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Entscheidung 1 O 384/19


Metadaten

Gericht LG Cottbus Einzelrichter Entscheidungsdatum 21.10.2022
Aktenzeichen 1 O 384/19 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2022:1021.1O384.19.00
Dokumententyp Teilurteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die Klage wird im Hinblick auf die Klageanträge zu Ziff. 1, Ziff. 2, Ziff. 3 und Ziff. 5 abgewiesen.

  2. Die Kostengrundentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 16.01.2008 zum Aktenzeichen 63 IN 285/07 über das Vermögen des Beklagten zu 2) eröffneten Insolvenzverfahren. Die Beklagten waren zum Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung verheiratet. Sie sind es bis heute.

Die Beklagten bewohnten und bewohnen das seit dem ……………………… im Alleineigentum des Beklagten zu 2) stehende, mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Cottbus, Gemarkung ………………………, Flur …, Flurstück ….., Gebäude- und Freifläche, ………………………, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis heute als Ehewohnung. Zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung wurden die Beklagten seitens des Klägers jedenfalls seit Verfahrenseröffnung im Jahr 2008 bis zum Jahr 2016 nicht aufgefordert. Dem Beklagten zu 2) wurde aus der Insolvenzmasse kein Unterhalt gewährt.

Da im laufenden Insolvenzverfahren für den Beklagten zu 2) eine Restschuldbefreiung nicht zu erreichen war, wandte sich der Beklagte zu 2) Anfang 2017 an den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, damit dieser mit dem Kläger eine Klärung der Frage der Immobiliennutzung, des Immobilieneigentums und der weiterhin gegenüber den Insolvenzgläubigern bestehenden Verbindlichkeiten erreichen und das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss bringen konnte. Nichtsdestotrotz konnte das Verfahren nicht beendet werden.

Der Kläger meint, ihm stünde für die unentgeltliche Nutzung des in den Insolvenzbeschlag fallenden Grundstücks durch die Beklagten zu 1) ein Nutzungsentschädigungsanspruch jedenfalls seit 2016 bis zur Beendigung der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte zu 1) aus §§ 987, 988 BGB bzw. aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 5 EUR je Quadratmeter Nutz- und Wohnfläche, die sich im Falle des streitgegenständlichen Grundstücks, so behauptet er, jedenfalls nicht auf unter 170 Quadratmeter belaufe, zu. Im Übrigen sei die Beklagte zu 1) zur Herausgabe des Grundstücks verpflichtet.

Mit seiner der Beklagten zu 1) am 18.02.2020 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung im Hinblick auf die unentgeltliche Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks für das Jahr 2016 in Höhe von 7.800,00 EUR sowie die Feststellung, dass die Beklagte zu 1) eine solche Entschädigung seit 2016 jährlich schulde, begehrt. Sodann hat er mit Schriftsätzen vom 12.10.2021 (Bl. 92 d.A.) und vom 09.11.2021 (Bl. 93 d.A.) die Klage dahin erweitert, dass er nunmehr sowohl von der Beklagten zu 1) als auch von dem Beklagten zu 2) Räumung und Herausgabe des streitbefangenen Grundstücks nebst Einfamilienhaus verlange. Die mit Schriftsatz vom 09.11.2021 erfolgte subjektive Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2) ist diesem am 18.12.2021 zugestellt worden (Bl. 95c R d.A.). Zuletzt hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 07.12.2021 (Bl. 102 d.A.) dahin erweitert, dass er nunmehr auch die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.800,00 EUR für das Jahr 2018 nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Auf die geänderte Klage haben sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2022 unwidersprochen eingelassen. Ob die letzte Klageerweiterung der Beklagten zu 1) bereits vor dem Verhandlungstermin am 16.09.2022 zugegangen war, ließ sich nicht feststellen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn - den Kläger - 7.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2020 zahlen, sowie

  2. festzustellen, dass dem Kläger seit dem 01.01.2016 für das Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ……………………… des Amtsgerichts Cottbus, Flur …., Flurstück ….. eine Nutzungsentschädigung von mindestens 5 EUR/Quadratmeter Nutzfläche für 170 Quadratmeter Wohnfläche gegen die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin mit ihrem Ehemann ……………………… zusteht, sowie

