Gericht | VG Cottbus 9. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.09.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 9 L 424/24 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0902.9L424.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | 123 VwGO §, 81 Abs. 3, 4 AufenthG §, 21 Schengen-Durchführungsübereinkommen Art., 6 VO (EU) 2016/399 Art. |
Eine Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kommt nur in Betracht, wenn der verspätete Antrag noch in einem Zusammenhang mit dem rechtmäßigen Voraufenthalt steht. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Zeit der Verspätung länger als der Zeitraum des rechtsmäßigen Voraufenthalts ist.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Der Hauptantrag der Antragstellerin,
im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin einen Aufenthaltstitel bis zur Geburt des Kindes bzw. bis zu einem Abbruch der Schwangerschaft zu gewähren,
sowie der mit Schriftsatz vom 2. August 2024 erhobene Hilfsantrag, mit dem sie wörtlich begehrt,
hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das „Schengenvisum“ der Antragstellerin bis zum 15. November 2024 zu verlängern
bleiben ohne Erfolg.
Dies gilt zunächst für den Hauptantrag, der der Sache nach auf vorläufige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist.
Der Antrag ist zwar statthaft. Hat ein Antrag auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis weder eine gesetzliche noch eine angeordnete Fiktionswirkung, die durch eine ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde beendet werden könnte, kommt vorläufiger Rechtsschutz nur nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Betracht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10. Oktober 2018 – OVG 3 S 64.18 – juris Rn. 5).
Eine Fiktionswirkung, die mit dem vorliegenden Eilrechtsschutzantrag wieder angeordnet werden könnte, ergibt sich zunächst nicht aus § 81 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetztes (AufenthG), wonach ein bisheriger Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gilt, wenn ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Dies greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die Antragstellerin im Zeitpunkt der Stellung des Antrags mit Schreiben vom 3. Juni 2024 schon nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels im Sinne dieser Norm war, der als fortbestehend gelten könnte, sondern im Besitz eines polnischen Visums der Kategorie D (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 12 S 389/21 – juris Rn. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.07.2014 - 2 M 23/14 – Rn. 11 juris; BVerwG, Urteil vom 19.11.2019 - 1 C 22.18 - juris Rn. 25).
Ebenfalls greift zu Gunsten der Antragstellerin nicht die Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt eines Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt, wenn er sich, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, im Zeitpunkt der Beantragung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Antragstellerin ist zwar im Besitz eines mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr versehenen bis zum 15. Oktober 2024 gültigen Visums. Hierbei handelt es sich aber – entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Annahme – nicht um ein sog. Schengenvisum sondern um ein nationales Visum der Republik Polen (Visum der Kategorie D). Dieses berechtigt die Antragstellerin bis zum Ablauf der Gültigkeit zunächst einmal lediglich zu einem rechtmäßigen längerfristigen Aufenthalt in der Republik Polen. Soweit es den Aufenthalt der Antragstellerin außerhalb der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland betrifft, berechtigt das polnische nationale Visum die Antragstellerin lediglich zu einem Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen (Art. 6 Absatz 1 Verordnung (EU) 2016/399; vgl. auch Artikel 21 Abs. 1 Schengen-Durchführungsübereinkommen). Vor dem Hintergrund aber, dass die Antragstellerin selbst vorträgt, seit Oktober 2023 unter der im Rubrum genannten Adresse in S_____zu wohnen, war der Aufenthalt der Antragstellerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei Antragstellung ersichtlich nicht mehr rechtmäßig und ist es im Übrigen auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht. Der Frage, ob der Aufenthalt auch deshalb nicht rechtmäßig war, weil die Antragstellerin bereits in Oktober 2023 in der Absicht eingereist war, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2019 - 11 S 21.18 - juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Februar 2021, a.a.O., juris Rn. 8), braucht deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden.
Eine Duldungsfiktion (§ 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) kommt vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Norm gilt, wird der Antrag verspätet gestellt, die Abschiebung als ausgesetzt. Vorliegend ist aber der Antrag nicht mehr als verspätet gestellt anzusehen. Erforderlich ist nämlich insoweit, dass der Antrag in innerem Zusammenhang mit dem zuvor rechtmäßigen Aufenthalt steht und dieser insbesondere in zeitlicher Nähe mit dem Ablauf der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels bzw. des rechtmäßigen Aufenthalts gestellt wird. Soweit insbesondere in der Kommentarliteratur vertreten wird, dass die Anwendung der Norm des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG „ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Verspätung“ erfolgen könne (vgl. hierzu: Bergmann/Dienelt/Samel, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 81 Rn. 44), so folgt die Kammer dem nicht. Die Bestimmung regelt den Anschlussaufenthalt an einen rechtmäßigen Aufenthalt. Nach ihrem Sinn, ein Privileg durch die Fiktion des geduldeten Aufenthalts zu gewähren, muss deshalb noch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der die Duldungsfiktion auslösenden Antragstellung und dem für die Fiktion ursächlichen rechtmäßigen Aufenthalt bestehen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25. April 2012 – 18 B 1181/11 – juris Rn. 34). Hierfür spricht auch der vom Gesetzgeber verwendete Begriff der Verspätung, der sprachlich bereits voraussetzt, dass zwei Umstände zueinander in einem konkreten zeitlichen Bezug stehen (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 27 L 1633/10 – juris Rn. 34). Die Gegenmeinung würde zudem dazu führen, dass Ausländer, die visumsfrei eingereist sind, zeitlich unbegrenzt durch einen nach Ablauf ihres Aufenthaltsrechts gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in den Genuss der Duldungsfiktion kämen, obwohl der legale Aufenthalt möglichweise schon mehrere Jahre nicht mehr bestanden hat (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 43). Bei der näheren Bestimmung der zeitlichen Grenze, bis zu der noch von einer Verspätung gesprochen werden kann, ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und die konkrete Situation zu berücksichtigen, in der sich der betreffende Ausländer befindet (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 44; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 16 L 742/11 – juris Rn. 6).
