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aliud-Nutzungsänderung, Anspruch auf Verzicht, Baulast, Baurecht, grundstücksbezogen, öffentliches Interesse, Verwirkung, vorhabenbezogen


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 20.06.2024
Aktenzeichen VG 3 K 418/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0620.3K418.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022 verpflichtet, den Antrag der Kläger auf Verzicht der für ihr Grundstück A_____ eingetragenen Abstandsflächenbaulast (Baulastverzeichnis von H_____, Gemarkung H_____) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Das Grundstück der Kläger A_____ ist im vorderen Bereich mit einem 1 ½ geschossigen Wohngebäude bebaut. Rückwärtig befinden sich 2 eingeschossige Nebengebäude, die zum Unterbringen von Sachen und Gegenständen genutzt werden. Das Grundstück der Beigeladenen ist im vorderen Bereich ebenfalls mit einem 1 ½ geschossigen Wohngebäude bebaut, im rückwärtigen Bereich befindet sich ein 1 ½ geschossiges Gebäude mit Satteldach, wobei insoweit unstreitig ein Teil der südlichen Gebäudewand (ca. 20 cm) auf dem Grundstück der Kläger steht und dieser Gebäudeteil von einer Dachkonstruktion überdeckt wird, die noch weiter in den Luftraum des Grundstücks der Kläger hineinragt.

Die Kläger sind seit 2006 Eigentümer ihres Grundstücks. Nach dem Eigentumserwerb beantragten sie die Genehmigung für die Errichtung ihres Einfamilienhauses, wobei der Lageplan das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen aufwies, auch den Überbau.

Betreff des Grundstücks der Kläger gibt es eine Baulastübernahmeerklärung aus dem Jahr 1991. Nach dieser erklärte der vormalige Eigentümer des Grundstücks, ihm sei bekannt, dass der Beigeladene zu 1.) beabsichtige auf dem Grundstück ein Nebengebäude zu errichten. Vorgesehen sei eine Grenzbebauung an der südlichen Grundstücksgrenze. Sodann erfolgt die Erklärung: „Ich übernehme hiermit gegenüber der Bauaufsichtsbehörde die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die auf dem Flurstück 203/2 fehlende Abstandsfläche entlang der gemeinsamen seitlichen Grundstückgrenze in einer Tiefe von 4,2 m und in voller Gebäudelänge von 9,82 m auf dem Lageplan dargestellten Fläche von baulichen Anlagen – Gebäuden – freizuhalten und diese Fläche auf die für das Nachbargrundstück geltenden Abstandsfläche nicht anrechnen zu lassen. Der Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Unterschrift dieser Erklärung beigefügt.“ Der Lageplan enthält eine Eintragung in Bezug auf das Nebengebäude: „Garagen und Stallneubau“. Den Beigeladenen wurde unter dem 30. Juli 1991 ein Bauschein-Bauordnungsverfügung in Bezug auf das Bauvorhaben Nebengebäude (Garage und Stall) erteilt.

Das Baulastverzeichnis von H_____ enthält unter der Lfd.Nr.1 folgenden Eintrag: „Übernahme der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die auf dem Flurstück 203/2 fehlende Abstandsfläche entlang der gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze in einer Tiefe von 4,2 m und voller Gebäudelänge von 9,82 m auf der im Lageplan dargestellten Fläche von baulichen Anlagen - Gebäude - freizuhalten und diese Fläche auf die für das Nachbargrundstück geltenden Abstandsfläche nicht anrechnen zu lassen.“

Nach unbestrittenen Ausführungen der Kläger stellten die Beigeladenen im Jahr 2015 auf dem Nebengebäude eine Photovoltaikanlage auf; auch wurde eine Klimaanlage angeschlossen.

Im Jahr 2018 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Carports östlich der Garage bzw. des genannten Nebengebäudes, wobei der südliche Abstand zur Grundstücksgrenze 2,50 m beträgt. Gegenstand des Antrages ist die Vorlage der Baulastübernahmeerklärung. Die Baugenehmigung wurde unter dem 3. April 2018 erteilt.

Die Kläger fragten mit E-Mail vom 2. Juli 2020 bei dem Beklagten an, welchen Wortlaut bzw. welche Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen zu 1.) und dem Verkäufer (vormaligen Grundstückseigentümer) getroffen worden seien und was Inhalt des Baulastverzeichnisses insoweit sei. In diesem Zusammenhang verwiesen sie darauf, dass ein Überbau vorliege und das Dachgeschoss nunmehr zum Wohnen ausgebaut worden sei, wobei auf der Rückseite des Giebels unter anderem eine Terrassentür auf einen Carport führe, auf diesen zwei Glaszaunfelder installiert worden seien, sodass der Carport zumindest an der Stelle als Terrasse genutzt werden könne.

Hierzu führte der Beklagte am 20. Juli 2020 eine Ortsbesichtigung durch (Blatt 12 bis 27 BA I). Bei der dazugehörigen Anhörung am 29. September 2020 vermerkte der Beigeladene, das Nebengebäude sei sukzessive ausgebaut worden, wobei eine Abnahme des Einfamilienhauses im Jahr 1996 stattgefunden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei das streitbefangene Nebengebäude baulich bereits in dem jetzt gegebenen Zustand ausgestaltet gewesen. Bei einem Gespräch zwischen den Klägern und Vertretern des Beklagten am 14. Januar 2021 (Blatt 43 bis 46 BA I) wurden die Tatsachen und die einschlägigen Gesichtspunkte ausgetauscht, wobei der Beklagte darauf hinwies, dass nach Anhörung der Beigeladenen ein nachträgliches Baugenehmigungsverfahren angestrebt werde unter Zerschlagung der wohnähnlichen Nutzungsstrukturen; entsprechende Bauantragsunterlagen seien eingegangen.

Unter dem 23. März 2021 erklärten die Beigeladenen, sie würden das Gebäude so weiter nutzen, wie es am 30. Juli 1991 genehmigt und am 19. Dezember 1996 abgenommen worden sei. Dazu wurden einzelne Maßnahmen aufgeführt (Blatt 58 BA I). Als Zeitpunkt für die er genannten Maßnahmen wurde das Ende des Jahres 2021 benannt.