  3. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, das streitbefangene Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ……………………… des Amtsgerichts Cottbus, Flur …, Flurstück …., sowie das hierauf befindliche Einfamilienhaus zu räumen und an den Kläger herauszugeben, sowie

  4. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, das streitbefangene Grundstück, eingetragen im Grundbuch von ……………………… des Amtsgerichts Cottbus, Flur …, Flurstück …., sowie das hierauf befindliche Einfamilienhaus zu räumen und an den Kläger herauszugeben, sowie

  5. die Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn - den Kläger - weitere 7.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2022 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Beklagten zu 1) stünde gem. § 986 Abs. 1 BGB resultierend aus § 1353 Abs. 1 BGB und der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Pflicht der Ehegatten zur Herstellung einer auch räumlichen Lebensgemeinschaft ein Besitzrecht an der Ehewohnung zu, so dass jedenfalls Ansprüche aus §§ 988, 987 BGB ausscheiden müssten. Da sie, so meint sie weiter, gem. § 1353 Abs. 1 BGB zur unentgeltlichen Mitbenutzung der Ehewohnung berechtigt sei, scheide auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus. Dies sei für das Zwangsverwaltungsverfahren anerkannt; für das Insolvenzverfahren könne anderes nicht gelten. Insgesamt schulde sie daher keine Nutzungsentschädigung für die Jahre 2016 und 2018. Auch der Feststellungs- und der Herausgabeantrag gegen die Beklagte zu 1) seien in der Folge unbegründet.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Über die Anträge zu Ziff. 1, 2, 3 und 5 war gem. § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden. Die sich auf die begehrte Nutzungsentschädigung beziehenden Anträge sind entscheidungsreif ebenso wie der sich gegen die Beklagte zu 1) richtende Herausgabeantrag. Hinsichtlich des gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Herausgabeantrags handelt es sich um einen von den Anträgen gerichtet auf Nutzungsentschädigung und Herausgabe gegenüber der Beklagten zu 1) abgrenzbaren und eigenständigen Klagegegenstand. Sie sind auch voneinander unabhängig. Ein Widerspruch zwischen Teil- und Schlussurteil droht nicht. Demgegenüber ist der Klageantrag zu Ziff. 4 noch nicht entscheidungsreif, da bislang entgegen § 139 Abs. 3 ZPO nicht auf das dem Kläger fehlende Rechtsschutzbedürfnis hingewiesen worden ist.

II.

1. Die Klage ist, insoweit sie hier zu bescheiden war, zulässig. Das Landgericht Cottbus ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gem. § 12 ZPO im Hinblick auf die Anträge zu Ziff. 1, 2 und 5 örtlich zuständig. Im Hinblick auf den Herausgabeantrag (Ziff. 3) folgt die örtliche Zuständigkeit aus § 24 Abs. 1 ZPO, da das streitbefangene Grundstück im Bezirk des Landgerichts Cottbus belegen ist. Der Kläger ist als Partei kraft Amtes auch prozessführungsbefugt. Im Hinblick auf die Zahlungsanträge zu Ziff. 1 und Ziff. 5 und den Herausgabeantrag bestehen darüber hinaus keine Zulässigkeitsbedenken.

Der Klageantrag zu Ziff. 2, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 1) ihm seit dem Jahr 2016 jährlich Nutzungsentschädigung für die unentgeltliche Mitnutzung des Grundstücks nebst Einfamilienhaus schulde, richtet sich auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Zweifelhaft ist indes das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse als besondere Sachurteilsvoraussetzung. Denn jedenfalls für die Zeiträume bis zur Klageerhebung im Jahr 2019 wäre es ihm unschwer möglich gewesen, Leistungsklage zu erheben, was er im Hinblick auf die Jahre 2016 und 2018 auch getan hat. Indes ist das Vorliegen des Feststellungsinteresses nur für ein klagestattgebendes Urteil echte Sachentscheidungsvoraussetzung. So ist in Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 12.02.2003 - 10 AZR 299/02, NJW 2003, 1755 (1756); BGH, Urt. v. 10.10.2017 – XI ZR 456/16, NJW 2018, 227 Rn. 16; Urt. v. 14.03.1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031 (2032)) und Literatur (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 256 Rn. 38; Musielak/Voit/Foerster, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 256 Rn. 7) anerkannt, dass das gem. § 256 Abs. 1 ZPO für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Feststellungsinteresse regelmäßig dann dahinstehen kann, wenn eine entsprechende Leistungsklage unbegründet wäre. Denn in einem solchen Fall müsste ggf. trotz feststehender sachlicher Abweisungsreife in der Sache in eine zeit- und möglicherweise auch kostenintensive Prüfung des Feststellungsinteresses eingetreten werden. Dies erscheint nicht prozessökonomisch.

