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Abschiebungsandrohung nach Nigeria und Südafrika, Austausch der Offensichtlichkeitsgründe, nachgebotenes Vorbringen offensichtlich unglaubhaft


Metadaten

Gericht VG Cottbus 9. Kammer Entscheidungsdatum 22.07.2024
Aktenzeichen VG 9 L 162/24.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0722.9L162.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 30 Abs. 1 AsylG §

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 23. März 2024 (VG 9 K 510/24.A) gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. März 2024 wird angeordnet, soweit in dieser der Antragstellerin eine Abschiebung in die Bundesrepublik Nigeria angedroht worden ist.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der auf einstweiligen Rechtsschutz gerichtete Antrag, mit welchem die Antragstellerin sinngemäß begehrt,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 23. März 2022 (VG 9 K 520/24.A) gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. März 2024 anzuordnen,

hat nur teilweise Erfolg.

Gemäß § 36 Abs. 4 S. 1 des Asylgesetzes (AsylG) ist die gerichtliche Prüfung im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung gem. § 80 Abs. 5 VwGO auf die Frage beschränkt, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Gem. § 36 Abs. 1 AsylG darf die in der Abschiebungsandrohung gesetzte Ausreisefrist nur dann eine Woche betragen, wenn der Asylantrag unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG oder offensichtlich unbegründet ist. Damit beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die Einschätzung des Bundesamtes, dass die Unbegründetheit des Asylantrages offensichtlich ist, ernstlichen Zweifeln unterliegt. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Geringe Zweifel reichen hierfür nicht aus (vgl. BVerfGE 94, 166/194). Dabei bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig, § 36 Abs. 4 S. 2 AsylG.    

Das Bundesamt hat die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der seit 27. Februar 2024 geltenden Fassung (“Gesetz zur Verbesserung der Rückführung” (BGBl I Nr. 54/2024 vom 26. Februar 2024) gestützt. Ein unbegründeter Asylantrag ist hiernach als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Diese Regelung setzt insoweit die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments in deutsches Recht um. Hiernach kommt eine offensichtliche Unbegründetheit im Sinne des nationalen Rechts nach Art. 31 Abs. 8 a) der Richtlinie 2013/32/EU u.a. dann in Betracht, wenn der Antragsteller bei der Einreichung seines Antrags und der Darlegung der Tatsachen nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist, nicht von Belang sind.

Hiervon ausgehend unterliegt die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag der Antragstellerin als offensichtlich unbegründet abzulehnen, ersichtlich keinen ernstlichen Zweifeln. Soweit es den geltend gemachten Anspruch auf Asyl betrifft, folgt dies bereits aus der Einreise der Antragstellerin über einen sicheren Drittstaat.

Die Antragstellerin ist Staatsangehörige Nigerias. In ihrem Fall ist daher grundsätzlich für die Frage des Flüchtlingsschutzes oder subsidiären Schutzes darauf abzustellen, ob ihr eine Gefahr im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG bzw. im Sinne des subsidiären Schutzes in Nigeria (und nicht in Südafrika) droht. Denn nach § 3 Abs. 1 AsylG ist Flüchtling der, der sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG definiert dabei Herkunftsland als das Land, dessen Staatsangehörigkeit der jeweilige Ausländer besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist im Fall der Antragstellerin Nigeria. Auf eine etwaige Verfolgung – worauf die Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung abstellt – durch den Staat Südafrika oder eine diesem Staat zuzurechnende Verfolgung (vgl. § 3a AsylG) und namentlich, ob sich die (angebliche) Verfolgung als eine dem Staat Südafrika zuzurechnende Verfolgung darstellen könnte, kommt es daher grundsätzlich nicht an. Gleiches gilt für den subsidiären Schutz, der das Drohen eines ernsthaften Schadens im Herkunftsland des Ausländers – im Fall der Antragstellerin: Nigeria – erfordert.

