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Entscheidung 1 W 42/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 26.08.2024
Aktenzeichen 1 W 42/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0826.1W42.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 6. August 2024 – 2 O 174/24 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit eigenem Schreiben vom 9.7.2024 den Erlass einer einstweiligen Verfügung über die Erteilung von Auskunft durch die Antragsgegnerin beantragt und gleichzeitig eine Klage auf die Leistung eines Schadensersatzes erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie in der Zeit ab 2011 und ab 2015 bis jeweils 30.10.2021 zwei Mitgliedskonten bei der Antragsgegnerin unterhalten und die Antragsgegnerin einen systematischen Datenmissbrauch betrieben habe, weshalb die Antragstellerin am 9.11.2021, 10.5.2023 und 1.7.2024 eine Auskunftserteilung – erfolglos – eingefordert habe.

Das Landgericht hat die Antragstellerin unter dem 12.7.2024 darauf hingewiesen, dass das Klageverfahren unter dem getrennten Aktenzeichen … geführt werde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowohl unzulässig als auch unbegründet sei.

Durch Beschluss des Einzelrichters vom 6.8.2024 hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen mit der Begründung, dass dem nach § 78 Abs. 1 ZPO bestehenden Anwaltszwang nicht genügt sei. Der Beschluss ist der Antragstellerin am 9.8.2024 zugestellt worden.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 9.8.2024, das am 12.8.2024 beim Landgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt und ein Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter ausgebracht.

Durch Beschluss des Landgerichts vom 15.8.2024, an dem der abgelehnte Einzelrichter nicht mitgewirkt hat, hat das Landgericht dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde als das nach § 567 ZPO statthafte Rechtsmittel auszulegen. Als solche ist sie fristgerecht nach § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO eingelegt worden. Der Senat sieht davon ab, eine Entscheidung zu der in Rechtsprechung und Schrifttum strittigen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 922, Rn. 19) Frage zu treffen, ob die Einlegung der sofortigen Beschwerde dem Rechtsanwaltszwang nach § 78 ZPO unterliegt oder nicht, da, wie sogleich zu zeigen sein wird, die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung ohnedies in nicht zu erlassen ist.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nämlich jedenfalls unbegründet. Das gilt ungeachtet der inhaltlichen Unrichtigkeit der Gründe der angefochtenen Beschlussfassung, zu der der Antragstellerin darin beizutreten ist, dass die Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch beim Landgericht nicht dem Rechtsanwaltszwang unterliegt (vgl. Zöller/Vollkommer a. a. O.; Zöller/Althammer, a. a. O., § 78, Rn. 28). Denn es fehlt, wie das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 15.8.2024 zutreffend hervorgehoben hat, am Vorliegen eines Verfügungsgrundes.

Dabei steht der Entscheidung des Senats nicht entgegen, dass das Landgericht im Vorfeld des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.8.2024 nicht über das gegen den Einzelrichter ausgebrachte Ablehnungsgesuch befunden hat. Zwar ist grundsätzlich stets vor einer instanzbeendenden Sachentscheidung über ein ausgebrachtes Ablehnungsgesuch zu entscheiden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.3.2007, 2 BvR 2470/06, zitiert nach juris; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46, Rn. 2). Das gilt indes nicht ausnahmslos, sondern nur, soweit nicht ein sachlicher Grund vorliegt, der eine davon abweichende Vorgehensweise rechtfertigt (vgl. BVerfG a. a. O.). Das Letztere ist hier der Fall. Das Landgericht hat durch die Beschlussfassung vom 15.8.2024 ersichtlich das noch nicht lange andauernde Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit größtmöglicher Zügigkeit fortsetzen und dadurch seiner Funktion als besonderes Eilverfahren genügen wollen. Insoweit ist es – auch – im Interesse der Antragstellerin vorgegangen, indem es eine Verzögerung des Eilverfahrens durch die Durchführung des Zwischenverfahrens (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 46, Rn. 1) über das Ablehnungsgesuch vermieden hat.

In der Sache liegen indes die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO nicht vor. Nach diesen Vorschriften darf eine einstweilige Verfügung nur erlassen werden, wenn der antragstellenden Partei anderenfalls Nachteile zu erwachsen drohen, die nur durch ihren Erlass abgewendet werden können, sei es, dass die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden, sei es, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung sonstiger wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen erforderlich ist. Ein solches Eilbedürfnis hat das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 15.8.2024 zu Recht verneint.

Es ist anerkannt, dass von einer den Erlass einer einstweiligen Verfügung gebietenden besonderen Dringlichkeit nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn eine antragstellende Partei über einen längeren Zeitraum hinweg einen Rechtsverstoß geduldet oder eine Beeinträchtigung ihrer Rechte hingenommen hat; denn sie bringt dann durch ihr Zuwarten selbst zum Ausdruck, dass eine Eilbedürftigkeit, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen könnte, nicht gegeben ist (Senat, Beschluss vom 1.12.2015, 1 W 40/15; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.12.2019, 5 W 81/19, zitiert nach juris; OLG Hamburg, Urteil vom 21.3.2019, 3 U 105/18, zitiert nach juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018, 3 W 2064/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 9.5.2019, 15 W 70/18, zitiert nach juris; OLG Naumburg MMR 2013, 131, 132; KG NJW-RR 2012, 1382, 1384; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 940, Rn. 4; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 45. Aufl., § 940, Rn. 5; Musielak/Voit/Huber/Braun, ZPO, 21. Aufl., § 140, Rn. 4; MünchKomm./Drescher, ZPO, 6. Aufl., § 935, Rn. 18; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 940, Rn. 8). In solchen Fällen ist die antragstellende Partei zur Wahrung ihrer Rechte grundsätzlich auf das allgemeine Klageverfahren zu verweisen, ohne dass eine Notwendigkeit besteht, eine Entscheidung im Eilverfahren ohne vorherige Anhörung des Prozessgegners zu treffen (Senat a. a. O.). Die Dauer der dabei noch hinnehmbaren Verzögerung ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen (Senat a. a. O.; OLG Nürnberg a. a. O.; OLG Köln a. a. O.; MünchKomm./Drescher, a. a. O., § 935, Rn. 19; Musielak/Voit/Huber/Brauns a. a. O.), wobei eine Verzögerung von mehr als einem Monat in der Regel nicht mehr als unschädlich angesehen werden kann (Senat a. a. O.; OLG Nürnberg a. a. O.; OLG Hamburg a. a. O.; OLG Köln a. a. O.; OLG München MMR 2003, 270, 271). Diesen Zeitraum hat die Antragstellerin im vorliegenden Fall bei weitem überschritten. Wie das Landgericht in der Beschlussfassung vom 15.8.2024 zu Recht hervorgehoben hat, hat sie bereits 2021 im Anschluss an die Kündigung ihrer Konten auf der Internetplattform der Beklagten ein erstes – vergebliches – Auskunftsbegehren an die Antragsgegnerin gerichtet. Im Anschluss daran hat sie erst nach mehr als 2,5 Jahren den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt, was nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen dazu führt, dass ein Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO nicht – mehr – erkannt und eine einstweilige Verfügung demzufolge nicht erlassen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.