Gericht | VG Potsdam 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.05.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 1 K 1008/20 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0530.1K1008.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 4 AusglLeistG |
Im Falle der Beschäftigung von sowjetisch-russischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeitern in einem Unternehmen während des Zweiten Weltkriegs ist schon dann von einem Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit auszugehen, wenn sie nicht anständiger behandelt wurden, als dies aufgrund der sog. Ostarbeitererlasse und des für die sowjetisch-russischen Kriegsgefangenen geltenden Sonderrechts sowie mit Blick auf die menschenverachtende Politik des nationalsozialistischen Apparats für diesen Personenkreis üblich war.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger begehren in Erbengemeinschaft nach H_____ und nach V_____ die Gewährung einer Ausgleichsleistung für den Verlust der Gesellschafteranteile des H_____ und der V_____ an der P_____ (kommunale Zuordnung der Gemeinde P_____ vormals: Landkreis L_____ der preußischen Provinz Sachsen, ab 1947: Land Sachsen-Anhalt, ab 1952: Bezirk Cottbus, seit 1990: Land Brandenburg, heute: Landkreis E_____).
Die P_____) war ein 1897 gegründetes Unternehmen, welches die 1894 eröffneten Braunkohlegrube „Agnes“ auf dem Gemeindegebiet von P_____ (im Niederlausitzer Braunkohlerevier, nahe L_____) in Nachfolge des vormaligen Eigentümers F_____betrieb. Ferner wurde seit 1901 in P_____ von der Gesellschaft auch eine Brikettfabrik betrieben. 1924 ließ der das Unternehmen als Geschäftsführer leitende Bergwerksdirektor D_____, seit 1909 und bis April 1945 in dieser Funktion tätig, gleichzeitig auch Inhaber von Gesellschaftsanteilen, nach eigenen Plänen die erste Abraumförderbrücke der Welt in der Grube „Agnes“ in Betrieb nehmen. Die Firma P_____war 1937 im beim Amtsgericht Berlin-Mitte geführten Handelsregister zur Nr. HRB 50.981 eingetragen. 1942 wurde das Stammkapital nach Anhebung mit 3.380.000,00 RM angegeben, bis dahin hatte es bei 1.800.000,00 RM gelegen. Die Gesellschaft wurde mit Ablauf des 31. Dezember 1951 aufgelöst. Liquidator war D_____. Am 3. Februar 1984 wurde im nunmehr für die Gesellschaft beim Amtsgericht Aachen geführten Handelsregisterblatt eingetragen, dass die Liquidation beendet und die Firma erloschen sei.
Die Gesellschafterbeteiligungen an der Firma P_____ Berlin stellten sich bis zum Kriegsende in Grundzügen wie folgt dar:
Die Gesellschaft hatte wechselnde Gesellschafter, zu denen jedenfalls zum Kriegsende auch der Rechtsvorgänger der Kläger, H_____, gehörte. Bereits zuvor seit den 1930er Jahren war die Großmutter des Klägers zu 1, V_____, als Anteilseignerin aufgelistet. Nach einer vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg übersandten Gesellschafterliste nach dem Stand 25. August 1939 (damalig 24 Gesellschafter) besaß V_____ eine Stammeinlage in Höhe von 124.760,00 RM von insgesamt 1.800.000,00 RM Stammkapital. Eine weitere Auflistung vom 13. Oktober 1941 (29 Gesellschafter) weist den Nennbetrag des Anteils der V_____ weiterhin mit 124.760,00 RM aus. Ein weiteres Gesellschafterverzeichnis (Anlage 1 zum Bericht über die Prüfung des Geschäftsjahres 1944/45 vom 15. Juli 1946) beziffert den Anteil V_____ mit 234.270,00 RM. Dies entsprach einem Anteil am Gesamtanteilswert (von nunmehr nach Hochwertung 3.380.000,00 RM) von 6,931 %. Gleichzeitig erscheint erstmalig in diesem Gesellschafterverzeichnis der Sohn von V_____ (und Vater des Klägers zu 1), H_____, mit einem Gesellschaftsanteil von 38.640,00 RM, was einem Anteil am Gesamtwert von 1,143 % entsprach. Zum Zeitpunkt der nach Kriegsende erfolgten Beschlagnahme besaßen 34 Gesellschafter Anteile an der GmbH.
Die Anfrage des Beklagten beim Bundesarchiv (inkl. vormaliges Berlin Document Center) hinsichtlich u. a. V_____ und H_____ führte zu dem Ergebnis, dass zu diesen beiden vormaligen Gesellschaftern keine Unterlagen (etwa zu einer NSDAP-Mitgliedschaft) ermittelt werden konnten.
Der Betriebsdirektor und Mitinhaber v_____ gab in einem Selbstzeugnis (Lebenslauf) an, dass der Betrieb der P_____ ganz im nationalsozialistischen Sinn geführt werde. Am 1. Mai 1939 wurde der Betrieb von Adolf Hitler als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“ ausgezeichnet. Dies ergibt sich aus dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen „Lebenslauf des Betriebsführers D_____“ von 1942, aber auch aus der ebenda vorhandenen, über die Auszeichnung verliehenen Urkunde und den Fotos der Preisübergabe von Adolf Hitler an F_____ in der Neuen Reichskanzlei. F_____ selbst war Mitglied der NSDAP, SA-Brigadeführer, Wehrwirtschaftsführer und Abwehrbeauftragter des Unternehmens. Auch ein Artikel im nationalsozialistischen Propaganda-Blatt „Der Angriff“ vom 4. Februar 1939 zeichnet detailliert von den – dort nicht benannten, aber aus mehreren Hinweisen zweifelsfrei identifizierbaren – Braunkohlenwerken P_____ das Bild eines vollständig nach nationalsozialistischen Prinzipien ausgerichteten Bergbaubetriebes. In einer 1940 erschienenen Publikation mit dem Titel „Die Entwicklung der P_____“ findet sich ebenfalls eine nähere Beschreibung der Ausrichtung streng nach nationalsozialistischen Grundsätzen.
Der International Tracing Service Arolsen (ITS Arolsen) übermittelte dem Beklagten eine von den Braunkohlenwerken im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kriegsende erstellte Namensliste der Kriegsgefangenen, die in den Braunkohlenwerken während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit leisten mussten. Es handelte sich danach um russische, englische und serbische Kriegsgefangene. Nach der Unterlage waren in der Zeit von 1942 bis 1945 98 russische, 29 englische und 36 serbische Kriegsgefangene im Unternehmen beschäftigt. Zur Behandlung und Unterbringung der Zwangsarbeiter finden sich an dieser Stelle keine Angaben.
In den Enteignungsunterlagen liegt ein Bericht zum Zustand des Unternehmens am 24. April 1945 vor. Danach waren damalig dort 362 Arbeiter beschäftigt. Hiervon waren 73 russischer Nationalität und 30 englischer Nationalität.
Aus Unterlagen des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt sowie aus Berichten des Ortschronisten Herrn L_____ ergibt sich, dass die russischen Kriegsgefangenen in einem Gefangenenlager hinter der Betriebsstätte in Baracken untergebracht waren.
Des Weiteren finden sich – in kurzen Stellungnahmen des Antifa-Ausschusses P_____ zu einzelnen Enteignungsverfahren betreffend P_____ Bürger vom 24. Mai 1946 – Aussagen dazu, dass die mit der Speisung der Kriegsgefangenen/Zwangsarbeiter beauftragte Person, eine Frau H_____, auf Kosten der Qualität die Versorgung der Zwangsarbeiter qualitativ schlecht durchgeführt und sich selbst auf diesem Weg Vorteile verschafft habe. In der Stellungnahme zu Herrn R_____, der in den Braunkohlenwerken die Funktion des kaufmännischen Leiters innegehabt habe und zugleich SS-Obersturmführer gewesen sei, heißt es, er sei der für die Verpflegung der Zwangsarbeiter in den Braunkohlenwerken zuständige Mitarbeiter gewesen und habe seine Aufgabe in „missfälliger Weise“ erfüllt.
Anders als die russischen Kriegsgefangenen waren die englischen Kriegsgefangenen nicht in Baracken, sondern in dem Seitengebäude des damaligen Gasthofes „Z_____“ untergebracht. Sie wurden in der Brikettfabrik eingesetzt, während die russischen Kriegsgefangenen Zwangsarbeit im Tagebau zu leisten hatten.
Aus den im Bundesarchiv zur Verfügung gestellten wirtschaftlichen Lageberichten des Oberbergamts Halle/Saale aus den Jahren 1941 bis 1944 ergeben sich weitere Angaben zur Situation im Niederlausitzer Braunkohlerevier, auch zum Einsatz der Zwangsarbeiter. Im Bericht für den Monat Oktober 1941 wurde (zum Braunkohlenbergbau im Zuständigkeitsbereich insgesamt) ausgeführt, dass die Erfahrungen, die bisher die Werke mit den Kriegsgefangenen gemacht haben, sehr ungünstig seien. Die Unterernährung der zugewiesenen Russen sei „außerordentlich weitgehend“. Mehrere Gefangene seien an Entkräftung gestorben und nach Aussagen des Arztes sei mit weiteren „Ausfällen“ zu rechnen. Trotzdem die russischen Kriegsgefangenen Schwerarbeiterzulage erhielten und damit in der Ernährung nicht schlechter gestellt seien als die inländischen Arbeiter, seien sie der Arbeit im Abraum- und Grubenbetrieb infolge ihres schwächlichen Zustandes nicht gewachsen. Weitere „Ausfälle“ seien eingetreten durch Selbstmord und dadurch, dass einige Gefangene wegen „Fluchtverdacht“ oder „Arbeitsverweigerung“ erschossen worden seien.
Im Bericht für den Monat Januar 1942 wurde auf die für russische Kriegsgefangene bestimmten Verpflegungssätze verwiesen, also die reduzierten Verpflegungssätze. Von der weiteren Gewährung von Zulagen ist dort nicht die Rede.
Der Bericht für Mai 1943 enthält folgende Feststellung: „Die Arbeitsleistung der russischen Kriegsgefangenen wird mit 35-45 % gegenüber deutschen Arbeitskräften angegeben.“
Laut dem Wikipedia-Eintrag zur Gemeinde P_____ zogen am 24./25. April 1945 nach einer ersten Eroberung von P_____ durch die Rote Armee nochmals Kräfte der 10. SS-Panzer-Division „Frundsberg“ durch den Ort und ermordeten eine unbekannte Anzahl von Kriegsgefangenen. Im Anschluss seien weite Teile der Ortschaft durch die Rote Armee zerstört worden.
Die von den Braunkohlenwerken betriebene Grube „Agnes“ wurde auf der Grundlage des Gesetzes über die Enteignung von Bodenschätzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Juli 1947 enteignet. Die Gesellschaft war zunächst sequestriert worden. Am 29. Mai 1946 beschloss die Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme des Kreises L_____ die Enteignung der Braunkohlenwerke. Die Grube „Agnes“ und die P_____ einschließlich deren Grundbesitz wurden 1948 in Eigentum des Volkes überführt (grundbuchlich: Rechtsträger Braunkohlenverwaltung Mückenberg, VVB der Kohlenindustrie in Mückenberg). Der Betrieb wurde als VEB Braunkohlenwerk Plessa weitergeführt, zugehörig zur VVB Braunkohlenverwaltung Senftenberg.
Aus Sicherheitsgründen, insbesondere bedingt durch die ausgedehnten Tonvorkommen, wurde am 17. Oktober 1958 der Betrieb der alten Förderbrücke und am 7. Dezember 1958 der Kohlenabbau in der Grube P_____ vorfristig eingestellt. Am 1. Dezember 1959 wurde die Förderbrücke gesprengt.
Für den beantragten Vermögenswert wurde in der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung Lastenausgleich gewährt.
Nachdem H_____ bereits zuvor verstorben war, verstarb seine Witwe, die Mutter des Klägers zu 1, am 26. Oktober 2010.
