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ärztliches Attest, Betretungsverbot (hier: Schulhort), Kontraindikation (hier: Angst des Kindes vor Ärztinnen und Ärzten sowie Spritzen), Masern-Schutzimpfung, Nachweisfrist, Plausibilitätsprüfung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 02.09.2024
Aktenzeichen VG 8 L 477/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0902.8L477.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 20 Abs. 12 IfSG §, 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG §, 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG §, 33 Nr. 1 IfSG §, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO §, 80 Abs. 5 VwGO §

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen das mit Bescheid des Antragsgegners vom 25. Juli 2024 ausgesprochene Betretungsverbot wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Juli 2024 (Betretungsverbot) anzuordnen,

hat Erfolg.

Der Antrag ist im Hinblick darauf, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen ein Betretungsverbot im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG keine aufschiebende Wirkung hat, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin als allein sorgeberechtigte Mutter des von dem Betretungsverbot betroffenen Kindes selbst antragsbefugt. Denn da ihr Sohn minderjährig ist, trifft gemäß § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG die Antragstellerin die Pflicht, für die Einhaltung der ihr Kind betreffenden Verpflichtungen nach den Absätzen 9 bis 12 der Norm zu sorgen. Entsprechend hat sie auch Sorge dafür zu tragen, dass ihr Sohn das ihm gegenüber angeordnete Betretungsverbot einhält. Aufgrund dieser gesetzlichen Übertragung der Verpflichtungen nach § 20 Abs. 9 bis 12 IfSG auf die Sorgeberechtigten ist diesen eine selbständige Antragsbefugnis eröffnet (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 25 CE 21.2383 –, juris Rn. 8; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 19. Juli 2023 – RN 5 S 23.1198 –, juris Rn. 25).

Der Antrag ist auch begründet. Zwar spricht vorliegend nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand Überwiegendes dafür, dass die Anordnung eines Betretungsverbotes hier grundsätzlich in Betracht kam (hierzu unter 1.); die hier verfahrensgegenständliche Anordnung des Antragsgegners erging jedoch rechtsfehlerhaft (hierzu unter 2.).

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO kann das Gericht die durch entsprechende Regelungen in einem Bundes- oder Landesgesetz – wie hier in § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung eines Widerspruches anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es die Interessen der Beteiligten an der sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung bzw. an der aufschiebenden Wirkung des dagegen erhobenen Rechtsbehelfes unter maßgebender Berücksichtigung der Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens gegeneinander abwägt, wobei in Fällen des – wie hier - gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges sowohl die Wertung des Gesetzgebers zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit als auch ein etwa geltend gemachtes besonderes Suspensivinteresse zu berücksichtigen sind.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des hier in Rede stehenden Betretungsverbotes das Interesse der Antragstellerin, einstweilen von der Durchsetzung des Verbotes verschont zu bleiben bzw. deren Vollzug aufzuheben, nicht überwiegt. Die Anordnung des Antragsgegners vom 25. Juli 2024 erweist sich bei summarischer Prüfung vielmehr als offensichtlich rechtswidrig. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig kein öffentliches Interesse.

1. Seine Rechtsgrundlage findet das Betretungsverbot in § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG.

Hiernach kann das Gesundheitsamt einer Person, die trotz der Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG keinen Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird.

Hiernach kam vorliegend die Anordnung eines Betretungsverbotes für den Sohn der Antragstellerin hinsichtlich des Hortes der von ihm besuchten Freien W_____ Cottbus in Betracht.

Zwar kann einer Person, die – wie der 2017 geborene Sohn der Antragstellerin – einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, gemäß § 20 Abs. 12 Satz 5 i. V. m. § 33 Nr. 3 IfSG abweichend von Satz 4 der Regelung nicht das Betreten der Schule untersagt werden. Diese Einschränkung betrifft ausweislich ihrer ausdrücklichen Anknüpfung an die Schulpflicht jedoch nicht den von der Schulpflicht nicht erfassten Hort im Sinne von §§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, 33 Nr. 1 IfSG.

Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner keinen ausreichenden Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorgelegt.

Gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssen Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind und in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, entweder einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen. Als vorzulegenden Nachweis hierfür benennt § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG eine Impfdokumentation oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes (Nr. 1), ein ärztliches Zeugnis über das Vorliegen einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation, aufgrund derer die Person nicht geimpft werden kann (Nr. 2) oder eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen Einrichtung im Sinne von Abs. 8 Satz 1, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder 2 bereits vorgelegen hat.

Das hier von der Antragstellerin beim Gesundheitsamt des Antragsgegners vorgelegte Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Frau T____ vom 24. Januar 2023 stellt kein ausreichendes ärztliches Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1, Nr. 2, 2. Alt. IfSG darüber dar, dass ihr Sohn aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann. Die darin einzig enthaltene Aussage, dass nach ausführlicher Erörterung der Eigen- und Familienanamnese aus medizinischer Sicht eine Masernimpfung kontraindiziert sei, ist nicht geeignet, einen entsprechenden Nachweis zu führen.

Das ärztliche Zeugnis muss vielmehr wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, dass das Gesundheitsamt in die Lage versetzt ist, das Zeugnis auf seine Plausibilität hin zu überprüfen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 25 CS 21.1651 –, juris Rn. 14; Verwaltungsgericht Meiningen, Beschluss vom 10. November 2020 – 2 E 1144/20 –, juris Rn. 26; Verwaltungsgericht Schwerin, Beschluss vom 22. Februar 2024 – 3 B 2192/23 SN –, juris Rn. 35, Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 10. Juni 2024 – W 8 K 23.1440 –, juris Rn. 34). Dafür muss das ärztliche Zeugnis seine Aussagen in substantiierter Weise darstellen und untermauern. Die Erstellung eines solchen Zeugnisses setzt, was der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 20 IfSG auch im Blick hatte, eine ausführliche und aussagekräftige Dokumentation der Grundlagen der nach sachverständiger Bewertung festgestellten Kontraindikation voraus (vgl. den Regierungsentwurf für ein Masernschutzgesetz BT-Drs. 19/13452, S. 19, wonach ein ärztliches Kontraindikationszeugnis einen ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht einschließlich Angaben zur Anamnese, zu Befunden, zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie beinhaltet).

Diesen Anforderungen wird das dem Gesundheitsamt vorgelegte Attest nicht gerecht. Die bloße Bezugnahme auf eine Erörterung der Eigen- und Familienanamnese und die pauschale Schlussfolgerung, dass eine Masernimpfung kontraindiziert sei, lässt eine Plausibilitätskontrolle nicht im Ansatz zu.