Hinsichtlich einer Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG (Flüchtlingsschutz) oder eines ersthaften Schadens im Sinne vom § 4 AsylG (subsidiärer Schutz) in ihrem Herkunftsland Nigeria hat die Antragstellerin indes nichts vorgetragen, was von Belang wäre. Soweit es die angeblichen Vorfälle (hierzu noch näher unten) in Südafrika, soweit sie überhaupt einen Bezug zu Nigeria haben könnten, anbelangt, namentlich soweit es die von der Antragstellerin unterschriebene Petition wegen der Arbeitsbedingungen bei der Botschaft Nigerias in Südafrika betrifft, trägt die Antragstellerin nicht einmal vor, dass sie deswegen eine Gefahr für sich im Falle einer Rückkehr nach Nigeria sehen würde. Vielmehr führt die anwaltlich vertretene Antragstellerin selbst aus, dass die Antragstellerin ihr (der Anwältin) gegenüber auf die Frage, warum sie sich eine Rückkehr nach Nigeria nicht vorstellen könne, angegeben habe, dass es weiterhin gewalttätige Überfälle und Unruhen zwischen Christen und der Gruppe Boko Haram gebe; auch sei ihr Mann Weißer und er werde weder von ihrer Familie noch von ihrem Stamm akzeptiert. Davon, dass sie wegen der Petition eine Verfolgung von Seiten des Staates auch im Falle einer Rückkehr nach Nigeria befürchten würde, ist nicht ansatzweise die Rede.

Soweit es in diesem Zusammenhang – Verfolgung oder ernsthafter Schaden in Nigeria – den Vortrag der Antragstellerin zu Boko Haram betrifft, hat sie keinerlei individuelle, auf ihre Person bezogene Verfolgung vorgetragen. Vielmehr beschränkt sich ihr Vortrag auf die pauschale Aussage, dass es 2009 Unruhen zwischen Christen und Muslimen gegeben habe, die Zeiten dort sehr unruhig gewesen seien und es auch an dem Prüfungstag, an dem es lokale Wahlen gegeben habe, über die die Muslime sehr unglücklich gewesen seien, Unruhen gegeben habe und sie dabei auch geschlagen worden sei und habe wegrennen müssen. Auch – so die Antragstellerin in der Antragsbegründung – sei das Haus ihrer Eltern niedergebrannt und ihr Cousin von Mitgliedern einer islamistischen Gruppe getötet worden. Damit macht die Antragstellerin aber keine individuelle Gefährdung ihrer Person geltend, welche über die allgemeine Gefährdung der Bevölkerung Nigerias oder des christlichen Teils der Landesbevölkerung durch islamistisch motivierten Terror oder Gewaltakte hinausgeht. Besondere Umstände, die eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung der Person der Antragstellerin begründen, sind nicht ersichtlich. Diese werden auch nicht vorgebracht; insbesondere fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, was die Antragstellerin aus den Kreis der christlichen Menschen in Nigeria hervorheben würde oder sie sonst zu einer „bevorzugten Ziel“ islamistischer Gruppen in Nigeria machen könnte. Dass ein Angriff der Boko Haram in irgendeiner Form zielgerichtet im Zusammenhang mit der Person der Antragstellerin stand oder ihr künftig zielgerichtete Angriffe drohen könnten, wird von der Antragstellerin weder vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich.

Es bleibt daher das allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 (letzte Alt.), 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zu würdigende allgemeine Risiko, Opfer eines Terroranschlags zu werden. Hierfür fehlt es vorliegend jedoch an der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Verfolgungsdichte, welche wiederum die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter voraussetzt, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die akute und gegenwärtige Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerwG, Urt. v. 21. April 2009 – 10 C 11.08 – juris, Rn.13).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann eine Gruppenverfolgung der Antragstellerin als Angehörige der christlichen Bevölkerung in Nigeria nicht angenommen werden. Angesichts der Größe der Religionsgemeinschaft – zwischen 40 % und 45 % der Bevölkerung sind Christen – fehlt es an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte (vgl. VG München, Urt. v. 02. September 2019 – M 27 K 17.40338 – juris, Rn. 19 ff.). Schließlich ist die Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet vor dem Hintergrund des auf die Gruppierung Boko Haram bezogenen Vortrags der Antragstellerin auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Schutzalternative (§ 3e AsylG) die Schutzgewährung im Ausland offensichtlich ausschließt. Die Antragstellerin hat keine landesweiten Bedrohungen wegen ihrer Religionszugehörigkeit bzw. durch Anschläge von Islamisten (z. B. der islamistischen Terrororganisation Boko Haram) zu befürchten. Derartige Anschläge finden nicht landesweit statt, sondern hauptsächlich im Nordosten Nigerias (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria vom 21. 12. 2023, S. 4, 11,). Die Terroristen sind auch nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Gesamtaktualisierung am 12. April 2019 mit letzten Kurzinformationen vom 18. Dezember 2019, S. 14).

