das Recht der Beklagten auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist höchstpersönlicher Natur und besteht nur gegenüber dem Beklagten zu 2. Zwar kann nach § 100 Abs. 1 InsO die Gläubigerversammlung aus Mitteln der Insolvenzmasse Unterhalt bewilligen, auch als Naturalunterhalt gegenüber Familienangehörigen (vgl. BeckOK/Fridgen/Geiwitz/Göpfert, InsO, 32. Ed. 15.07.2023, Rz. 20 und 23 zu § 100) und Überlassung einer in die Insolvenzmasse fallenden Wohnung. Unterhalt ist hier jedoch nicht bewilligt; auch ein langjährig nicht betriebenes Herausgabeverlangen des Insolvenzverwalters kann nicht als Unterhaltsbewilligung angesehen werden, da sie nach § 100 InsO ausschließlich der Gläubigerversammlung als freie Ermessensentscheidung vorbehalten ist (vgl. BeckOK, a.a.O., Rz. 28 zu § 100). Andere Anhaltspunkte für ein Besitzrecht der Beklagten zu 1 führt sie nicht an und sind sonst nicht ersichtlich.

b)

Die Beklagte zu 1 ist aber, weil sie lediglich Mitbesitzerin des streitgegenständlichen Hausgrundstücks ist, wegen § 1353 Abs. 1 BGB nur dann zur Herausgabe verpflichtet, wenn zugleich auch der Beklagte zu 2 die Wohnung herausgeben muss. Aus dem Gebot der Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft folgt die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten. Ist der Beklagte zu 2 daher – wie vorliegend – auch Gewahrsamsinhaber, kann die Zwangsvollstreckung gegen ihn nicht aus dem Titel gegen die Beklagte zu 1 betrieben werden, es bedarf eines eigenen Titels gegen diesen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2004, Az. IXa ZB 29/04).

Zwar besteht ein solcher Titel gegen den Beklagten zu 2 in dem Insolvenzeröffnungsbeschluss. Nach § 148 Abs.2 Satz1 InsO kann der Insolvenzverwalter aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Der Begriff Sachen bezieht sich dabei auch auf unbewegliches Vermögen (vgl. BT-Drs. 12/7302, 174; Jungmann/Karsten Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, Rn. 28 zu § 148 m.w.N.).

Vorliegend verlangt der Kläger allerdings trotz des bereits bestehenden Räumungs- und Herausgabetitels in Form des Insolvenzeröffnungsbeschlusses ausdrücklich mit dem Klageantrag zu Ziffer 4 Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Hausgrundstücks von dem Beklagten zu 2, über den das Landgericht mit dem Teilurteil jedoch nicht entschieden hat und der noch in erster Instanz anhängig ist. Es kann dahin gestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall eines bereits bestehenden, nicht der Rechtskraft fähigen, Vollstreckungstitels ein Rechtschutzinteresse für eine Leistungsklage besteht, weil der Gläubiger einen verständigen Grund dargelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006, Az. XI ZR 113/06). Für die Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils ist allein die theoretische Möglichkeit entscheidend, dass das Landgericht bei Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses zu dem Ergebnis kommen könnte, der Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen den Beklagten zu 2 sei abzuweisen. Träte ferner der Fall ein, dass der Insolvenzeröffnungsbeschluss nicht mehr als Vollstreckungstitel gegen den Beklagten zu 2 genutzt werden kann (beispielsweise bei Freigabe aus der Insolvenzmasse), kann eine Entscheidung gegen die Beklagte zu 1 nicht ohne die Gefahr eines Widerspruchs zu der den Beklagten zu 2 betreffenden Entscheidung getroffen werden.

2)

Im Übrigen bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht die Anträge des Klägers auf Zahlung von Nutzungsentschädigung gegenüber der Beklagten zu 1 abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Nutzungsersatz zu.

a)

Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 148 InsO.

Nach § 148 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzverwalter zwar beauftragt, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwahrung zu nehmen. Zur Insolvenzmasse gehört nach § 35 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners. Die Schuldnerschutzvorschriften aus dem Recht der Einzelzwangsvollstreckung gelten entsprechend (§ 36 Abs. 1 InsO). Das Vermögen anderer Personen als des Insolvenzschuldners gehört nicht zur Insolvenzmasse. Die Insolvenzeröffnung ermöglicht es dem Insolvenzverwalter also nur insoweit, Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen, als derartige Forderungen bereits zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehören. Auch nach § 148 Abs. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter aufgrund des Eröffnungsbeschlusses (nur) solche Gegenstände im Wege der Zwangsvollstreckung herausverlangen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden.