Hinsichtlich der Rechtsnachfolge nach H_____ wurden im Verwaltungsverfahren u. a. notariell beurkundete Erbverträge von 1972 und 1978 in Kopie vorgelegt, nach denen der Kläger zu 1 (Mit-) Erbe seines Vaters ist. Erbscheine sind von den Klägern nicht vorgelegt worden.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 1990 meldete der Kläger zu 1 „unsere Ansprüche“ an für die Braunkohlenwerke. Er gab an, im Namen „aller Anteilseigner“ zu schreiben, und fügte eine Kopie der Gesellschafterliste der Braunkohlenwerke, Aachen, Stand 31. Dezember 1963, bei. Auf dieser war der Anteil V_____ (zu Nr. 17) mit dem Vermerk „Nachlaß“ versehen und als Bevollmächtigter H_____ vermerkt. Daneben war weiterhin der bereits zuvor geführte Anteil H_____ angegeben (zu Nr. 18). Insgesamt sind auf dieser Liste 42 Gesellschafter vermerkt. Der Kläger zu 1 gab ferner an, dass er als Miterbe des Vermögens seiner Rechtsvorgänger zur Anmeldung berechtigt sei.
Mit Schreiben vom 24. Mai 1995 stellte der Kläger zu 1 die Anträge im Namen einer Liste von zwölf Erben von Anteilseignern (u. a. V_____ und H_____) um auf Gewährung einer Entschädigung nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. Mit Schreiben vom 24. Februar 1997 übersandte er auf ihn lautende Vollmachten weiterer Erben, u. a. der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3.
Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg, Außenstelle Frankfurt (Oder), lehnte mit Bescheid vom 25. Oktober 1999 die Anträge „auf Rückübertragung bzw. Entschädigung“ der ehemaligen Grube „Agnes“ der Braunkohlenwerke nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ab. Der Antrag wurde zugleich als solcher auf Ausgleichsleistung gewertet.
Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg wurde zum 27. Januar 2016 aufgelöst und die noch nicht abgeschlossenen Verfahren auf das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg übertragen.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 widersprach der Kläger zu 1 einer Ablehnung des Ausgleichsleistungsantrages im Zusammenhang mit der Behandlung der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges und führte aus, es sei nach dem erheblichen Zeitablauf nicht mehr möglich, Unterlagen zur Behandlung der Zwangsarbeiter zu beschaffen. Eine Beweisführung zu verlangen, sei nicht zumutbar.
Unter dem 29. Januar 2020 übersandte der Beklagte den Klägern die beabsichtigte Entscheidung (nach welcher ein Anspruch auf Ausgleichsleistung abgelehnt wurde).
Mit Bescheid des Ministeriums der Finanzen vom 5. März 2020 lehnte der Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichsleistung hinsichtlich der Gesellschafteranteile der Gesellschafter
1. Frau V_____
2. Herr H_____
3. Frau A_____
4. Frau A_____
5. Herr C_____
6. Herr F_____
7. Herr A_____
8. Herr M_____
9. Herr R_____
10. Herr E_____
11. Frau M_____
ab. Zur Begründung wurde angeführte, es bestehe kein entsprechender Anspruch nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG). Zwar seien der in Rede stehenden Vermögenswert entschädigungslos auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet enteignet worden. Die jeweiligen Erbfolgen nach den einzelnen Anteilseignern und Antragstellern seien nicht vollständig nachgewiesen. Auf die Vorlage von Erbscheinen könne jedoch verzichtet werden, da der Anspruch (in der Sache) abzulehnen sei. Nach den durchgeführten Recherchen würden sich Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes des § 1 Abs. 4 Alt. 1 AusglLeistG ergeben im Sinne eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. In den in Rede stehenden Unternehmen seien „Ostarbeiter“ beschäftigt worden, die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt gewesen seien. Nach den Rechercheergebnissen hätten zwar die in Rede stehende Gesellschafter persönlich keine führende Rolle und politische Stellung im Nationalsozialismus innegehabt, so dass ihnen nicht etwa deshalb eine Mitverantwortung für das Verhalten des nationalsozialistischen Systems zuzurechnen sei. Indes habe das Unternehmen mit der Beschäftigung von 98 sowjetisch-russischen Zwangsarbeitern in einem öffentlichen Kontext mit einem hinreichenden Systembezug im weiteren Sinne gehandelt.
Aufgrund der für Ostarbeiter bestehenden diskriminierenden Sonderrechtslage und den spezifischen Regelungen für den Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen im Bergbau gehe der Beklagte davon aus, dass allein der Einsatz von Ostarbeitern im hier in Rede stehenden Unternehmen eine Indizwirkung bezogen auf den bezeichneten Ausschlusstatbestand zur Folge habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen vorhandene Spielräume für eine bessere Behandlung der russischen Arbeiter genutzt habe, seien nicht ersichtlich. Entsprechend den Vorgaben seien die russischen Zwangsarbeiter vielmehr schlechter als die englischen untergebracht worden. Sie hätten, anders als die englischen Zwangsarbeiter, im Tagebau arbeiten müssen. Es gebe sogar Anzeichen dafür, dass die Essensversorgung besonders schlecht gewesen sei. Auch die Auszeichnung als nationalsozialistischer Musterbetrieb spreche gegen eine regelwidrige Besserbehandlung der Ostarbeiter. Es seien klägerseits auch keine auf eine bessere Behandlung zielenden Handlungen des Unternehmens vorgetragen worden. Die bloße „Befolgung“ der Ostarbeitererlasse führe nicht zu einer „Entlastung“ des Unternehmens. Bei einer Unternehmensunwürdigkeit sei für jeden Gesellschafter die Ausgleichsleistung ausgeschlossen.
