Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 13.08.2024 | |
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Aktenzeichen | 6 U 97/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0813.6U97.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.11.2023, Az. 18 O 448/23, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23.08.2023, Az. 18 O 448/23, wird insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 4.750 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 14 % und die Beklagte 86 % zu tragen. Davon ausgenommen sind die durch die erstinstanzliche Säumnis der Beklagten entstandenen Kosten, die diese allein zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.500 € festgesetzt.
I.
Der klagende Verband nimmt die beklagte Online-Händlerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch.
Die Beklagte gab gegenüber dem Kläger am 16.04.2019 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der sie sich unter anderem verpflichtete, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz Angebote zu veröffentlichen und zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, bei denen der Verbraucher bei Werkzeug nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise informiert wird über den Inhalt der Garantie, einschließlich einer bei Kauf der Ware vom Hersteller angebotenen Garantie, und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind. Der Kläger nahm die Unterlassungserklärung mit Schriftsatz vom 17.04.2019 an.
Im November 2020 veröffentlichte die Beklagte auf der Internetplattform … Angebote für Wasserwaagen, bei denen sie mit „10 Jahre Garantie auf Libellen“ warb und hierzu angab, es handele sich um eine Garantie der Firma („Firma 01“), die „bedeutet, dass die Libellen ihre Genauigkeit nicht verlieren, unbeschlagen und dicht sind“.
Der Kläger forderte daraufhin mit Schreiben vom 17.11.2020 – unter Berücksichtigung eines früheren Verstoßes gegen die Unterlassungsvereinbarung – die Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.500 €. Die Beklagte reagierte mit Anwaltsschreiben vom 01.12.2020, in welchem sie sich gegen die Höhe der Vertragsstrafenforderung wandte und die Zahlung des von ihr für angemessen gehaltenen Betrages von 750 € ankündigte. Die Zahlung ist erfolgt. Eine Einigung über die weitergehende Forderung der Klägerin wurde nicht erzielt. Mit Anwaltsschreiben vom 01.12.2021 kündigte die Beklagte die Unterlassungserklärung im Hinblick auf die an diesem Tag in Kraft getretene Änderung von § 8 Abs. 3 UWG.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafe in Höhe von 5.500 € nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Forderung für rechtsmissbräuchlich und deren Höhe für unangemessen gehalten.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht das im schriftlichen Vorverfahren gegen die Beklagte erlassene Versäumnisurteil vom 23.08.2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da die Voraussetzungen nach § 8b UWG nicht erfüllt seien und die Unterlassungsvereinbarung wirksam gekündigt worden sei. Zudem habe der Kläger den Anspruch „nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen“ der Übergangsvorschriften des § 15a UWG geltend gemacht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes im Berufungsurteil wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 2, §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel überwiegend Erfolg.
1.
Die Klage ist zulässig.
Zur gerichtlichen Verfolgung der klagegegenständlichen Zahlungsforderung ist der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen prozessführungsbefugt, weil er geltend macht, Inhaber eines vertraglichen Leistungsanspruchs zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2022 – I ZR 35/21 – Influencer III, GRUR 2022, 490, Rn. 25). § 8 Abs. 3 Nr. 2 und § 8b UWG finden hier keine Anwendung, weil die darin normierten Voraussetzungen nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG betreffen, welche hier nicht streitgegenständlich sind.
Gleiches gilt für die Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG, die eine Regelung zum zeitlichen Anwendungsbereich von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG beinhaltet, also ebenfalls lediglich Verfahren betrifft, in denen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend gemacht werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.08.2022 – 4 U 120/21, GRUR-RS 2022, 55910, Rn. 11).
Entgegen der Auffassung des Landgerichtes kommt es für die Zulässigkeit der Klage des Weiteren nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung der Unterlassungsvereinbarung an. Denn die Frage des (Fort-)Bestandes der Vereinbarung berührt nicht die Befugnis des Klägers zur gerichtlichen Geltendmachung der auf deren Grundlage geforderten Vertragsstrafe, sondern die Begründetheit der Zahlungsforderung.
In anderer Hinsicht unterliegt die Zulässigkeit der Klage ebenfalls keinen Zweifeln.
2.
