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Entscheidung 10 U 30/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 16.09.2022
Aktenzeichen 10 U 30/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0916.10U30.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16. April 2021, Az. 1 O 298/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
  2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Der Kläger erwarb am … … 2016 von der Autohaus A… GmbH & Co. KG ein Gebrauchtfahrzeug Mercedes-Benz Sprinter 316 CDI zum (Brutto-)Kaufpreis von 29.500 €. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit einem von ihr entwickelten Dieselmotor der Baureihe OM 651 EU 5 ausgestattet. Das Fahrzeug ist von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) betroffen. Mit der Klageschrift vom 18. August 2020 hat er den Rücktritt vom Vertrag erklärt.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte verwende in ihren Fahrzeugen unterschiedliche unzulässige Abschalteinrichtungen, so auch in dem streitgegenständlichen. Erst durch diese Einrichtungen halte das Fahrzeug die maßgeblichen gesetzlichen Abgasgrenzwerte im Prüfstand ein. Bei den unzulässigen Abschalteinrichtungen handele es sich um eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, bei der sich bei einem Warmstart ein deutlich höherer Schadstoffausstoß als beim Kaltstart zeige. Die Beklagte habe auch das streitgegenständliche Fahrzeug so kalibriert, dass eine Software-Funktion den Kühlkreislauf auf dem Prüfstand künstlich kälter halte und dadurch weniger Schadstoffe ausstoße, so dass die Grenzwerte nur bei einem Kaltstart eingehalten würden. Die KSR erkenne den Prüfstand dabei durch eine spezifisch geringe Drehzahl und den geringen Luftmassenstrom.

Das werde auch durch ein vom Landgericht Stuttgart in dem Verfahren 27 O 230/18 eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Dr. H... vom 12. November 2020 belegt (Anlage BK 2 Bl. 482 ff.d.A.).

Auch verfüge das Fahrzeug über ein Thermofenster, das die Abgasrückführung bei Temperaturen, die nicht den im Prüfstand herrschenden Temperaturen von 20 bis 30 Grad Celsius entsprächen, verringere, so dass die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von reduziert sei. Dadurch weise das Fahrzeug auf dem Prüfstand besonders günstige Abgaswerte auf.

Ihm stehe danach ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Vertrag sowie wegen einer sittenwidrigen Schädigung nach §§ 826, 31 BGB sowie wegen Betruges über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB zu.

Die Beklagte hat zur Begründung der beantragten Klageabweisung vorgebracht, es könne schon deshalb keine sittenwidrige Schädigung vorliegen, weil die vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen sowohl im Prüfstand als auch im Straßenbetrieb gleichermaßen zur Anwendung kämen. Die Steuerung der Abgasrückführung, von dem Kläger als „Thermofenster“ bezeichnet, müsse insbesondere zum Schutz des Motors temperaturabhängig gesteuert werden. Die Funktion der Kühlmittel-Sollemperaturregelung (im Folgenden: KSR) hänge ebenfalls nicht von einer wie auch immer gearteten Prüfstandserkennung ab. Darüber hinaus scheitere die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auch an der Tatbestandswirkung der für das Fahrzeug unstreitig erteilten Typengenehmigung. Die Beklagte hat sich zudem auf die Verjährung von etwaigen Ansprüchen berufen; vertragliche Ansprüche bestünden schon nicht im Hinblick darauf, dass der Kläger nicht von der Beklagten erworben habe.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Schadensersatz gegen die Beklagte. Er habe zudem nicht hinreichend substantiiert vorgebracht, dass die vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen prüfstandsbezogen seien. Damit fehle es auch an einer sittenwidrigen Täuschung durch die Beklagte.

Hiergegen richtet sich die mit dem Ziel der Klagestattgabe eingelegte Berufung des Klägers mit der er Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung begehrt. Das Landgericht habe die Substantiierungsanforderungen überspannt. Die Beklagte habe gesetzeswidrige Abschalteinrichtungen zum Zwecke der Gewinnmaximierung genutzt. Auch habe der Kläger im Rahmen seiner möglichen Kenntnisse umfassend zu den Abschalteinrichtungen vorgetragen. Die Beklagte müsste deshalb im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast weiter vortragen und Beweise anbieten, insbesondere auch zu dem Vortrag, sie habe das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) über sämtliche Abschalteinrichtungen unterrichtet.