III.

In der Sache bleiben die hier beschiedenen Klageanträge indes ohne Erfolg. Der durch den Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemachte Nutzungsentschädigungsanspruch für die unentgeltliche Mitnutzung der von ihr und dem Beklagten zu 2) gehaltenen Ehewohnung steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies führt zur Abweisung der beiden Zahlungsanträge (Anträge zu Ziff. 1 und Ziff. 5, sub III.1 - 3) sowie des Feststellungsantrags (Antrag zu Ziff. 2, sub III.4). Auch Herausgabe des Grundstücks kann der Kläger von der Beklagten zu 1) jedenfalls derzeit nicht verlangen (Antrag zu Ziff. 3, sub III.5).

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 15.600,00 EUR Nutzungsentschädigung für die Jahre 2016 und 2018 aus § 988 BGB bzw. aus § 987 BGB je i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO zu. Zwar ist der Insolvenzverwalter zur Verfügung über das gem. § 35 Abs. 1 InsO in den Insolvenzbeschlag fallende, im Eigentum des Beklagten zu 2) stehende Grundstück sowie der dem Beklagten zu 2) aus seinem Eigentum an dem Grundstück zustehenden Rechte befugt (§ 80 Abs. 1 InsO). Es fehlt für die Anwendbarkeit der auf Nutzungsherausgabe zielenden Bestimmungen des sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses bereits am Vorliegen einer Vindikationslage im Sinne von §§ 985, 986 BGB. Denn der Beklagten zu 1) steht nach dem im Wesentlichen unstreitigen Sachverhalt ein Recht zum Mitbesitz an der gemeinsam von den Beklagten genutzten Ehewohnung zu. Dies jedenfalls solange, wie nicht die räumliche Lebensgemeinschaft zwischen den Beklagten dadurch beendet wird, dass der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Grundstücks gem. § 148 Abs. 2 S. 1 InsO auf Grundlage des Insolvenzeröffnungsbeschlusses gegen den Beklagten zu 2) vollstreckt hat.

a. Gem. § 985 BGB ist der Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Herausgabe verpflichtet. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Besitzer ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB gegenüber dem Eigentümer zusteht. So liegt es indes hier. Die Beklagte zu 1) ist zum Besitz des Grundstücks nebst Ehewohnung berechtigt.

aa. Zunächst ist herauszustellen, dass es aufgrund der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters bei der Beurteilung eines bestehenden Besitzrechtes auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 1) ankommt, nicht jedoch auf die Frage, ob die Beklagte zu 1) auch gegenüber dem Kläger besitzberechtigt ist. Zwar verliert der Schuldner, hier der Beklagten zu 2), mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen. Indes bleibt dennoch materiell-rechtlich er Inhaber der ihm zustehenden Vermögensrechte. Der Insolvenzverwalter übt demgegenüber lediglich das dem Schuldner durch § 80 Abs. 1 InsO entzogene Verwaltungs- und Verfügungsrecht aus (BGH, Beschl. v. 27.10.1983 - I ARZ 334/83, NJW 1984, 739; K. Schmidt/Sternal, InsO, 19. Aufl. 2016, § 80 Rn. 19; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2022, § 80 Rn. 21). Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter zwar über das Vermögen des Beklagten zu 2) verfügen darf. Indes muss er es so hinnehmen, wie es bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, insoweit nicht die Insolvenzordnung selbst, insbesondere in den §§ 103 ff. InsO, ihm weitergehende Einwirkungsrechte zugesteht, als sie der Schuldner ohne Insolvenzverfahrenseröffnung gehabt hätte. Anders gewendet: Steht dem Schuldner im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein Vindikationsanspruch gegen den Besitzer von zur Masse gehörenden Gegenständen materiell-rechtlich nicht zu, scheidet auch ein entsprechender Anspruch des Insolvenzverwalters aus (mit dieser zutreffenden Schlussfolgerung auch LG Berlin, Urt. v. 27.07.2007 - 26 O 132/07, BeckRS 2008, 13239; s. auch BGH, Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 29/90, NJW 1991, 560 (561) zu relativ gegenüber dem Schuldner bestehen bleibenden Einwendungen auch gegenüber dem Insolvenzverwalter).