Die klagegegenständliche Hauptforderung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB i.V. mit § 339 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung von (noch) 4.750 € zu.
a)
Mit den Vertragserklärungen vom 16. und 17.04.2019 hat sich die Beklagte der Klägerin gegenüber zur Zahlung einer nach billigem Ermessen zu bestimmenden Vertragsstrafe unter anderem für den Fall verpflichtet, dass sie im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz betreffend Werkzeug Angebote veröffentlicht und/oder zur Abgabe von Angeboten auffordert, bei denen der Verbraucher nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise informiert wird über den Inhalt der Garantie, einschließlich einer bei Kauf der Ware vom Hersteller angebotenen Garantie, und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, und ohne gleichzeitig auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden.
Bedenken an der Wirksamkeit des Zustandekommens dieser Vereinbarung, welche anhand der allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 32/03 – Vertragsstrafevereinbarung, GRUR 2006, 878), bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
b)
Die demnach wirksam vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt, § 339 Satz 2 BGB.
Bei dem inkriminierten Angebot von Wasserwaagen, welches die Beklagte im November 2020 auf der Handelsplattform … veröffentlichte, warb sie mit „10 Jahre Garantie auf Libellen“, ohne den Anforderungen der Vereinbarung vom 16./17.04.2019 Rechnung zu tragen. Anders als die Beklagte meint, genügt hierfür nämlich nicht der Hinweis: „Alle Wasserwaagen und deren Profile werden getestet auf: vertikale und horizontale Biege-, Presse- und Drallfestigkeit. Zusätzlich bietet die Firma („Firma 01“) seinen Kunden eine10-jährige Garantie an. Das bedeutet, dass die Libellen ihre Genauigkeit nicht verlieren, unbeschlagen und dicht sind.“ Mit diesen Angaben ist zwar der Garantiefall umrissen. Zu welchen Leistungen sich der Garantiegeber im Garantiefall verpflichtet, bleibt danach aber offen. Zudem fehlt es an den für die Geltendmachung der Garantie erforderlichen Angaben, allem voran dem vollständigen Namen und der Anschrift des Garantiegebers, sowie an einem Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers.
Die darin liegende Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsvereinbarung vom 16./17.04.2019 ist von der Beklagten verschuldet. Das Fehlen der geforderten Angaben beruht unstreitig – wie es etwa auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 19.09.2023 heißt (Blatt 28 eA-LG) – auf einem Versehen einer Mitarbeiterin der Beklagten. Der Beklagten fällt daher zumindest Fahrlässigkeit zur Last, § 276 Abs. 1, 2, § 278 Satz 1 BGB.
c)
Gegenüber dem Anspruch auf Zahlung der mithin verwirkten Vertragsstrafe kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die Unterlassungsvereinbarung gekündigt zu haben.
Als ein dem Kündigenden zustehendes Gestaltungsrecht kann eine Kündigung nur zu einer Beendigung des Schuldverhältnisses für die Zukunft führen. Bei der Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung der streitgegenständlichen Art behalten daher die Unterlassungsverpflichtung und ebenso das Vertragsstrafeversprechen bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses Gültigkeit, sodass in der Vergangenheit verwirkte Vertragsstrafen grundsätzlich zu entrichten sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1996 – I ZR 265/95 – Altunterwerfung I, GRUR 1997, 382, 385). So liegt es hier.
Der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ wegen schuldhaften Verstoßes gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fällt mit der schuldhaften Zuwiderhandlung an und wird mit der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts des Gläubigers gegenüber dem Schuldner fällig (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2022 – I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung – GRUR 2022, 1839, Rn. 25 ff.). Die streitgegenständliche Zahlungsforderung ist demnach mit der Veröffentlichung der inkriminierten Werbung spätestens im November 2020 entstanden und mit Zugang des Forderungsschreibens des Klägers vom 17.11.2020 (Anlage K4) fällig geworden. Ausgehend davon, dass die Beklagte nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag auf dieses Schreiben – wie sich dem als Anlage B2 vorgelegten Überweisungsbeleg entnehmen lässt – am 30.11.2020 die Zahlung von 750 € geleistet hat, muss ihr das Schreiben spätestens an diesem Tag zugegangen sein. Auf die seither fällige Vertragsstrafenforderung können sich die später ausgebrachten Kündigungserklärungen daher nicht mehr auswirken.
