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Entscheidung 6 W 69/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 25.07.2024
Aktenzeichen 6 W 69/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0725.6W69.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam - Rechtspfleger - vom 09.11.2022, Az. 4 O 354/20, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von dem Kläger an die Beklagte nach dem am 14.04.2022 verkündeten Schlussurteil des Landgerichts Potsdam, Az. 4 O 354/20, zu erstattenden Kosten werden auf 641,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit dem 27.04.2022 festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist im Ergebnis nur teilweise begründet.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist in dem vor dem Landgericht geführten Rechtsstreit die in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1, 1003 VV RVG aufgrund der von den Parteien in der mündlichen Verhandlung getroffenen Regelung zu den Berechnungsgrundlagen für den geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruch angefallen, dies jedoch nicht in der von der Beklagten beantragten und vom Landgericht festgesetzten Höhe.

a)    Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass für das Entstehen einer Einigungsgebühr kein wechselseitiges Nachgeben, wohl aber unterschiedliche Auffassungen zum Zeitpunkt der Vereinbarung vorliegen müssen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Auflage, RVG VV 1000 Rn. 106 und Rn. 110 mwN). Nach allgemeiner Meinung kann auch bereits eine Zwischeneinigung der Parteien eine Einigungsgebühr auslösen (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2012, 522). Es ist dabei nicht erforderlich, dass sich die Parteien über den gesamten Streitstoff einigen. Entscheidend ist nur, ob durch die Vereinbarung eine endgültige oder praktisch dauerhafte Regelung über zumindest einen abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstandes getroffen wird (OLG Köln, FamRZ 2009, 715; OLG Hamm, JurBüro 2002, 27; OLG Hamm, BeckRS 2012, 16362; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO Rn. 142). Als Verfahrenswert ist hierfür allerdings nur der Gegenstand maßgebend, über den die Beteiligten eine Teileinigung getroffen haben (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO Rn. 144).

b)    Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die von der Beklagten im Festsetzungsverfahren geltend gemachte Einigungsgebühr dem Grunde nach entstanden.

aa)    Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteien dort eine Regelung zu den zuvor zwischen ihnen streitigen Berechnungsgrundlagen für den geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruch getroffen. Das folgt zum einen unmissverständlich aus dem Wortlaut des betreffenden Protokollabschnitts, der mit dem Passus beginnt: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass (...)“. Ferner ist nochmals klarstellend nach den sodann im Einzelnen vereinbarten Berechnungsgrundlagen der abschließende Passus vermerkt: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass auf Grundlage und auf Basis der jetzt zu Protokoll gegebenen Beträge die Berechnung erfolgen soll“ (Sitzungsniederschrift vom 13.01.2022; S. 2; Bl. 348 d.A.). Es besteht zudem kein Zweifel daran, dass die Parteien mit der protokollierten Regelung auch materiell-rechtlich eine teilweise Einigung getroffen haben, denn sie haben damit die vorher streitigen Berechnungsgrundlagen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch außer Streit gestellt, wohl um das weitere Verfahren zu beschleunigen. Das folgt aus dem gesamten Verfahrensablauf, insbesondere aber auch aus den Gründen des Schlussurteils des Landgerichts, worin ausdrücklich unter Nennung der betreffenden Positionen und Beträge ausgeführt wird: „Aufgrund der Einigung zwischen den Parteien sind der vorzunehmenden Berechnung die (...) zugrunde zu legen“, und „(...) haben sich die Parteien auf den Abzug eines Eigenbedarfs (...) geeinigt“ (LGU 5; Bl. 285 d.A.). Eine Einigung der Parteien über die Berechnungsfaktoren, die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung waren, steht damit außer Frage.

bb)    Darauf, ob der betreffenden Zwischeneinigung auch ein wechselseitiges Nachgeben der Parteien zugrunde lag oder ob sie im Wesentlichen nur der Berechnung einer der beiden Parteien gefolgt sind, kommt es nach Maßgabe der oben dargestellten Rechtsgrundsätze nicht an. Für die Entstehung der Einigungsgebühr ist auch unerheblich, dass die Parteien in demselben Verhandlungstermin einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben, um in der bis zu einem Verkündungstermin verbleibenden Zeit „unter Zugrundelegung der noch zu erfolgenden Berechnung eine vergleichsweise Lösung anzustreben“ (Sitzungsniederschrift, aaO S. 3 Bl. 349 d.A.). Denn die Einigungsgebühr ist nach allgemeiner Auffassung eine Erfolgsgebühr und entsteht bereits dann, wenn eine Einigung tatsächlich zustande kommt. Ein darüber hinaus beabsichtigter - und hier tatsächlich auch nicht geschlossener - Vergleich ist dafür nicht relevant. Ebenso unmaßgeblich ist, dass die Parteien in dem Termin im Übrigen streitig zur Sache verhandelt haben und der Rechtsstreit erst durch das Schlussurteil des Landgerichts endete und nicht insgesamt durch eine Einigung; es folgt aus der Natur einer getroffenen Teileinigung, dass der Rechtsstreit damit nicht insgesamt erledigt worden ist.

c)    Im Ergebnis hat der Rechtspfleger des Landgerichts die geltend gemachte Einigungsgebühr jedoch der Höhe nach fehlerhaft mit 696 € netto bzw. 828,24 € brutto als Teil der nach seiner Berechnung insgesamt in Höhe von 3.3013,02 € angefallenen Anwaltskosten der Beklagten angesetzt. Für die Berechnung der Einigungsgebühr ist die angegriffene Kostenfestsetzung damit von dem für das Verfahren insgesamt angesetzten Streitwert von 17.668,62 € ausgegangen. Der zutreffende Vergütungsbetrag bemisst sich für die Einigungsgebühr mit Rücksicht auf den davon nur erfassten Teil des Streitgegenstandes auf 558 € netto bzw. 664,02 € brutto.

aa)     Wie ausgeführt ist für den Verfahrenswert einer Zwischeneinigung allein der Teil des Streitgegenstandes maßgebend, über den die Beteiligten die Teileinigung getroffen haben (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO Rn. 144).