Am 17. Mai 2021 stellten die Kläger gegenüber dem Beklagten einen Antrag mit folgenden Forderungen:

1. Rückbau sämtlicher Um- und Ausbauten innerhalb des Gebäudes dies betrifft insbesondere das Bad, den Kamin, die Küchenzeile, sämtliche Trockenwände, die Treppe, die Fußböden, die Heizung. Die Möglichkeit des Aufenthalts in der oberen Etage muss zerschlagen werden.

2. Die Solaranlage, installiert auf einem Gebäude, welches sich auf unserem Grundstück befindet und aus der Familie E_____finanziellen Nutzen bewirtschaftet, soll zurückgebaut werden.

3. Die äußere Hülle des Gebäudes soll mit Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit zumindest teilweise wieder so hergestellt werden, wie es der ursprünglichen Baugenehmigung entspricht. Somit fordern wir den Rückbau des Dachüberstandes über die gemeinsame Grenze und den Rückbau der Dämmung der Grenzwand mit anschließendem ordnungsgemäßen Verputzen der selbigen. Außerdem sind sämtliche an den oberen Giebelseiten befindliche Fenster und Türöffnungen zu verschließen, die Satellitenschüssel sowie die Klimaanlage zu demontieren.

Den Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juni 2021 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2022 zurück.

Unter dem 31. Januar 2021 stellten die Kläger einen Antrag auf Löschung einer Baulast. Zur Begründung führten sie aus, das als Inhalt der Baulastübernahmeerklärung ausgewiesene Garagen- und Stallgebäude sei mit Blick auf die Überbauung, die Überschreitung von Länge, Breite und Höhe des Gebäudes, Veränderung an den Giebelwänden wie Fenster und Türen, die Errichtung eines ausbaubaren Dachgeschosses, nicht nur rechtswidrig errichtet, sondern auch einer anderen Nutzung zugeführt worden. Nach dem aktuellen Bestand werde es als Wohngebäude genutzt.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2021 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, nach § 84 Abs. 3 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) sei die Löschung einer Baulast dann zu erteilen, wenn ein öffentliches Interesse am Fortbestand der Baulast nicht mehr vorhanden sei und auf die Baulast verzichtet werden könne. Es sei zu differenzieren: Gehe es um die Sicherung einer Abstandsfläche könne eine Sicherung mittels Baulast sowohl vorhaben- als auch grundstücksbezogen eingetragen werden. Für eine vorhabenbezogene Baulast bedürfe es einer unmissverständlichen und konkreten Bezeichnung, die erkennen lasse, dass die Belastung lediglich einem ganz bestimmten Vorhaben dienen solle. Ein solcher eindeutiger Bezug auf das Bauantragsverfahren sei hier in der Baulastübernahmeerklärung nicht ersichtlich. Von daher liege in der Baulasteintragung vom 29. Juli 1991 eine Grundstücksbezogenheit. Demgemäß sei die Abstandsflächenbaulast nicht zu Gunsten eines exakten Bauvorhabens eingetragen worden und decke damit auch bauliche Änderungen sowie Nutzungsänderungen am grenzständigen Gebäude im Rahmen der bereits gesicherten Fläche ab. Die Abweichung der Realisierung der Gebäudehöhe habe keinerlei Auswirkung auf die Ausmaße der Abstandsfläche. Soweit es um Veränderungen am Längenmaß gehe, sei dies durch die Aufbringung von Wärmedämmung entstanden. Nach den Vorschriften der Brandenburgischen Bauordnung werde aber das nachträgliche Aufbringen von Außen- und Dachdämmungen bei bestehenden Gebäuden sowie eine eventuelle Überbauung durch diese als bauordnungsrechtlich zulässig erklärt. Der Überbau des Gebäudes in seiner Länge habe damit keine Auswirkung auf das Abstandsflächenrecht und bedürfe danach auch keiner öffentlich-rechtlichen Sicherung. Auch sei Herr W_____ Eigentümer des Grundstücks geworden. Dies sei mit Erbschein nachgewiesen. Dies gelte auch, obwohl eine Grundbuchberichtigung in Bezug auf den neuen Eigentümer zu dem Zeitpunkt der Baulasteintragung nicht erfolgt sei. Sie – die Kläger – müssten eingetragene Baulasten des Rechtsvorgängers gegen sich gelten lassen. Auch seien etwaige Rechte verwirkt.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Mai 2021 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2022 zurück. Zur Begründung führte er aus, es handle sich um eine grundstücksbezogene Eintragung. Dass sich die Abmessungen des Nebengebäudes verändert hätten, stelle keine maßgebliche Relevanz für den zugrundeliegenden Sachverhalt dar. Auch bestünden aus formeller Sicht keine Zweifel an der rechtmäßigen Eintragung und dem fortwährenden Bestand der Eintragung. Überdies sei auf die Verwirkung des Rechts zu verweisen. Zum Zeitpunkt der Übernahme des Grundstücks durch die Kläger im Jahre 2006 habe das Nebengebäude bereits seit 13 Jahren bestanden. Bedenken seitens des vormaligen Eigentümers in Bezug auf dieses Gebäude seien niemals geäußert worden. In dem dazu gefertigten Lageplan sei das besagte Nebengebäude bereits dargestellt gewesen. Die nun vorgetragenen Belange seien seit 2006 bekannt; wobei erst im Jahre 2020 eine entsprechende Auskunft aus dem Baulastverzeichnis beantragt worden sei. Die Kläger hätten 14 Jahre die bestehende Situation akzeptiert und bei der Erweiterung der baulichen Anlage mitgewirkt, etwa indem sie die Installation der Solaranlage gestattet hätten.

Die Kläger haben am 5. Mai 2022 Klage erhoben. Sie tragen vor, sofern es um das bauaufsichtliche Einschreiten gehe, treffe es nicht zu wenn der Beklagte behaupte, die Wirkung der Baugenehmigung sei nicht entfallen. Vorliegend sei es vielmehr so, dass die Inhaber der Baugenehmigung von dieser keinen Gebrauch gemacht hätten, vielmehr hätten sie ein anderes als das beantragte Bauvorhaben realisiert. Es sei höher gebaut worden, es seien zusätzliche Fenster eingebaut, das Objekt zu einem anderen als den beantragten Zweck genutzt worden. Von daher seien die Ausführungen zur Fertigstellung des Nebengebäudes im Jahr 1992 unbeachtlich. Auch führe die Behauptung der Beigeladenen, sie würden zurückbauen, nicht dazu, dass sich der Anspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten erledigt habe. Weder werde dadurch die Gebäudeerhöhung beseitigt, noch die Nutzung beendet. Die Küche sei noch vorhanden; auch lasse sich der Aufbau innerhalb von 3 Werktagen mühelos bewerkstelligen. Der Bescheid in Bezug auf die Löschung der Abstandsflächenbaulast sei gleichermaßen nicht rechtmäßig. Nach dem das Objekt formell und materiell illegal sei und die Nachbarn einen Antrag dahingehend, das Vorhaben zu legalisieren, nicht gestellt hätten, bestehe kein Bedürfnis für die Sicherung dieses Gebäudes; der Sicherungszweck sei entfallen. Sie – die Kläger - hätten auch einen Anspruch auf Freigabe der erteilten Baulast. Es sei nicht zutreffend, wenn behauptet werde, das Gebäude sei zentimetergenau auf der Grundstücksgrenze errichtet worden; eine Überbauung mit 10 cm sei erfolgt. Angesichts der im Jahr 2021 erstellten Vermessung rage das Gebäude um ca. 20 – 25 cm über die Grundstücksgrenze hinweg. Auch werde das Regenwasser der gesamten Dachfläche nicht mehr auf dem Grundstück der Beigeladenen, sondern auf ihrem abgeleitet. Zudem habe eine Abnahme des Nebengebäudes nie stattgefunden. Insoweit sei festzuhalten, dass in den Bauantragsunterlagen lediglich eine Doppelgarage, ein Stallraum sowie ein unausgebauter Dachboden aufgezeigt gewesen seien, aber keinesfalls sei ein zusätzliches nutzbares Geschoss Genehmigungsinhalt gewesen. Bei den Einrichtungen (Küche, Bad, Fußbodenheizung, Kamin, Satellitenschüssel, Klimaanlage etc.) könne nicht von Instandhaltungsmaßnahmen gesprochen werden. Soweit die Beigeladenen behaupteten, sie hätten niemals geplant, das Nebengebäude zu Wohnzwecken oder als Aufenthaltsraum zu nutzen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Die vorliegenden Bilder belegten, dass die Räumlichkeiten zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen hergerichtet worden seien, dieses ermöglichte und immer noch ermögliche. Die Gebäudekubatur sei stark verändert worden. Durch den Aufbau eines Drempels sei das Gebäude um 45 cm erhöht. Aus dem genehmigten unausgebauten Dachraum mit nur einem äußeren Zugang und einer maximalen Höhe mit 1,90 m, die nur unmittelbar unter dem First, kaum zum Stehen geeignet gewesen sei, sei ein zusätzliches, geräumiges, nur von innen erreichbares und begehbares Dachgeschoss parzelliert in verschiedene Räumlichkeiten errichtet worden. Dies sei eine erhebliche Abweichung von der ursprünglichen Baugenehmigung. Dazu komme die Errichtung des Bades im Dachgeschoss und der Treppenraum, ferner die Errichtung der Fensterfronten. Mit den übrigen Räumen und Einrichtungsgegenständen sei das Gebäude insgesamt zum jederzeitigen Aufenthalt von Menschen geeignet und als solches auch genutzt worden. Die Erwägungen des Beklagten in Bezug auf die Baulast und einer etwaigen Verwirkung seien nicht zutreffend. Sofern es um etwaige Leistungen gegenüber den Beigeladenen gehe, hätten diese im Rahmen der guten Nachbarschaft stattgefunden. Sie – die Kläger – seien von einem ordnungsgemäß genehmigten und errichteten Gebäude ausgegangen. Die Kenntnisse seien erst im Jahr 2020 und nach erfolgter Vermessung im Jahr 2021 andere gewesen etwa dahingehend, dass zusätzlich ein Überbau angebracht worden und es eben ursprünglich kein zu Wohnzwecken nutzbares Gebäude gewesen sei. Ein öffentliches Interesse, ein Aliud abzusichern, sei äußerst fragwürdig.

Die Kläger beantragen,

1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022 – Aktenzeichen: 6_____zu verpflichten, über ihren Antrag auf Löschung der im Baulastverzeichnis von H_____ unter der laufenden Nummer 1 eingetragenen Baulast unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022 – Aktenzeichen 6_____zu verpflichten, über den Antrag vom 2. Juli 2020 neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide.

Die Beigeladenen führen aus, das Nebengebäude sei im Jahr 1991/1992 zu den damals geltenden Bedingungen, rechtlichen Gegebenheiten in Eigenleistung erbaut worden. Nach der Genehmigung sei das Gebäude in seinen Grundmaßen nach den damaligen Kenntnissen zentimetergenau auf der Grundstücksgrenze errichtet; eine Übernahme der Abstandsflächen durch den Nachbarn erklärt worden. Der Überbau des Gebäudes (12-15 cm) sei durch spätere Wärmedämmungsmaßnahmen und durch Neuvermessung des Grundstücks im Zuge der Gebäudeeinmessung festgestellt worden. Eine Ableitung des Regenwassers auf das Grundstück der Kläger finde nicht statt; dieses werde unterirdisch gesammelt und abgeleitet. Der Lagerraum sei im Laufe der Zeit instandgehalten und saniert worden und diene als Räumlichkeit für hauswirtschaftliche Arbeiten (Wäsche trocknen und bügeln, Näharbeiten, Aufbereitung und Lagerung von Gartenprodukten, Überwinterung von Pflanzen, für gelegentliche Aktivitäten zur Körperertüchtigung, für Lagerzwecke sowie zur Einlagerung/Archivierung von Unterlagen und Dokumenten). Sofern es um die Fenster gehe, liege auch insoweit eine Einverständniserklärung des vorherigen Eigentümers vor. Es seien die Maßnahmen, die vom Bauamt vorgegeben worden seien, ergriffen und umgesetzt worden. Auch sei durch ihr Handeln eine unangemessene Beeinträchtigung der Kläger nicht erfolgt.

In Bezug auf die Baulast gäbe es auch keine Abwehransprüche des Nachbarn. Es handele sich um eine grundstücksbezogene Baulast. Die Erklärung gelte in Bezug auf das Grundstück. Eine vorhabenbezogene Baulast liege nur dann vor, wenn sich dies aus der Eintragung oder aber Baulasterklärung selbst ergebe. Dies sei hier aber nicht der Fall. Sofern die Kläger vortragen, sie hätten erst im Jahr 2020 Kenntnis von der Baulast enthalten sei dem entgegenzuhalten, dass sie sich die Kenntnis des Rechtsvorgängers zurechnen lassen müssten. Der Veräußerer hätte die Kläger von der Baulast in Kenntnis setzen müssen. Selbst wenn dies nicht erfolgt sei, hätte dies nur Auswirkungen auf Ansprüche aus dem Grundstückskaufvertrag. Im Übrigen bestehe die Verpflichtung des Erwerbers, sich über mögliche Belastungen des erworbenen oder noch zu erwerbenden Grundstücks in Kenntnis zu setzen. Erfolge dies nicht, könnten Rechtsnachteile nicht auf Dritte abgewälzt werden. Nach alledem - auch unter Berücksichtigung der Grundstückssituation zum Zeitpunkt des Erwerbs - werde zu ihren Gunsten zudem eine Verwirkung anzunehmen sein.

Das Gericht hat das Begehren der Kläger mit dem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten mit Beschluss vom Tage abgetrennt. Dieser Teil der Klage wird unter dem Aktenzeichen 3 K 901/24 fortgeführt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022 mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag in Bezug auf die Löschung einer eingetragenen Baulast neu zu bescheiden, hat Erfolg, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch hierfür zur Seite.

2. Dabei ist vorliegend ohne Bedeutung, dass die Kläger Bescheidungsklage nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO eingereicht haben und auf der Rechtsfolgenseite des § 84 Abs. 3 BbgBO keine Ermessensentscheidung in Rede steht, sondern eine gebundene Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde. Den Klägern steht insoweit eine Dispositionsbefugnis zur Seite (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, Kommentar, 16. Auflage, § 113, Rdnr. 41, m. w. N. insbesondere BVerwGE 147, 216, Rdnr. 13). Allerdings entbindet der bloße Antrag auf Bescheidung das Gericht nicht, die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches in eigener Verantwortung festzustellen und die Streitsache spruchreif zu machen. Es ist mithin nicht zulässig, eine an zwingendes Recht gebundene Verwaltungsentscheidung allein deshalb, weil die von der Behörde zur Stützung eines ablehnenden Bescheides herangezogenen Gründe als rechtlich nicht haltbar erkannt sind, mit gewissermaßen an die Behörde zurückzuweisender Wirkung aufzuheben und der Behörde die Prüfung und Feststellung aller sonstigen Voraussetzungen für den in Rede stehenden Anspruch zu überlassen; vielmehr hat das Gericht selbst die entsprechenden Prüfungen und Feststellungen vorzunehmen und dann in der Sache - im Rahmen des Klagebegehrens - abschließend zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Mai 1984 - 8 C 94/82 – juris, Rn. 1). Von daher kann die Kammer ihre Prüfung nicht darauf beschränken, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung eine fehlerhafte rechtliche Bewertung vorgenommen hat – etwa in Bezug auf die Frage, ob die in Rede stehende Baulast vorhabens- oder grundstücksbezogen ist (Blatt 4 des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2022). Es ist vielmehr der Frage nachzugehen, ob die Voraussetzungen für den begehrten Verzicht der Baulast erfüllt sind. Nur wenn dies – wie hier – bejaht werden kann, hat die Klage Erfolg.

3. Nach § 84 Abs. 3 BbgBO geht die Baulast durch Verzicht der Bauaufsichtsbehörde unter. Der Verzicht ist zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht.

3.1. Es handelt sich bei der Baulast um ein besonderes, vom Gesetzgeber im öffentlichen Interesse geschaffenes Instrument des Bauordnungsrechts, das dazu dient, die rechtlichen Voraussetzungen des Bauordnungsrechts und Bauplanungsrechts für die Bebauung oder bauliche Nutzung des von der Baulast begünstigten Grundstücks zu sichern, d.h. zu gewährleisten, dass Hindernisse aus dem öffentlichen Baurecht ausgeräumt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 1990 - BVerwG 4 B 34/90, 4 B 35/90 -, NJW 1991, 713 <714>; OVG Hamburg, Beschluss vom 31. August 2010 - OVG 2 Bs 127/10 -, juris Rn. 6; Hessischer VGH, Beschluss vom 4. Juni 1993 - VGH 4 TG 2815/91 -, NVwZ-RR 1993, 236 <237>; VG Mainz, Urteil vom 8. März 2017, a.a.O., Rn. 22; Dageförde, in: Wilke/ders./Knuth/Meyer/Broy-Bülow, a.a.O., § 82 Rn. 9). Baurechtliche Anforderungen an ein Vorhaben, die das Baugrundstück erfüllen muss oder die auf ihm erfüllt sein müssen, werden von einem anderen oder auf ein anderes Grundstück übernommen. Das begünstigte Grundstück kann dadurch baulich in einer Weise ausgenutzt werden, die sonst baurechtlich unzulässig wäre. Hieran mag der Eigentümer des Baugrundstücks zwar interessiert sein. Gleichwohl wahrt die Baulast in diesem Zusammenhang allein öffentliche Interessen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 1997 - OVG 10 A 3465/95 -, NJW-RR 1998, 1240). Es geht darum, dass der Erhalt baurechtmäßiger Zustände dauerhaft - und unabhängig von etwaigen Eigentümerwechseln oder zivilrechtlichen Vereinbarungen - zugunsten der Allgemeinheit öffentlich-rechtlich gesichert werden soll (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.; VG Mainz, Urteil vom 8. März 2017, a.a.O.). Die Baulast dient also dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung baurechtswidriger Zustände (VG Mainz, ebd.). Demgemäß sind bei der Entscheidung über die Eintragung einer Baulast die privaten Belange des Bauherrn nicht zu berücksichtigen; dessen Interessen hat die Bauaufsichtsbehörde nicht zu ermitteln (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.).