d)
Dem Kläger ist die Geltendmachung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt.
aa)
Nach den zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen kann einem Vertragsstrafeanspruch auch ohne Kündigung der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Anspruch dem Gläubiger auf Grund einer erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, d.h. ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht, sodass der Unterlassungsschuldner die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich hätte kündigen können (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014 – I ZR 210/12 – fishtailparka – GRUR 2014, 797, Rn. 23 f.; Urteil vom 26.09.1996 – I ZR 265/95 – Altunterwerfung I, GRUR 1997, 382, 383). Denn es stünde weder mit dem mit der Rechtsänderung verfolgten Ziel noch mit der Funktion der Unterwerfungserklärung als eines in seinen Wirkungen dem gerichtlichen Unterlassungstitel angenäherten Instrument in Einklang, wenn der seines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs eindeutig beraubte Gläubiger für Verstöße gegen das Unterlassungsversprechen noch Vertragsstrafe beanspruchen könnte (BGH, Urteil vom 06.07.2000 – I ZR 243/97 – Altunterwerfung IV, GRUR 2001, 85, 86). Einer Gesetzesänderung steht dabei der Fall gleich, dass das dem Schuldner auf Grund eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs untersagte Verhalten auf Grund einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 02.07.2009 – I ZR 146/07 – Mescher weis, GRUR 2009, 1096).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Sie ergeben sich entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere nicht daraus, dass der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der gegenwärtig geltenden Fassung mangels Eintragung in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nicht zur Geltendmachung der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des § 8 Abs. 1 UWG berechtigt ist. Denn in dieser Fassung ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gemäß Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I v. 01.12.2020, 2574) erst am 01.12.2021, also zeitlich nach Eintritt der Fälligkeit des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs, in Kraft getreten. Insofern kann daher keine Rede davon sein, dass der Kläger eine Vertragsstrafe für ein Verhalten der Beklagten fordert, dessen Unterlassen er zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung gegen die getroffene Vereinbarung nach dem Gesetz eindeutig nicht mehr beanspruchen konnte.
Auch dringt die Beklagte weder mit dem Bestreiten der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der zum Zeitpunkt ihrer Vertragsverletzung geltenden Fassung noch mit dem Einwand durch, die von ihr mit der Vereinbarung vom 16./17.04.2019 hinsichtlich der Werbung mit einer Garantie übernommene Unterlassungsverpflichtung sei – wie es auf Seite 6 der Klageerwiderung (Blatt 32 eA-LG) heißt – „nach der zwischenzeitig durch den BGH erfolgten Konkretisierung der Rechtsprechung zu Garantiewerbungen gegenüber Verbrauchern deutlich zu weit gefasst“.
Die Funktion eines strafbewehrten Unterlassungsversprechens liegt typischerweise darin, einen Rechtsstreit über das Bestehen eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu vermeiden, indem ein gegenüber dem Gesetz selbstständiger Grund für die Unterlassungsverpflichtung geschaffen wird (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2012 – I-4 U 194/11, GRUR-RS 2012, 10125; OLG Stuttgart, Urteil vom 11.06.2015 – 2 U 136/14, GRUR-RS 2015, 15247, Rn. 46). Deshalb widerspricht das Bestehen auf Einhaltung der vertraglich übernommenen Unterlassungspflicht nicht schon dann Treu und Glauben, wenn die vertragliche Pflicht über das gesetzliche Verbot hinausgeht, sondern nach dem Vorstehenden erst, wenn dem Gläubiger infolge einer Gesetzesänderung oder einer höchstrichterlichen Leitentscheidung eindeutig kein gesetzlicher Anspruch auf die vertraglich übernommene Unterlassungspflicht mehr zusteht (s. auch Ulrici, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.09.2021, § 339 BGB, Rn. 205.5 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
Dass der Kläger im November 2020 die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 01.12.2020 geltenden Fassung nicht erfüllt hat, ist jedenfalls nicht eindeutig. Gleiches gilt für die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG in der seinerzeit geltenden Fassung i.V. mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung und mit § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis 31.12.2021 geltenden Fassung. Darauf, dass der Bundesgerichtshof die sich aus den letztgenannten Vorschriften ergebenden Pflichten zur Information über Herstellergarantien mit der von der Beklagten insofern in Bezug genommenen Entscheidung vom 10.11.2022 (Az. I ZR 241/19 – Herstellergarantie IV, GRUR 2022, 1832) konkretisiert hat, kommt es nach dem Vorstehenden für die streitgegenständliche Vertragsstrafenforderung, die zu diesem Zeitpunkt bereits fällig war, nicht an.
bb)
Der Einwand der Treuwidrigkeit ist vorliegend auch nicht unter einem anderen Gesichtspunkt begründet.