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die Antragstellerin den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erst im Juni 2024 und damit über 4 Monate nach Ablauf des 90-Tage-Zeitraums gestellt hat, während dessen ihr Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig gewesen sein dürfte. Unter diesen Umständen kann nicht mehr von einem verspäteten Antrag im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gesprochen werden, denn der Zeitraum der Verspätung, in dem sich ein Ausländer illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat und bei dem noch von einem inneren Zusammenhang mit dem vorhergehenden rechtmäßigen Aufenthalt ausgegangen werden könnte, kann jedenfalls nicht länger sein als der rechtmäßige Zeitraum, an den die (vermeintliche) Verspätung anknüpft. Dies ist bei der Antragstellerin aber ersichtlich der Fall, die sich – ausgehend von dem Vortrag der Antragstellerin: Oktober 2023 – seit einem (nicht näher ermittelbaren) Tag im Januar 2024 unrechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat und die sich bis zur Antragstellung auch nicht gegenüber den Ausländerbehörden offenbart hat. Dazu kommt im Fall der Antragstellerin, dass sie es selbst in der Hand gehabt hatte, im Zeitpunkt der Antragstellung für einen rechtmäßigen Aufenthalt Sorge zu tragen. Denn anknüpfend an einen legalen Erstaufenthalt von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen, hätte sie erneut legal in das Bundesgebiet einreisen können, wenn sie sich nach Ablauf des Erstzeitraums von 90 Tagen wieder nach Polen begeben hätte und sodann nach weiteren 90 Tagen wieder in das Bundesgebiet eingereist wäre.
Ist der Antrag nach § 123 VwGO nach alledem statthaft, so bleibt er dennoch ohne Erfolg. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache kommt nur dann in Betracht, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluss v. 21. Januar 1999 – 11 VR 8.98 – juris Rn. 5). Eine solche Ausnahme setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich summarischen Prüfung erkennbar Erfolg haben wird. Im Rahmen des Anordnungsgrundes muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, Beschluss v. 08. September 2017 – 1 WDS-VR 4.17 – juris Rn. 15).
So liegt der Fall aber hier. Die Antragstellerin erstrebt die vorläufige Erteilung eines Aufenthaltstitels bis zu der Geburt ihres Kindes (bzw. bis zu einem Abbruch der Schwangerschaft). Ihr würde damit wenn auch befristet bereits das gewährt, was ihr auch in einem Verfahren der Hauptsache erteilt werden könnte. Insoweit setzt ein Erfolg des Antrags voraus, dass die Antragstellerin die oben genannten strengen Voraussetzungen für einen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft macht.
Die Frage, ob vorliegend ein Fall der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt, kann im Ergebnis aber offen bleiben. Denn selbst bei Anlegung eines für die Antragstellerin günstigeren Maßstabs, hat die Antragstellerin jedenfalls einen Anordnungsgrund, nämlich eine besondere Eilbedürftigkeit für ihr Begehren, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin begründet die Dringlichkeit damit, dass der Vater des ungeborenen Kindes (Herr E_____) die Antragstellerin vor und nach der Geburt des Kindes unterstützen wolle, die Antragstellerin dessen Unterstützung wünsche und benötige und es der Antragstellerin nicht zumutbar sei, sich von dem Kindsvater räumlich zu trennen. Damit ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin befindet sich – anders als in dem Fall der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin – bereits in Deutschland und wohnt zusammen mit Herrn E_____ in einer Wohnung in S_____. In einem solchen Fall können etwaigen aus den Grundrechten folgenden Wirkungen für den Schutz der schwangeren Mutter, des ungeborenen Kindes und des Vaters auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die sich bereits in Deutschland aufhaltende Antragstellerin nicht abgeschoben und gegebenenfalls geduldet wird.
Art. 6 Abs. 1 GG begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt und damit auch keinen unmittelbaren Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Allerdings verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17. Mai 2011 – 2 BvR 1367/10 –, NVwZ-RR 2011, 585, 586; VG Cottbus, Beschluss v. 26. April 2018 – VG 3 L 17/17 –, n.v., m.w.N.).
Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Rechtlich unmöglich im Sinne dieser Norm ist eine Abschiebung, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden darf, wobei sich ein zwingendes Abschiebungshindernis außer aus einschlägigen Bestimmungen des Ausländergesetzes auch unmittelbar aus den Grundrechten ergeben kann (vgl. BVerwG, Urteil v. 4. Juni 1997 – BVerwG 1 C 9.95 –, BVerwGE 105, 35, 44). Im Hinblick auf die wertentscheidende Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG, nach der der Staat die Ehe und die Familie zu schützen und zu fördern hat, liegt ein zwingendes Abschiebungshindernis insbesondere dann vor, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch eine Ausreise zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urteil v. 9. Dezember 1997 – BVerwG 1 C 19.96 –, BVerwGE 106, 13, 17). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst namentlich die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12. Mai 1987 – BvR 1226/83 u.a. –, BVerfGE 76, 1, 42). Dabei schützt Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur eine bereits bestehende Elternschaft, sondern auch eine solche für ein noch ungeborenes Kind. Dies stellt einen Umstand dar, der unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und der Pflicht des Staates, sich gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 1 Abs. 1 GG schützend und fördernd vor den nasciturus zu stellen, aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses entfaltet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 03. September 2012 – OVG 11 S 40.12 – juris Rn. 23, m.w.N.). Dies gilt sowohl dann, wenn die Mutter des ungeborenen Kindes etwa bei einer Risikoschwangerschaft auf die Hilfe des Vaters angewiesen ist, als auch dann, wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung hinreichend sicher erwarten lassen, eine Rückkehr in die gemeinsame Heimat nicht möglich ist und eine (vorübergehende) Trennung der Eltern zu ihrem Kind zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens wegen der unmittelbar bevorstehenden Geburt nicht zumutbar ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16. Dezember 2014 – OVG 11 S 52.14, OVG 11 M 33.14 – juris Rn. 6).
Hiervon ausgehend würde es, damit der Staat und namentlich die für die Antragstellerin zuständige Ausländerbehörde den sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Bindungen gerecht wird, aber grundsätzlich genügen, die Antragstellerin (zunächst) bis zu dem Geburtstermin des Kindes zu dulden und die Antragstellerin nicht abzuschieben. Damit wäre, was die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag erreichen möchte, sichergestellt, dass es bis zu der Geburt des Kindes (erwarteter Geburtstermin: 19. Oktober 2024) nicht zu einer Trennung des Vaters von der Mutter und dem ungeborenen Kind kommt. Die Antragstellerin hat aber nichts dazu vorgetragen, weshalb in ihrem Fall die Erteilung einer Duldung bis zur Geburt des Kindes nicht ausreichend sein soll.
Es spricht nach der Lage der Dinge auch alles dafür, dass die Antragstellerin derzeit und auf absehbare Zeit zu dulden ist. Der Antragsgegner hat in dem den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheid vom 31. Juli 2024 keine Abschiebungsandrohung erlassen. Die Antragstellerin kann mangels Abschiebungsandrohung schon deshalb derzeit nicht (nach Polen oder Weißrussland) abgeschoben werden (zum Erfordernis einer Abschiebungsandrohung vgl. § 59 AufenthG) und ihr ist, da § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG der Ausländerbehörde kein Ermessen einräumt und das Aufenthaltsgesetz auch keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt lässt, schon bereits deshalb eine Duldung zu erteilen. Insoweit ist die Antragstellerin selbst dann zu dulden, wenn der Antragsgegner nach Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollte, die bevorstehende Geburt des Kindes begründe für sich genommen noch kein Abschiebungshindernis.
Bleibt nach alledem der Hauptantrag ohne Erfolg, so ist auch der Hilfsantrag, der dahingehend auszulegen ist, dass die Antragstellerin eine Verlängerung des bis zum 15. Oktober 2024 gültigen Visums der Kategorie D begehrt, abzulehnen. Die Antragstellerin hat auch insoweit jedenfalls einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da sie – wie dargelegt – derzeit nicht abgeschoben werden kann und zu dulden ist und deshalb auch nichts dafür ersichtlich ist, aus welchen Gründen sie dringend auf eine Verlängerung des polnischen Visums angewiesen ist; eine Trennung von dem zukünftigen Vater ihres ungeborenen Kindes droht derzeit nicht. Auf weitere Fragen kommt es daher nicht mehr an. Im Übrigen brächte eine Verlängerung des Visums wegen des bereits aufgebrauchten Zeitkontingents von 90 Tagen der Antragstellerin im Hinblick auf einen Aufenthalt bis zum Geburtstermin keinen Vorteil.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Kammer bewertet Haupt- und Hilfsantrag jeweils mit dem Auffangwert (vgl. Ziffer 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Eine Reduzierung des Streitwerts ist vorliegend nicht angezeigt, da die Antragstellerin mit ihren Anträgen im Kern bereits das begehrt, was sie auch in einer Hauptsache erreichen könnte.
Rechtsmittelbelehrung