bb. Gegenüber dem Beklagten zu 2) indes ist die Beklagte zu 1) im Sinne von § 986 Abs.1 BGB zum Besitz berechtigt und scheidet mithin ein Herausgabeanspruch des Klägers aus. Indem der Beklagte zu 2) die Beklagte zu 1) in seinem Einfamilienhaus ehebedingt zwecks Begründung einer häuslichen Lebensgemeinschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgenommen hat, ist es zwischen den Beklagten jedenfalls konkludent zum Abschluss eines Gebrauchsüberlassungsvertrages hinsichtlich der gemeinsam genutzten Ehewohnung nach Art einer Leihe gekommen (so BGH, Urt. v. 26.02.1954 - V ZR 135/52, NJW 1994, 918 (920); LG Berlin, Urt. v. 27.07.2007 - 26 O 132/07, BeckRS 2008, 13239). Bereits hieraus folgt ein Recht zum Mitbesitz der gemeinsamen Ehewohnung (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.2016 - XII ZR 33/15, NJW 2016, 2652 Rn. 13 ff.; BeckOK-BGB/Fritzsche, 63. Edition, Stand 01.08.2022, Rn. 986 Rn. 6). Eine Pflicht, die Wohnung herauszugeben, hätte daher mindestens ein Herausgabeverlangen vor 2016 erforderlich gemacht (vgl. § 604 Abs. 3 BGB, vgl. LG Berlin, Urt. v. 27.07.2007 - 26 O 132/07, BeckRS 2008, 13239). Soweit ersichtlich hat der Kläger indes erstmalig im hiesigen Prozess Herausgabe verlangt.

Aber auch unabhängig von einem gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Herausgabeverlangen steht ihr ein Recht zum Mitbesitz der mit dem Beklagten zu 2) gemeinsam genutzten Ehewohnung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB gegenüber dem Beklagten zu 2) und mithin auch gegenüber dem Kläger zu. Hiernach sind Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Daraus folgt sowohl das Recht als auch die Pflicht zur Herstellung einer häuslichen Lebensgemeinschaft (BeckOGK-BGB/Erbarth, Stand 01.06.2022, § 1353 Rn. 159) und damit zugleich ein Recht zum Mitbesitz an dem im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Grundbesitz, wenn dieser zur Herstellung und Ermöglichung der häuslichen Gemeinschaft der Eheleute genutzt wird (BGH, Urt. v. 30.04.2008 - XII ZR 110/06, NJW 2008, 2333; MünchKommBGB/Baldus, 8. Aufl. 2020, § 986 Rn. 23). Zwar wirkt dieses Besitzrecht nur relativ gegenüber dem anderen Ehegatten und kann daher insbesondere die Vindikation eines Dritten, der nachfolgend Eigentum an der von den Ehegatten genutzten Wohnung erworben hat, nicht sperren (MünchKommBGB/Baldus, a.a.O., Rn. 26). Der Kläger ist als Insolvenzverwalter in diesem Sinne aber nicht Dritter. Denn er verfügt lediglich über das Vermögen, wie es in der Person des Schuldners, hier des Beklagten zu 2), bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht. Diesem gegenüber steht der Beklagten zu 1) indes ein Besitzrecht aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zu, welches nur beendet werden kann, wenn entweder sich die Beklagten zum Getrenntleben entschließen oder aber der Kläger die häusliche Gemeinschaft der Eheleute dadurch auflöst, dass er gegen den Beklagten zu 2) gestützt auf § 148 Abs. 2 S. 1 InsO die Herausgabevollstreckung erfolgreich betreibt. Denn ist die häusliche Gemeinschaft aufgelöst und kann sie jedenfalls in der Person des Beklagten zu 2) nach erfolgreicher Herausgabevollstreckung durch den Kläger auf dem streitbefangenen Grundstück nicht mehr hergestellt werden, endet auch das Mitbesitzrecht der Beklagten zu 1) an dem Grundstück. Für diese Sichtweise spricht insbesondere auch Art. 6 Abs. 1 GG, der u.a. auch den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe unter verfassungsrechtlichen Schutz stellt. So liegt es hier indes nicht, da der Kläger die Herausgabevollstreckung gegen den Beklagten zu 2) nicht betrieben, nicht einmal angestoßen hat.