Der Kläger beantragt sinngemäß:

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 16. April 2021 (Az. 1 O 298/20) zu erkennen:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Schadensersatz i.H.v. 23.580,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. August 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz Sprinter 316 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W… .

  2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Mercedes-Benz Sprinter 316 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W… seit dem ... … 2020 in Annahmeverzug befindet.

  3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 617,35 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. August 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Die Berufung sei schon unzulässig, jedenfalls aber nach der inzwischen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung als unbegründet zurückzuweisen. Es fehle schon an hinreichendem Vortrag zur sittenwidrigen Schädigung. Das Thermofenster verbessere das Emissionsverhalten im Fahrbetrieb auf der Straße bei einem erheblichen Anteil der Fahrten, so dass es an der erforderlichen Prüfstandsbezogenheit fehle. Gleiches gelte für die KSR, die das KBA in dem vorliegenden Fahrzeug nicht bemängelt habe. Der Kläger habe weder eine prüfstandsbezogene Funktion dargelegt noch sich mit ihrem, der Beklagten, umfangreichen inhaltlichen Vorbringen auseinandergesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.

II.

Nach einstimmiger Überzeugung des Senats hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Allerdings genügt die Berufungsbegründung entgegen der Auffassung der Beklagten (noch) den Ansprüchen an eine Berufung. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, ZIP 2003, 1554, juris Rn. 16 ff. m.w.N.). Das ist vorliegend der Fall. Zwar ist der Vortrag des Klägers im Rechtsstreit ersichtlich durch die Aneinanderreihung von Textbausteinen geprägt, die sich nicht immer widerspruchslos in den sonstigen Vortrag des Klägers einfügen lassen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2021 – VII ZB 39/20 –, Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - VI ZB 7/20 Rn. 7 m.w.N., WM 2020, 1945; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17 Rn. 10, NJW 2018, 2894). Dies zu Grunde gelegt, wird aus der Berufungsbegründung hinreichend deutlich, dass sich der Kläger gegen die Klageabweisung insbesondere wegen der fehlenden vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung wendet.

Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Ein Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB besteht nicht gegen die Beklagte. Gemäß § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. In analoger Anwendung von § 31 BGB haftet eine juristische Person für einen Schaden, den ein Mitglied ihres Vorstandes bzw. ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die EG-Typgenehmigung Tatbestandswirkung entfaltet und damit die Annahme ausschließt, die gerügten Einrichtungen seien unzulässige Abschalteinrichtungen. Denn es fehlt jedenfalls an der Sittenwidrigkeit.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. Juli 2015 - VI ZR 463/14, MDR 2015, 1363; BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90, NJW 1992, 3167; BGH, Urteil vom 24. September 1991 - VI ZR 293/90, NJW 1991, 3282).

Hiervon ausgehend handelt ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16-27). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 ZIP 2020, 1179 Leitsatz 1 und Rn. 23, 25).

a) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, in seinem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen in Form eines Thermofensters oder einer KSR verbaut, reicht dies nach den vorstehenden Maßstäben nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein objektiv sittenwidriges Gepräge zu geben. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 16, ZIP 2021, 297; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 26, VersR 2021, 661). Vielmehr setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 223/20 –, Rn. 12, juris; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 19, ZIP 2021, 297; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 28, VersR 2021, 661).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Rückruf durch das KBA erfasst ist. Allerdings müssen selbst bei Vorliegen eines verpflichtenden Rückrufs noch weitere Umstände hinzutreten, um eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB auszulösen; nämlich solche, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14, beck-online). Solche weiteren Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen.

b) Zwar kann eine Prüfstandsbezogenheit einer unzulässigen Abschalteinrichtung den Rückschluss auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 u.a., BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 27, VersR 2021, 661; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 18, ZIP 2021, 297). Die Prüfstandsbezogenheit ist eines der wesentlichen Merkmale, nach denen die den sogenannten Abgasskandal auslösende, von der Volkswagen AG im Motortyp EA 189 verwendete Manipulationssoftware nicht nur eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, sondern die deutlich höheren Anforderungen an eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfüllen kann (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online). Greifbare Anhaltspunkte für solche Prüfstandsbezogenheit der vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen sind für das gegenständliche Fahrzeug jedoch ebenso wenig wie sonstige auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung hindeutende Umstände dargelegt.

aa) Der von dem Kläger hinsichtlich des Thermofensters bemängelte Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei kühleren Temperaturen zurückgefahren werde, wobei eine signifikante Reduktion erfolge, reicht für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben, da er nicht auf eine Prüfstandserkennung hindeutet (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 –, Rn. 13, juris). Die behauptete Funktionsweise des Thermofensters führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern das Thermofenster arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Bei dieser Sachlage hätte sich die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten durch die Implementation des Thermofensters nur dann fortgesetzt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Hierfür ist nichts vorgetragen.

Dem vom Kläger in Bezug genommenen Messungen der Emission Analytic Limited lässt sich eine Prüfstandserkennung ebenso wenig entnehmen wie dem Bericht der DUH vom 13. Juni 2019 sondern lediglich die Tatsache, dass der Stickstoffausstoß im normalen Straßenverkehr höher ist als auf dem Prüfstand. Dies ist aber sowohl unstreitig als auch selbstverständlich und kein Anzeichen für eine Sittenwidrigkeit, weil die Bedingungen bei einer - zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht vorgesehenen - Realfahrt andere sind als auf dem Prüfstand. Dieser Umstand hat auch dazu geführt, dass mit der Verordnung (EU) 2016/427 für eine Übergangszeit „Übereinstimmungsfaktoren“ eingeführt worden, die der Differenz zwischen den normalen Betriebsbedingungen und dem Prüfstand Rechnung tragen.

bb) Der Senat kann auch offenlassen, ob ein exaktes Zuschneiden einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf die Bedingungen im Prüfstand ein hinreichendes Indiz für sittenwidriges Handeln darstellen könnte (vgl. ebenfalls offenlassend BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 20, juris). Denn ein solches exaktes Zuschneiden ist ebenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Daher kommt das Thermofenster schon nach dem Vortrag des Klägers sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb zur Anwendung.

cc) Ebenso wenig sind im Hinblick auf die KSR greifbare Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung vorgetragen. Der Kläger hat dazu im Wesentlichen vorgebracht,dass die KSR den Prüfzyklus erkenne und dann die Kühlflüssigkeit ungeachtet der Versottungsrisiken so stark kühle, dass aufgrund der verminderten Verbrennungstemperatur so wenige Stickstoff entstünden, dass das Fahrzeug die geltenden Grenzwerte einhalte. Diese Kühlregelung werde außerhalb der Bedingung des Neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgeschaltet. Maßgeblich sei hierfür die Konditionierung des Fahrzeugs, welche durchgeführt werde, bevor das Fahrzeug unter den Bedingungen des NEFZ geprüft werde.

Dieses Vorbringen ist infolge Unschlüssigkeit unbeachtlich. Zwar kann die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden indizieren (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online). Der Kläger hat eine solche von der Beklagten bestrittene Prüfstandserkennung jedoch ebenso wenig dargelegt, wie sie dem Vortrag der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge nicht über die Funktion einer geregelten KSR entgegengetreten ist.

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist zwar bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvR 1819/10 –, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, ZIP 2020, 486 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat (BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, VersR 1995, 433, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, ZIP 2020, 486 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - IV ZR 319/16, VersR 2018, 890 Rn. 17). Allerdings ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei dann unbeachtlich, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvR 1819/10 –, Rn. 15, juris).