(1)
Die Forderung einer Vertragsstrafe ist rechtsmissbräuchlich, wenn das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung im Rahmen einer Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafenansprüche gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 14.02.2019 – I ZR 6/17 – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung, GRUR 2019, 638; s. auch Urteil vom 23.10.2019 – I ZR 46/19 – Da Vinci, GRUR 2020, 292, Rn. 6), wobei die in § 8c Abs. 2 UWG bzw. § 8 Abs. 4 UWG a.F. enthaltenen Indizien für die Feststellung einer missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen herangezogen werden können (BGH, Urteil vom 07.03.2024 – I ZR 83/23 – Vielfachabmahner II, GRUR 2024, 699, Rn. 8 m.w.N.).
Von einem Rechtsmissbrauch in diesem Sinne ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein; vielmehr reicht es aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.04.2018 – I ZR 248/16 – Abmahnaktion II, GRUR 2019, 199, Rn. 21; Versäumnisurteil vom 28.05.2020 – I ZR 129/19 – Al Di Meola, GRUR 2020, 1087, Rn. 16). Dabei ist das Vorliegen eines Missbrauchs jeweils im Einzelfall unter Abwägung der gesamten Umstände des Falles zu beurteilen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. In die Beurteilung einfließen kann dabei das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten, aber auch anderer Wettbewerbsverstöße (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – I ZR 300/02 – MEGA SALE, GRUR 2006, 243, Rn. 16).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs trifft nach den allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der sich auf diesen Einwand beruft, hier also die Beklagte. Denn der vorliegend zur Verteidigung gegen die streitgegenständliche Vertragsstrafenforderung erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs betrifft allein die Begründetheit der Klage, sodass die Voraussetzung dieses Einwandes von der Beklagten darzulegen sowie erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen und nach dem Strengbeweis des § 286 ZPO festzustellen sind (vgl. Senat, Urteil vom 19.07.2022 – 6 U 41/21 – aromatisierter Zucker, GRUR 2022, 1685, Rn. 21 m.w.N.). Es ist daher an der Beklagten, die Voraussetzungen dieses Einwandes schlüssig darzulegen, also Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs vorzutragen und dafür Beweis anzubieten. Dies gilt auch für das Vorgehen des Klägers, zumal für ihn die Vermutung spricht, dass er seinen satzungsmäßigen Zwecken nachgeht (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2000 – I ZR 294/97 – Arzneimittelversand durch Apotheken, GRUR 2001, 178). Erst wenn diese Vermutung durch entsprechenden Tatsachenvortrag zumindest erschüttert ist, muss der Kläger substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (BGH, Urteil vom 07.03.2024 – I ZR 83/23 – Vielfachabmahner II, GRUR 2024, 699, Rn. 12).
(2)
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht festzustellen, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs mit der der Unterlassungsvereinbarung vom 16./17.04.2019 zugrundeliegenden Abmahnung vom 05.04.2019 (Anlage K3) rechtsmissbräuchlich war.
Der Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 25.08.2021 (Az. 6 U 67/21, BeckRS 2021, 36212) und die hierin vertretene Auffassung, der Kläger würde der in freier Mitarbeit für ihn tätigen Schwester der ersten Geschäftsführerin unangemessen hohe Zahlungen leisten, ist prozessual unbeachtlich. Mangels jeglichen Sachvortrags zur Höhe dieser Zahlungen und zur üblichen Vergütung für die von der betreffenden Mitarbeiterin im Gegenzug erbrachten Leistungen erweist sich die Wertung der Unangemessenheit der Zahlungen als aus der Luft gegriffen (vgl. hierzu auch Senat, Urteil vom 19.07.2022 – 6 U 41/21 – aromatisierter Zucker, GRUR-RR 2023, 81, Rn. 41 [in GRUR 2022, 1685 nicht abgedruckt]).