Unbeschadet der obigen Ausführungen zur Maßgeblichkeit des Vorliegens einer Verfolgungsgefahr bzw. des Drohens eines ersthaften Schadens im Herkunftsland der Antragstellerin Nigeria für die Frage der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz bzw. subsidiären Schutz (§ 3, § 4 AsylG) hat das Bundesamt das asylrechtliche Schutzgesuch der Antragstellerin auch dann zu Recht als offensichtlich unbegründet ablehnt, wenn auf den Staat Südafrika abgestellt wird. Soweit es den Vortrag der Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt betrifft, hat das Bundesamt diesen ausführlich gewürdigt; der Einzelrichter der Kammer teilt insoweit die Bewertung des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid und verweist gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf diese und macht sich diese zu eigen.

Eine andere Bewertung der Verfolgungslegende der Antragstellerin als jene, das Schutzgesuch als offensichtlich unbegründet abzulehnen, kommt auch nicht mit Blick auf den (ergänzenden) Vortrag im Rahmen der Antragsbegründung in Betracht. Die Antragstellerin trägt in ihrer Antragsbegründung insoweit zusammengefasst vor: Sie habe mit Arbeitskollegen eine Petition unterschrieben. Sie seien im Dezember 2022 von Mitarbeitern des Defense Office auf die Petition angesprochen worden. Eine weitere Eskalation seien Drohanrufe gewesen. Kurze Zeit später seien sie direkt von Botschaftsmitarbeitern bedroht worden, dass ein derartiges Verhalten nicht geduldet und nicht ungestraft bleiben werde. Sie sei nicht nur als Feindin des Staates bezeichnet worden, sondern es sei ihr konkret gesagt worden, dass sie und ihre Familie dafür büßen müssten. Ab Januar 2023 hätten sich dann die Ereignisse überschlagen. Sie – die Antragstellerin – hätte das Gefühl gehabt, ein Auto verfolge sie. Eines Tages sei sie mit ihrem Kind auf dem Weg zur Schule gewesen, als sie bemerkt habe, dass sie von einem Auto mit zwei Männern verfolgt werde. An einem Stoppschild habe das Auto auf ihrer Höhe angehalten und einer der Männer sei ausgestiegen und habe versucht, die Tür zu öffnen, wo das Kind gesessen habe. Die Tür sei aber verschlossen gewesen. Die Antragstellerin habe zudem laut geschrien. Beide Männer seien dann davongefahren. Eine Woche später sei eine Kollegin zu Hause ausgeraubt worden und mit einer Waffe bedroht worden. Im Februar 2023 sei ihr Mann in einen Vorfall verwickelt worden, als er an einem Stoppschild angehalten habe. Im weiteren Verlauf sei ihr Ehemann mit dem Tode bedroht worden. Es sei zwar vorrangig um Geld gegangen; jedoch sehe die Antragstellerin auch hier einen Zusammenhang mit der Petition. Kurz vor Weihnachten sei die Antragstellerin – so bereits beim Bundesamt – von einem Mann gepackt und vergewaltigt worden. Die Antragstellerin habe gegenüber ihrer Prozessbevollmächtigten berichtet, dass jede Person aus der Gruppe auf unterschiedliche Weise attackiert worden sei. Insoweit vermute die Antragstellerin, dass die nigerianische Regierung hinter den Taten stecke. Dies sei auch ein Grund, weshalb sie sich nicht an die Polizei Südafrikas gewandt habe, da dies einen Eingriff in die Souveränität Nigerias bedeuten würde.