Die Kläger haben am 31. März 2020 Klage beim Verwaltungsgericht Cottbus erhoben, die mit Beschluss vom 30. April 2020 an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen worden ist. Zur Begründung tragen sie vor, dass sie einen Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichsleistung hätten. Sie seien „unstreitig“ Erben bzw. Erbenserben der Gesellschafter der Braunkohlenwerke. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liege nicht bereits bei einer Beschäftigung von Zwangsarbeitern, Kriegs- oder Strafgefangenen vor. Es seien die Erkenntnisse zur Situation im konkreten Unternehmen zu bewerten. Hier sei zu den beschäftigten Ostarbeitern angeführt, dass sie im Unterschied zu beschäftigten englischen Kriegsgefangenen in Baracken untergebracht gewesen seien und dass sie im Tagebau – und nicht wie die Engländer in der Brikettfabrik – eingesetzt worden seien. Selbst wenn dies so gewesen sei, könnten diese Unterschiede keine menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen belegen. Weder die Unterbringung in Baracken noch die Tätigkeit im Tagebau sei per se menschenunwürdig. Bei den im Bescheid wiedergegebenen Aussagen zur Speisung der Kriegsgefangenen handele es sich um ein „kolportiertes Gerücht“. Es zeige im Übrigen „das Gegenteil“, nämlich dass an sich die Verpflegung der Kriegsgefangenen im Unternehmen unterschiedslos gut erfolgt sei (und allenfalls durch Fehlverhalten einer Person verschlechtert worden sei). Das Gleiche gelte für die Aussagen zur Tätigkeit des für die Versorgung der Kriegsgefangenen zuständigen Mitarbeiters Rudolf Ley.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 5. März 2020 zu verpflichten, der Erbengemeinschaft nach V_____ und H_____ eine Entschädigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz in der gesetzlich vorgesehenen Höhe für den Verlust der Gesellschafteranteile an der P_____ zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Der Beklagte habe seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschäftigung von Zwangsarbeitern und insbesondere Ostarbeitern zugrunde gelegt. Danach liege der Ausschlussgrund nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht vor, wenn die beschäftigten Ostarbeiter im Unternehmen besser behandelt worden seien, als dies nach der damalig geltenden menschenunwürdigen Erlasslage vorgesehen gewesen sei. Eine solche Besserbehandlung sei hier nicht nachweisbar. Was die Klagebegründung angehe, so brächte diese letztlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Insgesamt fehle es an Belegen für eine Besserbehandlung der Ostarbeiter gegenüber den Vorgaben der Ostarbeitererlasse.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 5. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zu Recht der Antrag auf Gewährung einer Ausgleichsleistung wegen Vorliegens des Ausschlusstatbestandes nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG abgelehnt.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Ausgleichsleistungen ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Ausgleichsleistungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl. I S. 1665 - AusglLeistG -).
Danach erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG liegen hier vor.
Das Unternehmen, an dem die Rechtsvorgänger der Kläger Gesellschafteranteile besaßen, also die Plessaer Braunkohlenwerke GmbH, wurde nach Kriegsende auf besatzungshoheitlicher Grundlage entschädigungslos enteignet. Die Kläger haben zwar allein durch die Vorlage von eröffneten Testamenten in Kopie belegt, dass sie Erben bzw. Erbeserben nach H_____ sind. Hierauf kommt es jedoch für den Erfolg der Klage im Ergebnis nicht an.
Denn der Anspruch der Kläger auf Gewährung von Ausgleichleistungen an die Erbengemeinschaft ist jedenfalls – wie der Beklagte zu Recht angenommen hat – nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift werden Ausgleichsleistungen nicht gewährt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat. Für das Vorliegen dieser Fälle des Ausnahmetatbestandes ist derjenige, der sich auf ihn beruft, also der Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AusglLeistG in der hier einzig in Betracht kommenden Alternative des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liegen vor. Die in dem angefochtenen Bescheid angeführten und u. a. in den Rechercheergebnissen, die in den Verwaltungsvorgängen enthalten sind, sowie in allgemeinkundigen Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft dokumentierten Umstände rechtfertigen die Annahme des Ausnahmetatbestandes.
1) Bei dem Ausschlusstatbestand ist nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 4 AusglLeistG in Fällen der Enteignung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zwischen der Verantwortlichkeit des Unternehmensverantwortlichen und derjenige des Unternehmens zu unterscheiden (einerseits verstößt der „Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet“, andererseits „das enteignete Unternehmen“ gegen die Grundsätze).
Dagegen folgt die Relevanz einer auf das Unternehmen zurückzuführenden Unwürdigkeit nicht schon daraus, dass § 1 Abs. 4 AusglLeistG bei der Angabe derjenigen, die in die Unwürdigkeitsprüfung einzubeziehen sind, auch das enteignete Unternehmen selbst nennt. Dies gilt nämlich schon nach dem Wortlaut nur, soweit Unternehmensvermögen entzogen wurde. Die nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorzunehmende Überprüfung auch des Unternehmens selbst steht in Zusammenhang mit der Erweiterung der Ansprüche auf Ausgleichsleistung in § 1 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG. Danach liegt ein Eingriff auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage auch bei der Enteignung von Vermögen u. a. einer Gesellschaft vor, wenn diese – wie hier – zu einer Minderung des Wertes der Anteile an der Gesellschaft geführt hat.
BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2007 - 3 C 38.05 -, juris Rn. 17 f.
Da hier hinsichtlich des in Rede stehenden Vermögenswerts, nämlich der Anteile der V_____ und des H_____, ein (bergbaulicher) Betrieb enteignet wurde und dies zu einer Wertminderung der Gesellschaftsanteile führte und da Anhaltspunkte für eine aus dem Verhalten der V_____ und des H_____ persönlich folgende Unwürdigkeit nicht erkennbar sind, ist für die Prüfung der Unwürdigkeit auf das Unternehmen als solches abzustellen.
Im Rahmen der nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu prüfenden Unternehmensverantwortlichkeit ist es nicht erforderlich, den Verstoß auf eine einzelne Person (etwa den Betriebsinhaber) zurückzuführen. Eine Ausgleichsleistung scheidet auch dann aus, wenn das Unternehmen als solches den Ausschlusstatbestand erfüllt hat. Deswegen genügt es, dass die entsprechenden Handlungen dem Unternehmen zugeordnet werden können,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2008 - 5 B 104.08 -, juris Rn. 2.
2) Zu der Frage, wann ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne der ersten Alternative dieser Bestimmung vorliegt, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die folgenden Maßgaben.