Umgekehrt ist der Verzicht auf eine Baulast wegen eines zwischenzeitlichen Wegfalls des öffentlichen Interesses deshalb daran geknüpft, dass die Baulast bedeutungslos geworden ist, weil die durch die Baulast gesicherten bauaufsichtlichen Belange keiner Sicherung mehr bedürfen. In diesem Fall geht mit dem Verzicht auf die Baulast die Gefahr baurechtswidriger Zustände, denen die betreffende Baulast begegnet sollte, nicht mehr einher (vgl. nur OVG Bremen, Urteil vom 21. Oktober 1997 - OVG 1 BA 23/97 -, NVwZ 1998, 1322 <1323>); solche baurechtswidrigen Zustände dürfen durch den Verzicht nicht entstehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. November 2017, a.a.O., 424 m.w.Nachw.). Das öffentliche Interesse kann demgemäß etwa in den Fällen verneint werden, in denen eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, etwa der Wegfall der Sicherungsfähigkeit oder der Sicherungsbedürftigkeit stattgefunden hat, aber auch dann, wenn zwischenzeitlich eine Änderung des im fraglichen Bereich geltenden Baurechts erfolgt ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, ebd., 423 f. m.w.Nachw.). Auch für diese Entscheidung, also die Entscheidung, auf die Baulast zu verzichten, sind die privaten Belange des begünstigten Eigentümers irrelevant; diese können eine Verzichtserklärung der Bauaufsichtsbehörde nicht hindern (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 28. Januar 1997, a.a.O., 1241, und vom 17. November 1986 - OVG 7 A 2169/85 -, NJW 1988, 278). Auf ein irgendwie geartetes privates Interesse des Begünstigten kommt es für den Verzicht nicht an (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 4. Juni 1993, a.a.O.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Berücksichtigung des privaten Interesses an der Baulast gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist (so in § 81 Abs. 3 Satz 1 NBauO; vgl. aber einschränkend für die Vorgängerregelung in § 92 Abs. 3 Satz 1 NBauO a.F. OVG Niedersachsen, Urteil vom 16. Januar 2012 - OVG 1 LB 219/09 -, juris Rn. 39 ff.; vgl. zu allem: vgl. VG Berlin, Urteil vom 23. April 2019, 19 K 304.16 - juris, Rn 43 ff.). Letzteres ist in Brandenburg - wie in den meisten anderen Bundesländern - jedoch nicht der Fall.

3.2. Die Voraussetzungen für den beantragten Verzicht der Baulast sind vorliegend erfüllt. Nach der genannten Vorschrift ist ein Verzicht zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht.

Dass ist – wie ausgeführt – der Fall, wenn diese weder aus den Gründen ihrer Eintragung noch unabhängig davon zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Notwendigkeiten erforderlich ist (vgl. Otto, Brandenburgische Bauordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 84, Rn. 63). Das heißt, die Baulast muss bedeutungslos geworden sein, weil die durch die Baulast gesicherte bauaufsichtlichen Belange keiner Sicherung mehr bedürfen. Vorliegend ist eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu verzeichnen, die ihrerseits Auswirkungen auf den rechtlichen Bestand des Vorhabens haben mit der weiteren Folge, dass angesichts der Vorhabenbezogenheit der Baulast für diese ein öffentliches Interesse nicht (mehr) bejaht werden kann.

3.2.1. Zunächst ist entgegen Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen die hier in Streit stehende Baulasteintragung vorhabenbezogen. Sie ist nicht als eine Erklärung für eine Vielzahl von Fällen anzusehen und mithin als allein grundstücksbezogen zu betrachten. Sofern die Beigeladenen die Auffassung verfolgen, eine Baulast sei grundsätzlich grundstücksbezogen, ist ihnen nicht zu folgen. Letztlich kann es offen bleiben, ob nicht vielmehr vom Gegenteil auszugehen ist (so VG Minden, Urteil vom 1. April 2011 – 9 K 2100/09 – juris, Rn. 39, m.w.N.), da mit der Baulast die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung, die sonst nicht vorliegen würden, geschaffen und auf Dauer gesichert werden. Gerade wegen des inhaltlichen Zusammenhangs mit einem konkreten Baugesuch ist die Baulast ein Instrument des Bauordnungsrechts (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 28. Februar 1985 – Bf II 29/83 -,NVwZ 1987, 915; BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1994 – 4 B 175/94 – juris, Rn. 6). Hierbei ist auch einzustellen, dass die Baulast – nur – auf der Grundlage einer Erklärung des Grundstückseigentümers bzw. der Grundstückseigentümerin hinsichtlich einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zu einem ihrer Grundstücke betreffenden Tun, Dulden und Unterlassen begründet wird, wobei dieser oftmals individuelle, privatrechtliche, vertraglich gestaltete Vereinbarungen der Grundstücksnachbarn zugrunde liegen (vgl. Kluth/Neuhäuser, Der Anspruch auf Baulasteintragung, NVwZ 1996, 739).

Von daher ist richtiger Ausgangspunkt der Betrachtung eine Auslegung der Baulasteintragung unter Hinzuziehung der Baulastübernahmeerklärung (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2021 – 2 B 1039/21 – juris, Rn 9), wobei die besonderen Umstände des Falls mit in den Blick zu nehmen sind.