(1)    Im Rechtsstreit geltend gemacht hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - gemäß Schriftsatz vom 10.08.2020 (Bl. 166 d.A.) und Antragstellung im letzten Verhandlungstermin (Sitzungsniederschrift vom 13.01.2022, S. 2; Bl. 348 d.A.) - einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 17.668,62 € (Bl. 166 d.A.).

(2)    Eine teilweise Einigung über die Berechnungsgrundlagen für den Pflichtteilsanspruch haben die Parteien zu folgenden Punkten getroffen: 1. Zeitraum und jeweilige Höhe der für die Anspruchsberechnung relevanten Rentenzahlungen; 2. Höhe des Eigenbedarfsabschlags in den gemäß Ziffer 1. relevanten Monaten; 3. Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Abschmelzung und des Indexes; 4. Wert des Grundstücks der Erblasserin und 5. Stand der Konten und des Bargeldbestands der Erblasserin. Aufgrund der im Beschwerdeverfahren nach Hinweiserteilung des Senats ergänzend erfolgten Stellungnahmen der Parteien ist festzustellen, das sich mit Rücksicht auf diese Berechnungsgrundlagen im Ergebnis ein Pflichtteil von 1/6 des Gesamtnachlasses von 48.574,39 € in Höhe von 8.095,73 € errechnete.

(3)    Eine Einigung über die von der Beklagten behaupteten zwischenzeitlichen Zahlungen in Höhe von 7.666,66 € haben die Parteien in dem Termin nicht getroffen, sondern hat sich insbesondere auch der Kläger eine weitergehende Prüfung vorbehalten (Sitzungsniederschrift vom 13.01.2022, S. 2; Bl. 348 d.A.). Vor diesem Hintergrund geht auch der mit Schriftsatz vom 16.11.2022 gestellte Hilfsantrag des Klägers fehl, den Gegenstandswert für die Einigungsgebühr auf 429,72 € als vermeintlich verbliebene Differenz festzusetzen (aaO, S. 2 f.; Bl. 446 f. d.A.). Erst im Schlussurteil hat das Landgericht eine kontradiktorische Entscheidung dahin getroffen, dass die 7.666,66 € als bezahlt anzusehen sind, so dass von den streitig gebliebenen 8.095,73 € noch ein Restanspruch des Klägers von 429,72 € zur Tenorierung verblieb.

(4)    Der für die von der Beklagten geltend gemachte Einigungsgebühr relevante Gegenstandswert beläuft sich nach allem, gemessen an den insoweit rein rechnerischen Auswirkungen für die Begründetheit des Klageantrags, auf den Differenzbetrag respektive die mit der Teileinigung faktisch außer Streit gestellte Mehrforderung des Klägers von 9.572,89 € (17.668,62 € - 8.095,73 €); denn wirtschaftlich - wenn auch im letzten Klageantrag nicht mehr entsprechend berücksichtigt - standen nach der Teileinigung der Parteien über die Berechnungsfaktoren objektiv nur noch 8.095,73 € in Streit.

(5)    Ausgehend hiervon ist die Einigungsgebühr mit der auf den Streitfall anzuwendenden alten Fassung des RVG für einen Gegenstandswert von bis zu 10.000 € auf 558 € netto bzw. 664,02 € zu bemessen. Entsprechend belaufen sich die gesamten Anwaltskosten der Beklagten zuzüglich der übrigen Kostenpositionen, für deren Ansatz auf den insoweit zutreffenden angefochtenen Beschluss verwiesen wird (S. 2; Bl. 437 d.A.), auf 2.848,80 brutto. Die gesamten außergerichtlichen Kosten betragen damit 5.008,65 €, von denen der Kläger gemäß der im Schlussurteil getroffenen Kostenquote 63 % (3.155,45 €) und die Beklagte 37 % (1.853,20 €) zu tragen haben, so dass abzüglich der jeweils eigenen Kosten zugunsten der Beklagten ein Erstattungsbetrag von 995,60 € verbleibt, von dem wiederum der seitens der Beklagten an den Kläger zu erstattende Gerichtskostenanteil in Höhe von 354,09 € in Abzug zu bringen ist. Der resultierende Betrag von 641,51 € ist zugunsten der Beklagten noch festzusetzen.

bb)    Die weiteren vom Landgericht angesetzten Kostenpositionen sind von der Beschwerde unangegriffen und auch nicht aus Rechtsgründen zugunsten des Klägers zu beanstanden.

2.    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO. Von der Erhebung von Gerichtskosten, die im auf die Kostenfestsetzung bezogenen Beschwerdeverfahren grundsätzlich als Festgebühr anfallen, wird in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens wegen der teilweisen Beschwerdestattgabe abgesehen (vgl. KV Nr. 1812 GKG). Eine Wertfestsetzung ist unabhängig davon nicht geboten, denn ein Kostenwert ist grundsätzlich nur festzusetzen, wenn sich Gerichtsgebühren nach einem Gegenstandswert berechnen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG).

3.    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen.