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Befristung, Sachgrundlos, Befristungshöchstdauer, Abweichung durch Tarifvertrag, Bezugnahme, Vorbeschäftigung, Arbeitnehemerüberlassung, Fiktion eines Arbeitsverhältnisses, vorübergehend, Überlassungshöchstdauer, Übergangsvorschrift, Unionrechtswidrigkeit, Leiharbeit-RL, unmittelbare Wirkung, richtlinienfonforme Auslegung/Rechtsfortbildung, Rechtsmissbrauch


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer Entscheidungsdatum 18.06.2024
Aktenzeichen 8 Sa 20/24 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0618.8SA20.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen AÜG §§ 1 Abs. 1 S. 1, S. 4, Abs. 16; 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 2; BGB § 242; RL 2008/104/EG (Leiharbeits-Richtlinie); TzBfG § 14 Abs. 2; ZPO §§ 167, 222, 529 Abs. 2 S. 2

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 27.10.2023 – 4 Ca 1284/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags.

Der 1990 geborene Kläger stand seit dem 01.08.2012 in einem Arbeitsverhältnis mit der A. Die A beschäftigte den Kläger seit dem 09.12.2013 gemäß Änderungsvertrag vom 06.12.2013 (Anlage K4, Blatt 27 folgend der Akte) entsprechend der Tätigkeit im Einsatzbetrieb als Anlagenfahrer. Sie verlieh den Kläger vom 09.12.2013 bis zum 31.05.2018 durchgehend ohne Unterbrechung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte.

Die Parteien schlossen unter dem 13./20.03.2018 den als Anlage K7 zur Klageschrift vorgelegten Arbeitsvertrag ab (Blatt 32 bis 40 der Akte). Ausweislich Ziffer 1 des Arbeitsvertrags wurde der Kläger ab dem 01.06.2018 als Anlagenfahrer II befristet bis zum 31.05.2020 eingestellt. In Ziffer 4 des Arbeitsvertrages werden die für die Beklagte normativ geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung für auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar erklärt; derzeit seien dies die Tarifverträge der chemischen Industrie.

Der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie Ost vom 17.03.1994 in der Fassung vom 22.11.2019 (MTV; Anlage K14, Blatt 57 fortfolgende der Akte) gilt ausweislich seines § 1 Ziffer 1 räumlich unter anderem für das Land Brandenburg und regelt unter § 11 („Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses“) Abschnitt II („Probezeit und befristete Arbeitsverhältnisse“) Ziffer 3, dort Absatz 2, das Folgende:

Befristete (...) Arbeitsverhältnisse sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, wobei auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate ausgedehnt wird. Die Nutzung des erweiterten Rahmens nach dem TzBfG ist von dem Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder der Zustimmung des Betriebsrates im Einzelfall abhängig.

Unter dem 13.03.2018 ließ die Beklagte dem Kläger eine „Übersicht zu betrieblichen und tarifvertraglich vereinbarten Leistungen (...)“ zukommen (Anlage K8, Blatt 41 der Akte).

Unter dem 20.04.2020 vereinbarten die Parteien, das zwischen ihnen bestehende, bis zum 31.05.2020 befristete Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung bis zum 31.03.2021 zu verlängern (Anlage K9, Blatt 45 der Akte). Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat hatte der Verlängerung unter dem 03.04.2020 zugestimmt (Anlage B1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten vom 01.12.2022, Blatt 149 folgend der Akte) und genehmigte die Verlängerung nochmals unter dem 11.08.2022 (Anlage B2, Blatt 151 der Akte).

Unter dem 19./30.01.2021 vereinbarten die Parteien eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2022 (Anlage K10, Blatt 46 der Akte). Der Betriebsrat hatte sich hiermit am 15.01.2021 einverstanden erklärt (Anlage B3, Blatt 152 der Akte) und genehmigte die Verlängerung nochmals unter dem 11.08.2022 (Anlage B4, Blatt 153 der Akte).

Mit seiner am 21.06.2022 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen, der Beklagten am 28.06.2022 zugestellten Klage hat der Kläger, soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung, die Wirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Befristung angegriffen.

Er hat gemeint, aufgrund der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Überlassungshöchstdauer sei bereits vor dem 01.06.2018 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen. Auch nach der alten Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) habe die Überlassung nur vorübergehend erfolgen dürfen. Zwar sehe das AÜG erst seit dem 01.04.2017 eine zeitlich bestimmte Grenze von 18 Monaten sowie erst seither auch als Sanktion für den Fall einer Überschreitung der Überlassungshöchstdauer vor, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gelte. Auch enthalte die zugrundeliegende Leiharbeitsrichtlinie an sich keinen Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätten jedoch die nationalen Gerichte die Aufgabe, klarzustellen, dass nicht mehr nur vorübergehende Überlassungen nicht nur gegen die Richtlinie, sondern auch gegen das AÜG verstießen. Ein Übernahmeanspruch ergebe sich unmittelbar aus dem AÜG. Im Fall des Klägers sei die Überlassung mit einer Dauer von mehr als 53 Monaten nicht mehr vorübergehend.

Die Übergangsvorschrift in § 19 Absatz 2 AÜG verstoße gegen die Leiharbeitsrichtlinie. Auch nach der neuen Fassung des AÜG müssten vorherige Überlassungszeiten berücksichtigt werden.

In der Folge sei die Befristung unwirksam. Die europarechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung sei als „Zuvorbeschäftigung“ im Sinne von § 14 Absatz 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zu werten. In richtlinienkonformer Auslegung beziehungsweise Rechtsfortbildung und analoger Anwendung von § 10 AÜG sei ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien schon vor dem 01.04.2017, jedenfalls aber in der Zusammenschau der vorher liegenden und der anschließenden Überlassungszeiten entstanden.

Die Anschlussbefristungen seien als rechtsmissbräuchlich zu bewerten.

Weiterhin hat der Kläger die Ansicht vertreten, das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2018 sei dahingehend zu verstehen, dass bereits ein Vertrag mit dem Kläger bestanden habe.

Der Kläger hat, soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung, beantragt,

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der mit Vertrag vom 20.03.2018 vereinbarten Befristung nicht geendet hat;
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.: die Beklagte zu verurteilen, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 20.03.2018 zu unveränderten Bedingungen als Anlagenfahrer II bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Befristung sei nach § 14 Absatz 2 TzBfG und § 11 Abschnitt II Ziffer 3 Absatz 2 MTV rechtswirksam. Ein Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG liege nicht vor.

Es sei zuvor kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen gewesen. Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 seien wegen der Übergangsregelung in § 19 Absatz 2 AÜG unbeachtlich. Der EuGH habe diese explizit als europarechtskonform angesehen. Unabhängig davon gäben weder das AÜG noch die Leiharbeitsrichtlinie die vom Kläger reklamierte Rechtsfolge einer nicht vorübergehenden Überlassung her.

Die Ansicht des Klägers, aus dem Schreiben der Beklagten vom 13.03.2018 folge, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe, gehe fehl. Die Beklagte hat hierzu behauptet, das Schreiben sei dem Kläger zeitgleich mit dem befristeten Arbeitsvertrag übersandt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies insoweit, wie das Verfahren in die Berufungsinstanz gelangt ist, wie folgt begründet: Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund der Befristungsabrede vom 20.03.2018 mit Ablauf des 31.05.2022 beendet worden. Dabei gelte die Befristungsabrede nicht bereits gemäß § 17 TzBfG in Verbindung mit den §§ 4 und 7 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) als wirksam. Der Kläger habe innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages die in § 17 TzBfG vorgesehene Feststellungsklage erhoben. Die Befristungsabrede habe als sachgrundlose Befristung nach § 14 Absatz 2 Sätze 1 und 3 TzBfG in Verbindung mit § 11 Abschnitt II Ziffer 3 Absatz 2 MTV keines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes bedurft. Die in zulässiger Weise durch Tarifvertrag auf 48 Monate verlängerte Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung sei eingehalten. Die Verlängerungen seien jeweils mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgt. Die Regelung in § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG stehe der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen. Zwischen den Parteien habe vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages vom 20.03.2018 kein Arbeitsverhältnis bestanden. Ein solches sei insbesondere nicht durch gesetzliche Fiktion zustande gekommen. Eine solche Rechtsfolge sei zwar in §§ 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 AÜG für den Fall einer Überschreitung der nach § 1 Absatz 1b AÜG zulässigen Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinander folgenden Monaten vorgesehen. Allerdings bestimme die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG, dass Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b AÜG nicht berücksichtigt würden. Zum Zeitpunkt der Einstellung bei der Beklagten sei der Kläger seit dem 01.04.2017 erst 14 Monate an die Beklagte überlassen gewesen, so dass die Überlassungshöchstdauer nicht überschritten sei. Zwar sei dem Kläger beizupflichten, dass die vor dem 01.04.2017 verbrachten Überlassungszeiten von 39 Monaten beziehungsweise die Gesamtüberlassungszeit von 53 Monaten nicht mehr als „vorübergehend“ im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 4 AÜG zu qualifizieren seien. Hieraus folge aber nicht die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten. Eine solche Rechtsfolge sei in § 10 Absatz 1 AÜG nicht vorgesehen. Die Systematik der gesetzlichen Regelung lasse auch keine planwidrige Regelungslücke erkennen, die im Wege einer Analogie zu schließen wäre. Die Befristungsabrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür seien vom Kläger nicht substantiiert behauptet worden. Die Beklagte habe sich an das jeweils geltende Recht gehalten. Wer sich an das geltende Recht halte, handele nicht rechtsmissbräuchlich. Der hilfsweise Weiterbeschäftigungsantrag sei nicht zur Entscheidung angefallen.

Gegen das ihm am 07.12.2023 zugestellte (Blatt 195 der Akte) Urteil des ersten Rechtszugs hat der Kläger am Montag, 08.01.2024, Berufung eingelegt (Blatt 200 der Akte) und diese, nachdem die Frist zur Begründung der Berufung gemäß dem Antrag des Klägers bis zum 07.03.2024 verlängert worden ist (Blatt 203 fortfolgende der Akte), am 07.03.2024 begründet (Blatt 211 der Akte).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel, die Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Befristungsabrede vom 20.03.2018 feststellen zu lassen, unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Das Arbeitsgericht habe im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt, dass die Überlassung des Klägers vom 09.12.2013 bis zum 31.05.2018 und damit für einen Zeitraum von 53 Monaten nicht mehr als vorübergehend zu qualifizieren sei. Fehlerhaft habe es aber angenommen, dass sich hieran nicht die gesetzliche Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten als Entleiherin knüpfe. Die Vorgabe schon der alten Fassung des AÜG, dass Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend erfolgen müsse, stelle ein Verbotsgesetz dar. Die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zum Verleiher folge aus § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Mit der Beklagten sei in der Folge ein faktisches Arbeitsverhältnis entstanden. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit dem Vorlagebeschluss der 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg an den EuGH vom 13.05.2020 (15 Sa 1991/19) und der nachfolgenden Entscheidung des EuGH auseinandergesetzt. Schon die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg habe erwogen, dass die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG der Leiharbeitsrichtlinie entgegenstehe und daher unangewendet bleiben müsse. Der EuGH habe angenommen, dass die Übergangsvorschrift dem Schutz, der Leiharbeitnehmern wie dem Kläger durch die Richtlinie gewährt werde, die praktische Wirksamkeit nehme. Das Arbeitsgericht habe den Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts missachtet. Eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 19 Absatz 2 AÜG sei dahingehend denkbar, dass Überlassungszeiträume vor dem 01.04.2017 dann für die Prüfung der Überlassungshöchstdauer berücksichtigt würden, wenn diese selbst schon für sich betrachtet nicht mehr als vorübergehend anzusehen seien. Unabhängig davon sei die Überlassung aber aufgrund ihrer Dauer schon vor dem 01.04.2017 rechtswidrig gewesen. Das Arbeitsgericht hätte die §§ 9, 10 AÜG deshalb unionsrechtskonform analog anwenden müssen. Wiederum unabhängig hiervon sei die zuvor erfolgte Arbeitnehmerüberlassung als Zuvor-Beschäftigung im Sinne von § 14 Absatz 2 TzBfG zu werten. Auch sei die Befristungsabrede treuwidrig. Die Beklagte sei das Risiko einer unwirksamen Überlassung bewusst eingegangen. Auch habe sie sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht an geltendes Recht gehalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 27.10.2023 – 4 Ca 1284/22 – teilweise abzuändern und

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der mit Vertrag vom 30.01.2021 vereinbarten Befristung nicht geendet hat;
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.: die Beklagte zu verurteilen, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 20.03.2018 zu unveränderten Bedingungen als Anlagenfahrer II bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Die Rechtsauffassung des Klägers stehe im Widerspruch zur eindeutigen Rechtsprechung des EuGH. Die Beklagte ist der Ansicht, die Überlassung des Klägers sei, insoweit auch entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts, weder vor dem 01.04.2017 noch in der Gesamtschau bis zum 31.05.2022 nicht mehr als vorübergehend zu qualifizieren. Sie sei vielmehr noch vorübergehend gewesen. Entscheidend für den Begriff der „vorübergehenden“ Überlassung sei nach der EuGH-Rechtsprechung nicht die absolute Dauer, sondern die Intention der Rückkehr beziehungsweise der Beendigung der Überlassung. Losgelöst davon existiere aber jedenfalls mangels entsprechender Vorgaben durch die Leiharbeitsrichtlinie keine im Wege der Analogie oder richterlichen Rechtsfortbildung auszufüllende Gesetzeslücke. Auch § 19 Absatz 2 AÜG könne nicht contra legem unionsrechtskonform ausgelegt werden. Der EuGH habe die nationalen Gerichte gerade nicht dazu verpflichtet, eine unionsrechtswidrige Übergangsvorschrift unangewendet zu lassen. Sie sei vielmehr von ihnen anzuwenden. Zumindest aber könne auch bei Nichtanwendung die vom Kläger begehrte Rechtsfolge eines fingierten Arbeitsverhältnisses zur Beklagten weder aus § 10 AÜG alter Fassung direkt noch in unionsrechtskonformer Auslegung oder richterlicher Rechtsfortbildung hergeleitet werden. Die Annahme, schon die Überlassung als solche stelle eine „Zuvor-Beschäftigung“ nach § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG dar, überschreite sowohl den Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf die unter Angabe der Blattzahl der Akten angeführten Unterlagen wird ergänzend verwiesen. 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war zurückzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

A.

Die Berufung ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe c) des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG). Der Kläger hat die Berufung innerhalb der sich aus § 66 Absatz 1 Sätze 1 und 2 ArbGG ergebenden Fristen eingelegt und begründet. Insbesondere die einmonatige Frist für die Berufungseinlegung ist gewahrt. Für die Fristberechnung gilt gemäß § 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG die Vorschrift des § 222 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Einreichung der Berufungsschrift an dem auf den sich aus § 222 Absatz 1 ZPO in Verbindung mit §§ 187 Absatz 1, 188 Absatz 2 BGB an sich ergebenden Ablauf der Begründungsfrist am Sonntag, 07.01.2024, folgenden Montag ist im Hinblick auf die Regelung des § 222 Absatz 2 ZPO fristwahrend. Einlegung und Begründung der Berufung genügen den formalen und inhaltlichen Anforderungen aus §§ 64 Absätze 6 und 7, 46c, 46g ArbGG, 519, 520 ZPO. Insbesondere hat sich der Kläger hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt.

B.

Die Berufung ist unbegründet. Das angegriffene Urteil beruht im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit das Verfahren in die Berufungsinstanz gelangt ist, zu Recht abgewiesen. Diese ist zwar ohne Weiteres zulässig, jedoch unbegründet. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der im Arbeitsvertrag der Parteien vom 13./20.03.2018 vereinbarten, zuletzt mit Vereinbarung vom 19./30.01.2021 verlängerten Befristung mit Ablauf des 31.05.2022 beendet. Die Befristung ist wirksam. In der Folge kann die vom Kläger begehrte Feststellung nicht getroffen werden. Sein Hilfsantrag fällt nicht zur Entscheidung an.

I. Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Befristung nicht deshalb als von Anfang an rechtswirksam gilt, weil der Kläger ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages durch Feststellungsklage geltend gemacht hätte, §§ 17 Sätze 1 und 2 TzBfG, 7 Halbsatz 1 KSchG. Hinzuzufügen ist den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts, dass es für die im Sinne von § 17 Satz 1 TzBfG fristgerechte Erhebung der Befristungskontrollklage im Ausgangspunkt darauf ankommt, wann die Klage zugestellt worden ist (§ 253 Absatz 1 ZPO). Dass die Zustellung im Streitfall mehr als drei Wochen nach dem vereinbarten Ende erfolgte, ist indes unschädlich, weil sie innerhalb der Frist beim Arbeitsgericht eingegangen ist und die Zustellung „demnächst“ erfolgte; aufgrund des entsprechend anwendbaren § 167 ZPO wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt des Klageeingangs zurück (vergleiche nur Bundesarbeitsgericht [BAG] 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, NZA 2019, 700, Randnummer 13; Waskow, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, Individualarbeitsrecht II, 5. Auflage 2021, § 106 Randnummer 18).

II. Die Befristung bedurfte abweichend von der Grundregel des § 14 Absatz 1 Satz 1 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit keines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes. Es sind die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Absatz 2 TzBfG erfüllt.

1. Die vereinbarte Befristung hält sich innerhalb der nach § 14 Absatz 2 Sätze 1 und 3 TzBfG zulässigen Befristungshöchstdauer.

a) Nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Durch Tarifvertrag kann nach § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren, § 14 Absatz 2 Satz 4 TzBfG.

b) Im Streitfall bestimmt § 11 Abschnitt II Ziffer 3 Absatz 2 MTV, dass befristete Arbeitsverhältnisse abweichend von § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG bis zu einer Dauer von 48 Monaten zulässig sind, wobei die Nutzung dieses erweiterten Rahmens von dem Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder der Zustimmung des Betriebsrates im Einzelfall abhängig ist.

aa) Diese tarifliche Regelung ist zulässig und wirksam.

(1) Nach § 22 Absatz 1 TzBfG kann im Rahmen von § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG auch zu Ungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden (Backhaus, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 7. Auflage 2024, § 14 TzBfG Randnummer 589). Die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut nicht eingeschränkt. Aufgrund des systematischen Gesamtzusammenhangs und Sinn und Zwecks von § 14 TzBfG sowie aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen besteht aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine immanente Beschränkung der durch § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Nach dieser Rechtsprechung ist die Grenze der tariflichen Regelungsbefugnis indes erst bei einer Festlegung der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses auf maximal sechs Jahre und der höchstens neunmaligen Verlängerung bis zu dieser Gesamtdauer erreicht (BAG07.2022 – 7 AZR 247/21, NZA 2022, 1678, Randnummer 18 mit weiteren Nachweisen; grundlegend BAG 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, NZA 2017, 463, Randnummern 17 fortfolgende). Diese Grenzen sind vorliegend gewahrt.

(2) Zulässig ist es auch, dass die Tarifvertragsparteien die Nutzung des erweiterten Rahmens für sachgrundlose Befristungen von dem Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder der Zustimmung des Betriebsrates im Einzelfall abhängig gemacht haben. Die Tarifvertragsparteien dürfen, sofern sie von der ihnen in § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG eingeräumten Regelungsbefugnis Gebrauch machen, die von ihnen erweiterte Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung zugunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers (§ 22 Absatz 1 TzBfG) von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig machen und damit einschränken (BAG07.2022 – 7 AZR 247/21, NZA 2022, 1678, Randnummer 18 mit weiteren Nachweisen), auch, indem sie diese an die Zustimmung des Betriebsrats binden; damit ist keine unzulässige Delegation der den Tarifvertragsparteien durch § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG eingeräumten Regelungsbefugnis verbunden (BAG 21.03.2018 – 7 AZR 428/16, NZA 2018, 999, Randnummer 23).

bb) Die tarifvertraglich erweiterte sachgrundlose Befristungsmöglichkeit findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Zwar hat das Arbeitsgericht zur Frage der Tarifbindung der Parteien keine Feststellungen getroffen; die Parteien haben hierzu nicht vorgetragen. Nach § 14 Absatz 2 Satz 4 TzBfG können aber im Geltungsbereich eines Tarifvertrages gemäß Satz 3 (auch) nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Dies ist hier unstreitig der Fall.

cc) Die Voraussetzungen des § 11 Abschnitt II Ziffer 3 Absatz 2 MTV für eine erweiterte sachgrundlose Befristung sind erfüllt. Die Befristungshöchstdauer von 48 Monaten ist bei einem Vertragsbeginn am 01.06.2018 und einem – nach zweimaliger Verlängerung zuletzt – vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.05.2022 eingehalten. Der Betriebsrat hat den Verlängerungen, mit denen der gesetzliche Rahmen des § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG von maximal zwei Jahren erst überschritten wurde, jeweils zugestimmt.

dd) Im Ergebnis unschädlich ist es, dass der MTV jedenfalls in der Fassung, in der er von den Parteien allein zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht und vorgelegt worden ist, erst zum 01.12.2019 in Kraft getreten ist (§ 17 MTV, Blatt 92 der Akte), während die streitgegenständliche Befristungsabrede bereits im März 2018 abgeschlossen wurde.

(1) Die entsprechend § 14 Absatz 2 Satz 4 TzBfG vereinbarte Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien verweist zeitdynamisch auf die Tarifverträge der chemischen Industrie in ihrer jeweils gültigen Fassung, erfasst mithin auch den erst nach Arbeitsvertragsschluss in Kraft getretenen MTV.

(2) Auch muss der Tarifvertrag nach § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG nicht bereits bei Abschluss des ersten befristeten Vertrages in Kraft getreten sein. Die Wirksamkeit einer Befristung richtet sich nach der im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung bestehenden Rechtslage. Das gilt auch für die in einem Verlängerungsvertrag vereinbarte Befristung (BAG06.2017 – 7 AZR 627/15, BeckRS 2017, 129010, Randnummer 40; BAG 18.03.2015 – 7 AZR 272/13, NZA 2015, 821, Randnummer 47; Backhaus, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 7. Auflage 2024, § 14 TzBfG Randnummer 592). Zu den Zeitpunkten, zu denen die den gesetzlichen Rahmen des § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG überschreitenden Verlängerungsvereinbarungen vom 20.04.2020 und vom 19./30.01.2021 getroffen wurden, befand sich der MTV in der vorgelegten Fassung in Kraft und fand er auf das Arbeitsverhältnis der Parteien (jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme) Anwendung. Darauf, ob auch vorangegangene Fassungen des MTV eine dem § 11 Abschnitt II Ziffer 3 Absatz 2 MTV entsprechende Ausweitung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit enthielten, insbesondere, ob dies in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der ursprünglichen Befristungsabrede geltenden Fassung des MTV der Fall war, kommt es nicht an.

2. Die nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG maximal zulässige, durch den MTV nicht veränderte Anzahl von Verlängerungen ist eingehalten.

3. Eine sachgrundlose Befristung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil zwischen den Parteien bereits zuvor ein (befristetes oder unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers besteht keine Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG. Zwischen den Parteien war vor dem 01.06.2018 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

a. Entgegen der erstinstanzlichen Argumentation des Klägers ist das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2018 („Übersicht zu betrieblichen und tarifvertraglich vereinbarten Leistungen“, Anlage K8, Blatt 41 der Akte) nicht so zu verstehen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe oder durch jenes Schreiben begründet worden wäre.

aa. Die Berufungskammer hat dieses Vorbringen nach § 529 Absatz 2 Satz 2 ZPO, der über die Verweisung in § 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG auch für das Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten gilt (siehe nur Pessinger, in: Helml/Pessinger, ArbGG, 5. Auflage 2021, § 64 Randnummer 34), unabhängig davon zu prüfen, dass das Arbeitsgericht das Vorbringen im angefochtenen Urteil nicht thematisiert und die Parteien es im Berufungsverfahren nicht wiederholt haben. § 529 Absatz 2 Satz 2 ZPO ordnet eine eigenständige umfassende materiell-rechtliche Überprüfung der Rechtslage im Rahmen des in das Berufungsverfahren gelangten Streitgegenstandes durch das Landesarbeitsgericht an. Die Überprüfungspflicht bezieht sich dabei auf alle von den Parteien erstinstanzlich vorgebrachten rechtlichen Aspekte, unabhängig davon, ob sie vom Arbeitsgericht im Urteil thematisiert wurden oder von den Parteien im Berufungsverfahren wiederholt wurden oder nicht. Mit dem zulässigen Rechtsmittel gelangt der gesamte aus den Akten ersichtliche Streitstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz (Schwab, in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Auflage 2022, § 64 Randnummer 226; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage 2024, § 529 Randnummer 24; siehe auch LAG Berlin-Brandenburg08.2020 – 12 Sa 35/20, BeckRS 2020, 25157, Randnummer 20).