Gleiches gilt für das auf die Aufforderung des Gesundheitsamtes nach § 20 Abs. 12 Satz 2, 2. Halbsatz IfSG seitens der Ärztin selbst übersandten Attestes vom 28. Februar 2024. Zwar gibt die Ärztin hier als Art der von ihr angenommenen Kontraindikation eine Angst des Kindes vor Spritzen und Ärzt:innen an, ohne jedoch hinreichend nachvollziehbar darzulegen, anhand welcher konkreten Befunde sie ihre Diagnosen erstellt und welches konkrete Ausmaß die behauptete psychische bzw. Verhaltensstörung hat sowie insbesondere, welche nachteiligen Folgen eine dennoch erfolgende Impfung hätte. Allein aus dem Vermerk, dass es nicht möglich sei, dem Kind ohne Anwendung von Gewalt eine Spritze zu verabreichen, ergibt sich nicht hinreichend, dass es deswegen tatsächlich, und zwar aus medizinischen Gründen, nicht geimpft werden kann. Insofern lässt sich nicht beurteilen, ob die von ihr geschlussfolgerte Kontraindikation plausibel ist. Im Allgemeinen gelten nach den Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) ein akutes Fieber über 38,5°C oder eine akute schwere Erkrankung, Schwangerschaft, bestimmte schwere Einschränkungen des Immunsystems und bekannte Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffs als medizinische Kontraindikationen zu einer Masernimpfung (vgl. RKI - Impfungen A - Z - Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen , Stand 02.02.2024). Auch wenn es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung handelt und die Frage nach dem Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation letztlich wie jede ärztliche Maßnahme im Einzelfall nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu beurteilen ist, unterliegt der Nachweis einer Kontraindikation aus hiervon abweichenden Gründen jedenfalls besonderen Anforderungen an seine Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit. Dem genügen die hier von Frau T____, einer Fachärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie, erstellten Atteste nicht. Ob eine medizinische Kontraindikation aus psychischen Gründen, wie sie hier vorgebracht werden, überhaupt denkbar ist, kann daher dahinstehen (vgl. zu psychiatrischen Störungen: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. September 2023 – 20 CS 23.1432 –, juris Rn. 4).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Gesundheitsamt des Antragsgegners keine ärztliche Untersuchung ihres Sohnes im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 2, 1. Halbsatz IfSG angeordnet hat. Da die vorgelegten Atteste schon mangels Überprüfbarkeit auf ihre Plausibilität bzw. mangels Vorliegens der Anforderungen an geeignete Nachweise im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG als nicht ausreichend anzusehen sind, lagen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG vielmehr nicht vor (vgl. Verwaltungsgericht Schwerin, Beschluss vom 22. Februar 2024 – 3 B 2192/23 SN –, juris Rn. 37; Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 10. Juni 2024 – W 8 K 23.1440 –, juris Rn. 38). Dass der Antragsgegner, obwohl er ausdrücklich davon ausging, dass die Atteste nicht im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG zum Nachweis einer Kontraindikation geeignet sind, in dem angefochtenen Bescheid hierzu Erwägungen anstellt, steht dem nicht entgegen, zumal er dabei zutreffend davon ausgegangen ist, dass eine ärztliche Untersuchung des Sohnes der Antragstellerin hier im Hinblick auf die Art der von dieser geltend gemachten Kontraindikation gerade nicht in Betracht kam. Der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin, die einerseits – ohne dass dies freilich durch die hier vorliegenden ärztlichen Atteste hinreichend nachgewiesen wäre – die Gefahr einer (Re)Traumatisierung ihres Sohnes im Falle einer Impfung behauptet und in ihrer eidesstattlichen Versicherung angibt, dass ihr Sohn, mit dem sie deshalb schon mehrere Jahre nicht mehr beim Kinderarzt gewesen sei, den Versuch einer Untersuchung nur bei Anwendung von Gewalt zulassen werde, andererseits das Unterlassen eben dieser – ihren Sohn angeblich der Gewaltanwendung und Traumatisierungsgefahr aussetzenden – ärztlichen Untersuchung als milderes Mittel beanstandet, obwohl gerade die erforderliche Gewaltanwendung zur Begründung der Kontraindikation herangezogen wurde, erscheint im höchsten Maße widersprüchlich und geeignet, Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Einlassung hervorzurufen. Dies umso mehr, als die Antragstellerin ersichtlich keine Veranlassung sieht, ihren Sohn hinsichtlich der behaupteten Störung psychotherapeutisch behandeln zu lassen.

2. Trotz dieser Feststellungen unterliegt das von dem Antragsgegner mit Bescheid vom 25. Juli 2024 ausgesprochene Betretungsverbot insofern rechtlichen Bedenken, als der Antragstellerin keine angemessene Frist für die Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gesetzt worden ist, § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG.

Zwar ist davon auszugehen, dass die auf den 9. Januar 2024 datierte erstmalige Aufforderung an die Antragstellerin, einen Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen, mit einer angemessenen Fristsetzung verbunden war. Dem Schreiben war die Mitteilung der Freien W_____ Cottbus vom 5. Januar 2024 vorausgegangen, wonach für den Sohn der Antragstellerin eine Kontraindikation vorliege. Wie insbesondere die erläuternde E-Mail des Gesundheitsamtes vom 31. Januar 2024, aber auch die Ausführungen des Antragsgegners im Bescheid vom 25. Juli 2024 belegen, bezweckte die Aufforderung vom 9. Januar 2024 zunächst eine Überprüfung dieses Kontraindikationsattestes durch das Gesundheitsamt. Für dessen Vorlage erscheint eine Frist – wie hier – von vier bis fünf Wochen angemessen, da das Attest der Antragstellerin bereits vorlag.