Ebenso wenig rechtfertigt sich der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bei der Abmahnung aus den Behauptungen, es sei mehrfach gerichtlich festgestellt, dass der Kläger lediglich passive, von der vereinsinternen Willensbildung ausgeschlossene Mitglieder aufnehme, und dass er die eigenen Mitglieder verschone. Dass der Kläger Verletzungshandlungen seiner Mitglieder planmäßig duldet, ist durch diesen bloßen Verweis auf in anderen Rechtsstreiten getroffene Feststellungen nicht schlüssig dargelegt (vgl. hierzu auch Senat, Urteil vom 19.07.2022 – 6 U 41/21 – aromatisierter Zucker, a.a.O., Rn. 32 ff.). Umstände, die den Schluss von der Mitgliederstruktur des Klägers auf die Verfolgung sachfremder Motive zuließen, trägt die Beklagte ebenfalls nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22 – Mitgliederstruktur, GRUR 2023, 585; Senat, Urteil vom 19.07.2022 – 6 U 41/21 – aromatisierter Zucker, a.a.O., Rn. 25 ff.).
Dass die vom Kläger vorformulierte Unterlassungserklärung – wie die Beklagte meint – nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.11.2022 (Az. I ZR 241/19 – Herstellergarantie IV, a.a.O.) über den gesetzlichen Unterlassungsanspruch hinausgehe, rechtfertigt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung nach den vorstehend dargelegten Erwägungen bereits in zeitlicher Hinsicht nicht. Dass der Kläger Abmahnschreiben standardmäßig und systematisch zu weit fassen würde, ist von der Beklagten weder geltend gemacht noch schlüssig dargelegt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt sich die Annahme, der Kläger habe mit der Abmahnung vom 05.04.2019 sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt, des Weiteren nicht daraus, dass er bislang nicht in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen ist. Dass das Bundesamt für Justiz bislang keine (positive) Entscheidung über die Aufnahme des Klägers in die Liste getroffen hat, lässt nämlich weder für sich noch in Zusammenschau mit anderen, im vorliegenden Rechtsstreit unstreitigen oder festgestellten Umständen darauf schließen, dass der Kläger die materiellen Voraussetzungen für den Listeneintrag nicht erfüllt, und erst recht nicht darauf, dass er die entsprechenden Voraussetzungen im April 2019 nicht erfüllte.
(3)
Sonstige Umstände im Verhalten des Klägers vor, bei und nach der Abmahnung, welche die streitgegenständliche Vertragsstrafenforderung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere genügt es hierfür nicht, dass der Kläger die spätestens seit dem 30.11.2020 fällige Forderung weiterverfolgt, obwohl ihm nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der seit dem 01.12.2021 geltenden Fassung Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG nicht zustehen.
e)
Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte des Weiteren gegen die Höhe der vom Kläger bestimmten Vertragsstrafe von 5.500 €.
§ 13a Abs. 3 UWG in der ab dem 02.12.2020 geltenden Fassung steht der Höhe der im Streitfall geforderten Vertragsstrafe nicht entgegen. Nach der Vorschrift dürfen Vertragsstrafen eine Höhe von 1.000 € nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ob bereits in Folge der hier angegriffenen werbenden Tätigkeit über das Internet eine unerhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne ausscheidet (so wohl OLG Koblenz, Urteil vom 06.12.2020 – 9 U 595/20, GRUR-RR 2021, 318), kann dahinstehen. Denn § 13a UWG ist vorliegend von vornherein nicht einschlägig, weil der Anwendungsbereich der Vorschrift nach § 15a Abs. 2 UWG auf solche Abmahnungen beschränkt ist, die ab dem 02.12.2020 zugegangen sind. Die Beklagte hatte die der hier in Rede stehenden Unterlassungsvereinbarung zu Grunde liegende Abmahnung bereits im April 2019 erhalten.
Der dagegen von der Beklagten angeführte Einwand, ausweislich der Gesetzesbegründung seien mit § 13a UWG lediglich die bis dahin in der Rechtsprechung und Lehre bereits anerkannten Grundsätze kodifiziert worden, sodass die Vorschrift des § 13a Abs. 3 UWG mittelbar auch auf frühere Fälle Anwendung findet, greift nicht durch. Diese Auffassung lässt unberücksichtigt, dass sich die betreffende Aussage in der Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drs. 232/19, Seite 32) auf Absatz 1 der Vorschrift, nicht aber auf § 13a Abs. 3 UWG bezieht.