Die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, die wie schon zuvor in anderen Wiedergutmachungsgesetzen auch in § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht näher präzisiert werden, ergeben sich aus dem Sittengesetz und den jeder Rechtsordnung vorgegebenen natürlichen Rechten der Einzelperson, die auch in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Geltung geblieben sind. Zur Konkretisierung kann der Katalog der Menschenrechte in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 685, 953) herangezogen werden. Anhaltspunkte für die rückschauende Betrachtung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen ist, gibt auch Art. 1 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Dort wird auf die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt verwiesen. Hierzu zählt allerdings nicht jedes, etwa in internationalen Konventionen, niedergelegte Menschenrecht, sondern nur ein unverzichtbarer Kern. Zu solchen allgemein anerkannten und unveräußerlichen Menschenrechten gehört vor allem, aber nicht nur, das Recht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf eine menschenwürdige Behandlung. Dieses Recht vor staatlicher Willkür, auch vor unrechtmäßigen Kriegshandlungen, zu schützen, ist ein Gebot der Menschlichkeit und zugleich der Rechtsstaatlichkeit.
Ausgehend davon erfüllt nicht jedes unter dem Schutz der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft begangene Unrecht diesen Ausschlusstatbestand; es muss sich vielmehr um eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit handeln. Danach sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden den Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des Landes, in welchem die Handlung begangen wurde, verletzen.
Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Verhalten durch die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus geltenden Gesetze oder solche obrigkeitlichen Anordnungen oder Befehle, denen nach nationalsozialistischer Ideologie Gesetzesrang zuerkannt wurde, formal erlaubt oder von der Strafverfolgung ausgenommen war. Es kommt nicht auf die formale Gesetzmäßigkeit, sondern auf den materiellen Unrechtscharakter des Verhaltens an.
Zudem muss auch eine subjektive Komponente in Form eines zurechenbaren, vorwerfbaren – mithin schuldhaften – Verhaltens vorliegen. Dabei handelt es sich nicht um den strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verschuldensbegriff; ausreichend ist eine willentliche und wissentliche Mitwirkung an Verstößen gegen die genannten Grundsätze. Diese ist dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Tatsachen bekannt waren, aus denen sich der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ergibt, und wenn ihm der Verstoß bewusst war oder bei der ihm zumutbaren Gewissensanspannung hätte bewusst sein müssen und wenn nicht besondere Gründe seine Schuld ausschließen.
Der Ausschlussgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in § 1 Abs. 4 AusglLeistG setzt schließlich einen „Systembezug“ im weitesten Sinne voraus. Es genügt ein allgemeiner Zusammenhang mit dem Staats- und Gesellschaftssystem, das Handeln muss in einem öffentlichen Kontext gestanden haben. Der „Systembezug“ beim Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit muss dabei nicht dieselbe Ausrichtung und Intensität aufweisen wie beim erheblichen Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems. Der erforderliche „Systembezug“ entfällt nicht schon dann, wenn es entsprechende Verstöße auch in anderen Staaten gegeben hat,
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2007 - 3 C 13.06 -, juris Rn. 28-32.
Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass allein die Beschäftigung von Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkrieges nicht genügt, um den Ausschlusstatbestand anzunehmen. Aus der bloßen Anforderung von Zwangsarbeitern zum Einsatz in Unternehmen und auch aus deren Beschäftigung kann noch kein Verstoß hergeleitet werden. Es gehört dabei jedoch zu den zu berücksichtigenden allgemeinkundigen historischen Erkenntnissen, dass die Mehrheit der ausländischen Zwangsarbeiter, insbesondere die so genannten Ostarbeiter und russischen Kriegsgefangenen, bei der Beschäftigung in deutschen Unternehmen vielfach unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten mussten. Im zeithistorischen Schrifttum ist anerkannt, dass die Unternehmen bei der Behandlung der ausländischen Zwangsarbeiter durchaus Handlungsspielräume hatten und dass jedenfalls ein Teil der Unternehmen diese Handlungsspielräume auch zugunsten der bei ihnen beschäftigten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter nutzte. Die positive Feststellung besonders negativer Bedingungen ist dabei keine Voraussetzung für eine Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 -, juris Rn. 5 f., m. w. N.
Die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands liegen nicht nur dann vor, wenn sich belegen lässt, dass die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter „schlechter als anderswo behandelt wurden“. Vielmehr ist im Falle der Beschäftigung von sog. Ostarbeitern schon dann von einem Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit auszugehen, wenn sie nicht anständiger behandelt wurden, als dies während des Zweiten Weltkriegs aufgrund der sog. Ostarbeitererlasse und des für die sowjetisch-russischen Kriegsgefangenen geltenden Sonderrechts sowie mit Blick auf die menschenverachtende Politik des nationalsozialistischen Apparats für diesen Personenkreis üblich war,
vgl. VG Dresden, Urteil vom 10. Februar 2009 - 4 K 453/07 -, juris Rn. 26 ff., und hierzu bestätigend BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2009 - 5 B 42.09 -, juris Rn. 4.
3) Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht eine Verantwortlichkeit des Unternehmens P_____ hinsichtlich von Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit.
Der Einsatz von Zwangsarbeitern, insbesondere von russischen Kriegsgefangenen, in den Braunkohlenwerken begründet das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes des § 1 Abs. 4 AusglLeistG im Rahmen der Unternehmensverantwortlichkeit.
a) Aufgrund der vorliegenden, bei den Verwaltungsakten befindlichen Dokumente und Quellen sowie allgemein bekannter Tatsachen ist das Gericht in Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze, die es sich zu eigen macht, der Überzeugung, dass das enteignete bergbauliche Unternehmen P_____ gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen hat und die Kläger, die ihre Rechte von Gesellschaftern des Unternehmens, nämlich von V_____ und H_____, ableiten, damit aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen sind.