Wurde eine Baulasterklärung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem zur Genehmigung gestellten Vorhaben abgegeben – gerade um diesen Vorhaben entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu begegnen – ist dann auch eine Auslegung dahingehend angezeigt, dass mit dieser nur dieses Bauvorhaben gesichert werden soll (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2017 – 2 A 1393/16 – juris, Rn. 61, VG Minden, Urteil vom 1. April 2022 – 9 K 2100/09, juris, Rn. 39 jeweils m.w.N.; mit anderer Tendenz: VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 10 K 11594/17 – juris, Rn.28 – die Vorhabenbezogenheit muss sich eindeutig und unmissverständlich aus der Übernahmeerklärung selbst ergeben).

3.2.2. Vorliegend ist eine Vorhabenbezogenheit gegeben. Dies folgt schon aus den konkreten Umständen des Genehmigungsverfahrens. Der Beigeladene plante im Jahr 1990 die Errichtung eines Garagen- und Stallgebäudes auf dem Grundstück, Gemarkung H_____. Insoweit ließ er Bauvorlagen auch mit Ansicht und Grundrissen erstellen. Das Vorhaben wurde als „Garagen- und Stallneubau“ bezeichnet. Der Erläuterungsbericht des Planers, Dipl.-Ing. S_____, bezieht sich auf einen „Nebengebäudeneubau“. Teil der dazu erstellten Bauvorlagen ist ein Lageplan in dem der Standort des Garagen- und Stallneubaus mit den Abmessungen eingezeichnet wurde. Das geplante Vorhaben sollte ausweislich des Grundrisses eine Fläche von 9,82 m x 7,73 m umfassen. Dieses Vorhaben an der Grundstücksgrenze wäre wegen der Abstandsflächen ohne eine Baulasterklärung nicht genehmigungsfähig gewesen.

Auch der zeitliche Zusammenhang der Baulastübernahme mit dem Vorhaben spricht für die Vorhabenbezogenheit. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Baulastübernahme mit Erklärung vom 26. Juni 1991 erfolgt ist und sich auf eine fehlende Abstandsfläche bezieht und - wie ausgeführt - diesem ein Lageplan beigefügt wurde, der auf den Garagen- und Stallneubau – wie er in dem Antrag des Beigeladenen bezeichnet worden ist – Bezug nimmt. Ein entsprechender Bauantrag wurde unter dem 26. Juni 1991 bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eingereicht und am 30. Juli 1991 der Bauschein erteilt.

Die Baulasteintragung als solche untersetzt und bestätigt die Vorhabenbezogenheit. Der Inhalt der Baulast ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der wirkliche Wille zu erforschen, wobei es auf den erklärten Willen ankommt. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger – hier also die Baubehörde – die Verpflichtungserklärung verstehen durfte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2017 – 2 A 1393/16 – juris, Rn. 67).

Die von Herrn M_____abgegebene Erklärung wurde im laufenden Genehmigungsverfahren eingereicht. Sie bezieht sich auf die Absicht des Beigeladenen, ein Nebengebäude zu errichten und zwar als Grenzbebauung und die dafür erforderliche Genehmigung. Seine Erklärung beinhaltet, die auf dem Flurstück 203/2 fehlende Abstandsfläche zu übernehmen. Zur Verpflichtungserklärung gehört der Lageplan, der auch Teil der erstellten Bauvorlagen ist und zur Genehmigung eingereicht wurde. In diesem ist das Gebäude mit dem Titel „Garagen u. Stallneubau“ eingezeichnet und sind die exakten Abmessungen des geplanten Gebäudes aufgenommen ergänzt um die eingezeichnete Abstandsfläche (4,20 m x 9,82 m). Auch die Tiefe der Fläche in der Baulastübernahme belegt die Vorhabenbezogenheit. Nach dem Gesetz über die Bauordnung vom 20. Juli 1990 (Gesetzblatt der DDR I Seite 926) und hier § 6 Abs.5 Satz 1 BauO beträgt die Tiefe der Abstandsfläche 1 H, mindestens 3 m. Nach der Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 4 BauO werden zu einem Drittel die Höhe von Dächern und Dachteilen mit einer Dachneigung von mehr als 45 Grad zu der Wandhöhe hinzugerechnet. Ausweislich des vorliegenden Schnittes des geplanten Vorhabens war eine Wandhöhe von 3 m einzustellen (Abstand der Geländeoberfläche zur Schnittfläche der Außenfläche der Wand mit der Dachhaut). Ferner ist einzublenden, dass das Gebäude insgesamt eine Höhe von 6,55 m aufweisen sollte und das Satteldach eine Dachneigung von mehr als 45 Grad aufweist mit der Folge, dass ein Drittel von 6,55 m noch hinzuzurechnen, so dass eine Abstandsfläche von 4,20 m als notwendig anzusehen gewesen ist.

Freilich soll nicht unerwähnt bleiben, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Abstandsfläche von 0,5 H genügt (Inanspruchnahme des Schmalseitenprivilegs, § 6 Abs. 6 Satz 1 BauO). Allerdings haben die Beteiligten angesichts der eingetragenen Abstandsfläche von dieser Regelung offensichtlich keinen Gebrauch gemacht.

Die Baulasteintragung nimmt dies auf. Sie lautet: „Übernahme der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die auf dem Flurstück fehlende Abstandsfläche entlang der gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze in einer Tiefe von 4,2 m und voller Gebäudelänge von 6,92 m auf dem Lageplan dargestellten Flächen von baulichen Anlagen - Gebäuden – freizuhalten und diese Fläche auf die für das Nachbargrundstück geltenden Abstandsfläche nicht anrechnen zu lassen“.

Die Vorhabenbezogenheit folgt mithin aus der exakten Bestimmung der Abstandsfläche, dem Bezug auf die „Gebäudelänge“ und dem Verweis auf den Lageplan, der nicht nur das Gebäude beinhaltet, sondern dieses genau bezeichnet mit „Garagen u. Stallneubau“. Eingedenk der bei der Auslegung mit heranzuziehenden Baulastübernahmeerklärung, die auf die Absicht des Beigeladenen, auf dem Grundstück ein Nebengebäude zu errichten, verweist, den dort wiederum aufgenommenen exakten und erforderlichen Maßen, dem engen zeitlichen Zusammenhang von Erklärung und Erteilung des Bauscheins kann der hier maßgebliche Erklärungsempfänger – die Baubehörde – die Baulast nur so auslegen und verstehen, dass diese genau für das benannte Vorhaben des Beigeladenen erklärt werden sollte und erklärt wurde.