Die Höhe der vom Kläger geforderten Vertragsstrafe bleibt daher an dem Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB zu überprüfen. Mit der zwischen den Parteien zustande gekommenen Unterlassungsvereinbarung hat sich die Beklagte für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung zur Zahlung einer vom Kläger „nach billigem Ermessen zu bestimmenden und im Streitfalle vom zuständigen Gericht auf Billigkeit zu überprüfenden … Vertragsstrafe“ verpflichtet. Dem Kläger ist damit das Recht eingeräumt, im Falle einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Höhe der Vertragsstrafe gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen. Die getroffene Bestimmung ist daher verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, und vom Gericht nur zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 1, 3 BGB gezogene Billigkeitsgrenze überschritten ist. Dass das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält, rechtfertigt eine Änderung der getroffenen Bestimmung mithin nicht (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015 – 4 U 191/14, GRUR-RR 2016, 92; OLG Celle, Beschluss vom 23.11.2020 – 13 U 56/29, juris). Anderes ergibt sich auch nicht aus § 13a Abs. 4 UWG. Denn diese Vorschrift betrifft die Angemessenheitskontrolle betragsmäßig fixierter (absoluter) Vertragsstrafen (vgl. Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 13a UWG, Rn. 11).
Die vom Kläger getroffene Bestimmung der Vertragsstrafe auf 5.500 € überschreitet die maßgebende Billigkeitsgrenze nicht.
Für die Bestimmung, was als angemessene Vertragsstrafe anzusehen ist, sind Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Ausmaß der Wiederholungsgefahr, das Verschulden des Verletzers und gegebenenfalls die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierter Schadensersatz entscheidend (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – I ZR 54/91, GRUR 1994, 146). Nach diesen Maßstäben ist zu berücksichtigen, dass der inkriminierten Werbung bereits ein Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung vorausgegangen war und dass der Verstoß auf einer gerichtsbekannt stark frequentierten Online-Handelsplattform begangen worden ist. Vor diesem Hintergrund entspricht die Bestimmung einer Vertragsstrafe, die den im Lauterkeitsrecht für durchschnittliche Verstöße als üblich angesehenen Betrag von 5.001 € (vgl. Senat, Urteil vom 20.04.2021 – 6 U 72/19, GRUR-RS 2021, 10217) um ca. 10 % übersteigt, der Billigkeit. Die dagegen von der Beklagten angeführten Umstände, dass sie lediglich vier Mitarbeiter beschäftige sowie dass das inkriminierte Inserat auf dem Versehen einer Mitarbeiterin beruht und einen Vorrat von nur zehn Wasserwagen zum Verkaufspreis von je 16,85 € betroffen habe, führen zu keiner anderen Würdigung.
f)
Der demnach begründete Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.500 € ist allerdings in Höhe von 750 € erloschen.
Unstreitig ist, dass die Beklagte auf die Vertragsstrafenforderung vom 17.11.2020 am 30.11.2020 750 € an den Kläger gezahlt hat. Die Zahlung hat gemäß § 362 Abs. 1 BGB zur teilweisen Erfüllung der streitgegenständlichen Forderung geführt. Zwar ist die Zahlung nach dem Anwaltsschreiben der Beklagten vom 01.12.2020 (Anlage B1) „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ geleistet worden. Der weitere Inhalt des Schreibens, mit dem sich die Beklagte im Wesentlichen gegen die Höhe der Vertragsstrafenforderung gewandt hat, lässt aber darauf schließen, dass die Beklagte hierdurch lediglich dem Verständnis ihrer Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollte, den Kläger durch diesen Vorbehalt in einem etwaigen späteren Streit über die Rückforderung aber nicht die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen sollte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.11.2006 – LwZR 6/05, NJW 2007, 1269, Rn. 19).
3.
Hinsichtlich des demnach begründeten Teils der Hauptforderung rechtfertigt sich die Zinsforderung aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
4.
Die Nebenentscheidungen folgen § 92 Abs. 1 Satz 1, § 344, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung begründet sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.