Dieser abgewandelte Vortrag der Antragstellerin zu ihrer Verfolgungslegende kann der Antragstellerin ganz offensichtlich nicht geglaubt werden. Der um Asyl und internationalen Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz) Nachsuchende hat die von ihm vorgetragenen Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Dies setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung der Gründe mit entsprechenden Einzelheiten voraus. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals zu verschaffen. Widersprüchliches Verhalten, im Verfahrensverlauf gesteigertes Vorbringen und verbleibende Zweifel gehen dabei zu Lasten des Schutzsuchenden, wobei jedoch ein sachtypischer Beweisnotstand im Rahmen der Überzeugungsbildung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. August 1974 –1 B 15.74-, Buchholz 402.24, § 28 AuslG (a.F.) Nr. 6). Hinsichtlich der Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylsuchenden in seinem Heimatland betreffen, ist wesentliche Voraussetzung für eine angesichts der Beweisschwierigkeiten eines Flüchtlings ausreichende Glaubhaftmachung ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier und nicht wechselnder Tatsachenvortrag. Bei wesentlichen Widersprüchen im Sachvortrag ist dieser nur bei überzeugender Erklärung der Widersprüche glaubhaft. Auch bei wohlwollender Beurteilung der Aussagen eines Asylbewerbers ist eine Entscheidung zu seinen Gunsten dann nicht möglich, wenn die Behauptungen nicht überzeugend sind (vgl. BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 41).

Das Vorbringen der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung weist erhebliche Widersprüche und Steigerungen auf, die mit ihrem früheren Vorbringen beim Bundesamt nicht in Einklang zu bringen sind und das ganz offensichtlich von dem Bestreben bestimmt ist, ihre angebliche Bedrohungslage erheblicher erscheinen zu lassen, als sie es tatsächlich gewesen sein kann und zudem, alle Ereignisse in einem Zusammenhang mit der Petition erscheinen zu lassen. Dies beginnt schon damit, dass die Antragstellerin nunmehr vorbringt, Mitarbeiter des Defense Office hätten sie auf die Petition angesprochen und sie habe sich erklären sollen. Schon dies steht im eklatanten Widerspruch zu ihren Ausführungen beim Bundesamt, wo davon nicht ansatzweise die Rede gewesen ist. Dort heißt es lediglich, dass es Gerüchte gegeben habe, dass die Leute, welche die Petition unterschrieben haben, befragt werden sollten. Zu ihrem weiteren Vorbringen, als weitere Eskalation seien Drohanrufe erfolgt und kurze Zeit später sei sie direkt von Botschaftsmitarbeitern bedroht worden und sie sei als Feindin des Staates bezeichnet worden und ihr sei konkret gesagt worden, dass sie und ihre Familie dafür büßen würden (Seite 3 der Antragsbegründung), findet sich bei ihren Ausführungen bei der Bundesamtsanhörung nichts. Vielmehr hat sie auf die Frage beim Bundesamt, ob ihr wegen der Petition etwas bis zu Ausreise passiert, lediglich angeführt: „Ich weiß nicht, es sind viele seltsame Sachen passiert.“ Spätestens an dieser Stelle wäre zu erwarten gewesen, dass die Antragstellerin von angeblichen konkreten Drohanrufen und direkten Bedrohungen durch Botschaftsmitarbeiter berichtet, hätte es sie denn tatsächlich gegeben. Stattdessen antwortete sie lediglich mit einem „Ich weiß nicht…“. Gleiches gilt für das angebliche Ereignis, als sie mit dem Auto unterwegs gewesen sein will und ein Mann nach einem Halt an einem Stoppschild versucht haben soll, die Tür an der Seite ihres Kindes zu öffnen. Beim Bundesamt war auch von einem solchen Ereignis nicht die Rede, lediglich davon, dass sie „manchmal das Gefühl“ gehabt habe, dass „uns ein Auto verfolgt“. Auch hier wäre spätestens zu erwarten gewesen, dass die Antragstellerin von dem konkreten Vorfall (Auto verfolgt sie, Mann versucht in das Auto einzudringen) berichtet, anstatt lediglich ein vages Gefühl anzuführen, zumal das Bundesamt die Antragstellerin hier sogar noch aufgefordert hat, zu berichten „Was ist ihnen denn konkret passiert bis zur Ausreise?“. Es erschließt sich nicht ansatzweise, dass die Antragstellerin zwar ein Gefühl benennt, von Autos verfolgt worden zu sein, aber einen konkreten Vorfall, bei dem sie (tatsächlich) von einem Auto verfolgt worden sein will und bei dem sogar Männer versucht haben sollen, in das Auto zu gelangen, unerwähnt lässt.