3.3. Allerdings wurde seitens der Beigeladenen nicht das Vorhaben errichtet, welches dem Beigeladenen genehmigt wurde. Dies betrifft zunächst die Gebäudehülle. Dabei ist bereits beachtlich, dass - obwohl möglicherweise nicht beabsichtigt - das Vorhaben nicht direkt auf die Grundstücksgrenze gesetzt wurde, sondern - hier unabhängig von nachfolgenden Dämmungsmaßnahmen - ein Überbau erfolgt ist. Das entspricht schon nicht dem, was zum Gegenstand der Baulastübernahme gemacht wurde. Denn erkennbar sollte das Gebäude nicht über die Grundstücksgrenze hinausragen. Ferner wurde ein anderer Baukörper errichtet als genehmigt. So trägt die Klägerseite unstreitig vor, dass das Gebäude insgesamt ca. 40 cm höher ist als in den genehmigten Bauvorlagen verzeichnet. Auch sind die Fensterabmessungen deutlich andere. Der Zugang zum Dachraum, der als Lagerraum vorgesehen war, wurde anders gestaltet. So ist Teil der Bauvorlagen (Blatt 12 VV BA C) die Aussage, dass der Dachraum als Lagerraum dient und über eine Luke, die in Holz gefertigt ist, erreichbar ist. Tatsächlich wurde eine innenliegende Treppe mit Handlauf eingestellt. Zudem hat es eine andere Deckenkonstruktion gegeben. Zudem und hier maßgebend ist, dass ein anderes Vorhaben unter Beachtung der Nutzung errichtet wurde, als ursprünglich genehmigt. Inhalt der Genehmigung ist die Errichtung eines Garagen- und Stallneubaus, mit zwei Garagen sowie einem Stall und einem Futter- und Lagerraum im Erdgeschoss. Hinsichtlich des Dachgeschosses gibt es nur die gerade zitierte Nutzungsbeschreibung. Davon abweichend wurde das Objekt zu einem Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoss und einer Garage umgestaltet.

Dies ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen und Dokumenten ohne weiteres. So ist im Dachgeschoss eine Dusche vorhanden und hat es zum Zeitpunkt der Aufnahme der Situation durch den Beklagten im Jahr 2020 eine funktionierende Küche und eine Ausstattung der Räumlichkeiten mit Wohnmöbeln gegeben. Auch wurde der Austritt im Obergeschoss zu dem sich anschließenden Carport so gestaltet, dass das Dach des Carports zum Aufenthalt im Freien genutzt werden kann. Gegen die Nutzung des Objektes als Stall- und Lagergebäude spricht auch die hochwertige Ausstattung insbesondere des Obergeschosses, wobei insoweit der Einbau einer hochwertigen Treppe, das Verlegen von Fliesen und Laminat (wenn nicht sogar Parkett) augenscheinlich ist. Ferner wurde eine Parabolantenne aufgestellt, Solarplatten verlegt und eine Klimaanlage eingebaut. Mit Blick auf diesen Ausstattungsgrad wird das Objekt von dieser Art der Nutzung auch geprägt. Es handelt sich mithin nicht mehr um ein Nebengebäude als Garage- und/oder Lagergebäude, sondern um ein Wohngebäude mit Garage und Lagerräumen. Die so gegebene Nutzung ist von der ursprünglichen Baugenehmigung nicht gedeckt. Dass bedeutet aber auch, dass ein anderes als das genehmigte Vorhaben errichtet wurde mit der weiteren Folge, dass jedenfalls die Beigeladenen sich insoweit nicht auf den Bestandschutz durch die erteilte Baugenehmigung berufen können. Wegen der Einheit von Gebäude (Hülle) und Funktion ist jedenfalls dann, wenn das Gebäude einer anderen Funktion als ursprünglich genehmigt zugeführt wurde, nicht das genehmigte, sondern ein anderes Vorhaben verwirklicht worden. Der Genehmigungsinhaber bringt damit zum Ausdruck, dass er an der ursprünglichen Genehmigung nicht mehr festhalten will. Diese hat sich dann nach § 43 Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 1 VwVfGBbg erledigt. Hat nach alledem die Baugenehmigung ihre Legalisierungswirkung verloren, weil das ursprüngliche Vorhaben nicht realisiert worden ist und bedarf es für die Errichtung eines nicht genehmigten aber bereits verwirklichten Vorhabens einer weitergehenden Baugenehmigung, können durch einen Verzicht der Baulast baurechtswidrige Zustände nicht geschaffen werden (vgl. VG Minden, Urteil vom 3. Januar 2017 - 1 K 1816/16 - juris, Rn 18, m.w.N.). Auch wenn zwischen Baugenehmigung und Baulast zu differenzieren ist, ist der Auffassung entgegenzutreten, die Aufrechterhaltung der Baulast sei auch dann möglich, wenn zu dem Gegenstand der Verpflichtungserklärung gemachten Vorhaben zurückgekehrt wird (so OVG Lüneburg, Urteil vom 8. Juli 2004 - 1 LB 48/04 – Rn. 58). Eine solche Sichtweise würde bedeuten, dass die vorhabenbezogene Baulast aufrechterhalten bleiben müsste, obwohl das Vorhaben (ohne Baulast) nicht genehmigungsfähig ist. Vorliegend tritt hinzu, dass die ursprünglich zum Gegenstand der Verpflichtungserklärung gemachte Nutzung auch seitens der Beigeladenen erkennbar nicht aufgenommen werden soll, jedenfalls soweit es sich um die Nutzung des Gebäudes (auch als Stall) handelt. Zudem lässt der hohe Grad der Ausstattung des Gebäudes an der Grundstücksgrenze es zu, die Wohnnutzung jederzeit wieder aufzunehmen. Zwischenzeitlich wurde nur die Küche abgebaut und wurden die Möbel anders hingestellt. Das Bad, die sonstige hochwertige Ausstattung wie auch alle Anschlüsse – etwa für die Nutzung von Räumlichkeiten als Küche – sind weiterhin vorhanden.

4. In einem solchen Fall entspricht es auch dem öffentlichen Interesse, dass durch die Baulast nur das Vorhaben realisiert und legalisiert werden kann, das Gegenstand der Verpflichtungserklärung war. Sofern die äußeren Gegebenheiten dafür sprechen, dass ein anderes als das der Verpflichtungserklärung zu Grunde gelegte Vorhaben realisiert werden soll oder aber dies ohne weiteres (wieder) möglich ist, ist die Aufrechterhaltung der Baulast nicht gerechtfertigt.

5. Den Klägern kann insoweit auch nicht der Gesichtspunkt der Verwirkung entgegengehalten werden. Dabei ist der Grundsatz der Verwirkung an das Erkennen der Beeinträchtigung geknüpft. Insoweit ist anerkannt, dass Nachbarrechte je nach Maßgabe des Baufortschrittes aber auch mit Blick auf die Erkennbarkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirken können. Auch greift der Gesichtspunkt der Verwirkung dann nicht, wenn sich die Untätigkeit des Nachbarn nicht mehr nachteilig auf den Bauherrn auswirkt bzw. ausgewirkt hat, etwa weil das Bauvorhaben im Wesentlichen fertiggestellt war (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Dezember 1999 - 10 B 1342/99 - juris; Urteile der Kammer vom 29. April 2003 - 3 K 1615/00 - sowie vom 6. Juli 2010 - 3 K 859/07 -).

Insoweit ist freilich einzustellen, dass seit dem Zeitpunkt der Übernahme des Grundstücks durch die Kläger (2006) das Bauvorhaben jedenfalls hinsichtlich des Standorts und der räumlichen Dimension keine hier maßgeblichen Änderungen erfahren hat. Von daher ist davon auszugehen, dass die Kläger, die sich die Kenntnis des Rechtsvorgängers zurechnen lassen müssen, jedenfalls sich insoweit nicht mehr gegen das Bauvorhaben – jedenfalls soweit es die Abweichung in den Maßen betrifft – wenden können. Nicht nur ist eine lange Zeit vergangen; der Anspruch wurde erst 2020 gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend gemacht. Auch haben die Beigeladenen das Vertrauen betätigt dahingehend, dass sie das Gebäude weiter ausgebaut und jedenfalls im Innern baulich verfestigt haben. Anders ist es hingegen in Bezug auf die Änderung der Nutzung. So tragen die Kläger vor, dies sei ihnen erst im Jahr 2020 aufgefallen, nachdem auch der Anbau des Carports erfolgt und eine Verbindung des Carports mit dem hier in Rede stehenden Gebäude hergestellt worden sei. Mit dieser – so die Kläger – sei eine Begehung des Daches des Carports durch Familienmitglieder der Beigeladenen möglich geworden und auch erfolgt. Darüber hinaus sei eine Nutzung des Gebäudes in den späten Abend- und Nachtstunden auffällig geworden. Die Beigeladenen selbst haben keine nachvollziehbaren Aussagen dazu getroffen, wann die Wohnnutzung aufgenommen wurde; sie behaupten vielmehr - auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens - eine Wohnnutzung habe nie stattgefunden. Dies geht zu ihren Lasten. Es ist daher davon auszugehen und zu würdigen, dass für die Kläger die Wohnnutzung erst im Jahr 2020 oder kurzzeitig davor erkennbar gewesen ist. Von daher haben sie sich insoweit auch rechtzeitig an den Beklagten gewandt mit dem entsprechenden Informationsbegehren und auch dem Begehren dahingehend, baurechtlich tätig zu werden. Eine hier beachtliche Betätigung eines etwaigen Vertrauens der Beigeladenen kann nicht festgestellt werden. Zwar ist es durchaus denkbar, dass etwa die Umgestaltung im Inneren eines Gebäudes etwa der Einbau eines Bades oder einer Küche darauf hindeuten könnten, dass nicht ein Lager oder aber ein Stall zur Nutzung ansteht. Allerdings ist insoweit auch festzuhalten, dass bauliche Maßnahmen im Inneren eines Gebäudes für den Außenstehenden (Dritten) - wie die Kläger - nicht ohne weiteres erkennbar sind. Von daher bedarf es in diesem Fall des Beweises durch die Beigeladenen dahingehend, dass die Kläger bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt Kenntnis von der Umnutzung hatten bzw. dies für sie erkennbar gewesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 10 B 2.15 – juris, Rn. 67). Ein solcher Nachweis wurde seitens der Beigeladenen nicht erbracht.

Ferner ist hier zu berücksichtigen, dass - wie bereits ausgeführt - eine Verwirkung dann nicht greifen kann, wenn das Bauvorhaben bereits verwirklicht ist. Führt aber erst die Nutzungsänderung zum Verlust des Bestandsschutzes ist nicht erkennbar, dass das berechtigte Vertrauen der Beigeladenen dahingehend, die Nutzung des grenzständigen Gebäudes zum Wohnen werde von den Klägern toleriert, zu weiteren Aufwendungen geführt hätten. Von daher ist kein Anhalt dafür gegeben, die Beigeladenen hätten aus diesem Vertrauen heraus Aufwendungen getätigt, so dass die Durchsetzung des Rechts seitens der Kläger zu unzumutbaren Nachteilen führen würde (vgl. hierzu: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Oktober 2019, a.a.O., Rn. 69).

Sind nach alledem die Voraussetzungen für einen Verzicht der genannten Baulast erfüllt und kann den Klägern nicht mit Erfolg der Aspekt der Verwirkung entgegengehaalten werden, steht ihnen als Eigentümer des belasteten Grundstücks auch ein Anspruch auf die Verzichtserklärung zur Seite (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2017, a.a.O., Rn 50).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.