2. Auch ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die unentgeltliche Nutzung des streitbefangenen Grundstücks aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB scheidet aus. Denn durch Leistung des Klägers hat die Beklagte zu 1) nichts ohne Rechtsgrund erlangt.

3. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB (Nichtleistungskondiktion). Hiernach ist derjenige, der in sonstiger Weise etwas auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Allerdings darf die Zulassung einer Nichtleistungskondiktion nicht dazu führen, dass in mehrpoligen Rechtsverhältnissen die Beteiligten ihrer relativen Einwendungen verlustig gehen. Erlangt jemand folglich etwas durch Leistung eines anderen, so erfolgt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung allein zwischen den am Leistungsaustausch Beteiligten. Dies sperrt die auf dieselbe Vermögensverschiebung zielende Nichtleistungskondiktion eines Dritten (Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion, BGH, Urt. v. 10.04.2014 - VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805 Rn. 32). Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion nicht zur Seite. Denn der Mitbesitz wurde der Beklagten zu 1) durch Leistung des Beklagten zu 2), sprich durch bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung, zwecks Erfüllung seiner Pflicht zur Herstellung der häuslichen Lebensgemeinschaft einerseits und seiner aus dem konkludent zwischen den Beklagten geschlossenen Gebrauchsüberlassungsvertrag folgenden Pflicht zur Einräumung des Mitbesitzes an der Ehewohnung andererseits zugewandt. Liegt aber im Hinblick auf diese Vermögensverschiebung ein Leistungsverhältnis vor, sperrt dies eine Nichtleistungskondiktion des Klägers (OLG Celle, Urt. v. 19.01.1973 - 2 U 69/72, OLGZ 1973, 241 (242); LG Berlin, Urt. v. 27.07.2007 - 26 O 132/07, BeckRS 2008, 13239).

4. Gemessen an dem vorstehend Ausgeführten besteht auch zum jetzigen Zeitpunkt kein Anspruch auf Feststellung, dass eine solche Nutzungsentschädigung durch die Beklagte zu 1) seit 2016 geschuldet ist. Allenfalls kann ein solcher Anspruch in Zukunft begründet sein, wenn die hier näher beschriebenen Voraussetzungen eintreten. Zur Zeit ist er es nicht.

5. Schließlich kann der Kläger von der Beklagten zu 1) auch nicht Herausgabe des streitbefangenen Grundstücks verlangen. Der Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 985 BGB, da die Beklagte zu 1), wie oben sub III.1.a.bb. näher erläutert, gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB jedenfalls auch gegenüber dem Kläger solange zum Besitz an der Ehewohnung berechtigt ist, als dieser die häusliche Gemeinschaft der Beklagten durch erfolgreiche Herausgabevollstreckung (§ 148 Abs. 2 S. 1 InsO) gegenüber dem Beklagten zu 2) (noch) nicht beendet hat.

6. Die Kostengrundentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Dies gilt auch von der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, da aus einem klageabweisenden Urteil ohne Kostengrundentscheidung für die Beklagten nichts gegen den Kläger vollstreckt werden kann.