Dass der Kläger sein Vorbringen fallen gelassen hätte, ist der Akte nicht zu entnehmen.

bb) In der Sache ergibt sich indes aus dem Schreiben vom 13.03.2018 nicht das Bestehen oder die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien bereits vor dem 01.06.2018. Die Beklagte hat behauptet, das Schreiben sei dem Kläger zeitgleich mit dem auf den 13.03.2018 datierten Angebot zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages übersandt worden. Dies stimmt mit der Datierung des Arbeitsvertrages (Anlage K7, Blatt 32 fortfolgende, hier konkret Blatt 40 der Akte) überein und ist vom Kläger mit der Folge des § 138 Absatz 3 ZPO auch nicht bestritten worden. Daraus erhellt, dass die Bezugnahme auf einen „Vertrag“ in dem Schreiben der Beklagten vom 13.03.2018 allein den mit Vertragsentwurf vom selben Tag dem Kläger von der Beklagten angebotenen befristeten Arbeitsvertrag zum Gegenstand hat.

b) Ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien vor dem 01.06.2018 nicht dadurch zustande gekommen, dass der Kläger ohne Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte verliehen worden wäre.

aa) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen (Arbeitnehmerüberlassung), bedürfen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AÜG der Erlaubnis. Nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 Halbsatz 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern (grundsätzlich) unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG gilt, wenn der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist, ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.

bb) Der Leiharbeitnehmer, der Rechte aus der Fiktion nach § 10 Absatz 1 AÜG herleitet, trägt für dessen tatbestandliche Voraussetzungen die volle Darlegungs- und Beweislast (Kock, in: BeckOK Arbeitsrecht, Stand 01.03.2024, § 10 AÜG Randnummer 52; Ulrici, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2023, § 10 AÜG Randnummer 48), mithin auch für das Fehlen einer Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung (Mengel, in: Thüsing, AÜG, 4. Auflage 2018, § 10 Randnummer 52).

Im Streitfall behauptet der Kläger nicht, dass die A keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gehabt habe.

c) Ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien vor dem 01.06.2018 nicht dadurch zustande gekommen, dass der Kläger von der A zwischen dem 09.12.2013 und dem 31.05.2018 nicht mehr nur „vorübergehend“ im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte verliehen worden wäre.

aa) Die Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ergibt sich nicht aus dem Verleih des Klägers an die Beklagte durch die A in der Zeit zwischen dem 09.12.2013 und dem 31.03.2017.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass bereits vor der Änderung des AÜG mit Wirkung zum 01.04.2017 aufgrund seines Verleihs an die Beklagte für einen Zeitraum von über 39 Monaten zwischen dem 09.12.2013 und dem 31.03.2017 eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe, welche die gesetzliche Fiktion des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten als Entleiherin gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG ausgelöst habe, steht dieser Argumentation die eindeutige Rechtsprechung des BAG entgegen, der sich die Kammer anschließt. Es trifft nicht zu, dass die Frage der Rechtsfolge einer nicht mehr vorübergehenden Überlassung für die Zeit vor dem 01.04.2017 höchstrichterlich nicht geklärt sei. Insbesondere den vom Kläger vertretenen Analogieschluss hat das BAG explizit und überzeugend abgelehnt.

(1) Die (seit dem 01.12.2011 und) bis zum 31.03.2017 geltenden Vorschriften des AÜG sahen zwar eine zeitliche Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vor, indem § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG alter Fassung (a.F.) bestimmte, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgte. Damit hatte der Gesetzgeber eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verboten (BAG12.2013 – 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196, Randnummer 26; ausführlich BAG 10.07.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296, Randnummern 28 fortfolgende), auf die Festlegung bestimmter Höchstüberlassungsfristen jedoch verzichtet (BAG 10.07.2013 am angegebenen Ort, Randnummer 53).

Das AÜG a.F. sah eine Sanktion in Form eines Arbeitgeberwechsels für den Fall, dass der Leiharbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber einem Dritten dauerhaft und damit nicht nur „vorübergehend“ zur Arbeitsleistung überlassen wurde, jedenfalls nicht ausdrücklich vor.

(2) Nachdem das BAG zunächst offengelassen hatte, ob in Fällen der nicht mehr nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung im Wege der Auslegung des AÜG a.F. ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer entstehe (BAG07.2013 am angegebenen Ort, Randnummer 51), hat es später in Auseinandersetzung mit abweichenden Stimmen in Instanzrechtsprechung und Literatur entschieden, dass dem AÜG in der zwischen dem 01.12.2011 und dem 31.03.2017 geltenden Fassung keine Sanktion in Form eines Arbeitgeberwechsels für den Fall zu entnehmen sei, dass der Leiharbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber einem Dritten dauerhaft und damit nicht nur „vorübergehend“ zur Arbeitsleistung überlassen wurde, sofern der Verleiher die nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, seine Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung zu überlassen (BAG 10.12.2013 am angegebenen Ort, Randnummern 17 fortfolgende; bestätigt durch BAG 24.05.2022 – 9 AZR 337/21, NZA 2022, 1530, Randnummern 79, 82 mit weiteren Nachweisen).

Auch eine analoge Anwendung der §§ 9, 10 AÜG kommt nach dem BAG ausdrücklich nicht in Betracht (BAG 24.05.2022 am angegebenen Ort, Randnummern 84 fortfolgende mit weiteren Nachweisen; ausführlich schon BAG 10.12.2013 am angegebenen Ort, Randnummern 22 fortfolgende). Sie ist nach dem BAG ausdrücklich auch unionsrechtlich nicht geboten (BAG 24.05.2022 am angegebenen Ort, Randnummer 87; ausführlich schon BAG 10.12.2013 am angegebenen Ort, Randnummern 32 fortfolgende; zahlreiche weitere Nachweise bei Bissels, in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 13. Auflage 2023, 6. Teil D. Randnummer 15).

(3) Der vom BAG mit eingehender Begründung entwickelten Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an. Deshalb ist es unerheblich, ob es sich bei dem Einsatz des Klägers bei der Beklagten zwischen dem 09.12.2013 und dem 31.03.2017 um eine noch oder eine nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG a.F. handelte.

bb) Auch aus der Fortdauer der Überlassung des Klägers an die Beklagte über den 31.03.2017 hinaus (bis zum 31.05.2018) folgt nicht das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien. Die Änderung der arbeitnehmerüberlassungsrechtlichen Rechtslage zum 01.04.2017 mit der Neueinführung von § 1 Absatz 1b AÜG und § 9 Absatz 1 Nummer 1b AÜG führt entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht dazu, dass zwischen den Parteien schon vor dem 01.06.2018 ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen galt. Auch aus dem Unionsrecht ergibt sich diese Rechtsfolge nicht.

(1) Die Überlassung von Arbeitnehmern ist nach dem AÜG in seiner seit dem 01.04.2017 geltenden Fassung gemäß § 1 Absatz 1 Satz 4 AÜG vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. Nach § 1 Absatz 1b Satz 1 AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen.

Nach § 9 Absatz 1 Nummer 1b AÜG sind Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b AÜG (grundsätzlich) unwirksam.

Weiter gilt nach § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG, wenn der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist, ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.

Nach § 19 Absatz 2 AÜG werden Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b AÜG nicht berücksichtigt. Gemäß der Begründung zum seinerzeitigen Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt die Regelung sicher, dass in die Überlassungshöchstdauer nur Verleihzeiten ab dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes einzurechnen sind. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits zurückgelegte Verleihzeiten berühren die Überlassungshöchstdauer danach nicht. Dies solle es Sozialpartnern, Verleihern und Entleihern sowie den betroffenen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern ermöglichen, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen (Bundestags-Drucksache 18/9232 vom 20.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Seite 31).

(2) Nach der nationalen gesetzlichen Ausgangslage gilt damit Folgendes: Das AÜG knüpft jetzt an eine nicht nur vorübergehende, das heißt (jetzt) die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten überschreitende Überlassung explizit die Folge der Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer mit der Folge, dass auch die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nach § 10 AÜG greifen kann. Jedoch bestimmt die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG, dass Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b AÜG nicht berücksichtigt werden.

Hiernach kann eine nicht mehr vorübergehende Überlassung für die Zeit seit dem 01.04.2017 im Streitfall nicht festgestellt werden. Der Kläger war bis zum 31.05.2022 an die Beklagte verliehen, in der Zeit seit dem 01.04.2017 mithin nicht für mehr als 18 aufeinander folgende, sondern nur für 14 Monate.

Eine Gesamtschau der Verleihzeiten unter Einbeziehung auch der Überlassung vor dem 01.04.2017 schließt § 19 Absatz 2 AÜG aus.

(3) Dieses Ergebnis wird durch Unionsrecht nicht infrage gestellt. Zwar steht nach der Rechtsprechung des EuGH und auch des BAG die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG mit Unionsrecht nicht in Einklang. Das führt aber nicht dazu, dass die Übergangsvorschrift vom erkennenden Gericht nicht anzuwenden wäre mit der Folge, dass eine Zusammenrechnung der Zeiten der Überlassung des Klägers vor und seit dem 01.04.2017 zu erfolgen hätte mit der weiteren Folge, dass die Überlassung wegen Überschreitung der Grenze von 18 Monaten als nicht mehr vorübergehend anzusehen wäre und schließlich der – vom Kläger erstrebten – weiteren Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten bereits vor dem 01.06.2018 gemäß §§ 9, 10 AÜG. Eine Nichtanwendung der Übergangsvorschrift ist unionsrechtlich nicht geboten. Eine – zum gleichen Ergebnis führende – unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts scheidet aus.

(a) Zwar entnimmt der Europäische Gerichtshof der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeits-Richtlinie), dass diese es einem Mitgliedstaat verwehre, keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren (EuGH10.2020 – C-681/18, NZA 2020, 1463, Randnummern 63, 72; zu der zuvor geführten Diskussion darüber, ob sich aus der Leiharbeits-Richtlinie ein Verbot der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung ergebe, vergleiche Kolbe, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 5. Auflage 2024, Artikel 1 RL 2008/104/EG Randnummern 17 fortfolgende; aus der Entscheidung EuGH 22.06.2023 – C-427/21, NZA 2023, 815, ergibt sich richtigerweise keine Abweichung, vergleiche Hamann, AuR 2024, 227 fortfolgende; derselbe, jurisPR-ArbR 30/2023 Anmerkung 2, unter C.). In der Konsequenz ist auch die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG an den Richtlinienvorgaben zu messen.

(b) Auf ein Vorabentscheidungsersuchen der Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13.05.2020 – 15 Sa 1991/19, juris) hat der EuGH entschieden, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zum einen im nationalen Recht eine Höchstdauer für die Überlassung einzuführen, bei deren Überschreitung davon ausgegangen wird, dass die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen keinen vorübergehenden Charakter mehr hat, zum anderen aber auch, Übergangsvorschriften zu diesem Zweck vorzusehen (EuGH 17.03.2022 – C-232/20, NZA 2022, 549, Randnummer 69). Dabei darf jedoch eine Übergangsvorschrift nicht dazu führen, dass dem Schutz, der einem Leiharbeitnehmer, der aufgrund der Dauer seiner Überlassung an ein entleihendes Unternehmen insgesamt nicht mehr nur „vorübergehend“ zur Verfügung gestellt worden wäre, durch die Leiharbeits-Richtlinie gewährt wird, die praktische Wirksamkeit genommen wird. Die Prüfung, ob dies tatsächlich der Fall ist, ist Sache des nationalen Gerichts (EuGH am angegebenen Ort, Randnummern 73 folgend).

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob die Übergangsvorschrift unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts so ausgelegt werden kann, dass sie im Einklang mit den Anforderungen der Leiharbeits-Richtlinie steht (EuGH am angegebenen Ort, Randnummern 76 fortfolgende). Allerdings kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche vor dem nationalen Gericht nicht möglich ist. Daher gestattet eine Bestimmung einer Richtlinie es dem nationalen Gericht nicht, eine dieser Bestimmung entgegenstehende Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts auszuschließen, wenn aufgrund dessen einer Privatperson eine zusätzliche Verpflichtung auferlegt würde (EuGH am angegebenen Ort, Randnummer 81 – keine unmittelbare horizontale Wirkung der gemäß Artikel 288 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV] nur an die Mitgliedstaaten gerichteten Unions-Richtlinien, vergleiche allgemein nur Höpfner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 5. Auflage 2024, Artikel 288 AEUV Randnummern 24 folgend; Ulber, Jahrbuch des Arbeitsrechts [JbArbR] 60 [2023], 113, 117).

Weiter hat dementsprechend der EuGH entschieden, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet ist, die Übergangsvorschrift unangewendet zu lassen (EuGH 17.03.2022 – C-232/20, NZA 2022, 549, Randnummern 82 folgend).

Auch kann, weil die Leiharbeits-Richtlinie keine genauen Regeln für die Festlegung von Sanktionen enthält, sondern es den Mitgliedstaaten überlässt, diejenigen Sanktionen auszuwählen, die zur Erreichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind (EuGH am angegebenen Ort, Randnummer 96), ein Leiharbeitnehmer, dessen Überlassung an ein entleihendes Unternehmen unter Verstoß gegen die Leiharbeits-Richtlinie nicht mehr vorübergehend wäre, nach dem EuGH in Ermangelung einer nationalen Rechtsvorschrift, die eine entsprechende Sanktion vorsehen würde, aus dem Unionsrecht kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit diesem Unternehmen ableiten (EuGH am angegebenen Ort, Randnummern 97, 100). Eine gegenteilige Auslegung würde zu einem Verlust des Ermessens führen, das allein den nationalen Gesetzgebern verliehen wurde, denen die Schaffung einer geeigneten Sanktionsregelung obliegt (EuGH am angegebenen Ort, Randnummer 98).