Nach den vorstehenden Maßstäben ist die Behauptung des Klägers, die KSR werde über eine Prüfstandserkennung gesteuert, ohne greifbare Anhaltspunkte und damit unbeachtlich aufgestellt. Es ist schon nichts dazu vorgetragen, dass eine solche Prüfstandserkennung im vorliegenden Fahrzeug auch tatsächlich zur Anwendung kommt (vgl. OLG München, Urteil vom 20. August 2021 – 20 U 3366/19 –, Rn. 33, juris). Allein die Bezugnahme auf den Motor OM 651 des gegenständlichen Fahrzeugs ersetzt keine konkreten Darlegungen zur vermeintlichen Verwendung einer Prüfstandserkennung, weil nicht sämtliche Modelle einer Baureihe mit identischen Daten ausgestattet werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Februar 2021 – 7 U 68/20 –, Rn. 57, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 8. Februar 2021 – 12 U 471/20 –, Rn. 91, juris); unstreitig und gerichtsbekannt hat das KBA die KSR nur in manchen Fällen beanstandet, in anderen nicht. Es wird vielmehr danach differenziert, ob die beanstandete Funktion für die Einhaltung der Grenzwerte überhaupt von Bedeutung ist, was vorliegend mangels substantiierten Vortrags eines verpflichtenden Rückrufs nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 – VII ZR 424/21, BeckRS 2022,7010, Rn. 40). So hat das Oberlandesgericht Stuttgart nach Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt, dass hinsichtlich der KSR in einem Motor des Typs OM 651 gerade keine Prüfstandserkennung vorliege (Urteil vom 11. Dezember 2020 - 3U 101/18, juris Rn. 34 ff.). Auch dem Vortrag, die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe im Jahr 2017 gegen die Beklagte wegen möglicher Abschalteinrichtungen zu den Motortypen OM 651 und OM 642 ermittelt, lässt sich kein Bezug zu einer Prüfstandserkennung entnehmen. Damit ist insbesondere die schlichte Behauptung, der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs enthalte eine vergleichbare Manipulationssoftware wie die den sog. Dieselskandal auslösende Abschalteinrichtung bei Motoren des Typs VW EA 189 ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 286/20 –, Rn. 27, juris).

Insoweit ist auch die Heranziehung des - nicht vorgelegten, dem Senat jedoch aus Parallelfällen bekannten - Gutachtens des Sachverständigen Dr. H... vom 12. November 2020 zu einem Verfahren 27 O 230/18 vor dem Landgericht Stuttgart erfolglos, mit dem unzulässige Abschalteinrichtungen in einem von der Beklagten hergestellten Fahrzeug untersucht werden sollten. Das Gutachten bezieht sich auf ein Fahrzeug E 250 CDI EU 5, während vorliegend ein Fahrzeug vom Typ Sprinter CDI betroffen ist. Damit ist schon nicht ersichtlich, dass die vom Sachverständigen vor dem Landgericht Stuttgart untersuchte Software auch im vorliegenden Fahrzeug eingesetzt ist (vgl. ausdrücklich auch in Bezug auf das Gutachten zu 27 O 230/18 vor dem LG Stuttgart: BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – VII ZR 179/21 –, Rn. 25, juris; sowie Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Februar 2021 – 7 U 68/20 –, Rn. 55, juris; BGH, Hinweisbeschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21, juris Rn.25).

Auch der von dem Kläger zitierte Sachverständige Dr. H... ist in seinem Gutachten für das Landgericht Stuttgart bei einer Auswertung der Motorsteuerungssoftware nicht etwa zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Abhängigkeit der Funktion von einer Prüfstandserkennung vorliege, sondern nur, dass ein De-Aktivierungskriterium, nämlich die Überschreitung einer Motordrehzahl von 1500 U/min für mehr als 5 Sekunden, schon beim „ersten normalen Anfahren“ verwirklicht sei. Eine Abhängigkeit der Funktion von dem Erkennen der sog. Vorkonditionierung hat auch dieser Sachverständige nicht bestätigt; auch sonst ist eine solche Abhängigkeit nirgends beschrieben worden (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21, juris Rn.25). Überdies zeigt die genauere Betrachtung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H..., dass die von dem Kläger für seinen Standpunkt in Anspruch genommene Aussage dieses Sachverständigen auf einer von ihm selbst eingeräumten fehlerhaften Darstellung des Kennfelds der Motorsteuerung beruht. Der ursprünglichen Darstellung des Kennfelds (S. 2 des Gutachtens vom 12. November 2020) könnte zwar entnommen werden, dass bei Motordrehzahlen oberhalb von 1500 U/min keine Sollwertabsenkung erfolgt. Diese Darstellung des Kennfelds hat der Sachverständige jedoch selbst als unplausibel erkannt - was sich an den beiden rechten Spalten des Kennfeldes zeigt -, während bei einer Vertauschung der Kennfeldachsen die Unplausibilität verschwindet. Das sich dann ergebende Kennfeld (dargestellt auf S. 3 des Gutachtens) zeigt aber, dass auch noch bei Motordrehzahlen von 2500 U/min bis zu einem bestimmten Luftmassenstrom die Sollwertabsenkung vorgesehen ist. Diesen Umstand hat der Sachverständige Dr. H... bei seiner Aussage zur angeblichen Prüfstandserkennung unberücksichtigt gelassen (OLG Nürnberg 14.06.2021 – 5 U 144/20 Beck online Rn. 30). Abgesehen davon, dass die Aussagen des Gutachters Dr. H... sich auf ein anderes Fahrzeug beziehen, liefert jedenfalls sein Gutachten keinen Anhaltspunkt für die Behauptung des Klägers, die zur Emissionsminderung eingesetzte Regelung werde nur auf dem Prüfstand aktiv, nicht aber im Realbetrieb.