Nachdem das Gesundheitsamt zu dem Ergebnis gekommen war, dass das Attest keinen geeigneten Nachweis einer Kontraindikation im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG darstellt, die Antragstellerin also erstmals mit der Notwendigkeit konfrontiert war, ggf. einen ausreichenden Impfschutz ihres Sohnes im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 IfSG nachzuweisen, hätte es jedoch einer erneuten Aufforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG unter einer insoweit – nämlich zur Erbringung eines ausreichenden Nachweises entweder nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 IfSG – angemessenen Fristsetzung bedurft. Daran fehlt es hier.

Seinen insoweit einzig in Betracht kommenden Bescheid vom 11. April 2024, mit dem der Antragsgegner das ärztliche Attest der Frau T____ zurückgewiesen und die Antragstellerin zu einem Betretungsverbot angehört hat, hat der Antragsgegner mit Erklärung vom 22. Juli 2024 im Verfahren VG 8 K 979/24 ohne Klarstellung aufgehoben, ob damit überhaupt auch eine Aufforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG erlassen werden und ob diese weiterhin aufrecht erhalten bleiben sollte. Ungeachtet dessen enthielt die im Begründungstext des Bescheides enthaltene Aufforderung, einen die Anforderungen des Infektionsschutzgesetzes erfüllenden Nachweis zu erbringen, ohnehin lediglich den Hinweis auf eine „erforderliche Frist“, ohne diese zu setzen, während die nachfolgend benannte Stellungnahmefrist ausdrücklich im Rahmen der Anhörung zum Betretungsverbot erging.

Zudem hätte selbst diese, auf den 2. Mai 2024 gesetzte Frist, wollte man sie auf die Nachweisführung beziehen, nicht den Anforderungen an eine angemessene Fristsetzung genügt.

Dem Antragsgegner war aufgrund des bisherigen Verfahrens bewusst, dass der Sohn der Antragstellerin nicht gegen Masern geimpft ist. Da dieser älter als ein Jahr ist, müsste er für einen ausreichenden Impfschutz zwei geeignete Schutzimpfungen gegen Masern aufweisen, § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG. Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim RKI sollte zwischen den zwei Impfungen ein Mindestabstand von vier Wochen liegen, um den erforderlichen Impfschutz herzustellen (vgl. RKI - Masern - Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern , Stand 04.11.2021). Im Hinblick hierauf wäre die von dem Antragsgegner gesetzte Frist von drei Wochen hier viel zu kurz, als dass die Antragstellerin nunmehr einen Nachweis über das Vorliegen eines ausreichenden Impfschutzes ihres Sohnes hätte beibringen können. Für diesen Nachweis gilt Gleiches auch im Hinblick auf die mit der Aufforderung vom 9. Januar 2024 verbundene Frist (vgl. ebenso: Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris Rn. 63; Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 5. Juni 2024 – 14 E 923/24 –, juris Rn. 42 ff.; zur Angemessenheit einer Frist von acht Wochen: Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 10. Juni 2024 – W 8 K 23.1440 –, juris Rn. 44; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 25. Juli 2024 – M 26a S 24.3624 –, juris Rn. 40). Dass der Antragsgegner noch eine weitere Zeit verstreichen ließ, bevor er das streitgegenständliche Betretungsverbot erließ, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; es obliegt nicht den Betroffenen, sondern dem zuständigen Gesundheitsamt, eine angemessene Frist zu bestimmen (vgl. Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 5. Juni 2024 – 14 E 923/24 –, juris Rn. 45).

Spricht im Hinblick hierauf somit Maßgebliches dafür, dass das Betretungsverbot des Antragsgegners jedenfalls in dem hier durchgeführten Verfahren offensichtlich rechtswidrig erging und ein Hauptsacheverfahren deshalb aller Voraussicht nach erfolgreich wäre, überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO

Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes, der vorliegend zu halbieren war (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung: