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politische Partei, Landesverband, Girokonto, Kündigung, Eröffnung, Fortführung, Sparkasse, Verfassungswidrigkeit der Partei, verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit, öffentlich-rechtliche Streitigkeit, Ungleichbehandlung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 03.06.2024
Aktenzeichen OVG 3 S 15/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0603.OVG3S15.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 17a Abs 5 GVG, § 17a Abs 2 satz 1 GVG, § 40 Abs 1 Satz 1 VwGO, § 5 Abs 1 Satz 1 PartG , Art 21 Abs 1 GG

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. März 2024 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Geschäftsgirokonto des Antragstellers Nr. 6_____ vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache fortzuführen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, Landesverband einer Partei, eröffnete Anfang November 2023 bei der Antragsgegnerin, einer Sparkasse in Trägerschaft eines brandenburgischen Landkreises, ein Geschäftsgirokonto. Wenige Tage nach der Eröffnung kündigte die Antragsgegnerin den Girovertrag und erklärte dem widersprechenden Antragsteller, dass sie an der ordentlichen Kündigung zum 15. Januar 2024 festhalte, weil die Partei des Antragstellers als rechtsextremistisch anzusehen sei und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehne. Daraufhin hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Potsdam um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, das Geschäftsgirokonto vorläufig fortzuführen bzw. wiederzueröffnen. Der Antrag blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg verneint, soweit es um die Kündigung des Sparkassenvertrages gehe und den Antrag insoweit für unzulässig gehalten. Eine Überprüfung der Kündigung obliege nur den Zivilgerichten. Hinsichtlich der beantragten Wiedereröffnung hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg zwar bejaht. Es fehle jedoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, weil der Antragsteller nicht versucht habe, bei einem anderen Kreditinstitut ein Girokonto zu eröffnen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Beschwerde wendet sich zu Recht gegen die erstinstanzliche Auffassung, der einstweilige Rechtsschutz gegen die Kündigung – damit ist der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Fortführung des Kontos gemeint - sei als zivilrechtliche Streitigkeit mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) unzulässig. An diese Entscheidung ist der Senat nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 5 GVG gebunden, weil das Verwaltungsgericht den Antrag nicht ohne weiteres ablehnen durfte, sondern ihn gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das aus seiner Sicht zuständige Gericht des zuständigen Rechtswegs hätte verweisen müssen. Die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung nimmt zutreffend an, dass die in §§ 17 bis 17b GVG normierten Regelungen über die Verweisung gemäß § 173 Satz 1 VwGO auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zumindest entsprechend anwendbar sind (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 15. November 2000 – 3 B 10.00 – juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2023 – OVG 4 S 10/23 – juris).

Für den auf Verpflichtung der Antragsgegnerin gerichteten Antrag, das Geschäftsgirokonto vorläufig weiterzuführen, ist der Verwaltungsrechtsweg entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift handelt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist die wahre Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, und zwar unabhängig davon, ob sich der Kläger auf eine zivilrechtliche oder auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 – juris Rn. 8; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 40 Rn. 266).

Hier geht es – auch aus der Sicht des Antragstellers - maßgeblich darum, ob durch die ausgesprochene Kündigung und die fehlende Bereitschaft der Antragsgegnerin, das Girokonto des Antragstellers fortzuführen, das parteienrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG verletzt ist. Nach dieser Vorschrift sollen alle Parteien gleichbehandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Da die Regelung eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt begründet, ist sie dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Gemessen daran ist für den Streit zwischen einer politischen Partei und einer Sparkasse wegen der Eröffnung eines Girokontos, d.h. wegen des Zugangs zu der öffentlichen Einrichtung „Sparkasse“, der Verwaltungsrechtsweg gegeben, auch wenn das Vertragsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist (vgl. nur VGH Mannheim, Beschluss vom 7. November 2016 – 1 S 1386/16 – juris Rn. 4; OVG Münster, Beschluss vom 11. Mai 2004 – 8 E 379/04 – juris Rn. 11 ff.).

Nichts anderes gilt im vorliegenden Verfahren, obwohl es hier nicht um die Eröffnung, sondern um die Beendigung des Vertragsverhältnisses geht. Der Rechtsstreit zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin betrifft keine zivilrechtlichen Regelungen zur Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses im Sinne eines „Wie“ der Leistungsgewährung, sondern die Kündigung stellt sich hier als Kehrseite der öffentlich-rechtlichen Zulassungsentscheidung dar und ist damit ebenfalls verwaltungsrechtlicher Natur (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 S 435/22 – juris Rn. 26; VGH München, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 12 CE 12.2170 – juris Rn. 36). Die Antragsgegnerin stützt ihre Kündigung nicht auf eine zivilrechtliche Verletzung des Vertragsverhältnisses (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Mai 2015 – OVG 6 L 34.15 – juris Rn. 5), sondern sie hat sich in ihrem Schreiben vom 1. Dezember 2023 gegenüber dem Antragsteller darauf berufen, dass dessen Partei verfassungswidrige Ziele verfolge, die im Gegensatz zu den Wertvorstellungen einer Sparkasse stünden und dass der gute Ruf der Antragsgegnerin bei einer Fortsetzung der Geschäftsverbindung beeinträchtigt wäre. Diese Kündigungsgründe werfen die Frage nach einem aus dem parteienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 1 PartG abgeleiteten Anspruch auf Leistungsgewährung (erneut) auf. Dies gilt hier im Übrigen umso mehr, als die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Kündigung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kontoeröffnung steht, d.h. es liegt die Vermutung nahe, dass die Antragsgegnerin durch die Kündigung einen aus ihrer Sicht voreiligen Vertragsschluss korrigieren wollte. Ist nach alledem der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, hat der Senat über den Streitgegenstand unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 173 Satz 1 VwGO, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG).

Den von dem Verwaltungsgericht verneinten Anordnungsgrund musste die Beschwerde nicht schlüssig in Frage stellen. Die erstinstanzlichen Ausführungen hierzu beziehen sich allein auf die nicht entscheidungserhebliche (nachrangig begehrte) Wiedereröffnung des Kontos, für die der angegriffene Beschluss den Verwaltungsrechtsweg bejaht hat. Da sich das Verwaltungsgericht in Bezug auf die primär begehrte Verpflichtung zur Fortführung des Kontos („Kündigung“) darauf beschränkt hat, eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zu verneinen und die Beschwerde dem mit Erfolg entgegengetreten ist, hat der Senat als Beschwerdegericht insoweit umfassend und ohne Beschränkung auf das fristgerechte Beschwerdevorbringen nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2020 – OVG 3 S 36/20 – juris Rn. 7 m.w.N.). Das ist nach § 123 Abs. 1 VwGO der Fall, denn der Antragsteller hat insoweit sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.

Allerdings lässt sich ein Anordnungsanspruch nicht auf § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG stützen, der Träger öffentlicher Gewalt zur Gleichbehandlung politischer Parteien verpflichtet und damit deren durch Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Chancengleichheit konkretisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2018 – 6 C 2.17 – juris Rn. 32). Die Vorschrift begründet keine voraussetzungslose Verpflichtung zur Gewährung öffentlicher Leistungen an politische Parteien, sondern vermittelt nur einen Gleichbehandlungsanspruch, der davon abhängt, dass der Träger öffentlicher Gewalt anderen Parteien die gleiche Leistung gewährt. Der Anspruch steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, demjenigen Teilverband zu, auf dessen Ebene der öffentlich-rechtliche Träger bereits die Leistungen gewährt (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. November 2018 – 6 C 2.17 – juris Rn. 32 und – 6 C 3.17 – juris Rn. 31).

Danach hat der Antragsteller keine anspruchsbegründende Ungleichbehandlung glaubhaft gemacht. Er kann sich als Landesverband einer politischen Partei und somit als Gebietsverband einer anderen Ebene nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsgegnerin bereits für einen Kreisverband und einen Ortsverband anderer Parteien Girokonten führt. In Bezug auf Landesverbände hat die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren erklärt, nach ihrem Wissen und Durchsicht der Konten verfüge mit großer Wahrscheinlichkeit kein Landesverband einer Partei über ein Konto bei ihr. Dieser nachvollziehbaren Erklärung, die gegen eine Ungleichbehandlung spricht, setzt der Antragsteller nichts Substantiiertes entgegen. Nichts anderes folgt aus dessen Einwand, es handele sich bei ihm als Landesverband um den Gebietsverband der niedrigsten Stufe mit selbständiger Kassenführung, weil die in der Satzung seiner Partei vorgesehene Möglichkeit einer Gliederung in Kreisverbände bislang nicht umgesetzt sei. Die Bestimmung der zu vergleichenden Berechtigten hat sich – auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - allein an objektiven Kriterien zu orientieren, sodass es nur auf die formale Zugehörigkeit des Teilverbandes zu einer bestimmten Ebene ankommt. Es fällt grundsätzlich nicht in die Kompetenz der Sparkasse, eine von der formalen Zuordnung abweichende qualitative Bewertung der jeweiligen Untergliederung vorzunehmen.

Ein Anordnungsanspruch ergibt sich jedoch daraus, dass sich der Antragsteller auf die aus dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 4 GG folgende Sperrwirkung (sog. Parteienprivileg) berufen und geltend machen kann, die Antragsgegnerin habe den Girovertrag nicht mit der Begründung kündigen dürfen, der Antragsteller bzw. seine Partei verfolge verfassungswidrige Ziele, solange das Bundesverfassungsgericht nicht deren Verfassungswidrigkeit festgestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 – XI ZR 403/01 – juris LS 3 und Rn. 21 ff.). Bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ist ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei mit der Begründung, diese sei verfassungswidrig, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvE 1/75 – juris Rn. 16; Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 BvE 11/12 – juris Rn. 19; Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 526). Dass der Verband des Antragstellers die Merkmale des Parteibegriffs nach § 2 Abs. 1 PartG und Art. 21 GG erfüllt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Partei ist u.a. für die Bundestagswahl 2021 zugelassen worden und der Landeswahlausschuss Brandenburg hat die Parteieigenschaft für die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 bejaht.

Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls glaubhaft gemacht. Anders als bei einem Streit um die verweigerte Girokontoeröffnung muss der Antragsteller bei der Kündigung eines bereits bestehenden Girovertrags nicht glaubhaft machen, ohne Erfolg versucht zu haben, die ihm drohenden wesentlichen Nachteile durch Eröffnung eines Kontos bei einer anderen Bank abzuwenden. Ebenso wenig kann er vorrangig auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Der Antragsteller hat im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass er als Landesverband seiner Partei – insbesondere für die Entgegennahme von Spenden – auf die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr angewiesen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).