Hinzu kommt, dass der Sachverständige Dr. H... auf S. 4 seines Gutachtens ausführt: „Ob die hier beschriebene Absenkung der Kühlmittelsolltemperatur auch im normalen Fahrbetrieb auftreten kann, oder ob, umgekehrt, die Umschaltung auf die normale Kühlmittelsolltemperatur beim NEFZ möglich ist, kann ein Kfz-Sachverständiger besser beurteilen.“ Damit lässt sich dem Gutachten nichts dazu entnehmen, ob die KSR eine Prüfstandserkennung aufweist, (vgl. verneinend OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. September 2021 – 6 U 13/20 –, Rn. 104, juris). Dasselbe gilt für das Gutachten des Dr. H... vom 26. Juli 2021 (BK 2,482 ff.), in dem dieser feststellt, dass die „Teststandserkennung“ nur aktiv ist, wenn die Umgebungstemperatur zwischen 15 und 35° und die Ansauglufttemperatur zwischen 15 und 50° liegt, d. h. bei Werten weit jenseits des NEFZ.

Auch insoweit der Kläger zu den Feststellungen des Prof. Dr. E… in einem vom Landgericht Ellwangen – 2 O 507/19 - eingeholten Gutachten (K 27, Blatt 507 ff.) vorträgt, fehlt es an einem Vortrag sowie Beweisantritt dazu, dass auch im Fahrzeug des Klägers solche „Abschalteinrichtungen“ vorhanden und aktiv sind, zumal es sich um einen anderen Fahrzeugtyp handelt. Zudem ist ein Prüfstandsbezug jeweils nicht dargelegt und erkennbar. In seinem Fazit auf S. 47 des Gutachtens führt der Sachverständige aus: „Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich die Messergebnisse im Modus „Rollentest“ signifikant von denen im Straßenmodus unterschieden. Bei gleichen Start- und Umgebungsbedingungen verhielten sich die Kühlwassertemperatur und die AGR-Ventilposition in jeweils gleichen Vorbedingungen ebenfalls gleich. […] Es wurde eine Ansteuerung des geregelten Kühlwasserthermostats festgestellt, sofern die Umgebungstemperatur größer oder gleich 17° betrug und das Kühlwasser zu Beginn der Messfahrt ebenfalls größer oder gleich 17° und nicht größer als 50° war.“ Dass damit auf den NEFZ zugeschnittene Mechanismen installiert worden sind, die zur Folge haben, dass eine der von dem Sachverständigen beschriebenen „Abschalteinrichtungen“ so konzipiert war, dass nur auf dem Prüfstand, nicht jedoch im Realbetrieb die NOx-Grenzwerte eingehalten wurden, ergibt sich daraus nicht. Vielmehr führt der Sachverständige aus, dass die KSR regelmäßig bei Kaltstart aktiv ist, nicht nur im NEFZ.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann im Übrigen offenbleiben, ob der Kläger nicht auf das im Laufe des Rechtsstreits weiter detaillierte Vorbringen der Beklagten zur Funktionsweise der KSR ohnehin gehalten gewesen wäre, seinen Vortrag zu vertiefen und sein Vorbringen auch aus diesem Grund unschlüssig ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 –, Rn. 17, juris).

dd) Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters oder der KSR gegenüber dem KBA folgen keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte dabei - nach den einschlägigen Vorschriften auch erforderliche - Angaben zu den Einzelheiten von Thermofenster und KSR unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14), zumal im Zeitpunkt der Typgenehmigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs Angaben zu Abschalteinrichtungen im Genehmigungsverfahren nicht verpflichtend waren. Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, liegen danach nicht vor (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 286/20 –, Rn. 26, juris; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 24, ZIP 2021, 297; siehe auch BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – VII ZR 50/21 –, Rn. 21, juris).