Folglich kann der Insolvenzverwalter von dem Ehegatten des Insolvenzschuldners eine Nutzungsentschädigung nur verlangen, wenn dies besonders vereinbart ist oder der Ehegatte gegenüber dem Insolvenzschuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist (OLG Nürnberg, Urteil vom 24. Juni 2005, Az. 5 U 215/05; OLG Hamm, Urteil vom 20. Februar 2002, Az. 8 U 117/01, NZI 2002, 631 zu § 6 Abs. 2 KO). Das ist hier nicht der Fall. Einen Miet- oder Nutzungsvertrag zwischen den beklagten Eheleuten behauptet der Kläger nicht. Der Beklagte zu 2 hat der Beklagten zu 1 die Räume in Erfüllung der ehelichen Pflicht zur Herstellung der häuslichen Lebensgemeinschaft (mit-) überlassen.

b)

Ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative (Leistungskondiktion) BGB besteht ebenfalls nicht, weil der Kläger die streitgegenständliche Nutzungsmöglichkeit nicht an die Beklagte zu 1 geleistet hat. Leistung ist jede auf bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichtete Zuwendung (st. Rspr., z.B.: BGHZ 40, 272; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Auflage, § 812 Rn. 3 m. w. N.). Dass in dem Unterlassen des Klägers, von der Beklagten zu 1 die Herausgabe zu verlangen, eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung deren Vermögens gelegen haben soll, trägt der Kläger bereits nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alternative BGB (Bereicherung in sonstiger Weise) steht bereits der Vorrang der Leistungsbeziehung zwischen den beiden Beklagten entgegen. Die Beklagte zu 1 nutzt das streitgegenständliche Grundstück und Wohnhaus aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte seiner Ehefrau gegenüber eine eheliche Unterhaltspflicht erfüllt und damit eine Leistung im Sinne des Bereicherungsrechts erbringt (so OLG Nürnberg, a.a.O.). Jedenfalls ist die Beklagte zu 1 nicht "auf Kosten" der Insolvenzmasse, sondern auf Kosten des Insolvenzschuldners bereichert. Dem Vermögensnachteil des Entreicherten, also hier der vom Kläger vertretenen Masse, muss ein unmittelbarer Vorteil der Beklagten zu 1 gegenüberstehen (vgl. u.a. Grüneberg/Sprau, a. a. O., Rn. 43). Hieran fehlt es jedoch, mangels des notwendigen Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Vermögensvorteil der Beklagten zu 1 (Nutzung) und dem Vermögensnachteil der entreicherten Masse. Ein solcher Zurechnungszusammenhang liegt nur dann vor, wenn ein und derselbe Vorgang den Gewinn auf der einen und den Verlust auf der anderen Seite unmittelbar herbeiführt. Die Beklagte zu 1 hat die streitgegenständlichen Gebrauchsvorteile auf dem Umweg über das Vermögen des Gemeinschuldners erlangt (so auch OLG Nürnberg, a.a.O, Rz. 27).

c)

Aus den oben genannten Gründen hat das Landgericht auch zu Recht den Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 1 abgewiesen. Der Beklagten zu 1 gegenüber besteht aber – wie oben dargestellt – schon kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung, so dass es auf die Größe der Wohnung nicht ankommt.

C)

Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ist durch den Senat nicht veranlasst, sie bleibt dem Landgericht vorbehalten (vgl. Heßler/Zöller, ZPO Komm, Rn. 58 zu § 538).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung orientiert sich an den gefestigten Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung.

D)

Der Streitwert des Berufungsverfahrens in Höhe von 214.720,- EUR setzt sich zusammen aus den Zahlungsanträgen zu 1, 4 und 5 von je 7.800,- EUR, dem Wert des Feststellungsantrages in Höhe von 16.320,- EUR und dem Wert des Räumungs- und Herausgabebegehrens in Höhe von 175.000 EUR (vgl. Protokoll vom 7. September 2023). Für den Feststellungsantrag hat der Senat den geltend gemachten Betrag von 200,- EUR mit einem Zeitraum von 102 Monaten ab dem Jahr 2016 multipliziert und hiervon 80 % in Ansatz gebracht.