Die von der Antragstellerin gegebenen Erklärungen für Ihre – wie eben aufgezeigt widersprüchlichen, erheblich gesteigerten und ungereimten – Ausführungen in der Antragserwiderung sind nicht überzeugend. Insoweit trägt sie zum einen vor, dass sie die Anhörung als belastend empfunden habe und sie stark unter den Ereignissen in Südafrika gelitten habe; dies habe psychische Auswirkungen auf die Antragstellerin. Ferner sei ihr bei der Bundesamtsanhörung nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden, ihr Verfolgungsschicksal in einem freien Sachvortrag zu schildern. Bei der Antragstellerin sei, nachdem sie zu den konkreten Gründen ihrer Ausreise aus Nigeria 2009 gefragt worden sei, der Eindruck entstanden, dass ihr auch im zweiten Teil der Anhörung zu den Ereignissen in Südafrika Fragen gestellt würden, auf die sie antworten solle. Dies überzeugt nicht. Zum einen ist die Antragstellerin in der Zeit von 13.25 Uhr bis 14.45 Uhr, also über einen Zeitraum von einer Stunde und zwanzig Minuten befragt worden und hatte damit genügend Zeit, alles Wesentliche zu ihrem Asylantrag vorzubringen. Auch während der Rückübersetzung in der Zeit von 13.15 bis 13.25 Uhr nutzte die Antragstellerin nicht die sich ihr bietende Gelegenheit, ihren Vortrag beim Bundesamt zu korrigieren oder zu ergänzen. Zu Beginn der Anhörung bestätigte sie zudem, dass sie keine gesundheitlichen Probleme hat, die der Anhörung möglicherweise entgegenstehen könnten. Ferner wurde die Antragstellerin unmittelbar vor der Anhörung nach § 25 AsylG (insbesondere vor der Anhörung zu ihrem Verfolgungsschicksal) bereits in der Zeit vom 12.40 Uhr bis 13.15 Uhr (Rückübersetzung von 13.15 Uhr bis 13.25 Uhr) zur Zulässigkeit des Asylantrages angehört; sie war damit bereits mit der Situation einer Anhörung beim Bundesamt vertraut. Entscheidend gegen die Überzeugungskraft der „ergänzenden“ Behauptungen spricht aber, dass die oben genannten, erheblichen und wesentlichen Widersprüche, Steigerungen und Ungereimtheiten, allesamt darauf beruhen, dass die Antragstellerin auf konkrete Fragen des Bundesamtes geantwortet hat bzw. sie nunmehr einen Vortrag erheblich steigert, den sie beim Bundesamt bereits erwähnt hat, der aber vom Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid insbesondere in Art oder Wiederholung der behaupteten Verfolgungshandlung als nicht gravierend gewertet worden ist. Dies ist oben bereits dargelegt worden, wie etwa folgende Aussagen der Antragstellerin. „Es gab dann Gerüchte, dass die Leute, welche die Petition unterschrieben haben, befragt werden sollten.“ Hier war von Seiten der Antragstellerin nichts zu hören, dass sie bereits persönlich auf die Petition angesprochen oder deshalb bedroht worden wäre. Selbst wenn man hier zu Gunsten der Antragstellerin unterstellen wollte, sie sei durch die Situation der Anhörung überfordert oder irritiert oder sie litte noch unter den Ereignissen in Südafrika, erklärt dies nicht, weshalb sie mit keinem Wort erwähnt hat, dass in ihrem Fall aus den vermeintlichen Gerüchten bereits konkrete Gespräche und Bedrohungen geworden sein sollen; selbst für jemanden, der aktuell nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist, liegt nichts näher, als in einem solchen Fall zunächst die Ereignisse zu schildern, von denen derjenige – hier die Antragstellerin – bereits konkret und unmittelbar betroffen war. Gleiches gilt etwa auch für die angebliche Verfolgung mit einem Auto. Beim Bundesamt möchte es nur ein vages Gefühl gewesen sei; nunmehr möchte sie konkret von zwei Männern verfolgt und angehalten worden sein und die Männer möchten sogar versucht haben, in das Auto zu gelangen. Auch hier erklärt sich, selbst wenn die Antragstellerin z.B. nervös oder von der Situation der Anhörung beim Bundesamt beeindruckt gewesen sein sollte, nicht ansatzweise, weshalb die Antragstellerin nur ein vages Gefühl benennt und nicht einmal andeutet, dass bereits einmal etwas konkret passiert sein möchte. Gerade dann, wenn die Antragstellerin bei der Bundesamtsanhörung in dem Zustand gewesen sein möchte, den sie nunmehr für sich reklamiert, wäre zu erwarten gewesen, dass sie die Ereignisse, die sie stärker betroffen haben und sich deshalb eher in das Gedächtnis einprägen, benennt und nicht nur allgemeine Vermutungen oder vage Gefühle anführt.