Zwischen den Beteiligten ist letztlich unstreitig, dass in dem Unternehmen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs russische Kriegsgefangene aus dem Gebiet der Sowjetunion als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Der Beklagte hat dies im Bescheid nachvollziehbar abgeleitet aus den von ihm recherchierten Quellen. Nach den vom ITS Arolsen vorgelegten, von den Braunkohlenwerken erstellten Namenslisten von Kriegsgefangenen, die in den Braunkohlenwerken während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit leisten mussten, beschäftigte das Unternehmen in der Zeit von 1942 bis 1945 98 russische, 29 englische und 36 serbische Kriegsgefangene. Nach dem in den Enteignungsunterlagen überlieferten Bericht zum Zustand des Unternehmens am 24. April 1945 waren dort 362 Arbeiter beschäftigt und es waren hiervon zu diesem Zeitpunkt 73 russischer Nationalität und 30 englischer Nationalität.
Russische Kriegsgefangene und „Ostarbeiter“ standen in der der rassistischen Hierarchie des Systems vor Juden, Sinti und Roma auf der vorletzten Stufe aller Zwangsarbeitergruppen. Durch den „Ostarbeitererlass“ vom 20. Februar 1942 (RGBl. S. 419) war dieser Personenkreis bereits normativ in besonderer Weise rechtlos gestellt und nahezu isoliert. Ostarbeiter waren streng gesondert von den übrigen Zwangsarbeitern in von den Betrieben zu errichtenden und möglichst mit Stacheldraht zu umzäunenden Unterkünften unterzubringen. Sie durften in den Betrieben nur in „geschlossenen Kolonnen“ eingesetzt werden. Es war ihnen untersagt Einrichtungen und Veranstaltungen zu besuchen, „die kulturellen, kirchlichen, geselligen, sportlichen oder gesundheitlichen Zwecken dienen“ (vgl. Erlass des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei vom 10. September 1943). Der Kontakt mit Deutschen war strengstens verboten, „Blutschande“ wurde regelmäßig mit dem Tode bestraft. Anders als Zwangsarbeiter aus westlichen Ländern unterlagen sie einem Züchtigungsrecht der „Betriebsführer“. Das Bewachungs- und Betriebspersonal hatte „bei geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit und Ungehorsam (...) rücksichtslos durchzugreifen und zur Brechung von Widerstand auch von der Waffe schonungslos Gebrauch zu machen“ (vgl. § 6 Muster für Anweisung an die Wachmänner, Anlage 2 zum sog. Ostarbeitererlass, a. a. O.). „Ostarbeiter“ waren verpflichtet, Kennzeichen zu tragen und erhielten niedrigere Essensrationen als andere Fremdarbeiter (vgl. Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und -arbeiterinnen vom 19. Juni 1944, RGBl. S. 147). Bei Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen und Widersetzlichkeiten drohte die Einweisung in „Arbeitserziehungslager“. Ihre „Löhne“ entsprachen nur 40 % des Normallohns und wurden an die Arbeitsverwaltung abgeführt.
Die auf den – den Einsatz von russischen Kriegsgefangenen als Arbeiter (entgegen früheren Planungen) gestattenden – Führererlass vom 31. Oktober 1941 folgenden Richtlinien Hermann Görings speziell für den Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen zur Arbeit (und entgegen den völkerrechtlichen Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, vgl. etwa Art. 27 ff. des die Haager Abkommen ergänzenden Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929) brachten in gleicher, allenfalls drastischerer Weise den niederen Rang der russischen Kriegsgefangenen in der Hierarchie der Zwangsarbeitergruppen zum Ausdruck: „Einsatz im Bergbau an erster Stelle“, „Die deutschen Facharbeiter gehörten in die Rüstung; Schippen und Steineklopfen ist nicht ihre Aufgabe, dafür ist der Russe da“, „Ernährung Sache des Vierjahresplanes. Schaffung eigner Kost (Katzen, Pferde usw.). Kleidung, Unterbringung, Verpflegung etwas besser als zu Haus, wo Leute zum Teil in Erdhöhlen wohnen“, „Die Strafskala kennt zwischen Ernährungsbeschränkung und standrechtlicher Exekution im allgemeinen keine weiteren Stufen“ (Zitate der Richtlinien nach U. Herbert, Fremdarbeiter: Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn 1999, S. 164 f.).
Ausgehend von dem dargestellten Gesamtbefund einer menschenverachtenden Lage dieser speziellen, vorliegend durch jedenfalls 98 Personen während des Zweiten Weltkrieges in dem Unternehmen Plessaer Braunkohlenwerke GmbH vertretenen Zwangsarbeitergruppe der russischen Kriegsgefangenen hat das Gericht – wie zuvor bereits der Beklagte – Anhaltspunkte ausfindig zu machen gesucht, die auf eine bessere (nicht menschenverachtende) Lage der in dem Unternehmen beschäftigten Zwangsarbeiter hindeuten könnten. Solche Umstände konnten indessen nicht ermittelt werden.
Sie sind insbesondere nicht erkennbar in den von der Klägerseite insoweit in Bezug genommenen kurzen Stellungnahmen des damalig bei Enteignungen in P_____ einbezogenen sog. Antifa-Ausschusses aus dem Jahr 1946. Sowohl die kurze Stellungnahme zu der für die Zubereitung der Verpflegung der Zwangsarbeiter zuständigen Frau S_____ als auch zu dem – nach dem Antifa-Ausschuss – übergeordnet für die Verpflegung der Zwangsarbeiter im Betrieb zuständigen leitenden Mitarbeiters in den Braunkohlenwerken Herrn L_____, deren jeweiligen Wahrheitsgehalt die Kläger allerdings selber in Frage stellen („kolportierte Gerüchte“), enthalten sinngemäß die Aussage, dass die Verpflegung der Zwangsarbeiter schlecht war, auch weil die Frau S_____ sich selber dabei Vorteile verschafft haben soll. Diese Aussagen vermögen von vornherein keine Besserbehandlung gegenüber der für Ostarbeiter und russische Kriegsgefangene allgemein geltenden Erlasslage zu belegen. Unterstellt, dass die – relativ vage formulierten – Vorwürfe hinsichtlich der beiden Personen (entgegen der eigenen Annahme der Kläger) zutreffen, wurden die Ostarbeiter gerade besonders schlecht verpflegt.
