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Entscheidung 2 U 25/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 13.08.2024
Aktenzeichen 2 U 25/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0813.2U25.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25.07.2023, Az. 12 O 1/22, teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf einen Gebührenwert bis 1.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch erfüllt die Begründung die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Nach der Vorschrift muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und die einzelnen Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art deutlich machen, auf die sich die Angriffe erstrecken sollen (s. etwa BGH, Urteil vom 13.11.2001 – VI ZR 414/00, NJW 2002, 682). Anders als der Kläger meint, trägt die Berufungsbegründung der Beklagten diesen Anforderungen Rechnung. Die Beklagte wendet sich zum einen dagegen, dass das Landgericht ohne weitere Feststellungen von dem streitgegenständlichen Unfallereignis ausgegangen ist. Zum anderen tritt sie den Auffassungen des Landgerichtes, wonach die Beklagte mit der Aufstellung des Pflanzkübels gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen habe und diese Pflichtverletzung von dem Mitverschulden des Klägers nicht gänzlich überwogen werde, in rechtlicher Hinsicht entgegen.

2. Die Berufung ist auch begründet. Wegen der geltend gemachten Beschädigung seines Fahrzeugs am 07.09.2020 steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz nicht zu.

a) Das Landgericht hat das streitgegenständliche Unfallereignis allerdings zu Recht als gegeben angesehen. Denn das den Unfallhergang betreffende Vorbringen des Klägers ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, weil sich die Beklagte hierzu lediglich mit Nichtwissen erklärt hat und diese Erklärung nach § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig ist.

Nach der Vorschrift ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind; diesen entsprechen bei juristischen Personen Handlungen und Wahrnehmungen ihrer gesetzlichen Vertreter (BGH, Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 08.01.2019 – II ZR 139/17, NJW-RR 2019, 747, Rn. 34 m.w.N.). Vorliegend hat der Bürgermeister der Beklagten – bei dem es sich um ihren gesetzlichen Vertreter handelt (§ 53 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf) – in seiner Anhörung durch das Landgericht bekundet, zum fraglichen Zeitpunkt in der Nähe des behaupteten Unfallortes gewesen zu sein, das ankommende Fahrzeug des Klägers gesehen und sodann ein lautes Geräusch gehört zu haben; er sei daraufhin zum Kläger gegangen und habe sich mit ihm den Schaden angeschaut. Angesichts dieser Wahrnehmungen war es für die Beklagte prozessual geboten, sich konkret zu dem behaupteten Unfallhergang zu erklären.

Da das Landgericht das klägerische Vorbringen zum Unfallhergang seiner Entscheidung demnach als zugestanden zu Grunde zu legen hatte, stellt sich die von der Berufung der Sache nach aufgeworfene Frage, ob sich das behauptete Geschehen aufgrund der Erklärungen des Bürgermeisters mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, von vornherein nicht.

b) Aufgrund des mithin als gegeben anzunehmenden Unfallereignisses vom 07.09.2020 ist die Beklagte dem Kläger gegenüber jedoch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 10 Abs. 1 BbgStrG als der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht festzustellen, dass die Beklagte durch die Aufstellung des Pflanzkübels gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat.

(1) Die die Beklagte nach § 9a Abs. 1 Satz 3 BbgStrG treffende Pflicht zum Bau, zur Unterhaltung sowie zur Erhaltung der Verkehrssicherheit der in ihrem Gebiet liegenden Straßen, die ihren Bediensteten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG als in hoheitlicher Tätigkeit auszuübende Amtspflicht obliegt, entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54). Sie geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand drohen (BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70, a.a.O.). Der Umfang dieser Pflicht wird von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Demnach müssen Straßen und Wege nicht schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein. Denn eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden (s. bereits BGH, Urteil vom 27.10.1966 – III ZR 132/65, BeckRS 1966, 30373975). Vielmehr ist es grundsätzlich am Straßenbenutzer, sich den gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78, BeckRS 1979, 30398103). Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78, a.a.O.; Senat, Urteil vom 13.02.2007 – 2 U 12/06, BeckRS 2009, 7287; Urteil vom 20.08.2013 – 2 U 34/12, BeckRS 2013, 16495).

Diese Anforderungen gelten nicht nur für den Straßenkörper im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 BbgStrG, sondern auch für das Zubehör im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BbgStrG (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 05.04.2004 – 12 U 236/03, NVwZ-RR 2005, 276). Sonstige Anlagen, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen, dürfen demnach nicht selbst zur Quelle einer Verkehrsgefährdung werden, sondern müssen eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass Fahrzeuge bei verkehrsgerechtem Verhalten ihrer Führer nicht beschädigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.1991 – III ZR 125/90, NZV 1991, 385). Anhand von § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO sind die hierunter fallenden Anlagen hingegen nicht zu beurteilen, da sie als nicht-verkehrsfremde Gegenstände keine Hindernisse im Sinne der Vorschrift darstellen (s. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.10.1995 – 18 U 38/95, NJW 1996, 731; vgl. auch Sauthoff, in: Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 32 StVO, Rn. 8; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Auflage 2024, § 32 StVO, Rn. 4, Ritter, in: BeckOK StVR, Stand: 15.04.2024, § 32 StVO, Rn. 12, jeweils m.w.N.).

(2) Diese Grundsätze kommen vorliegend zum Tragen. Der Pflanzkübel ist von der Beklagten unstreitig zum Schutz der Anlieger der („Straße 01“) aufgestellt worden, nämlich um dem Verbot, vor Grundstücksein- und -ausfahrten zu parken (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 Alt. 1 StVO), für die Zufahrt zum Parkplatz des Rathauses Geltung zu verschaffen. Der Kübel stellt damit Straßenzubehör im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BbgStrG dar.

Unter Anwendung der vorstehend dargelegten, mithin einschlägigen Maßstäbe steht der vom Landgericht zur Begründung eines Mitverschuldens des Klägers angeführte Umstand, dass der Pflanzkübel für Fahrzeugführer, die den Parkplatz verlassen, bis zum Passieren der Torausfahrt erkennbar ist und erst danach verdeckt wird, bereits der Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung entgegen. Denn danach war der Kübel für vom Parkplatz abfahrende Fahrzeugführer, die die erforderliche Sorgfalt walten lassen, hinreichend erkennbar. Von einem durchschnittlichen Kraftfahrer ist nämlich zu erwarten, sich rechtzeitig einen Überblick über den zu befahrenen Raum zu verschaffen, ehe dieser vom Sichtschatten des eigenen Fahrzeugs (teilweise) verdeckt wird. Ebenso kann von einem Kraftfahrzeugführer erwartet werden, in der Lage zu sein, einem erkannten feststehenden Hindernis auch dann noch auszuweichen, wenn das Hindernis nach Annäherung hieran nicht mehr sichtbar ist.

Eine andere Würdigung wäre im Übrigen auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Pflanzkübel schon vor dem Passieren der Tordurchfahrt für die Führer ausfahrender Pkw nicht erkennbar wäre. Beim Abbiegen von der Parkplatzzufahrt auf die („Straße 01“) haben Fahrzeugführer den besonderen Sorgfaltspflichten nach § 10 Satz 1 StVO Rechnung zu tragen. Der auf die Fahrbahn Einfahrende muss sich demnach so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, und sich erforderlichenfalls einweisen lassen. Schon daher dürfen sich vom Parkplatz des Rathauses abfahrende Fahrzeugführer nicht darauf verlassen, in dem Bereich, der durch die A-Säule oder andere Bauteile ihres Fahrzeugs verdeckt wird, nicht auf Hindernisse zu treffen. Vielmehr haben sie sich zu vergewissern, dass der Raum, den sie zum Einbiegen nutzen wollen, frei ist und sich dort nicht etwa Fußgänger – Erwachsene oder Kinder – aufhalten (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 07.02.2012 – 1 U 3610/11, BeckRS 2012, 5931). Dabei haben sie die sich aus ihrem Fahrzeug ergebenden Einschränkungen der Sicht nach vorn und zu den Seiten ebenso zu kennen und zu berücksichtigen, wie den sog. toten Winkel des Rück- und Außenspiegels (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 19.03.1996 – 10 U 167/95, BeckRS 2009, 19697; OLG Köln, Urteil vom 13.10.1994 – 18 U 42/94, NZV 1995, 74), und sich deshalb erforderlichenfalls zusätzlich auf andere Weise Gewissheit darüber zu verschaffen, ob das Einfahren auf die Fahrbahn ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchgeführt werden kann. Angesichts dieser besonderen Sorgfaltspflichten musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeugführer deshalb mit dem Pflanzkübel kollidiert, weil er den betreffenden Bereich beim Abbiegen vom Parkplatz auf die („Straße 01“) gewissermaßen blindlings befährt.

bb) Der erhobene Ersatzanspruch scheitert davon abgesehen nach § 254 Abs. 1 BGB daran, dass an der Entstehung des geltend gemachten Schadens ein Verschulden des Klägers mitgewirkt hat, welches eine – hier unterstellte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten – eindeutig überwiegt.

Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt ein Mitverschulden vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig hätte erkennen können, dass Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehen, und er die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (statt vieler Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 254 BGB, Rn. 47). So liegt es hier.

Unstreitig war dem Kläger die Örtlichkeit vertraut. Er ist nach den Bekundungen des vom Landgericht angehörten Bürgermeisters der Beklagten seit den 1990er Jahren für diese tätig. Nach seinen eigenen Angaben nutzt er den Parkplatz des Rathauses arbeitstäglich. Auch der im Streit stehende Pflanzkübel ist dem Kläger unstreitig bekannt. Abgesehen davon, dass es für ihn nach dem Vorstehenden geboten war, sich vor der Auffahrt auf die Fahrbahn der („Straße 01“) davon zu vergewissern, dass der Bereich, den er zum Einbiegen nutzen wollte, frei ist, war es ihm aufgrund dieser Vorkenntnisse auch ohne weiteres möglich, sich auf die von dem Kübel ausgehende Gefahr einzustellen und die Kollision zu vermeiden. Dass sein Fahrzeug dennoch in Kontakt mit dem an dem Kübel angebrachten Schild geraten ist, stellt sich daher als Folge der eigenen Unaufmerksamkeit des Klägers dar.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.