Ist die mit der Antragsbegründung ergänzte Verfolgungslegende der Antragstellerin nach alledem offensichtlich nicht glaubhaft, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Asylantrag (noch) nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet anzusehen ist. Denn jedenfalls liegen in Bezug auf diesen Vortrag die Voraussetzungen einer offensichtlichen Unbegründetheit nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, wonach ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Ausländer – wie hier – eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, sodass die Begründung für seinen Asylantrag offensichtlich nicht überzeugend ist (vgl. zur Zulässigkeit des „Austausches“ der Offensichtlichkeitsgründe: VG Wiesbaden, Beschluss vom 23. April 2024 – 4 L 353/24.WI.A – juris Rn. 28).

Für ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG ist weder im Hinblick auf Nigeria noch für den Staat Südafrika etwas ersichtlich. Ergänzend wird insoweit gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf die Gründe des angegriffenen Bescheides verwiesen.

Allerdings ist gleichwohl die aufschiebende Wirkung in Bezug auf die Abschiebungsandrohung anzuordnen, soweit diese auf den Staat Nigeria gerichtet ist. Dies folgt –wie dargelegt– zwar nicht daraus, dass der Antragstellerin Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz zu gewähren wäre oder ihr gegenüber in Bezug auf Nigeria Abschiebungsverbote bestehen würden. Die Antragstellerin ist allerdings Mutter dreier minderjähriger Kinder (K_____ und S_____) und ist verheiratet mit Herrn P_____ M_____; alle genannten Personen besitzen die südafrikanische Staatsangehörigkeit. Deren Asylantrag ist mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. März 2024 (Az.: 1_____) als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden; ihnen gegenüber ist eine Abschiebung nach Südafrika angedroht worden.

Der Europäische Gerichtshof hat zu der Norm des Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit Beschluss vom 15. Februar 2023 in der Rechtssache C-484/22 auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts entschieden: Art. 5 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist dahin auszulegen, dass er verlangt, das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen im Rahmen eines zum Erlass einer gegen einen Minderjährigen ausgesprochenen Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen, und es nicht genügt, wenn der Minderjährige diese beiden geschützten Interessen im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug dieser Rückkehrentscheidung geltend machen kann, um gegebenenfalls eine Aussetzung deren Vollzugs zu erwirken. Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG verwehrt es – so der EuGH – einem Mitgliedstaat, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne die relevanten Aspekte des Familienlebens des betreffenden Drittstaatsangehörigen zu berücksichtigen, die er geltend macht, um den Erlass einer solchen Entscheidung zu verhindern.

Gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes auch nur, wenn der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen.

Angesichts der dargestellten familiären Situation der Antragstellerin und namentlich vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Antragstellerin Mutter von drei minderjährigen Kindern ist, die die Staatsangehörigkeit Südafrikas haben und die deshalb und wegen der Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 19. März 2024 nach Lage der Dinge auch nur nach Südafrika abgeschoben werden dürfen, spricht vieles dafür, dass eine Abschiebung der Antragstellerin ebenfalls nur nach Südafrika erfolgen kann, da eine Abschiebung der Antragstellerin in einen anderen Staat und namentlich nach Nigeria zu einer Trennung der Mutter von ihren Kindern führen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.