Dafür, dass eine solche Schlechtversorgung durch die bezeichneten zwei Personen (bei Wahrunterstellung der Antifa-Ausschuss-Stellungnahmen) in dem – wie in den vom Beklagten recherchierten Unterlagen (Zeitungsberichte, Selbstzeugnisse des „Betriebsführers“ v_____) beeindruckend dargelegt – streng nach nationalsozialistischen Prinzipien geführten und von Adolf Hitler persönlich als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichneten Unternehmen gegen den Willen der Unternehmensführung erfolgt wäre, gibt es bereits keinerlei Anzeichen. Es würde gegebenenfalls für eine mangelhafte Ausübung der Aufsichtspflichten der Unternehmensleitung sprechen. Das Verhalten der Angestellten wäre dem Unternehmen zuzurechnen. Davon abgesehen würde eine besonders schlechte Versorgung der russischen Kriegsgefangenen aufgrund von individuellem Verhalten einzelner Mitarbeiter keinen Anhaltspunkt für die Ausnutzung der bestehenden Spielräume zugunsten der Zwangsarbeiter und deren Besserstellung gegenüber der Erlasslage bieten; die russischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter wären eben ohne dieses – unterstellte – Fehlverhalten gemäß der Erlasslage ohnehin menschenunwürdig versorgt worden. Das Gleiche gilt im Ergebnis, wenn den Aussagen des Antifa-Ausschusses kein Wahrheitsgehalt zukommen würde.
Die Auszeichnung als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“, die Ausdruck und Ergebnis der Ausrichtung des vom „Betriebsführer“ v_____ mit Stolz in seinen Selbstzeugnissen dargelegten Ausrichtung des gesamten Unternehmens streng an nationalsozialistischen Grundsätzen war, spricht jedenfalls indiziell für eine Anwendung des für die russischen Kriegsgefangenen und Ostarbeiter geltenden, eine menschenunwürdige Behandlung vorschreibenden Sonderrechts des NS-Staats. Hätte man gegen die sonderrechtlichen Vorgaben verstoßen, hätte dies kaum dem Selbstbild des den Vorgaben der NS-Ideologie folgenden Betriebes entsprochen.
Auch die – gegenüber der Behandlung der englischen Kriegsgefangenen – minderwertige Form der Unterbringung, nämlich in Baracken und nicht – wie für die englischen Kriegsgefangenen durch die Unterbringung in dem Nebenflügel eines Gasthofes durchgeführt – in gemauerten Gebäuden ist Indiz für die Befolgung der Erlassvorgaben und Ausdruck der Umsetzung des Ostarbeiter-Sonderrechts (Punkt A.IV Abs. 1 des Ostarbeitererlasses vom 20. Februar 1942: „[Die Ostarbeiter sind] in geschlossenen Lagern (Baracken) mit einer zweckentsprechenden, möglichst mit Stacheldraht versehenen Umzäunung unterzubringen.“
Das Gleiche gilt für die körperlich besonders anstrengende Beschäftigung unmittelbar in der Braunkohlengrube, um Unterschied zur weniger körperlich anstrengenden und auch weniger den äußeren, etwa winterlichen, Bedingungen ausgesetzten Beschäftigung der Engländer in der unternehmenseigenen Brikettfabrik. Auch wenn diese Umstände der Unterbringung und Beschäftigung – wie die Kläger meinen – jeweils für sich allein nicht Ausdruck einer menschenunwürdigen Behandlung der russischen Kriegsgefangenen sein mögen, so sind sie doch gleichfalls Indizien dafür, dass die Ostarbeiter in den Braunkohlenwerken nicht etwa – in Ausnutzung der vorhandenen Spielräume besser als in dem für sie geltenden Sonderrecht vorgesehen behandelt wurden, sondern dass sie im Betrieb der Braunkohlenwerke auf der untersten Stufe der Beschäftigten standen.
Selbst wenn man – was die in den Berichten des Antifa-Ausschusses behaupteten Verhaltensweisen von Unternehmensangestellten angeht – davon ausgehen wollte, dass allein individuelles Fehlverhalten zu einer noch schlechteren Versorgung führte, als dies ohnehin bereits der Erlasslage entsprach, so wäre zu konstatieren, dass das Unternehmen bzw. speziell die Unternehmensleitung ihren Überwachungs- und Aufsichtspflichten nicht nachgekommen wäre. Das Verhalten der Mitarbeiter ist dem Unternehmen damit zuzurechnen; Anhaltspunkte für die Annahme einer Ausnahme von einer solchen Zurechnung bestehen nicht.
Nach alldem geben die bezeichneten Aussagen für die Annahme einer Besserbehandlung der russischen Kriegsgefangenen nichts her.
Anhaltspunkte, die auf eine Ausnutzung von Spielräumen zugunsten der russischen Kriegsgefangenen und auf eine bessere (nicht menschenverachtende) Lage der in dem Unternehmen Braunkohlenwerke beschäftigten russischen Zwangsarbeiter hindeuten könnten, ergeben sich zur Überzeugung des Gerichts auch nicht aus dem Umstand, dass in dem Bericht des Oberbergamts Halle/Saale aus Oktober 1941 für seinen gesamten bergbaulichen Zuständigkeitsbereich ausgeführt wurde, dass, „trotzdem die russischen Kriegsgefangenen Schwerarbeiterzulage erhielten und damit in der Ernährung nicht schlechter gestellt seien als die inländischen Arbeiter“, sie der Arbeit im Abraum- und Grubenbetrieb infolge ihres schwächlichen Zustandes nicht gewachsen seien. Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass diese Aussage nicht etwa spezifisch für die P_____, sondern eben übergreifend und zusammenfassend für sämtliche bergbaulichen Unternehmen im Zuständigkeitsbereich des Oberbergamtes getroffen wurde. Danach bleibt letztlich offen, ob tatsächlich (auch) in der P_____, dem „nationalsozialistischen Musterbetrieb“, die russischen Kriegsgefangenen zu dieser Zeit Schwerarbeiterzulagen erhielten. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ist nichts dafür ersichtlich, dass dies Ausdruck der Ausnutzung eines Spielraumes des Unternehmens zugunsten der russischen Zwangsarbeiter war. Es spricht mit Blick auf die offene Darstellung im amtlichen Bericht vom Oktober 1941 viel dafür, dass die Gewährung dieser Zulage der geltenden Erlasslage nicht widersprach. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass Hitler selbst am 31. Oktober 1941 anordnete, dass bei der „Ausnutzung“ der Arbeitskraft der russischen Kriegsgefangenen neben einer „angemessenen“ Ernährung auch eine „ganz geringe Entlohnung“ und „gegebenenfalls Leistungsprämien vorzusehen“ seien (U. Herbert, Fremdarbeiter: Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft, Bonn 1999, S. 163). Von Bedeutung ist ferner, dass sich eine solche Aussage nur in dieser noch relativ frühen Phase des Kriegszuges gegen die Sowjetunion in den bergamtlichen Berichten findet. In den vorliegenden, bis weit in das Jahr 1944 hineinreichenden Berichten ist von einer derartigen verpflegungsmäßigen Gleichbehandlung von russischen Kriegsgefangenen und „inländischen Arbeitern“, gleich ob als Leistungsprämie oder gar als allgemeine Verpflegungsleistung, später an keiner Stelle mehr die Rede. Vielmehr wird im Bericht für den Monat Januar 1942 von den spezifisch auf die für russische Kriegsgefangenen geltenden geringeren Rationen hingewiesen.