Sonstige Umstände, welche den Einsatz vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen als besonders verwerflich erscheinen lassen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr spricht die hinsichtlich der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen ohnehin unsichere Rechtslage, die insbesondere zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung für das hier gegenständliche Fahrzeug bestand, gegen die Annahme eines sittenwidrigen Gebarens. Denn eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038). Entgegen der Auffassung des Klägers war die Frage der Zulässigkeit der behaupteten Abschalteinrichtungen vorliegend jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung auch nicht eindeutig und unzweifelhaft zu beantworten. Denn die in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 vorgesehenen Ausnahmen von dem Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen weisen nur ein geringes Maß an Bestimmtheit auf und waren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (C-693/18 – NJW 2021, 1216) durch die Rechtsprechung wenig konkretisiert.

ee) Da der Kläger auch im Übrigen keine Indizien vorgetragen hat, die eine sittenwidrige Schädigung durch einen Einsatz des Thermofensters und der KSR belegen könnten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online), steht ihm unter diesen Gesichtspunkten kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte zu.

2. Vertragliche Ansprüche oder solche aus vorvertraglicher Haftung (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB) scheiden mangels rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Beziehungen zwischen den Parteien aus (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 34, juris). Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat und sich auch aus dem vorgelegten Kaufvertrag ergibt, hat der Kläger das Fahrzeug nicht von der Beklagten erworben. Im Übrigen wären Gewährleistungsansprüche, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, verjährt.

3. Die Beklagte haftet auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Wie der BGH in seinen Urteilen vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19 Rn. 72 ff., BGHZ 225, 316) und 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20 Rn. 10 ff., ZIP 2020, 1715) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen (siehe auch BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 35 - 36, juris und Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 733/21, BeckRS 2022,14779, Rn.1).

Daran hält der Senat auch im Hinblick auf die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache C-100/21 (Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg) fest (vgl ausdrücklich auch unter Berücksichtigung der Schlussanträge vom 2. Juni 2022: OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2022 – 27 U 1635/22 –, Rn. 1, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. Juli 2022 – 2 U 3838/21 –, Rn. 23, juris; OLG München, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 8 U 1671/22, Rn. 26 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 – 16 U 260/20 –, Rn. 77, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 – 24 U 115/22 2c; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Juni 2022 – 7 U 386/22 –, Rn. 4, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 15 U 2169/21 –, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Juni 2022 – 3 U 77/22 –, Rn. 52, juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Juni 2022 – 16 U 51/22 –, Rn. 9, juris). Auch wenn unterstellt wird, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist, besagt dies jedoch nichts für die hier interessierende Frage, ob damit auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll. Es sind auch im vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den vorgenannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn.11; Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 733/21 Beck RS 2022,14779, Rn.14). Die EG-Übereinstimmungserklärung soll den Käufer nicht dagegen schützen, dass der Hersteller seiner Verpflichtung, Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, die den geltenden Unionsvorschriften entsprechen, nicht nachkommt, sondern soll im Gegenteil den Käufer eines Fahrzeugs davor schützen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats ihm die Zulassung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrzeugs mit der Begründung verwehren, dass das Fahrzeug der Typgenehmigung bzw. der Verordnung Nr. 715/2007 nicht entspricht. Erst die Übereinstimmungsbescheinigung macht das Fahrzeug in allen Mitgliedstaaten verkehrsfähig, ohne dass der zulassende Staat eine erneute Typgenehmigung verlangen könnte.

Es bedarf deshalb weder einer Aussetzung entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung durch den EuGH, noch einer Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH.

4.

a) Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert bei dem hier vorliegenden Kauf eines Gebrauchtwagens jedenfalls an der erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 17 ff., ZIP 2020, 1715; BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 40, juris).

b) Darüber hinaus scheitert ein Anspruch des Klägers aus § 831 BGB i.V.m. § 826 BGB am Fehlen einer zumindest bedingt vorsätzlichen Schädigungshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 40, juris).

5. Mangels eines begründeten Hauptsacheanspruchs besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs.

Der Senat ist des Weiteren einstimmig davon überzeugt, dass auch die übrigen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen und auch der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus einem anderen Grund geboten.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf bis 25.000 € festzusetzen.