(c) Dem hat sich das BAG An die Entscheidung des EuGH anknüpfend, hat das BAG bereits mehrfach entschieden, dass die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG zwar gegen Unionsrecht verstößt, dies jedoch auf der Rechtsfolgenseite nicht zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer führt (BAG 24.05.2022 – 9 AZR 337/21, NZA 2022, 1530, Randnummern 97 fortfolgende). Die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG ist nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des BAG für die deutschen Gerichte verbindlich (BAG 24.05.2022 am angegebenen Ort, Randnummer 99).

Schließlich hat das BAG auch eine einschränkende Auslegung von § 19 Absatz 2 AÜG abgelehnt: „Ein nationales Gericht, bei dem – wie im Streitfall – ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, hat die unionsrechtswidrige Übergangsvorschrift des § 19 II AÜG weder wegen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht unangewendet zu lassen noch vor dem 1.4.2017 verbrachte Überlassungszeiten durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 9 I Nr. 1b in Verbindung mit § 10 I 1 AÜG zu berücksichtigen.“ (BAG 08.11.2022 – 9 AZR 486/21, NZA 2023, 505, Randnummer 34; ebenso die Parallelentscheidung BAG 08.11.2022 – 9 AZR 226/21, BeckRS 2022, 45112, Randnummer 34). Die Ansicht, dass die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG für die deutschen Gerichte verbindlich ist, hat das BAG in den vorbenannten Entscheidungen wiederholt (BAG 08.11.2022, jeweils Randnummer 37).

(d) Die Berufungskammer schließt sich dieser Rechtsprechung an.

(aa) Eine Nichtanwendung von § 19 Absatz 2 AÜG kommt danach im Streitfall nicht in Betracht, denn bei den Parteien handelt es sich jeweils um Privatpersonen. Die Nichtanwendung der Übergangsvorschrift bedeutete eine unzulässige unmittelbare horizontale Direktanwendung der Leiharbeits-Richtlinie.

(bb) Mit dem BAG hält auch die Berufungskammer eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 9 Absatz 1 Nummer 1b in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG dergestalt, dass hierdurch vor dem 01.04.2017 verbrachte Überlassungszeiten trotz der Übergangsvorschrift im Hinblick auf die Prüfung einer nicht mehr vorübergehenden Überlassung und die Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu berücksichtigen wären, für ausgeschlossen.

Die zitierte Rechtsprechung des BAG wird, soweit ersichtlich, in Instanzrechtsprechung und Literatur nicht infrage gestellt (dem BAG folgend: LAG Rheinland-Pfalz 10.03.2023 – 2 Sa 126/22, BeckRS 2023, 22001, Randnummern 27 folgend; LAG Berlin-Brandenburg 18.11.2022 – 6 Sa 633/22, nicht veröffentlicht, unter I. 2. a) der Gründe). Zwar hat das BAG in den zitierten Entscheidungen vom 08.11.2022 im Anschluss an seine oben wörtlich wiedergegebene Rechtsansicht, wonach ein nationales Gericht in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen weder § 19 Absatz 2 AÜG unangewendet zu lassen noch vor dem 01.04.2017 verbrachte Überlassungszeiten durch unionsrechtskonforme Auslegung von § 9 Absatz 1 Nummer 1b in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG zu berücksichtigen hat, eine – vermeintlich – abweichende Literaturansicht von Hamann zitiert (wörtlich heißt es beim BAG: „so aber Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 337; Hamann jurisPR-ArbR 17/2022 Anm. 8“; siehe BAG 08.11.2022 an den angegebenen Orten, jeweils Randnummer 34). Bei genauer Betrachtung vertritt jedoch Hamann in den vom BAG zitierten Veröffentlichungen gerade nicht die Auffassung, eine Überlassung, die (nur) unter Außerachtlassung der Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG nicht mehr als vorübergehend zu bewerten sei, führe in unionsrechtskonformer Auslegung zu der in §§ 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG normierten Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher. Vielmehr hält Hamann eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 19 Absatz 2 AÜG nur insoweit für möglich, wie eine Überlassung, die in der Gesamtschau der vor und der nach dem 01.04.2017 bei einem Entleiher verbrachten Verleihzeiten länger dauert als 18 Monate, hierdurch nicht mehr als „vorübergehend“ zu qualifizieren sei. Dies folgert er aus dem Wortlaut von § 19 Absatz 2 AÜG, der die Nichtberücksichtigung von Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 lediglich für die „Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b“ anordnet. Dieser Ansicht zufolge beschränkt sich die Rechtsfolge des § 19 Absatz 2 AÜG in richtlinienkonformer Auslegung darauf, die zum 01.04.2017 neu geschaffenen Sanktionen, konkret insbesondere die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags gemäß § 9 Absatz 1 Nummer 1b AÜG und die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG, zeitlich frühestens ab dem 01.10.2018 (also mit Ablauf von 18 Monaten seit dem 01.04.2017) eintreten zu lassen (Hamann, in: Schüren/Hamann, AÜG, 6. Auflage 2022, § 1 Randnummer 337; derselbe, jurisPR-ArbR 17/2022 Anmerkung 8, unter C. I. 4.; siehe auch noch ausführlicher Hamann, EuZA 2022, 461, 477 folgend). Der Tatbestand „vorübergehend“ und die Sanktionierung einer „nicht vorübergehenden“ Überlassung sind demzufolge verschiedene Regelungsgegenstände (Hamann, EuZA 2022, 461, 478). Mit anderen Worten: Gerade die strengen Sanktionen nach §§ 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG greifen – auch – nach dieser Rechtsauffassung nicht (deutlich Hamann, jurisPR-ArbR 17/2022 Anmerkung 8, unter C. I. 4.; dem folgend Kock, in: BeckOK Arbeitsrecht, Stand 01.03.2024, § 19 AÜG Randnummer 3a; Bissels/Münnich/Krülls, ArbRAktuell 2022, 247, 249).

Ein nach dieser Rechtsauffassung durch Hinzurechnung von vor dem 01.04.2017 liegenden Überlassungszeiten nicht mehr vorübergehender Leiharbeitnehmereinsatz bliebe auf Grundlage dieser Ansicht nicht zwingend sanktionsfrei. Ein solcher Einsatz verstieße gegen das in § 1 Absatz 1 Satz 4 AÜG geregelte Verbot einer nicht bloß vorübergehenden Überlassung, wäre rechtswidrig und zu unterlassen (vergleiche Ulrici, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2023, § 1 AÜG Randnummer 74). Auch sollen Hamann zufolge andere Sanktionen wie ein Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit Wirkung für die Zukunft nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 (in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 1) AÜG aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung von § 19 Absatz 2 AÜG möglich sein (Hamann, in: Schüren/Hamann, AÜG, 6. Auflage 2022, § 1 Randnummer 337; derselbe, jurisPR-ArbR 17/2022 Anmerkung 8, unter C. I. 4).

Ob der geschilderten Literaturansicht zu folgen ist, kann im Streitfall dahinstehen. Auch sie würde nicht zu dem Ergebnis führen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis aufgrund gesetzlicher Fiktion zustande gekommen wäre.

Soweit es die hier allein entscheidungserhebliche Rechtsfolge der §§ 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG angeht, ist nach dem Vorstehenden die Rechtsauffassung des BAG richtigerweise, soweit ersichtlich, unbestritten und hat das BAG auch nach Ansicht der Berufungskammer im Ergebnis mit Recht die Voraussetzungen einer richtlinienkonformen Auslegung verneint. Richtlinienkonforme Auslegung und auch Rechtsfortbildung finden ihre – verfassungsrechtliche – Grenze dort, wo sie den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellen, ihren Widerhall nicht im Gesetz finden und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt werden, sondern deutlich erkennbare, insbesondere ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändern oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schaffen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15, NJW-RR 2016, 1366, Randnummer 49; BVerfG 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und andere, NJW 2012, 669, Randnummer 56; Ulber, JbArbR 60 [2023], 113, 149). Dies wäre bei Anwendung der §§ 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG unter Außerachtlassung von § 19 Absatz 2 AÜG der Fall. Aus der nationalen Rechtsordnung, namentlich § 19 Absatz 2 AÜG, ergibt sich eindeutig, dass Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 für den Eintritt der Rechtsfolgen aus § 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG keine Rolle spielen sollen (zutreffend Suckow/Zimmermann, JbArbR 60 [2023], 89, 107 folgend; ebenso Sprenger, ZfA 2022, 431, 438; im Ergebnis, zumindest tendenziell, wohl auch Roloff, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage 2024, § 19 AÜG Randnummer 1).

Auch, wenn man eine Wortlautgrenze nicht anerkennt, ergibt sich kein anderes Resultat. Auch auf der Grundlage dieser Auffassung dürfen sich die Gerichte bei einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen (vergleiche Höpfner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 5. Auflage 2024, Artikel 288 AEUV Randnummern 49 folgend mit weiteren Nachweisen). Der Wille des Gesetzgebers, dass Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 für den Eintritt der Rechtsfolgen aus § 9 Absatz 1 Nummer 1b, 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG keine Rolle spielen sollen, ergibt sich losgelöst vom Wortlaut auch klar aus der oben wiedergegebenen Gesetzesbegründung (siehe nochmals Bundestags-Drucksache 18/9232, Seite 31).

d) Die bloße Überlassung des Klägers an die Beklagte vor dem 01.06.2018 stellt als solche keine nach § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG schädliche Vorbeschäftigung dar, die der Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung entgegenstehen würde. § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG schließt sachgrundlose Befristungen nur aus, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Arbeitgeber im Sinne von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitgeber, also diejenige natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Der Gesetzgeber hat für das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung auf den rechtlichen Bestand eines formellen Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abgestellt, nicht auf eine Beschäftigung in demselben Betrieb. Eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG liegt nicht allein deshalb vor, weil der befristet eingestellte Arbeitnehmer zuvor als Leiharbeitnehmer im gleichen Betrieb auf dem gleichen Arbeitsplatz gearbeitet hat (BAG04.2023 – 7 AZR 239/22, BeckRS 2023, 19597, Randnummer 23 mit weiteren Nachweisen).

e) Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchsverbots als Ausfluss des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist vor dem 01.06.2018 kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.

aa) Für die bis zum 31.03.2017 geltende Rechtslage hat das BAG dies ausdrücklich entschieden. Selbst wenn ein Entleiher einen Leiharbeitnehmer in dem Wissen, dass der Verleiher gegen das Verbot einer dauerhaften Überlassung von Leiharbeitnehmern (nach § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG a.F.) verstößt, länger als nur „vorübergehend“ beschäftige, folge daraus nicht, dass zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande komme. Zwar handelte es sich bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung auch schon vor dem 01.04.2017 nicht um eine rechtlich zulässige Gestaltung. Ein mehr als vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers bei einem Entleiher war bereits unter der seinerzeitigen Rechtslage verboten. Entleiher und Verleiher, die sich über die nicht nur vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers einigten, missbrauchten jedoch nach dem BAG damit kein Recht, sondern verstießen gegen ein gesetzliches Verbot. Das BAG führt aus: „Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, einen solchen Verstoß nicht mit der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies bedeutete, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen“ (BAG05.2022 – 9 AZR 337/21, NZA 2022, 1530, Randnummer 88 mit weiteren Nachweisen).

Dem schließt die Kammer sich an.

bb) Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung scheidet nach dem Vorstehenden auch für die Zeit seit dem 01.04.2017 aus. Dafür muss man nicht, wie das Arbeitsgericht, die Erwägung anstellen, dass, wer sich an geltendes Recht halte, nicht rechtsmissbräuchlich handele. Auch wenn man aber infolge der von EuGH und BAG im Ausgangspunkt bejahten Unionsrechtswidrigkeit von § 19 Absatz 2 AÜG einen Gesetzesverstoß, also gesetzeswidriges Verhalten annehmen würde, müssten die Erwägungen des BAG aus der Entscheidung vom 24.05.2022 zum Rechtsmissbrauch entsprechend auch insoweit gelten. Aus einem – angenommenen – Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot kann kein zur Begründung eines (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses zum (früheren) Entleiher, hier der Beklagten, führender Rechtsmissbrauch abgeleitet werden, weil eine solche Rechtsfolge vom nationalen Gesetzgeber in Anbetracht des Wortlauts von § 19 Absatz 2 AÜG sowie der Gesetzesbegründung eindeutig nicht vorgesehen (und auch – wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat – durch das Unionsrecht, wie gesehen, nicht vorgegeben) ist und anderenfalls, das heißt durch Herleitung eben dieser Rechtsfolge aus § 242 BGB, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingegriffen würde.

C.

I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 97 Absatz 1 ZPO.

II. Veranlassung, gemäß § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestand nicht, da keiner der dort genannten Zulassungsgründe vorlag. Die Entscheidung wendet die zitierte, gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an und wirft keine neuen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.