Ferner bringt der zitierte Abschnitt gleichfalls zum Ausdruck, dass auch die Ernährungszulage nicht dazu führte, dass die russischen Kriegsgefangenen ihren „schwächlichen Zustand“ überwanden und der „schweren Arbeit“ sodann gewachsen gewesen wären. Vielmehr reichte die Ernährungszulage bei der abgeforderten harten körperlichen Arbeit und den sonstigen Bedingungen ihrer Versorgung ersichtlich nicht aus, um das im amtlichen Bericht ebenfalls beschriebene vielfache Verenden der russischen Kriegsgefangenen zu verhindern. Dafür, dass die Braunkohlenwerke besondere Anstrengungen unternahmen, diesen außerordentlich schlechten körperlichen Zustand von russischen Zwangsarbeitern zu überwinden und deren Überleben zu sichern, ist für das Gericht nichts ersichtlich.
Im Übrigen müsste, wollte man die Aussagen zu Schwerarbeiterzulagen für russische Kriegsgefangene konkret auch auf die Plessaer Braunkohlenwerke beziehen, auch die weitere in dem Bericht des Oberbergamts enthaltene Ausführung, dass (russische) Gefangene wegen „Fluchtverdachts“ oder „Arbeitsverweigerung“ erschossen worden seien, hinsichtlich des Unternehmens zur Grundlage der Bewertung machen. Dies würde zur Überzeugung des Gerichts klar gegen ein Ausnutzen der Spielräume zugunsten der russischen Kriegsgefangenen sprechen.
Nach alldem ist festzustellen, dass keine Anzeichen dafür erkennbar sind, dass die P_____ die für sie bestehenden Spielräume in der Versorgung der bei ihr beschäftigten russischen Kriegsgefangenen (insbesondere hinsichtlich Ernährung, Unterbringung, Arbeitsbedingungen und gesundheitlicher Versorgung) zu deren Gunsten nutzte.
b) Auch die subjektive Komponente bezüglich des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit ist gegeben. Das Erfordernis des Vorliegens der subjektiven Komponente gilt entsprechend für die Unternehmensunwürdigkeit, obwohl ein Unternehmen als solches nicht wissentlich und willentlich handeln kann. Das erforderliche Bewusstsein können nur die für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen bilden. Entscheidend ist deshalb das Wissen und Wollen der dem Unternehmen zugehörigen natürlichen Personen, die dessen Handeln nach außen tatsächliche maßgeblich bestimmt haben.
BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 -, juris Rn. 15.
Es liegt hier auf der Hand, dass die Führungsverantwortlichen des Unternehmens Braunkohlenwerke wissentlich und willentlich an dem dargelegten Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit mitwirkten. Den Unternehmensverantwortlichen, darunter an erster Stelle dem „Betriebsführer“ F_____ (zugleich als Abwehrbeauftragter zuständig für den Werkschutz, welche wiederum die Zwangsarbeiter beaufsichtigte und bewachte), aber auch etwa dem für die Versorgung der Zwangsarbeiter verantwortlichen Mitarbeiter, hier wohl dem kaufmännischen Leiter Rudolf Ley, waren die sich unmittelbar auf dem Unternehmensgelände manifestierenden Tatsachen bekannt (oder mussten ihnen jedenfalls bekannt sein), aus denen sich die Verstöße ergaben (nämlich die wesentlichen Umstände der Verpflegung, Unterbringung und der medizinischen Versorgung der russischen Kriegsgefangenen und des für sie geltenden Strafregimes). Bei der Unternehmensführung zumutbarer Gewissensanspannung hätte dieser der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bewusst sein müssen. Auf ein Verschulden des Rechtsvorgängers der Kläger persönlich als Anteilseigner kommt es nicht an, da nach der hier maßgeblichen Variante der Ausschlussvorschrift des § 1 Abs. 4 AusglLeistG allein darauf abzustellen ist, ob das enteignete Unternehmen (an welchem die Anteile bestanden) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstieß,
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 -, juris Rn. 12 a. E.
c) Der Systembezug folgt bereits daraus, dass die als Zwangsarbeiter eingesetzten russischen Kriegsgefangenen vom Deutschen Reich dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Auch das gesamte dargestellte menschenunwürdige Rechtsregime für russische Kriegsgefangene und Ostarbeiter war Teil des Herrschaftssystems des NS-Regimes.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 6 Abs. 2 AusglLeistG i. V. m. § 37 Abs. 2 Satz 2 VermG i. V. m. §§ 135, 132 Abs. 2 VwGO), da das Gericht in seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts abweicht und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weil die Beurteilung der Sache maßgeblich von der Würdigung konkreter Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Verwaltungsgericht Potsdam mit Sitz in Potsdam einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Verwaltungsgericht Potsdam einzureichen; in ihr muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil des Verwaltungsgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 VwGO zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde.
B e s c h l u s s:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt, § 52 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 6 Abs. 2 AusglLeistG i. V. m. § 37 Abs. 2 VermG.